Maximilian Reichsfreiherr von Wimpffen

 

Feldmarschall Maximilian von Wimpffen
Kapitän der Ersten Arcieren -Leibgarde
1770-1854
Gemälde von Clara de Both (1907 – 2000)
Museum von Aspern-Essling 1809

Unter einem hohen Obelisken, auf deren Spitze ein Todesgenius mit gesenkter, lorbeerumkränzter Lebensfackel steht, erhielt der ehemalige Generalstabschef der österreichischen Armee in der siegreichen Schlacht von Aspern (und der verlorenen von Wagram) seine letzte Ruhestätte. Auf dem „Heldenberg“ nahe Wien endete an einem sonnigen Augusttag die bewegte militärische Laufbahn eines Soldaten, dem zwei so grundverschiedene Literaten wie Bruno Brehm und Stefan Heym ein literarisches Denkmal setzten. Zu dessen Seite der legendäre Feldmarschall Radetzky beigesetzt werden wollte, statt neben Königen und Kaisern in der Wiener Kapuzinergruft seine Ewige Ruhe zu finden. “Es ist mein Wille, schrieb Österreichs berühmtester Soldat in seinem Testament, „ an der Seite meines alten Freundes Marschall von Wimpffen beigesetzt zu werden.“
Wenige Jahre nach seinem Tod erhielt Maximilian von Wimpffen ein Denkmal auf dem „Heldenberg“, nahe Wien; in Wagram , Wien und Wetzdorf sind Strassen nach ihm benannt; doch wenn alljährlich am Todestag Radetzkys das republikanische österreichische Bundesheer einen Kranz niederlegt, am Grab des Besiegers des italienischen Freiheitskampfes von 1848, der italienische Revolutionäre  hinrichten ließ, bekommt der andere Feldmarschall, der sein Soldatenleben lang für die Befreiung Österreichs von der französischen Fremdherrschaft gekämpft hat, nicht einmal einen Blumenstrauß. Und es sind nur drei Schritte, die beide Gräber voneinander trennen.

Maximilian von Wimpffen, wurde am 19. Februar 177o in Münster / Westfalen geboren. Doch er war kein Westfale, wie der Historiker Franz Herre irrtümlich annahm („ein schwerblütiger Westfale“),er war nicht einmal ein deutscher Untertan.
Der Vater, Maréchal de Camp, Francois Georges de Wimpffen, war Kommandeur des deutschen Regiments La Marck, das in französischen Diensten stand. Er war Untertan des französischen Königs und somit war auch sein Sohn zunächst einmal Franzose. Er heiratete 1761 jedoch die westfälische Adelige, Juliane Freiin von Boeselager, die ihren zweiten Sohn, Maximilian in Münster zur Welt gebracht hat. Da der Vater  1765 den „freien Adelssitz“ Schloss Mollberg in Bayern erwarb und gleichzeitig die „Landsassenpflicht“ abgelegt hatte, war er sozusagen auch Untertan des bayerischen Kurfürsten. Er blieb aber weiterhin in französischen Diensten , und weil seine Familie das Schloss am Donauufer nicht bezogen hat, faktisch ist er demnach weiterhin Franzose geblieben. Francois Georges de Wimpffen wurde erst auf Grund der Fürsprache des Herzogs de Choiseul Ende 1771 aus französischen Diensten entlassen. Er verkaufte das vor paar Jahren erworbene Schloss Mollberg (in der Nähe von Höchstadt a.D.) und bewarb sich nun um eine Anstellung in österreichischen Diensten. 1772 teilte ihm Staatskanzler Fürst Kaunitz mit, dass er zum Kommandeur eines Husarenregiments in Siebenbürgen ernannt wurde. Somit wurde Francois Gerorges de Wimpffen zwei Jahre nach der Geburt seines  Sohnes Maximilian tatsächlich österreichischer Untertan und Kommandeur eines ungarischen (Szekler-Husaren) geworden.

Der Vater des Marschalls von Wimpffen, Generalleutnant Francois Georges de Wimpffen
Gemälde von Clara de Both(1907-2000)

War also der spätere Feldmarschall von Wimpffen „gebürtiger“ Franzose, Bayer oder Österreicher? Bei seiner Geburt war er Franzose, doch als er mit 11 Jahren Zögling der Wiener- Neustädter Militärakademie wird, ist er zweifelsohne Österreicher geworden – und ist es bis zu seinem Tod geblieben, obwohl sein Vater und dessen ganze Familie 18o8 nicht das österreichische, sondern das ungarische Indigenat erhielten. Seine Großmutter,die Französin Dorothée Mazille Baronne de Fouquerolles, mit der er in frühen Jahren eine lebhafte Korrespondenz führte, sprach allerdings immer von „mon petit-enfant Maximilien“.( Ein ähnlicher Lebensweg kennzeichnet auch den Feldmarschall Helmuth von Moltke; auch er entstammte einer deutschen Familie, wurde aber in Dänemark geboren, trat dort in die dänische Militärakademie in Kopenhagen ein und wurde nach Abschluss in die dänische Armee übernommen. Erst durch den Übertritt in die preußische Armee wurde er zu einem „Preußen“, oder, wenn man so will, zum Deutschen.)
Wimpffen verbrachte fünf Jahre an der von Maria Theresia gegründeten “Theresianischen Militärakademie”. Es ist nicht uninteressant, einen Blick auf das Innenleben dieser Ausbildungsstätte der Armee der Habsburgermonarchie zu werfen. Wie gestaltete sich der Alltag, welche Erziehungsprinzipien herrschten bei der Ausbildung, welchem Bildungsideal huldigte der Lehrkörper?
Die einzelnen Fächer würden heutigen Armee-Universitäten zur Ehre gereichen: deutsche Sprache, lateinische Sprache, Grundkenntnisse in Böhmisch, Italienisch, Französisch, Ungarisch und Polnisch, Geschichte, Geografie, Arithmetik und Algebra, angewandte Mathematik, Differential- und Integralrechnung, Lehre von den Kegelschnitten, Artilleriewissenschaft, praktische Geometrie, Feldbefestigung, Naturgeschichte, Naturlehre, permanente Befestigung, Natur – und Moralphilosophie, Situationszeichnen, Briefstiel, Taktik,Religion, Exerzieren und Leibesübungen, Terrainaufnahme, Lagerausstecken, Wacht- und Patrouillendienst, Scheibenschießen mit der Flinte und Pistole, Reiten, Fechten und Tanzen.

Zu Wimpffens Zeit war Franz Josef Graf Kinsky der Direktor der Akademie, der unter den zahlreichen Akademiedirektoren die wohl markanteste, prägendste Persönlichkeit war.

Nach 5 Jahren Militärakademie verlässt Maximilian von Wimpffen die Wiener-Neustädter Akademie und tritt am 1. November 1786 als Fahnenkadett in das Infanterieregiment Nr.9 Clerfayt ein. Ein Jahr später wird er auf Ersuchen des Vaters zum Infanterieregiment Nr. 19 Alvinczy versetzt. Der Regimentsinhaber Jozsef Alvintzy ist ein alter Freund des Vaters aus gemeinsamer militärischerer Vergangenheit und das Regiment ist im Begriffe, an den Kämpfen gegen die Türken der Jahre 1788-1789 eingesetzt zu werden.

Maximilian von Wimpffen ist jetzt 18 Jahre alt und vollem Drang nach militärischen Einsätzen. Er erbittet das Kommando über eine Sturmabteilung, die die Festung Belgrad am Konstantinopler Turm angreifen soll. Er wird zum Leutnant befördert und führt seine Abteilung in einem erbitterten Nahkampf gegen die Befestigungen der Außenmauer. Beim Eindringen in die Festung wird er durch ein herabfallenden Stein am Fuß verletzt, doch er kämpft weiter und dringt mit seiner Abteilung in das Innere der Festung ein. Der Kommandeur der Angriffskolonne, Oberst Leopold KollowratKrakowsky wird schwer verwundet, der junge Leutnant Wimpffen übernimmt die Führung und kämpft mit Teilen seines Regiments Alvinczy den Widerstand der Türken in seinem Angriffsstreifen nieder. Seine außenordentliche Tapferkeit wird mit der Beförderung zum Oberleutnant belohnt. Nach der Eroberung Belgrads wird er zum Grenadierbataillon Morzin abkommandiert, um alsbald nach den Niederlanden in Marsch gesetzt zu werden.

In der Schlacht bei Neerwinden erobert er an der Spitze seines Grenadierbataillons den Ort Neerwinden in mehreren Sturmangriffen; der französische Gegenschlag folgt, Neerwinden wird zurückerobert. Oberleutnant Wimpffen wird durch eine Gewehrkugel am rechten Bein verwundet und gerät in Gefangenschaft. Als dem französischen Oberkommandierenden, General Dumouriez die Gefangennahme gemeldet wird, lässt er Wimpffen in sein Hauptquartier nach Tirlemont bringen. Er wird versorgt und nach sechs Wochen freigelassen, denn Dumouriez weiß, dass der junge Oberleutnant ein Neffe des „Helden von Thionville“, Felix de Wimpffen und der Revolutionsgeneräle Francois und Germain de Wimpffen ist.
Kaum genesen, übernimmt er wieder sein Bataillon und kämpft in der Schlacht bei Maubeuge. 1794 wird seine Einheit in den Gefechten bei Landrecy und Charleroi eingesetzt. 1797 erfolgt seine Beförderung zum Kapitänleutnant; er wird nach Italien versetzt. Dort angekommen, übernimmt er die Verteidigung von Loano nahe Genua, das er gegen alle Angriffe der Franzosen behauptet und räumt den Ort erst auf Befehl seines Oberkommandos. Freiherr August Beaulieu; der österreichische Oberbefehlshaber überträgt Wimpffen das Amt des Generalstabschefs und befördert ihn zum Hauptmann. In dieser Eigenschaft kämpft er im Gefecht am Mincio; im Nahkampf erschießt man sein Pferd, zwei Bajonettstiche verletzen ihn an Bein und Arm. Doch er lässt sich ein neues Pferd geben, auch dieses wird unter ihm getötet. Die geschlagenen Österreicher müssen sich zurückziehen, die Franzosen behaupten das Schlachtfeld.

Nun übernimmt Feldmarschall Dagobert Graf Wurmser den österreichischen Oberbefehl, ein alter Freund des Vaters und Taufpate seiner Kinder, Dagobert, Georg und Maximilian von Wimpffen. Der junge Hauptmann wird dem Generalstab des Feldmarschalls zugeteilt. Am 6. November kommt es zur Schlacht an der Brenta, am 12.November wird bei Caldiero gefochten, vom 15. bis 17.November kommt es zur berühmten Schlacht von Arcole, die Napoleons Ruhm begründet und deren Folge der Rückzug der österreichischen Armee aus Norditalien ist.

Nach Ausheilung seiner Verwundung wird er Stabschef des Feldmarschallleutnants Graf Bellegarde in Tirol. Wenig später übernimmt er den Ausbau der Verteidigung von Feldkirch im Vorarlberg, das er erfolgreiche verteidigt gegen die Angriffe des Generals  Massena. Im Frühjahr 1799 kommt es in Tirol zu einem blutigen Gefecht mit französischen Truppen; an der Spitze des ungarischen Husarenregiments „Erdödy“ greift er an, wird dabei erneut schwer verwundet; eine Gewehrkugel zerschmettert sein rechtes Achselgelenk, die Husaren haben Mühe, ihn aus dem Schlachtgetümmel zu retten. Er wird nach Bozen gebracht, wo er 3 Monate zwischen Leben und Tod schwebt. Es dauert ein ganzes Jahr, bis er wieder ein Pferd besteigen kann; sofort bietet ihm sein alter Gönner Alvinczy eine Stellung beim Generalstab des ungarischen Adelsaufgebots an – ein uraltes ungarisches Gesetz verpflichtet den Adel im Falle eines Krieges zum Wehrdienst – doch Wimpffen will ein „Frontkommando“. Aus heutiger Sicht kann man nur bedauern, dass er das Angebot des Feldzeugmeisters Jozsef Alvinczy nicht angenommen hat, denn 9 Jahre später, als Napoleons Truppen eben diesem ungarischen Adelsaufgebot eine vernichtende Niederlage zugefügt haben, war eine der Hauptursachen der Niederlage bei Györ die desolate Führung des Adelsaufgebots, sieht man einmal von der ungenügenden Bewaffnung der ungarischen Verbände ab. Das Organisationstalent des Hauptmanns Wimpffen hätte möglicherweise die totale Niederlage des ungarischen Adelsaufgebots verhindert.
Die Tiroler Stände verliehen ihm die 1796 gegründete Tiroler Ehrenmedaille für Tapferkeit.

Kämpfe in Italien

Seiner Bitte entsprechend wurde er erneut seinem ehemaligen Oberkommandierenden, Graf Bellegarde in Verona als dessen Flügeladjutant zugeteilt. Er versah diesen Dienst so gut es ging; da er nicht mehr in der Lage war, sein Pferd aus eigener Kraft zu besteigen; sein Arm in der Schlinge, musste er jedes mal von seinen Adjutanten aufs Pferd gehoben werden. Da der Arm sein Leben lang gelähmt blieb, lernte er mit der linken Hand schreiben.

Als es Ende des Jahres erneut zu einem Gefecht mit den Truppen des Marschalls Brune am Mincio kam, wurde Wimpffen erneut verwundet; diesmal traf eine Kugel den linken Arm und er musste damit rechnen, nie wieder reiten zu können – in der damaligen Zeit wohl der wichtigste Grund, die Militärlaufbahn zu beenden. Doch er besaß offensichtlich einen eisernen Willen, denn nach zwei Jahren war er wieder in der Lage, zu reiten. Inzwischen zum Oberstleutnant befördert, übernahm er das Kommando des 3. Bataillons des „Ignac  Graf Gyulai“ Infanterieregiments in Zemplen.

Die Schlacht von Austerlitz

Das kommende Jahr war für Wimpffens künftige Laufbahn von entscheidender Bedeutung; der Reorganisator der österreichischen Armee, Erzherzog Karl wurde auf ihn aufmerksam und auf Grund seines Vorschlags wurde Wimpffen zum Adjutanten des Erzherzogs und Referenten für Militäradministrationssystem mit Sitz in Graz berufen.Er bekleidete diesen Posten bis 1805.

Als 18o5 der Krieg zwischen Österreich und Frankreich erneut ausbrach, erbat ihn Erzherzog Karl als Stabschef seiner in Italien stationierten Armee, doch der Hofkriegsrat lehnte ab. Erst nach der Kapitulation einer österreichischen Armee unter General Mack bei Ulm, wurde Wimpffen vom Hofkriegsratspräsidenten Latour mit sofortiger Wirkung zur österreichisch-russischen Armee in Mähren abkommandiert. Auf Wunsch des Kaisers wurde Wimpffen zum alliierten Oberkommando als sein ihm allein verantwortlichen Berichterstatter beordert. Als der russische General Michail Illarionowitsch Kutusov sein Missfallen über den ihm als Chef des Stabes zugeteilten Österreicher, General Weyrother äußerte, schlug Kaiser Franz vor, Weyrother durch Wimpffen zu ersetzen. Doch Zar Alexander entschied sich für Weyrother, für den er besondere Sympathien hegte, der nun daran ging, einen Operationsplan zu entwerfen, der die Grundlage der russisch-österreichischen Kampfführung geworden ist.

Lev Nikolajewitsch Tolstoj beschreibt in seinem Monumentalwerk „Krieg und Frieden“ die Besprechung dieses später berühmt gewordenen Operationsplans der Schlacht von Austerlitz sehr kenntnisreich und lebensnah:
„Fürst Andrej machte einige Einwände und begann seinen eigenen Plan darzulegen, der vielleicht ebenso gut war wie der Weyrothers, aber den Fehler hatte, dass Weyrothers Plan bereits genehmigt war.
Kaum begann Fürst Andrej die Nachteile des weyroherischen Plans und die Vorzüge des eigenen auseinanderzusetzen, als Fürst Dolgorukow auch schon nicht mehr recht zuhörte und zerstreut nicht mehr die Landkarte, sondern das Gesicht des Fürsten Andrej betrachtete.“ Übrigens findet heute abend bei Kutusov ein Kriegsrat statt. Da können Sie ja alles vorbringen“meinte Dolgorukov.“ Das will ich auch tun“- erwiderte Fürst Andrej und trat von dem Tisch mit der Landkarte zurück.
„Aber, worüber machen Sie sich eigentlich Sorgen, meine Herren?“ fiel jetzt Bilibin ein, der bisher mit einem vergnügten Lächeln dem Gespräch der beiden zugehört hat und jetzt offenbar einen Witz auf der Zunge hatte.“Ob es morgen einen Sieg gibt oder eine Niederlage, dem Ruhm der russischen Waffen droht jedenfalls keine Gefahr. Ausser unserem Kutusov ist ja kein einziger russischer Truppenführer beteiligt. Die Truppenführer sind Herr General ( Grigorij Franzowitsch) von Wimpffen, le comte de Langeron, le Prince de Liechtenstein, le Prince de Hohenlohe et enfin Prschprsch… et ainsi de suite, comme tout le noms polonais.
(Hier irrt Tolstoj, denn der General Grigorij von Wimpffen, der Kommandeur einer der Angriffskolonnen war baltischer Russe; Tolstoj verwechselte ihn  wohl mit Maximilian von Wimpffen, der dem Generalstab zugeteilt war. Der General mit dem polnischen Namen hieß übrigens Przybyschweski)
„Taisez vous, mauvaise langue“- sagte Dolgorukow –„ Es stimmt übrigens nicht, denn wir haben noch zwei Russen:Miloradovitsch und Dochturov, und wir hätten noch einen dritten, den Grafen Araktschejev, aber der ist mit seinen Nerven nicht in Ordnung“.

Auf der Rückfahrt konnte Fürst Andrej sich nicht enthalten, den schweigend neben ihm sitzenden Kutusov nach seiner Meinung über die morgige Schlacht zu fragen.Kutusov sah seinen Adjutanten streng an, schwieg noch eine Weile und sagte dann:Ich glaube, wir werden die Schlacht verlieren…
Gegen zehn Uhr abends kam Weyrother mit seinen Plänen in Kutusows Quartier, wo der Kriegsrat stattfinden sollte. Alle Trup­penführer waren zum Oberkommandierenden bestellt worden, und bis auf den Fürsten Bagration, der sich hatte entschuldigen lassen, waren alle zur bestimmten Stunde versammelt.
Weyrother, der den Plan für die bevorstehende Schlacht ent­worfen hatte, bildete mit seiner Lebhaftigkeit und unruhigen Hast einen scharf ausgeprägten Gegensatz zu dem missmutigen und schläfrigen Kutusow, der nur sehr ungern die Rolle eines Vor­sitzenden und Leiters dieses Kriegsrats übernommen hatte. Wey­rother fühlte sich offensichtlich als Lenker der Bewegung, die be­reits eine unaufhaltsame geworden war. Er war wie ein ange­schirrtes Pferd, das mit einer Fuhre bergabläuft. Ob er zog, oder ob er vorwärts gedrängt wurde, das wusste er selber nicht; aber er jagte dahin, so schnell er konnte, und fand dabei schon nicht mehr Zeit, zu überlegen, wohin diese Bewegung führen würde. An diesem Abend war Weyrother zweimal in der Nähe der feindlichen Vor­postenkette gewesen, um sich persönlich ein genaues Bild der Lage zu verschaffen, desgleichen zweimal bei den beiden Kaisern, dem russischen und dem österreichischen, um ihnen Bericht zu erstatten und seine Auffassung der Lage darzulegen, und darauf noch in seiner Kanzlei, wo er seine in deutscher Sprache abgefasste Dis­position diktiert hatte. Als er jetzt zu Kutusow kam, war er recht erschöpft.Er war offensichtlich so sehr mit den Gedanken an seine Dis­position beschäftigt, dass er sogar den Respekt, den er dem Ober­kommandierenden schuldet, gelegentlich ausser acht liess: meh­rere Male unterbrach er ihn, sprach schnell und undeutlich, ohne sein Gegenüber anzusehen, und liess mehrere Fragen Kutusows unbeantwortet; dazu war seine Uniform mit Schmutz bespritzt, und er sah elend, erschöpft und verwirrt aus und doch zugleich selbst­bewusst und stolz.Kutusow wohnte in einem kleinen Adelsschloss in der Nähe von Ostralitz. Im grossen Salon, der zum Kabinett für den Oberkommandierenden eingerichtet war, hatten sich Kutusow selbst, Wey­rother und die übrigen Teilnehmer der anberaumten Sitzung ver­sammelt. Sie tranken Tee und warteten nur noch auf den Fürsten Bagration, um den Kriegsrat zu eröffnen. Endlich erschien ein Ordonnanzoffizier des Fürsten Bagration und brachte die Nach­richt, der Fürst könne nicht kommen. Fürst Andrej ging zu Ku­tusow, um diesem davon Meldung zu machen, und blieb dann im Zimmer, da Kutusow ihm gestattet hatte, beim Kriegsrat zugegen zu sein.
«Da Fürst Bagration nicht mehr kommt, können wir anfangen», sagte Weyrother, stand hastig auf und ging auf den Tisch zu, auf dem eine sehr umfangreiche Karte der Umgegend von Brünn aus­gebreitet dalag.Kutusow hatte die Knöpfe seiner Uniform geöffnet, und aus dem Kragen quoll sein feister Hals hervor, als sei es ihm endlich ge­lungen, sich zu befreien: die greisenhaft gedunsenen Hände sym­metrisch auf die Armlehnen gelegt, sass er in einem Voltairesessel und schlief beinah. Als er Weyrothers Stimme hörte, öffnete er mit einiger Anstrengung sein einziges Auge.
«Ja, ja, bitte, es wird sonst zu spät», sagte er nickend, liess dann den Kopf wieder sinken und schloss wieder sein Auge.Wenn die Teilnehmer am Kriegsrat anfangs geglaubt hatten, Kutusow stelle sich nur schlafend, so bewiesen die Töne, die wäh­rend der Verlesung der Disposition aus seiner Nase kamen, dass es sich für den Oberkommandierenden jetzt um etwas viel Wichtigeres handelte als etwa um die Absicht, die Geringschätzung an den Tag zu legen, die er der Disposition oder irgend etwas anderem gegen­über empfand: es handelte sich für ihn einfach darum, ein un­widerstehliches menschliches Bedürfnis zu befriedigen, das Schlaf­bedürfnis. Er schlief tatsächlich. Mit der Miene eines Menschen, der viel zu beschäftigt ist, als dass er auch nur einen Augenblick von seiner Zeit verlieren dürfte, warf Weyrother einen Blick auf Kutusow, überzeugte sich, dass er schlief, nahm seine Papiere zur Hand und begann mit lauter und eintöniger Stimme die Disposition für die bevorstehende Schlacht vorzulesen. Die Ueberschrift, die er ebenfalls vorlas, lautete: ‘Disposition zum Angriff auf die feind­liche Stellung hinter Kobelnitz und Sokolnitz, 30. November 1805.’
Die in deutscher Sprache abgefasste Disposition war sehr kom­pliziert und schwer verständlich. So hieß es darin:
«Da der Feind sich mit seinem linken Flügel an die mit Wald bedeckten Berge lehnt und sich mit seinem rechten Flügel längs Kobelnitz und Sokolnitz hinter die dort befindlichen Teiche zieht, wir im Gegenteil mit unserem linken Flügel seinen rechten sehr debordieren, so ist es vorteilhaft, letzteren Flügel des Feindes zu attackieren, besonders wenn wir die Dörfer Sokolnitz und Kobelnitz im Besitze haben, wodurch wir dem Feind zugleich in die Flanke fallen und ihn auf der Fläche zwischen Schlapanitz und dem Walde von Turas verfolgen können, indem wir den Defileen von Schla­panitz und Bellowitz ausweichen, welche die feindliche Front decken. Zu diesem Endzwecke ist es nötig … die erste Kolonne mar­schiert … die zweite Kolonne marschiert … die dritte Kolonne marschiert …» So las Weyrother. Die Generäle hörten diese schwie­rige Disposition offenbar sehr widerwillig an. Der blonde hoch­gewachsene General Friedrich Wilhelm von Buxhoevden (Buksgevden) stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt da, starrte auf eine brennende Kerze, und es sah aus, als höre er gar nicht zu, ja als wolle er sogar den Anschein vermeiden, als höre er zu. Weyrother gerade gegenüber, die blit­zenden, weitgeöffneten Augen unverwandt auf ihn gerichtet, die Hände auf die Knie gestützt und die Ellbogen scharf nach aus­wärts gekehrt, sass in martialischer Pose der rotbäckige Milora­dowitsch mit seinem emporgezwirbelten Schnurrbart und seinen hochgezogenen Schultern. Er schwieg hartnäckig und verwandte den Blick nur dann von Weyrothers Gesicht, wenn der österreichische Stabschef einmal eine Pause machte. Dann sah Milora­dowitsch die anderen Generäle mit vielsagender Miene an. Aber was diese vielsagende Miene nun eigentlich bedeuten sollte, Zu­friedenheit oder Unzufriedenheit, Billigung oder Missbilligung der Disposition, das war nicht zu erraten. Weyrother am nächsten saß Graf Langeron, auf dessen südfranzösischem Gesicht während der ganzen Dauer der Vorlesung ein feines Lächeln lag; er be­trachtete seine zierlich gebauten Finger, die eine porträtgeschmückte goldene Schnupftabakdose unaufhörlich rasch um ihre eigene Achse wirbelten. Mitten in einer der längsten Perioden hörte er plötzlich auf, die Tabaksdose zu drehen, hob den Kopf, unterbrach Wey­rother mit einem Lächeln von unangenehm wirkender Höflichkeit, um die feinen Mundwinkel und wollte etwas sagen, aber der öster­reichische General ließ sich im Lesen nicht stören, runzelte nur ärgerlich die Stirn und machte eine abwehrende Bewegung mit dem Ellbogen, als wollte er sagen: «Nachher! Nachher können Sie mir alles sagen, was Sie denken. Aber jetzt sehen Sie sich gefälligst die Karte an, und hören Sie zu!» Langeron warf einen erstaunten Blick in die Höhe, sah Miloradowitsch an, als hoffe er doch ir­gendwo eine Erklärung für das ihm unverständliche Benehmen Weyrothers zu finden; als er aber dem vielsagenden und im Grunde doch gar nichts sagenden Blick Miloradowitschs begegnete, liess er die Augen trübselig sinken und begann wieder seine Schnupftabaks­dose zu drehen.
„Une lecon de geographie“, sagte er ,anscheinend für sich selbst, immerhin aber laut genug, um auch von anderen gehört zu werden.
Die Verlesung der Disposition dauerte über eine Stunde. Als Weyrother fertig war, hemmte Langeron wieder die Bewegung seiner Schnupftabakdose, und ohne Weyrother oder sonst einen einzelnen anzusehen, verbreitete er sich darüber, wie schwierig es sein würde, sich an eine solche Disposition zu halten, welche die feindliche Stellung als bekannt voraussetzte, während sie vielleicht uns durchaus unbekannt sei, da der Feind sich ja in Bewegung befinde. Dieser Einwand Langerons war durchaus berechtigt, aber es lag auf der Hand, dass er diesen Einwand vornehmlich deswegen gemacht hatte, weil er Weyrother, der seine Disposition mit einer Selbstsicherheit vorgebracht hatte, als hätte er Schuljungen vor sich, zeigen wollte, dass er es nicht mit lauter Dummköpfen zu tun habe, sondern mit Leuten, von denen er selbst vielleicht noch manche Kriegskunst lernen könnte. Als Weyrothers eintönige Stimme verstummt war, hatte Kutusow die Augen aufgeschlagen, wie ein Müller, den das plötzliche Verstummen des einschlä­fernden Rauschens der Mühlenräder aus dem Schlafe auffahren lässt. Er hörte Langeron zu, aber als wollte er sagen: «Seid ihr immer noch bei diesen Dummheiten?» schloss er rasch wieder die Augen und liess seinen Kopf noch tiefer auf die Brust sin­ken als zuvor.
Langeron ließ sich offenbar von dem Bestreben leiten, Wey­rothers militärische Autoreneitelkeit so empfindlich wie möglich zu verletzen, und so wies er nach, dass Bonaparte leicht selbst an­greifen könnte, anstatt sich angreifen zu lassen, und dass er damit die ganze Disposition sinnlos machen würde. Weyrother beant­wortete alle Einwände mit dem gleichen geringschätzigen Lä­cheln, das er offenbar von vornherein für jeden Einwand in Bereitschaft hatte, ganz unabhängig davon, worin dieser Einwand bestand.
„Wenn er imstande wäre, uns anzugreifen, so hätte er es heute getan“, sagte er.
„Sie sind also der Meinung, er sei dazu zu schwach?“ ,fragte Langeron.
«Wenn er vierzigtausend Mann hat, so ist es viel», erwiderte Weyrother und lächelte dabei wie ein Arzt, dem ein quacksalbern­des Frauenzimmer ein Heilmittel vorschlägt.
«Wenn es so steht, dann muss er freilich unseren Angriff er­warten, und dann ist sein Schicksal allerdings besiegelt», sagte Langeron mit einem feinen, ironischen Lächeln und sah wieder den ihm zunächst sitzenden Miloradowitsch an, als erwarte er von ihm eine Bestätigung.
Aber Miloradowitsch dachte in diesem Augenblick offenbar an nichts weniger als an den Gegenstand der Meinungsverschieden­heiten zwischen den anderen Generälen.
«Ma foi», sagte er, «morgen auf dem Schlachtfelde wird sich das alles herausstellen.»
Wieder lächelte Weyrother, und dieses Lächeln besagte, es sei doch merkwürdig und geradezu spaßhaft, dass er bei den russischen Generälen auf Einwände stoße und erst noch beweisen solle, wo­von nicht nur er selbst bis ins letzte überzeugt sei, sondern wo­von er auch beide Kaiser überzeugt habe.
«Der Feind hat seine Feuer gelöscht, und im ganzen Lager ist ununterbrochener Lärm zu hören», sagte er. «Was bedeutet das? Entweder zieht er sich zurück — das ist das einzige, was wir zu be­fürchten haben — oder er wechselt seine Stellung.» Hier lächelte er wieder. «Aber selbst wenn er eine Stellung bei Turas bezieht, so erspart er uns immer noch Mühe und Scherereien, und alle ge­troffenen Anordnungen können bis in die geringfügigsten Kleinig­keiten hinein dieselben bleiben.»
«Wieso?» fragte Fürst Andrej, der schon lange auf eine Gelegen­heit zur Darlegung seiner Bedenken gewartet hatte.
Kutusow erwachte, räusperte sich geräuschvoll und sah die Ge­neräle an.
«Meine Herren, die Disposition für morgen oder vielmehr für heute — denn es geht schon auf ein Uhr — kann nicht mehr ge­ändert werden», sagte er. «Sie haben sie gehört, und wir alle werden unsere Schuldigkeit tun. Aber vor einer Schlacht gibt es nichts Wichtigeres als -er machte eine kurze Pause – «als sich gehörig auszuschlafen.»
Er machte Miene, sich zu erheben. Die Generäle verbeugten sich und brachen auf. Mitternacht war vorbei.

Der General Andrault de Langeron, ein nach Russland emigrierter Franzose fällte über Weyrother ein vernichtendes Urteil, nicht ganz zu unrecht. Er schrieb in seinen Erinnerungen:

L’Empereur avait malheureusement accorde toute sa con­fiance a Weyrother. Ce general, fils d’un piqueur d’un manege de Vienne, avait un talent fort equivo­que, mais son caractere ne retait pas; dur, grossier, insolent, rempli de ropinion de son propre merite, portant l’amour-propre jusqu’a exces le plus re­voltant, il avait tous les defauts d’un parvenu qui voit briller pour lui l’eclat de la faveur d’un grand souverain. L’Empereur lui avait promis de le faire lieutenant-general, quartier-maitre general des ar­mees russes et de lui donner le cordon de Saint­Alexandre sur le champ de bataille apres la defaite supposee et presumee de Napoleon. Cet engoue­ment qui, malheureusement, est un defaut du ca­ractere de l’Empereur, etait d’autant plus inexcu­sable que Weyrother ne jouissait pas, parmi ses compatriotes ni parmi ses camarades, d’une repu­tation qui justifiat cette confiance absolue. On sa­vait qu’il avait contribue aux dispositions des ba­tailles d’Arcole et de Hohenlinden, les plus desas­treuses journees qui eussent, apres Ulm, jusqu’a repoque ou nous nous trouvions, ebranle les fon­dements de la monarchie autrichienne.

Weyrother, ainsi que Mack et Fischer, etait un de ces obscurs subalternes, de ces Parvenus qui in­festent l’armee autrichienne et qui, a son grand de­triment, y ont toujours plus de credit et y obtien­nent plus de confiance que les gens d’une naissance et d’une education distingues.
Apres la mort du colonel Schmidt (tue a Krems,), le general-ma­jor Mayer fut designe pour le remplacer. C’etait un homme de merite; il s’etait fait beaucoup d’honneur a Ulm en protestant formellement contre les dispositions de Mack dont le resultat avait ete si funeste. Mais on negligea de lui en­voyer des ordres dans le Tyrol ou il s’etait retire apres la catastrophe de Mack; il ne put arriver a temps et rejoignit l’archiduc Charles.

Am 27. November traf Maximilian von Wimpffen seinen Oheim, den russischen Generalleutnant Grigorij  Franzowitsch von Wimpffen, der als Führer einer Angriffskolonne der Russen vorgesehen war. Beide Militärs haben gemeinsame Erkundungsritte des in Aussicht genommenen Schlachtfeldes unternommen und kamen, wie es im Tagebuch des Obersten Max Wimpffen vermerkt ist, zum Schluss, dass die Anhöhen des Pratzen in der Nähe von Austerlitz der entscheidende Punkt der zu erwartenden Schlacht sein werden. Generalleutnant Grigorij von Wimpffen berichtete in diesem Sinne seinem Vorgesetzten, dem General Friedrich Wilhelm von Buxhöwden (Buxhoeveden,Buksgevden), verbunden mit der Bitte, diese Anhöhe mit starken Kräften zu besetzen und sich auf dieser Anhöhe zu verschanzen. Maximilian von Wimpffen schrieb in einer Denkschrift an den österreichischen Kaiser und an General Weyrother im selben Sinne, wobei er sich gegen einen Angriff auf Napoleons Truppen aussprach und darum bat, die Ankunft der aus Italien anmarschierenden Armee des Erzherzogs Karl abzuwarten, der in der Zwischenzeit bei Sopron/Ödenburg in Ungarn, einige Tagesmärsche von Austerlitz entfernt angekommen war. Aufgrund dieser Denkschrift wies der Kaiser Wimpffen an, seine Überlegungen sowohl Weyrother als auch Kutusov vorzutragen. Während Kutusov sich auf das Verlangen des Zaren und seiner Umgebung berief, Napoleon so bald wie möglich anzugreifen, lehnte Weyrother den Vorschlag im Verlauf des Kriegsrats, österreichische und russische Verstärkungen abzuwarten, ab.
Hierbei wird er wohl von der Überlegung geleitet worden sein, Napoleons Truppen seien, was die Zahl angeht, unterlegen gewesen. Wie man nach der Schlacht festgestellt hat, verfügte Napoleon in der Tat nur über 70.000 bis 75.ooo Mann mit 139 Geschützen (vor der Schlacht schätzte der General Fürst Dolgorukij Napoleons Truppen an die 60.000 Mann), während die Alliierten an die 90.000 Mann und 278 Geschütze in die Schlacht führen konnten. Die Schlacht von Austerlitz ging für die Alliierten wegen der groben taktisch-operativen Fehler der Führung verloren, und nicht allein aufgrund der Disposition des Generals von Weyrother .
Nach Austerlitz wurde viel darüber gerätselt, aus welchem Grund der Zar ausgerechnet Franz von Weyrother mit seinem unbedingten Vertrauen ausgezeichnet hat, und erfahrenen Militärs wie Kutusow nicht so recht traute. Nun, was kaum bekannt war, Kutusow hat Weyrother selbst dem Zaren empfohlen, denn Weyrother konnte sich auf seine Erfahrungen mit der russischen Armee berufen, und – er sprach leidlich russisch. Er hat 1799 für den legendären russischen Marschall Alexander W. Suworow den Plan der berühmten Alpenüberquerung via St. Gottthard ausgearbeitet und dieser hatte Weyrother als einen fähigen Stabschef gelobt und bei Hofe empfohllen.. Ausserdem war er bereits einmal als Generalstabschef einer österreichischen Armee unter dem Oberbefehl des unfähigen, unerfahrenen, eitlen, kaum 19jährigen Erzherzog Johann eingesetzt und als solcher allerdings zur Niederlage bei Hohenlinden beigetragen. Fairerweise muss freilich gesagt werden, dass der Erzherzog wenig zu sagen hatte, die eigentliche Führung oblag dem Feldzeugmeister Franz Lauer, einem Festungsbaumeister, der noch nie eine Armee geführt hat.

Wimpffen verließ nun den alliierten Generalstab und erbat vom Kaiser die Versetzung zur kämpfenden Truppe. Seiner Bitte wurde entsprochen und als am 5.Dezember die Schlacht bei Austerlitz geschlagen wurde, kämpfte Wimpffen an der Spitze der russischen Brigade Uvarov, und ging auch diesmal knapp am Tod vorbei; bei der Reiterattacke wurde er durch eine Gewehrkugel am linken Arm und am rechten Bein getroffen. Sekunden später wurde auch das Pferd unter ihm erschossen, die russischen Husaren konnten ihn mit Mühe und Not retten; schwer verletzt wurde er nach Brünn transportiert. Nach seiner Genesung im Frühjahr 18o6 kehrte er nach Graz zurück, wo er sich erneut um die Reorganisation der österreichischen Armee unter Erzherzog Karl zu kümmern hatte. Im selben Jahr erhielt er das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens für seine Leistungen in der Schlacht von Austerlitz.

Für zwei Mitglieder seiner Familie endete die Schlacht bei Austerlitz mit dem Tod: sein Oheim, der in russischem Dienst stehende Generalleutnant Grigorij  Franzowitsch von Wimpffen, Kommandeur einer alliierten Angriffskolonne,bestehend aus den Regimentern Azov und Podolsk   wurde tödlich verwundet; er starb  in Luneville an den Folgen seiner Verwundung, wohin er aufgrund eines persönlichen Befehls Napoleons transportiert wurde.
Im Buch von Claude Manceron „Austerlitz“ heißt es: „Wimpffen et Olsuvjev, suivis de leurs hordes farouche, a l’arme blanche, tombent au bout de cents toises a peine sur les dragons du général Boyé que Saint-Hilaire lance pour une charge décisive et qui vont balayer Sokolniz d’un bout a l’autre.La collision, dernier combat de ce secteur, est d’une violence terrible. En une minute, cent morts, cent prisonniers, le reste éparpillé au sauve-qui peut.Przybiszewski,obligé lui-meme de mettre l’épée a la main et de se replier, entouré de quelques officiers fideles, sur une petite crete qui surplombe le Goldach, voit de loin Wimpffen, accablé par une nuée de dragons francais, se défendre comme un lion, tomber de son cheval,l’épaule ensanglantée, se dégager à pied, avec l’aide de cinq fusiliers de Regiment Narva venus a son secours – et retomber définitivement, de nouveau blessé, aux mains des Français. »

Der berühmte Schlachtenmaler ,Louis- Francois  Lejeune, Napoleons Flügeladjutant, befand sich mit einigen Dragonern auf dem Weg zu Napoleon; über die Gefangennahme Wimpffens schreibt er in seinen Memoiren:
„ Einer ihrer Generäle, ganz schlicht gekleidet, versuchte, uns mit einigen Männern den Weg zu verbauen. Wir gingen sofort auf sie los. Ich durchbohrte den Arm des Generals, im selben Augenblick ergriff der Dragoner de Sopranzy die Zügel seines Pferdes und wir zerrten ihn in unsere Reihen. Es war kein Geringerer als der Generalleutnant baron de Wimpffen., C’etait. en effet, le cousin germain du lieutenant general baron (Felix) de Wimpffen, tres distingue au service de France, et l’intime ami de mon pere. (Der Dragoner de Sopranzy wurde später zum Brigadegeneral ernannt)

Als Napoléon erfährt, dass ein Neffe des Verteidigers von Thionville, Félix de Wimpffen in Gefangenschaft geriet, lässt er diesen zu seinem Gefechtsstand bringen: Claude Manceron“ :Mais voici, le Colonel Franceschi, radieux, tout doulent sur un brancard, et lui annonce la capture de Przibishevsky retenu pour le moment au milieu de ses hommes au dénombrement. Napoléon se déride, offre à Wimpffen un verre de son célèbre Chambertin et le fait recommander particuliérment au Baron Larrey. » Doch auch der Leibarzt Napoleons konnte nicht viel ausrichten; zwar wurde der verletzte Arm amputiert, doch Wimpffen verstarb im Luneviller Krankenhaus an Wundbrand , wohin ihn Napoleon bringen ließ. Wo der General Wimpffen in Luneville beerdigt wurde, konnte nicht ermittelt werden.
Der Maler Lejeune hat die Szene mit Napoleon auf seinem berühmten Gemälde der Schlacht von Austerlitz festgehalten.

Einer der Neffen des Obersten Maximilian von Wimpffen, Edouard de Wimpffen vom 3. französischen Infanterieregiment starb durch eine Kanonenkugel, Victor Emmanuel Charles Felix de Wimpffen wurde verwundet, überlebte aber; er fiel erst am 18. August 1812 als Oberst des 2. französischen Infanterieregiments bei Polozk in Russland.

Die Vorbereitung des letzten Angriffs des russischen Regiments Uvarov unter dem Kommando von Oberst Maximilian v. Wimpffen
Gemälde von Clara de Both

Die verhältnismäßig ruhigen Tage in Graz dauerten nicht lange, denn Erzherzog Karl erbat erneut Wimpffen als Mitwirkenden bei den, nach der verlorenen Schlacht von Austerlitz noch dringender gewordenen Reorganisationsmaßnahmen der österreichischen Armee; Wimpffen wurde Generaladjutant des Erzherzogs und Chef der „Generalmilitärdirection“ in Wien .Die alte „Theresianische Armee“ sollte weitgehend nach französischem Vorbild gänzlich umgebaut werden. Die vorgesehenen Reformen betrafen nicht nur den Hofkriegsrat, eine Art oberste Militärbehörde, ohne deren Zustimmung so gut wie nichts geschehen konnte, sie umfassten auch die Artillerie, das Pionierwesen, die Rekrutierung, das gesamte Finanzwesen, die Taktik, die operative Führung, wobei die Regimenter, wiederum nach französischem Vorbild zu Armeekorps zusammengefasst werden sollten. Außerdem sollte unverzüglich mit dem Aufbau der Landwehr, eine Art Territorialarmee begonnen werden. Der Kaiser ernannte den Erzherzog zum Generalissimus, wodurch dieser zum obersten Befehlshaber der gesamten Kriegsmacht der Monarchie avancierte – eine Position, die vor ihm nur der legendäre Prinz Eugen von Savoyen inne hatte. In Wimpffen hatte der Generalissimus einen tatkräftigen, durch ein besonderes Organisationstalent hervorgetretenen Helfer; dass freilich ein derart großangelegtes Reformvorhaben viel Zeit in Anspruch nehmen würde, war jedem klar, und so ist zu erklären, das der Erzherzog in den kommenden Jahren zu einem entschiedenen Verfechter des Friedens, zu einem Kriegsgegner wurde, was bei obersten Feldherrn bekanntlich selten der Fall ist. Schließlich gewannen aber die „Falken“ unter Führung des Außenministers Graf Stadion die Oberhand und so kam es im dritten Jahr der begonnenen Armeereform zum Angriffskriegkrieg gegen Frankreich.

 

Oberst Maximilian von Wimpffen erhielt nach der Schlacht von Austerlitz das Ritterkreuz des Maria-Theresien- Ordens
Gemälde eines unbekannten Malers
Schloss Kainberg

 

Angriff des russischen Infanterieregiments Uvarov in der Schlacht von Austerlitz,kommandiert von  Oberst
Maximilian Freiherr von Wimpffen

Die Schlacht von Aspern/Essling

 

Als 18o9 der Krieg zwischen Frankreich und Österreich erneut ausbrach, blieb Wimpffen Generaladjutant des Generalissimus bei der ausrückenden Armee, obwohl der Erzherzog ihn als Chef des Generalstabes verwenden wollte. In dieser Funktion erlebte er die für Österreich katastrophalen ersten Schlachten auf deutschem Boden: Abensberg, Landshut, Eckmühl, Regensburg – lauter verlorene Gefechte und Schlachten. Nach wenigen Wochen befand sich die angreifende Armee des Erzherzogs auf dem Rückzug. Napoleon begann die Verfolgung der sich zurückziehenden Österreicher und stand bereits am 1o. Mai vor Wien – vier Wochen nach Beginn der Feindseligkeiten.

Die österreichische Armee hatte insofern noch Glück im Unglück als Napoleons Hauptkräfte sich auf dem rechten, südlichen Donauufer befanden, während die Truppen des Erzherzogs auf dem linken Ufer marschierten.

Inmitten der verlustreichen Schlachten auf deutschem Boden, erbat der Erzherzog vom Kaiser die sofortige Ablösung seines ihm attachierten Generalstabschefs bei gleichzeitiger Ernennung Wimpffens zum Chef des Generalstabs. Der Kaiser stimmte diesmal zu und beförderte Wimpffen gleichzeitig zum Generalmajor.

Wimpffen, der im Gefecht bei Hausen erneut verwundet wurde – unter ihm wurden zwei Pferde erschossen, beim Sturz seines Pferdes erhielt er einen Bajonettstich – begann sofort mit der Arbeit in engstem Zusammenwirken mit dem Erzherzog. Die Aufgabe hieß: Zurückführen der geschlagenen Verbände in den Raum Wien. Oscar Christe:“ Es wurde getadelt, dass der Erzherzog verhältnismäßig langsam in das Marchfeld (nördlich von Wien am linken Donauufer) heranrückte. Zweifellos hätte er seinen Marsch beschleunigen können, dann wäre dies aber, wie die Verhältnisse bei der Armee nun einmal lagen, mit einer erschütterten, außer Rand und Band geratenen Armee geschehen, mit der er niemals etwas hätte wagen können. Er musste sie in der Zeit von drei Wochen umbilden – und tatsächlich, die Armee, die in das Marchfeld rückte, war nicht mehr jene, die vor wenigen Wochen den Inn übersetzt hatte; nicht mehr eine nach neuen wohl zeitgemäßen Grundsätzen geschaffene, sonder das alte Theresianische Heer, aber als solches vollendet. Es mag Karl schwer geworden sein, wieder zu den Grundsätzen, die er längst schon als veraltet erkannt hatte, zurückkehren zu müssen, in den Regensburger Tagen hat es ihn mit Bitternis erfüllt, dass man ihn zu dem Wagnis gezwungen, dem Gegner mit einem Heer entgegenzutreten, das weder ein neues war, wie er es zu schaffen gedacht, noch das alte, sondern ein Zwitterding, mit dem keine Erfolge zu erzielen waren. Und so entschloss er sich, die Armee umzubilden, wie sie gewesen, und zu den alten, Führern und Soldaten vertrauten und geläufigen Form, zurückzukehren. So wurde nun, da sich rasche und leichtfüßige Märsche als dem Wesen der alten Armee widersprechend erwiesen hatte, mit dem Heer von Stellung zu Stellung gerückt, wie dies die Lineartaktik gefordert. Die Lager wurden abgesteckt und die Truppen in tunlichst gleichbleibender Ordre de bataille gelagert, die Befehle und Dispositionen enthielten wieder, wie früher, so genaue, bis ins kleinste Detail gehende Bestimmungen, dass es Unterführern jedes Denken oder selbständige Handeln, aber auch größere Fehler und Irrtümer erspart bleiben mussten.“

Die Niederlage einer über 200.000 Mann Armee hat, verständlicherweise, beim Kaiser und seinen Beratern Bestürzung hervorgerufen. Obwohl man wusste, dass der Erzherzog sich gegen den Krieg aussprach mit dem Hinweis auf die noch nicht abgeschlossene Heeresreform, stand er, selbstredend als Hauptschuldiger der Niederlage fest. Doch der Hauptschuldige an der Niederlage war in erster Linie die politische Führung und die „Kriegspartei“ in der Umgebung des Kaisers. Der Außenminister Stadion, der das va banque-Spiel wagte in der Hoffnung, in Deutschland würde ähnlich wie in Spanien ein Volksaufstand ausbrechen, Preußen würde nach den ersten Erfolgen in den Krieg eintreten, die Engländer würden mit beträchtlichen Geldern Österreich unterstützen, Russland das Bündnis mit Napoleon aufkündigen und ebenfalls losschlagen – all diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Bei Aspern metzelten sich Sachsen und Österreicher gegenseitig mit teutonischer Wut nieder.

Wimpffen hat in seiner Funktion als Generaladjutant des Erzherzogs diesen hinsichtlich eines Volksaufstandes in Deutschland noch vor Beginn des Feldzugs ebenfalls ermuntert. Er berichtete Karl über seine Korrespondenz mit seinem Vetter, dem Kommandeur eines in spanischen Diensten stehenden Schweizerregiments, dem es im Verein mit der spanischen Guerrilla gelungen war, einen regulären Truppenverband der Franzosen in einem offenen Gefecht zu besiegen.

Am 6. Juni 18o7 schlugen die Verbände des Generals Don Luiz de Wimpffen die Franzosen unter General Schwarz bei El Bruch in Katalonien, Tage später wiederholten sie den Sieg über den General Duhesme, der versucht hatte, die Scharte auszuwetzen. Die spanischen Geschichte verzeichnet die Schlacht bei El Bruch als den ersten Sieg über die napoleonischen Truppen, wenig später wurde bei Bailen eine ganze französische Armee unter General Dupont eingekesselt und zur Kapitulation gezwungen.

Es war übrigens dieser Vetter von Maximilian von Wimpffen, der der spanischen Zentraljunta , der „Junta Suprema Central en Aranjuez“ vorgeschlagen hatte, den Erzherzog Karl auf den spanischen Thron zu berufen, ein Vorschlag, den dieser bekanntlich ausschlug.

Doch nicht nur die Kamarilla um den österreichischen Kaiser, auch der Generaladjutant Wimpffen haben sich hinsichtlich eines Aufstandes in den deutschen Teilstaaten geirrt. Nur die Tiroler und einzelne Patrioten wie der Dichter Varnhagen von Ense oder der Major Schill dachten an einen „gesamtdeutschen“ Kampf gegen Napoleon, an einen „Volksaufstand“. Die Schlacht um das von den französischen Besatzungstruppen befreite Deutschland galt jetzt als verloren, nun ging es darum, so jedenfalls sah es Erzherzog Karl, die österreichische Monarchie zu retten. Und nicht Napoleon zu schlagen.

Während der Erzherzog einem geordneten Rückzug auf dem linken Donauufer den Vorzug gab, forderte der Kaiser wiederholt den Übergang des Heeres auf das rechte Donauufer, um Wien zu verteidigen.Auch der Erzherzog neigte zu einem Uferwechsel, doch unter dem Einfluß seines neuen Generalstabschefs, der in einer eigenen Operationsstudie für den Rückzug auf dem linken Ufer plädierte, änderte Karl seine Meinung. Zusammen mit Wimpffen und dem Generaladjutanten, Philipp Graf Grünne erarbeitete er einen Operationsplan, der im großen und ganzen das Zusammenziehen aller Kräfte aus Italien, Böhmen und Ungarn im Marchfeld, auf dem linken Donauufer nahe Wien vorsah. Ein Übergang über die Donau etwa in der Gegend von Linz wurde zwar nach wie vor erwogen, um den vorwärtsstürmenden Napoleon, wenn schon nicht den Weg zu verstellen, so doch ihm in den Rücken zu fallen, doch der Generalstabschef sprach sich unter Hinweis auf den demoralisierten Zustand der Armee und der unzureichender Mittel entschieden gegen solche Pläne aus. Also wurde der Marsch fortgesetzt, entsprechende Befehle ergingen an den Erzherzog Johann und den Erzherzog Joseph, Statthalter Österreichs in Ungarn. Aus dem vom Kaiser vorgeschlagenen Wettlauf um Wien ist ein strategischer Gesamtplan entstanden, in dessen Mittelpunk die Absicht stand, Napoleon nördlich von Wien entgegenzutreten und ihn – dies war der politische Teil des Plans – zu einem für Österreich nicht allzu schmerzlichen Frieden zu zwingen. Letztlich wurde vom Kaiser das Argument akzeptiert, dass eine geschlagene Armee, die in wenigen Wochen an die 45.000 Mann Verluste zu beklagen hatte, nicht in der Lage war, mit einem siegreichen Napoleon den Wettlauf nach Wien zu gewinnen.

Bei all diesen Überlegungen im Hauptquartier Karls stand Karls strategisches Credo,das er in verschiedenen Schriften zur “Kriegskunst” immer wieder betont hat: nicht die Zahl der Truppen oder die festgelegten Kriegsziele seien bei einem Feldzug entscheidend, sondern das Gelände, wo die Entscheidung stattfinden soll.Aus diesem Grund müsse man einem Gefecht, einer Schlacht ausweichen, wenn das eigene Terrain nicht vorteilhaft sei. Und das Marchfeld erschien dem Erzherzog als das beste Terrain, sich Napoleon entgegenzustellen. In dieser Auffassung wurde er von seinem Generalstabschef bestärkt.

Am 22. -23.Mai 18o9 kam es zur Schlacht bei Aspern. Für seine Verdienste erhielt der Generalstabschef Maximilian von Wimpffen noch am Schlachtfeld das Kommandeurkreuz des Maria-Theresien- Ordens aus der Hand des Erzherzogs und, „zur Erinnerung an den ruhmreichen Tag“ dessen Degen, der sich heute im Museum von Wagram befindet. In der „Relation“ zur Schlacht von Aspern – eine Art Ergebnisbericht – rühmt der Erzherzog-Generalissimus die Verdienste Wimpffens beim errungenen Sieg über Napoleon und stellt fest,dass er “ in den einsichtsvollen Dispositionen und der rastlosen Verwendung des Chefs des Generalstabs Generalmajors von Wimpffen die erste Grundlage des Sieges „ erkenne.” Ein seltener Vorgang in der Militärgeschichte, denn gewöhnlich werden die Generalstabschef nach einer gewonnenen Schlacht selten erwähnt, lediglich bei Niederlagen als Verantwortliche hingestellt.

Photo: Ouvrard,Napoleon Memorial

Ludwig Reiter: „Wenn Napoleon seinen Generalstabschef Berthier, der an Wimpffen in keiner Weise heranreichte, nach der Schlacht von Wagram zum „Fürsten von Wagram“ ernannte, welchen Ehrentitel, welches Herzogtum hätte Maximilian von Wimpffen erhalten müssen? Wimpffen war…der kongeniale Ausarbeiter von Karls großzügigen Ideen, Plänen und Befehlen.“

Worin bestanden die Verdienste des Generalstabschefs Wimpffen in der Schlacht von Aspern?. In erster Linie wohl in der Harmonie, die zwischen dem Oberbefehlshaber Erzherzog Karl und seinem Generalstabschef bestand; der Hofkriegsrat und der Kaiser haben das vor Jahren geäußerte Ansinnen des Erzherzogs, ihm Wimpffen als Chef seines Stabes zuzuteilen abgelehnt. Statt Wimpffen wurden dem Erzherzog der General Mayer von Heldenfeld und nach dessen Ablösung der Generalmajor Johann von Prohaska, „ein redlicher, eher unauffälliger Arbeiter“ attachiert. Erzherzog Karl, den man als Schöpfer des Generalstabs der Armee der Monarchie bezeichnen darf, suchte jedoch einen Partner, der es verstand, seine operativen Pläne in Einzeldispositionen umzusetzen, der Organisationstalent besaß, der aber, wenn notwendig, argumentativ widersprach, gegenteilige Pläne entwarf und im Rahmen der Richtlinien seines Amtes selbständig handelte und sich durch persönliche Tapferkeit auszeichnete. Weder General Mayer noch Prohaska haben dieses „Anforderungsprofil“ in den Augen des Erzherzogs offensichtlich besessen.

 

Bereits auf dem Rückzug aus Deutschland erörterte der Erzherzog bei den täglichen Lagebesprechungen die einzuschlagende Strategie mit seinem Generalstabschef und seinem engsten Vertrauten, dem Generaladjutanten Graf  Philipp Ferdinand von Grünne. Wimpffen sprach sich, sehr im Sinne des Erzherzogs für eine Konzentration der Kräfte aus: alles sollte im Verlauf des Rückzugs auf Wien auf dem linken Donauufer versammelt werden: das von der Hauptarmee getrennte Armeekorps Hiller, das Napoleon auf dem rechten Donauufer vor sich hertrieb, das Armeekorps des Erzherzogs Johann aus Italien, das ungarische und das kroatische Adelsaufgebot unter Erzherzog Josef, alle diese Verbände sollten sich so bald wie möglich mit der Hauptarmee vereinigen, um zu gegebener Zeit Napoleon mit der gesamten Streitmacht entgegentreten zu können.

Der Kaiser hätte es jedoch nach wie vor gern gesehen, wenn die sich auf Wien zurückziehende Hauptarmee einen Flussübergang gewagt hätte, um den vorwärtsstürmenden Truppen Napoleons in den Rücken zu fallen, diese anzugreifen und die Nachschublinien der Franzosen zu stören und nicht zuletzt, Wien vor einer französischen Besetzung zu schützen. Der Erzherzog verhielt sich diesen Plänen gegenüber aufgeschlossen. Gegen den Widerstand seines Stabschef, der den Donauübergang unter den gegebenen Umständen für zu gefährlich ansah, wurden Pläne ausgearbeitet, bei Linz das Donauufer zu wechseln. Wimpffen verfasste daraufhin eine Denkschrift, in der er nochmals vor den Gefahren eines Scheiterns eines Donauüberganges warnte. Er plädierte erneut für eine Kräftekonzentration, die „Schäferstunde“, die Napoleon der demoralisierten österreichischen Armee gewährt habe, sollte zum Sammeln aller verfügbaren Kräfte genutzt werden.

Nach Wagram wurde Wimpffen vorgeworfen, er habe mit dem Satz „Fabius rettete Rom, Daun Österreich nicht durch Eile, sondern durch Zaudern“, den ohnehin zaudernden, ja den ständig um den Bestand der Monarchie bangenden Erzherzog negativ beeinflusst. Menge schreibt: „Richtiger müsste es heißen, Daun rettete Preußen durch Zaudern“. Und Delbrück fügt dem Sinn nach hinzu: hätte Karl den Geist eines Blüchers gehabt, hätte er den Plan seines Generalstabschefs verworfen und sich auf Napoleon gestürzt. Natürlich trotz Abensberg, Landshut, Eggmühl, Regensburg –alles verlorene Schlachten und Gefechte in Deutschland.

Menge übersah, dass es in der Denkschrift von Wimpffen hieß: dass aufgrund „unserer dermaligen Lage und die Verfassung unserer Armeen“ auf eine Defensivschlacht im Raum Wien hingearbeitet werden sollte. Die Betonung liegt auf „dermalige Lage und Verfassung“. Der Erzherzog führte keine siegreiche, sondern eine geschlagene, durch die verlorenen Schlachten demoralisierte Armee heim und er konnte froh sein, mit dieser Armee einigermaßen geordnet und kampfbereit im Marchfeld bei Wien anzukommen. Wimpffen hätte freilich statt „Zaudern“ auch „hinhaltende Gefechtsführung, abwartende Haltung den künftigen Plänen Napoleons gegenüber“, schreiben können. Von „Zaudern“ konnte übrigens gar keine Rede sein, denn der Marsch auf Wien galt, unter den gegebenen Umständen , als beschlossen und wurde sofort in Angriff genommen. Im übrigen haben sich die meisten höheren Kommandeure ebenfalls gegen einen Donauübergang ausgesprochen. Noch vor der Schlacht bei Aspern leitete der Kaiser die Denkschrift Wimpffens den höheren Befehlshabern zur Stellungnahme zu, wobei er verschwieg, wer der Verfasser der Denkschrift war. Einer der besten Heerführer von Erzherzogs Karl, der Reitergeneral Bellegarde, der in beiden Schlachten von Aspern und Wagram eine der Angriffskolonnen führte, schrieb: die Denkschrift „ scheint aus der Feder eines Mannes geflossen zu sein, der von der Lage der Dinge und den Umständen der Armee genau unterrichtet ist. Sind die angeführten Data, die mir größtenteils unbekannt sind, richtig, so sind es seine Folgerungen auch und es dürfte schwer sein, seine Gründe zu bestreiten und seine Ansichten zu widerlegen. Aus dem Standpunkt, wo ich mich befinde und bei dem wenigen, was mir von den inneren Verhältnissen und der äußeren Lage bekannt ist, glaube ich… den in dem Memoire aufgestellten Ansichten beitreten zu müssen. „ Die anderen Kommandeure äusserten sich in ähnlichem Sinne. Von einer einsamen Entscheidung Wimpffens kann , schon auf Grund der Befehlsverhältnisse nicht die Rede sein.

In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, auf eine andere “Rückführung” einer österreichischen Armee hinzuweisen: Nach der verlorenen Schlacht von Hohenlinden hatte der, jeden und alles kritisierende Erzherzog Johann die Aufgabe, seine verbliebenen 60.000 Österreicher nach Wien zurückzuführen, von den französischen Truppen nicht bis Wien, sondern nur bis Linz verfolgt: Von den 60.000 Mann kamen bei Wien etwas über 24.000 an; eine Truppe, die vor dem Feind gar nicht mehr zum Stehen kommt und sie könne auch nicht zum Halten gebracht werden  – schrieb der Erzherzog Karl an den Kaiser. Auch  der Rückzug muss gelernt werden.

Nun war also die Armee des Erzherzogs Karl im Marchfeld bei Wien angekommen. Es galt, Maßnahmen zur geplanten Defensivschlacht zu treffen, die Absichten Napoleons zu erkunden und alle verfügbaren Kräfte der Monarchie heranzuziehen. Wimpffen stieg aufs Pferd und erkundete das künftige Schlachtfeld und legte dann einen Operationsplan vor.

Karl und seine Mitarbeiter haben als Unterpfand eines Sieges gegen Napoleon das Zusammenziehen aller Kräfte auf dem Marchfeld angesehen, nicht anders als der französische Kaiser. Entsprechende Befehle ergingen an die jeweiligen Befehlshaber, verfasst und verschickt vom Generalstabschef im Auftrag des Oberbefehlshabers. Vielleicht war dies ein Fehler, denn die befehlshabenden Erzherzöge dachten gar nicht daran, den Befehlen nachzukommen.

Der Befehlshaber der Truppen in Wien, Erzherzog Maximilian hat ohne viel Federlesens beschlossen, die Stadt gegen den ausdrücklichen Befehl des Kaisers und des Erzherzogs, aufzugeben. Er ritt als einer der ersten über die Donaubrücke auf das rettende linke Donauufer und sagte dem anwesenden General Hiller den berühmt-berüchtigten Satz: „Ich übergebe hiemit die ganze Boudigue nebst dem Kommando“ und ritt auf Nimmerwiedersehen davon, wobei ungeklärt blieb, was er unter „boudige“(Boutique) meinte. Der General Hiller hatte auf jeden Fall Mühe, die fliehenden Verbände Maximilians zu ordnen und diese ins Marchfeld zu führen. Napoleon saß nun in Wien und quartierte sich wieder einmal in Schönbrunn ein.

Der Erzherzog Ludwig , Kommandeur des V. Korps hat sich krank gemeldet; Karl musste in aller Eile einen neuen Korpskommandeur ernennen.

Ein anderer Erzherzog, Johann, weigerte sich ebenfalls, dem bereits am 28.April erteilten Abmarschbefehl nachzukommen. Er sollte aus Italien kommend mit seinem Korps –über 62.000 Mann nach Norden zurückgehen, sich mit den Truppen des Generals Kolowrat vereinigen und ebenfalls zur Hauptarmee stoßen. Doch der eigensinnige, stets auf den eigenen Ruhm bedachte Erzherzog-Feldherr kümmerte sich nicht um den Befehl seines Bruders und zog sich, statt zur Hauptarmee zu marschieren, nach Ungarn zurück. Der allein gelassene General Kolowrat wurde bei Linz geschlagen, Mitte Juni erlitt auch Johanns dezimierte Truppenverband in Ungarn bei Györ (Raab) eine vernichtende Niederlage.

Weitere Kräfte aus Tirol sollten gleichfalls zur Hauptarmee stoßen – auch dieses Vorhaben scheiterte.

Als der Tag von Aspern nahte, standen dem Erzherzog um die 84.ooo Mann und an die 15.000 Kavallerie zur Verfügung. Hätte man den Befehlen Folge geleistet, wären an die 13o.000 Mann und rund 2o.ooo Reiter auf dem Schlachtfeld versammelt gewesen.

Wieder einmal wurde über die Frage debattiert, ob man im Marchfeld ausharren oder nunmehr einen Flussübergang wagen sollte. Der Erzherzog überlegte ernsthaft, den Flussübergang zu wagen, nicht zuletzt aufgrund des Drängens des Kaisers, der aus sicherer Entfernung verlangte, endlich „zu raufen“. Doch der Generalstabschef plädierte nach wie vor für eine Defensivschlacht, für ein Abwarten der Absichten Napoleons.

Sollte Napoleon den Flussübergang vornehmen, sahen seine Dispositionen folgendes vor: Die österreichische Armee hatte in der Gliederung von 5 Kolonnen im Halbkreis vor der Insel Lobau Stellung zu beziehen. Am rechten Flügel die 6. Kolonne unter Feldmarschallleutnant Johann Hiller. Angriffsrichtung: Das Dorf Aspern. Daneben die 2.Kolonne unter Feldmarschallleutnant Bellegarde. Angriffsrichtung :Der Ort Hirschstetten. Die 3. Kolonne unter Feldmarschallleutnant Hohenzollern im Zentrum der österreichischen Aufstellung sollte ebenfalls gegen Aspern vorgehen. Die anschließende 4.Kolonne unter Feldmarschallleutnant Rosenberg hatte als Angriffsrichtung das Dorf Essling .Die 5. Kolonne am äussersten linken Flügel hatte als allgemeine Angriffsrichtung in der Gegend von Großenzersdorf die Donau zu erreichen, um den Ring um die angreifende französische Armee zu schließen. Die Kavallerie unter General der Kavallerie Liechtenstein hatte die Aufgabe, zwischen der 3. und 4.Kolonne Stellung zu beziehen und je nach Lage einzugreifen.

Es ist nicht Aufgabe dieses Essays, den Verlauf der zweitägigen blutigen Schlacht in allen Einzelheiten zu schildern. 4o.000 Tote und Verwundete blieben auf dem Schlachtfeld, zwei berühmte französische Soldaten fielen: Der Marschall Jean Lannes und der General St. Hilaire, zwei Helden von Austerlitz. Napoleon räumte das Schlachtfeld und der Erzherzog sah sich als Sieger.
Die zeitgenössischen Kritiker und zahlreiche Historiker der Nachwelt sahen das anders, nuancierter. Weitgehend Einigkeit herrschte darüber, dass es richtig war, abzuwarten und aus der Defensive, aus gut ausgebauten Stellungen heraus zum Angriff überzugehen. Hierfür sprachen die Erfahrungen, die der Erzherzog im Deutschland-Feldzug sammeln konnte. Da war zunächst der Einsatz der Kavallerie von Liechtenstein. Den meisten Attacken war ein Misserfolg beschieden, teilweise kam es zu panikartiger Flucht. Von einem Zusammenwirken mit der Infanterie konnte keine Rede sein. Gegen die Kürassiere des Marschalls Bessieres und der Reiter der Generale Espagne und Lasalle war Liechtensteins Kavallerie hoffnungslos unterlegen. Als sie den abziehenden Franzosen mit einer geballten Reiterattacke den Todesstoß hätte zufügen können, versagte sie vollends.

Die Kommunikation zwischen dem Oberbefehlshaber und seinen Armeekorps-Kommandanten war mangelhaft. Während Napoleon weitgehend auf seinem Gefechtsstandort ausharrte und eine kleine Armee von Adjutanten seine Befehle an die kommandierenden Generäle übermittelte, ritt Erzherzog Karl von einem Korps zum anderen, gab Halt wo die Reihen ins Wanken geraten waren, griff unmittelbar in das Kampfgeschehen ein, ergriff eine Regimentsfahne und führte ein in Auflösung begriffenes Regiment todesmutig in den Kampf – und meisterte zahlreiche Krisen durch persönliche Tapferkeit. Sein Generalstabschef Wimpffen, unter dem wieder einmal ein Pferd getötet wurde, geriet mit französischen Dragonern ins Handgemenge. Da stürzte sich ein Adjutant von Erzherzog Karl, Franz Graf Taaffe mit einigen Grenadieren ins Gemetzel und bewahrte den Generalstabschef vorm sicheren Tod: Taaffe überließ sein Pferd dem General, der nun wieder zum Stab des Generalissimus stoßen konnte.

Obwohl die gesamte Armee in einzelne Korps gegliedert war, wurde diese Art der Gefechtsführung nicht geübt, und sie versagte in den Schlachten in Deutschland vollends. Die einzelnen Korpskommandanten konnten den schlachterprobten Marschällen des französischen Heers nicht das Wasser reichen – die Verlustliste der französischen Kommandeure spricht eine beredte Sprache: Marschall Lannes, die Generäle Espagne, Claparede, St.Hilaire, Mouton,Tharreau,Curial tot oder verwundet. Von den 5 Korpskommandanten des österreichischen Heeres überlebten alle die blutige Schlacht ohne Schrammen in ihren blütenweissen Uniformen.

Hinzukam, dass die Armee zu wenig Munition bereitstellen konnte und demzufolge ständig Munitionsmangel herrschte.

Die Schlacht wurde von der Infanterie gewonnen, die todesverachtend den wütenden Reiterangriffen standhielt, „Masse“ bildete, ihre todbringenden Salven auf kürzeste Entfernung abgab , furchtlos das Bajonett fällte und zum Gegenstoß überging. Die in Linien aufgestellten Bataillonsmassen erinnerten den Erzherzog an die gegen das Osmanische Reich eingesetzten Truppen, doch gerade weil die Infanterie diese Taktik seit jeher beherrschte, war sie die Siegerin der Schlacht von Aspern.

Letztlich hat Napoleon die vor der Schlacht immer wieder erörterte Frage, ob Defensivschlacht oder Flussübergang und Angriff, selbst beantwortet, indem er verlautbaren ließ, die Armee sei von „General Danube“ geschlagen worden. In der Tat: wäre es ihm gelungen, seine gesamte Streitmacht auf das nördliche Donauufer zu führen, wäre die Schlacht von Aspern mit großer Wahrscheinlichkeit anders ausgegangen. Doch wenn es Napoleon nicht gelungen war, den Uferwechsel durchzuführen – ein reißendes Hochwasser, Zerstörung der Pontons durch die brennenden Schiffe des Hauptmann Magdeburgs, der im übrigen dem Stabe Wimpffens angehört hat – welches Schicksal hätte die österreichische Armee erlitten, bei der Brückengerät und Pontons bereits Mangelware waren? (Sie verlor allein in der Schlacht bei Eggmühl 56 Pontons) Napoleon, im Verbund mit „General Donau“ wären nicht zu besiegen gewesen.

Die Tatsache, dass in der zweitägigen Schlacht die österreichische Armee zahlenmäßig zu jeder Zeit überlegen war, rief sowohl die zeitgenössischen Kritiker als auch zahlreiche Militärhistoriker auf den Plan. Wenn der Erzherzog am ersten Schlachttag über 84.ooo Mann, rund 14.ooo Reiter und 288 Geschütze verfügte gegenüber 3o.000 Mann Infanterie, 9.000 Reiter Napoleons, wieso konnte er nicht bereits am ersten Tag eine vernichtende Niederlage den Truppen Napoleons zufügen? Selbst am zweiten Tag der Schlacht, als Napoleon über 67.000 Mann und 1o.ooo Reiter und 152 Geschütze verfügte, war er dem Erzherzog gegenüber in allen Waffengattungen immer noch in der Minderzahl – weshalb also, mit der Donau im Rücken, konnte er nicht überrannt werden? Die Antwort fällt einfacher aus als man denken könnte: Napoleons siegreiche Armee war in vielen Bereichen der österreichischen Armee überlegen: Ausrüstung, Schlachterfahrung, taktische und operative Führung, Kommunikation, Altersstruktur der kommandierenden Generäle, Ideologie und Begeisterungsfähigkeit – all diese Faktoren sprachen für die französische Armee, vom Feldherrengenie Napoleons mal abgesehen. – In einer Hinsicht war jedoch die Armee der Monarchie ebenbürtig: in Sachen Tapferkeit. Bereits in den drei Schlachten Abensberg- Eckmühl-Regensburg verlor sie über 9o höhere Offiziere; bis Ende des Feldzugs erhöhte sich diese Zahl auf 43o tote Offiziere.

Einen weiteren Grund wird man in der Persönlichkeitsstruktur des Erzherzogs Karl suchen müssen; er hat bei all seinen Entscheidungen stets das Schicksal der Monarchie vor Augen gehabt, obwohl dies, nicht nur aus heutiger Sicht ,nicht seine Aufgabe war. Die „Richtlinien“ der Politik lagen bei seinem Bruder, beim Kaiser und seinen Ministern, in Sonderheit beim „Falken“ Stadion. Der Kaiser verbat sich immer wieder die Einmischung in seine Entscheidungskompetenz hinsichtlich Krieg und Frieden, doch der Erzherzog war kein „Komißkopf“, kein serviler Befehlsempfänger, kein Blücher, kein“ Marschall Vorwärts“, kein Befürworter eines „Endsiegs“. Sein Zaudern oder gar Befehlsverweigerung dem Kaiser gegenüber war stets von der Sorge getragen, die von ihm geführte Armee vor der Vernichtung zu bewahren, damit die Monarchie, das Haus Habsburg keinen Schaden nimmt, nicht schutzlos gegenüber dem korsischen „Usurpator“ ausgeliefert ist. Eine solche Haltung musste auf Dauer unweigerlich zu ernsten Konflikten zwischen ihm und dem Kaiser führen, schließlich kam es aufgrund der Eigenmächtigkeit des Erzherzogs zum endgültigen Bruch, als er gegen den Willen des Kaisers nach der verlorenen Schlacht von Wagram einen Waffenstillstand abschloss. Noch war es aber nicht so weit, denn Napoleon hat zwar eine Schlacht, nicht aber den Feldzug verloren.

So ungewöhnlich es auch erscheinen mag, nach einer siegreichen Schlacht dem Gegner Friedensverhandlungen anzubieten, genau dies ist nach Aspern geschehen. Der Erzherzog ließ, auch in diesem Fall ohne Einwilligung des Kaisers, sondieren, musste aber feststellen, dass Napoleon nicht daran dachte, Frieden zu schließen. Der Generalissimus Karl wusste genau, welche Bedeutung der Erfolg von Aspern hatte. Er schrieb in einem Brief :“Seit der Schlacht von Regensburg und besonders seit der Schlacht von Aspern predige ich unausgesetzt: Frieden, Frieden, Frieden. Lieber etwas opfern als alles verlieren. Die Schlacht von Aspern hat ihn (Napoleon) milder gemacht, man benutze dies Glück, welches wir schwerlich ein zweites Mal haben werden“. Keine Spur von Heroisierung, Hochmut, Siegesgewissheit, Überheblichkeit, gar Geringschätzung des Gegners. Im Gegenteil: Realismus pur.  Wie beurteilte der Preusse Clausewitz diese  Strategie von Karl?” Der Erzherzog habe nie die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte als das eigentliche Ziel der Kriegführung vor Augen gehabt!” Und die Geschichte gab dem Generalissimus recht.
Doch weder der Kaiser, geschweige denn seine Minister wollten den Frieden. Die „Falken“, die skrupellosen Kriegstreiber, großspurige Politiker obsiegten und so begann man mit der Vorbereitung der alles entscheidenden zweiten Schlacht. Und als diese Schlacht von Wagram zu Ende ging, lagen 13.ooo Soldaten tot auf dem Schlachtfeld. Allein die Zahl der Toten berechtigen zu der Frage, ob es nicht vernünftiger gewesen wäre, mit Napoleon unter allen Umständen Frieden zu schließen, vom territorialen Verlust und der Demütigung Österreich ganz zu schweigen.

 

Standbild des Feldmarschalls Maximilian von Wimpffen von Adam Rammelmayer auf dem Heldenberg in Wetzdorf
Adam Rammelmayer (1807-1887) war ein österreichischer Bildhauer, studierte in Mailand, war Stipendiat der Accademia di San Luca, und war lange Jahre hindurch Mitglied der Wiener Akademie.
Er hielt sich mehrere Jahre zu Studien in Italien auf.

 

 

 

 

Das bekannte Gemälde der Schlacht von Aspern von  Johann Krafft im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum veranschaulicht, welche Bedeutung man ganz allgemein dem Generalstab beimaß: nämlich gar keine. Neben dem Erzherzog sind die 5 Korpskommandanten in ihren blütenweißen Uniformen zu sehen,nirgendwo Dreck, Blut ,Spuren eines Gemetzels. Der Generalstabschef  wird von  einem Pferdekopf sorgfältig verdeckt; obwohl ihm, laut EH Karl, die “erste Grundlage des Sieges gebührt”.  Hat der Erzherzog das Goethe-Wort aus Faust II gekannt:? ” Laß du den Generalstab sorgen,und der Feldmarschall ist geborgen”.  Wahrscheinlich. Aber es war auch seine ehrliche Meinung. Auch der Artilleriedriektor Smola, der wesentlich mehr zum Sieg beigetragen hat als etwa der Fürst Orsini-Rosenberg wird hinter einem Pferdekopf versteckt, wobei offensichtlich ist, dass der Maler (oder sein Gehilfe) bei seiner Ausbildung die Stunde “Tieranatomie” mit  Sicherheit geschwänzt hat.

Anders sah der Maler Holpein die Schlacht; wir sehen, wie der Erzherzog, die Truppen anfeuern…..

hinter ihm sein Generalstabschef von Wimpffen..

… der Erzherzog im Schlachtgetümmel. Ohne die herausgeputzte Entourage .

…und hier der Erzherzog, wie bei einer Parade.

Auftraggeberin des Gemäldes war die Fürstin Kinsky, die auch die Anordnung der dargestellten Personen bestimmte; Krafft vermerkt in seiner Autobiographie, das Bild sei unter seiner “Aufsicht” entstanden d.h  die Schüler des Akademiedirektors griffen zum Pinsel  und malten letztlich das gesamte  Bild. Das Bild ist im übrigen reichlich unhistorisch; zum Beispiel fanden sich zu keinem Zeitpunkt der Schlacht alle 5 Korpskommandeure im Gefolge des Erherzogs. Was für ein Unterschied zwischen diesem “Schinken” und der Schlachtengemälde von Vereshtschagin,  Detaille, Goya,Meissonier, A.von Werner – um nur einige zu erwähnen.

Die Schlacht bei Aspern

Was geschah nun auf dem Nordufer der Donau, bei der Armee des Erzherzogs? Über 8.000 tote französische und österreichische Soldaten und an die 2000 Pferde mussten in Massengräben beerdigt, über 14.000 Verwundete versorgt werden. Unmittelbar nach der Schlacht wurde damit begonnen, die Leichen in Massengräben zu bestatten, die Pferdekadaver zu verscharren. Die letzten Toten konnten erst drei Wochen später beerdigt werden. Um Seuchen vorzubeugen, musste die Arme von der Donau zurückgenommen werden. Trotzdem verlangten der Kaiser und seine politischen Berater ein sofortiges Losschlagen, wieder einmal wurde der Erzherzog aufgefordert, den Flussübergang zu wagen. Auch die Militärhistoriker der Nachwelt tadelten den Erzherzog und seinen Generalstabschef, weil sie den Sieg nicht ausgenutzt hätten, das napoleonische Heer endgültig zu vernichten. Dass die Armee des Erzherzogs am Rande der Erschöpfung stand und nicht in der Lage war, den Fluss mangels ausreichenden Geräts zu überqueren, wurde dabei nicht berücksichtigt. Der Generalstabschef musste sich später in einer Denkschrift unter dem Titel „Warum benutzten die Österreicher den Sieg von Aspern nicht zu einer offensiven Operation auf das rechte Donauufer?“ gegen seine Kritiker verteidigen. (s. Anlage)

Die politische Führung überschlug sich freilich vor Begeisterung .Wenn schon nicht der „Deutschland-Feldzug“, so sollte doch die gewonnene Schlacht von Aspern zum Fanal werden, den Beginn des allgemeinen Volksaufstandes in Europa markieren. Man verbreitete die Meldung, Napoleon sei gefangengenommen worden, er sei tot; maßlose Siegesmeldungen wurden in Umlauf gebracht. Der Mythos der Unbesiegbarkeit Napoleons sei zerstört worden, er sei in einer offenen Feldschlacht das erste Mal geschlagen worden, eine Feststellung übrigens, die selbst in der Gegenwart fortlebt. Nein, Napoleon konnte schon früher geschlagen werden: am 6. November 1796 bei Bassano, am 12. November 1796 bei Caldiero und am 17.-21. März 1799 bei Saint-Jean-d’Acre – Aspern war seine vierte Niederlage, in der Reihe dieser Niederlagen, allerdings die schwerste und folgenreichste. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, dass der braunschweigisch-russische General, Leontij Leontevitsch Bennigsen nach der Schlacht von Eylau, zwei Jahre vor Aspern vom Zaren den Ehrentitel erhielt „ Besieger des noch nie besiegten Feldherrn“ . Wie auch immer, man sollte mit der Feststellung, Napoleon sei bei Aspern das erste Mal in einer offenen Feldschlacht besiegt worden, behutsamer umgehen.

Wieder einmal verlangte Erzherzog Karl die Konzentration der gesamten Militärmacht der Monarchie auf dem Marchfeld. Das gleiche tat auch sein Gegner auf dem anderen Ufer der Donau. Doch was Napoleon ohne viel Mühe gelang, war auf der österreichischen Seite offensichtlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Napoleons Marschälle waren gewohnt, den Befehlen Folge zu leisten, nicht so die habsburgischen Verwandten von Karl, dessen Befehle grundsätzlich ignoriert wurden. Da war zunächst der krankhaft ehrgeizige Erzherzog Johann. Der Befehl an ihn lautete: zurück aus Italien ins Marchfeld. Doch, wie bereits erwähnt, ignorierte dieser diesen eindeutigen Befehl und ging mit seinem 12.ooo Mann starken Korps nach Ungarn zurück. Der zweite Bruder des Erzherzogs, der in Ungarn kommandierende Erzherzog Joseph erhielt ebenfalls den Befehl, das ungarische und  das kroatische Adelsaufgebot zu versammeln, sich mit Johann zu vereinigen und sich ebenfalls Richtung Marchfeld zu begeben. Doch auch dieser Erzherzog ging seinen eigenen Weg.
Napoleon hätte seine Marschälle bei einem solchen Verhalten sofort abgesetzt,( den Marschall Bernadotte schickte er inmitten des Schlachtgeschehens nach Hause ) nicht so Erzherzog Karl, der Generalissimus: er bat den Kaiser, die beiden Brüder zur Befolgung seiner Befehle aufzufordern. Sie gehorchten nur halbherzig und äusserst widerwillig: Das Ergebnis waren die verlorenen Schlachten von Györ und Wagram.

Das Vorspiel zu Wagram: Die Schlacht bei Györ/Raab (Ungarn)

Bereits zwei Tage nach der Schlacht von Aspern ergingen Napoleons Befehle an die verstreut stehenden Truppen, sich bei Wien zu versammeln. Alles Verfügbare wurde zum Materialtransport herangezogen: Brückengerät und Pontons für 1o Brücken, Gewehr- und Artilleriemunition, Lebensmittel, Pferdefutter, Spirituosen und Wein – ein Heerlager entstand von bisher kaum gekannten Ausmaßen. Unmittelbar vor der Schlacht von Wagram mussten 134.ooo Mann, 27.ooo Reiter, die Geschützbedienung von 433 Geschützen verpflegt werden-ein Heer von beinahe 2oo.ooo Mann. Man kann sich sehr gut vorstellen, welche hygienischen Probleme außerdem zu bewältigen waren.

Das Zusammenziehen aller verfügbaren Kräfte war wieder einmal eine Meisterleistung der französischen Heeresleitung.

Doch was den Franzosen tadellos gelungen war, gestaltete sich auf der gegnerischen Seite als äußerst schwierig bzw. unmöglich. Der Abmarsch des Erzherzogs Johann aus Italien erfolgte zunächst zögerlich.; doch bald nahm Napoleons „ Italische Armee“ unter Eugene de Beauharnais die Verfolgung auf und verwickelte die Truppen des Erzherzogs bei Pordenone, Sacile , Fontana Fredda und Caldiero in für die Österreicher zwar erfolgreiche aber verlustreiche Gefechte. Am 24.Mai erreichte den Erzherzog ein neuer Befehl, den Abmarsch über Westungarn Richtung Marchfeld fortzusetzen. Doch anstatt wie befohlen den Weg ins Marchfeld zu nehmen, schwenkte der Erzherzog nach Osten ab und zog sich in Richtung Pressburg zurück.

Der andere Erzherzog, Joseph, der Reichsverweser (Nador) in Ungarn, eine Art Vizekönig erhielt bereits am 1o. April 1809 den Befehl, das ungarische und das kroatische Adelsaufgebot einzuberufen und sich bei Györ(Raab),östlich von Pressburg  zu versammeln. Dort sollte die Vereinigung mit den 12. 000 Mann des Erzherzogs Johann erfolgen, um dann, je nach Lage, zu den Kräften des Generalissimus zu stoßen.

Ein Wort zum Adelsaufgebot im ungarisch-kroatischem Königreich.

Die Adelsaufgebote waren ein mittelalterliches Relikt; seit dem Mittelalter war der Adel verpflichtet, zur Verteidigung der Heimat dem König Truppen zu Verfügung zu stellen. Jede Adelsfamilie hatte einen Mann – Reiter oder Infanterist – zu stellen, je nach Vermögenslage, wobei die Ausrüstung teils die Adelsfamilien, teils die Städte, die Diözesen, die Departements beizusteuern hatten. Unter Waffen verstand man Hieb- und Stichwaffen teils aus den Türkenkriegen sowie alle Arten und Kaliber von Gewehr: Flinten, Jagdgewehr, Pistolen jeglicher Herkunft und Alter. Das Gros bestand aus den völlig veralteten, viel zu schweren „Ordinären Füsilier-Flinte M.1745 „ und der „Commis-Flinte M. 1754“. Lediglich das kroatische Aufgebot verfügte über das modernere Gewehr M. 1798. Etwa 2o% des ungarischen Aufgebots besaßen überhaupt keine Feuerwaffen, man hoffte auf Ausrüstung durch Beutematerial. Das Geld für die Ausrüstung fehlte, es gab demnach auch keine einheitliche Uniform, sondern ein bunt-malerisches Durcheinander an „Magnatenkleidern“ jeglicher Provenienz.

Den Oberbefehl führte seit jeher der  Erzherzog Joseph, eine Bruder des Kaisers und der beiden Erzherzöge Karl und Johann. Ihm zur Seite Stand ein neugeschaffener Generalstab (Generalquartiermeisterstab), deren Chef seit 1797 Generalleutnant Otto Moritz Gomez y Parientos war. Da nicht nur den Insurgenten, dem Adelsaufgebot ,sondern auch dem Generalstab an Truppenführung mangelte, wurde vom Erzherzog Karl eine Reihe von erfahrenen Offizieren abkommandiert: 2 Oberste, ein Oberstleutnant, 6 Majore, 8 Offiziere im Rang eines Hauptmanns, 1o Oberleutnante und ein Leutnant; ausserdem 6 Unteroffiziere für das Transportwesen, Feldgendarmerie etc., wobei auffällt, dass unter diesen Offizieren kein einziger ungarischer Berufssoldat zu finden war, ein hinsichtlich der sprachlichen Verständigung nachteiliger Umstand.

Nicht nur den Insurgenten, auch dem Oberbefehlshaber fehlte es an Motivation, denn laut Gesetz durfte ein Adelsaufgebot nur im Falle eines nationalen Verteidigungskrieges einberufen werden – und dies war 1809, als Österreich einen Angriffskrieg begann, wahrlich nicht der Fall. So nimmt es kein Wunder, dass auch der Erzherzog Joseph, wie sein Bruder Karl gegen den Krieg war. Schließlich stimmte aber das ungarische Parlament auf Drängen des Kaisers der Einberufung doch noch zu und so konnte Mitte Mai ein zwar miserabel bewaffnetes,( die Kaiserin schrieb in einem vertraulichen Brief an Erzherzog Johann am 27.April:“ Der Kaiser befahl, dass die Insurrecion aufmarschieren soll, man giebt ihr aber keine Waffen“.) doch der Zahl nach ansehnliches Heer im westungarischen Großraum Györ versammelt werden: 2o.467 Mann Infanterie, 18.161 Reiter aus dem ungarischen Landesteil, 9.759 Mann Infanterie und 1627 Reiter aus Kroatien, alles in allem über 3o.ooo Mann Infanterie und 19.ooo Reiter. Nimmt man die Truppen des Erzherzogs Johann und die Landwehr-Battaillone hinzu, waren Anfang Juni im Großraum Györ an die 6o.ooo Mann Infanterie und 2o.ooo Reiter versammelt.

Bereits am 1. Juni – einen Monat vor Wagram – erging von Erzherzog Karl ein neuer Befehl an seinen Bruder Johann, sich nicht länger im Raum Györ aufzuhalten, sondern seine Truppen der Hauptmacht auf dem Marchfeld zuzuführen. Der Erzherzog Joseph erhielt ebenfalls die Anweisung, seine Verbände im Raum Györ zu konzentrieren und den Abmarsch der Verbände Johanns zu decken. Napoleon hat natürlich die Gefahr dieser Truppenmassierung sofort erkannt und befahl Beauharnais, gegen Györ zu marschieren und den Abzug der Truppen beider Erzherzöge in Richtung Marchfeld zu verhindern. Am 2 Juni erschien Generalstabschef Wimpffen in Pressburg, um sich über die Befolgung der Befehle Karls zu unterrichten, die Möglichkeiten eines Übergangs der Armee auf das linke Donauufer zu prüfen und den weiteren Ausbau des Brückenkopfes bei Pressburg anzuordnen. Der Brückenkopf hatte sowohl für einen eventuellen Angriff Karls im Rücken der Franzosen als auch als Rückzugsmöglichkeit für die Truppen der beiden Erzherzöge über die Brücke eine wichtige Funktion. Ohne einen befestigten Brückenkopf konnten die Truppen der beiden Erzherzöge nicht aufs Nordufer der Donau gelangen..

Am 11.Juni erhielten die beiden Erzherzöge erneut den Befehl von Karl, ihre Truppen ohne weiteren Zeitverlust über Pressburg ins Marchfeld zu führen und nur schwache Sicherungskräfte zurückzulassen. Der Befehl erreichte die beiden Feldherren im Esterhazy-Schloss zu Papa .Nach kurzer Beratung mit den Stabschefs Graf Nugent – Westmeath und Gomez y Parientos wurde beschlossen, den Befehl des Generalissimus zu ignorieren und sich den Truppen Beauharnais’ zu stellen. Am nächsten Tag trafen beide Erzherzöge im Dorf Tét erneut zusammen und vernahmen von Generaladjutant Graf Beckers die zur Verfügung stehende Truppenzahl: 11.1o8 Mann Infanterie und 8839 Reiter des ungarischen Adelsaufgebots sowie 2o.524 Mann Infanterie und 2226 Reiter der Truppen des Erzherzogs Johann.(IX. Armeekorps mit drei Divisionen) Offensichtlich überkam den Erzherzog Joseph angesichts des eindeutigen Befehls des Generalissimus Karl das schlechte Gewissen, denn er fragte seinen Bruder Johann: „Was wollen wir tun?“ – „ Wir werden bei Györ eine Schlacht liefern“ beschied Erzherzog Johann“. „Doch nicht mit diesen Truppen“ antwortete Joseph. „ Ich werde meine Truppen nach Komarom (an der Donau) führen und dort erst einmal exerzieren“. Daraufhin zog der Erzherzog Johann einen Befehl des Kaisers aus der Tasche, aus dem hervorging, dass er das Oberkommando über alle in Ungarn versammelten Truppen führe, ein Befehl, der eindeutig gegen die Verfassung Ungarns verstieß. Ohne eine Antwort, sprang Erzherzog Joseph in seinen Wagen und fuhr, -verständlicherweise – verärgert davon, denn nach den geltenden Gesetzen hatte er den Oberbefehl über die ungarischen und kroatischen Adelsaufgebote.

Nachdem als beschlossen galt, den Franzosen eine Schlacht zu liefern, fuhr Erzherzog Johann nach Györ, um im bischöflichen Palais zu speisen und Quartier zu beziehen. Während des Mittagsmahls erwähnte der Erzherzog eher beiläufig, die beiden Stabschefs, Graf Laval Nugent-Westmieth und Gomez y Parientos mögen umgehend einen Operationsplan entwerfen. Der General Nugent meinte jedoch, es sei noch Zeit genug, einen Operationsplan auszuarbeiten und legte       –     einen Nachmittagsschlaf ein – einen Tag vor der Schlacht! Als am nächsten Tag der Erzherzog seinen Stabschef fragte, welche Dispositionen er ausgegeben habe, antwortete dieser: „gar keine“. Man werde aufgrund der Geländeverhältnisse während des Kampfes entsprechende Befehle erteilen. Im übrigen habe man lediglich eine Vorhut der Franzosen vor sich in der Stärke von in bestem Fall 12.000 Mann. Anschließend wurde für den versammelten Stab der beiden Erzherzöge auf dem Templom-Hügel bei Kismegyer ein Gabelfrühstück serviert. Vier Stunden vor der Schlacht saßen die Oberkommandierenden und ihre Stabschefs mit 52 höheren Offizieren seelenruhig beim déjeuner `a la fourchette!

Während gefrühstückt wurde – es ist der 14.Juni, der Jahrestag der berühmten Schlacht von Marengo – vollzog sich auf der anderen Seite seit den frühen Morgenstunden der Aufmarsch der gesamten „ Italischen Armee“ Napoleons: 41. 814 Mann Infanterie, 12.051 Reiter und 144 Kanonen, geführt von berühmten, kampferprobten französischen Kommandeuren: Macdonald, Montbrun, Grouchy, Colbert, Baraguey d’Hilliers, Lauriston, Durutte, Sahuc, Grenier, Pajol um nur einige zu erwähnen .Um 17 Uhr war die Schlacht verloren, der Erzherzog ordnete den Rückzug an.

Diese kurze Schilderung der Ereignisse in Ungarn ist deshalb von Bedeutung, weil nach der verlorenen Schlacht von Wagram der Generalissimus die Schuld an der Niederlage zu Recht dem Nichterscheinen des Erzherzogs Johann aufbürdete. Doch es gibt nicht wenige Militärhistoriker, die der Ansicht sind, die 12.ooo Mann des Erzherzogs Johann hätten am Ausgang der Schlacht von Wagram, wären sie rechtzeitig eingetroffen, wenig geändert. Man übersieht dabei wohl absichtlich, dass Johann bei Befolgung der Befehle des Generalissimus nicht die nach der verlorenen Schlacht von Györ verbliebenen Reste seiner abgekämpften,demoralisierten,geschlagenen Armee, sondern an die 60.000 Mann Infanterie und 2o.000 Reiter hätte ins Marchfeld führen können – und diese Kräfte hätten sehr wohl der Wagramer Schlacht einen anderen Ausgang sichern können. Die kampfunerfahrenen Adelstruppen wären auch nicht so leicht überrannt worden, denn sowohl Erzherzog Karl als auch sein Bruder Joseph plädierten dafür, die ungarisch-kroatischen Verbände in die regulären Truppen einzugliedern, ähnlich der ebenfalls kampunerfahrenen österreichischen Landwehr, die sich in den Schlachten im Marchfeld hervorragend geschlagen hat.

In diesem Zusammenhang muss noch vermerkt werden, dass Erzherzog Johann in seinem Bericht v. 16.Juni 1809 an den Generalissimus die Schuld an der Niederlage bei Györ(Raab) den „verbündeten“ Ungarn angelastet hat – wie bei Koalitionen seit jeher üblich. (Der 2. Weltkrieg bietet hierfür ein schönes Beispiele:Nach der verheerenden Niederlage bei Stalingrad  hat die deutsche Heeresleitung die Schuld am Desaster den rumänischen, italienischen und ungarische Verbänden ,die am den Flanken eingesetzt wurden, angelastet ) Von eigenen Fehlern ist in diesem Bericht natürlich nicht mit einem Wort die Rede.
Auch zwischen Napoleon und Eugene de Beauharnais, seinem Adoptivsohn – immerhin ausgestattet mit dem Titel eines Vizekönigs von Italien – kam es nach der gewonnenen Schlacht von Györ zu einer Meinungsverschiedenheit, die jedoch anders ausgetragen wurde als zwischen dem Befehlsverweigerer Erzherzog Johann und dem Generalissimus Karl: Vizekönig Beauharnais schlug Napoleon vor, die geschlagene Armee der Erzherzöge zu verfolgen, ins Landesinnere vorzustoßen und die Hauptstadt Pest-Buda einzunehmen. Eine von den Franzosen einberufene ungarische Nationalversammlung sollte entweder den Fürsten Miklos Esterhazy oder den Erzherzog Joseph zum König ausrufen und Ungarn, im Sinne eines als Flugblatt verbreiteten Aufrufs Napoleons für unabhängig erklären. Beauharnais’ Vorschlag’ wurde vom gesamten Stab der „Italischen Armee“ unterstützt, denn man wusste, dass keine ungarische Militärmacht den Weg der Franzosen in Richtung der Hauptstadt hätte verlegen können. Napoleon reagierte sofort:in seinem Befehl vom 19.Juni verbot er dem Vizekönig, den Plan zu verfolgen. Den Alternativvorschlag von Beauharnais, einen Uferwechsel vorzunehmen und die Verbände Johanns in einer zweiten Schlacht am Nordufer der Donau zu vernichten, hat Napoleon ebenfalls abgelehnt ; statt dessen musste der Vizekönig Anstalten treffen, zu gegebener Zeit in Richtung Marchfeld aufzubrechen. Bereits vier Tage später, am 23.Juni erhielt Beauharnais tatsächlich den Befehl, mit der Verlegung der französischen Truppenverbände sofort zu beginnen. In derselben Nacht begann der planmäßige Rückzug aller französischen Einheiten aus Ungarn in Richtung Marchfeld. Noch dachte Napoleon in militärischen Kategorien, die leichte politische Beute – Ungarns Hauptstadt – ließ er links liegen – erst Jahre später, im Russlandfeldzug änderte er seine Meinung.

Übrigens: Hans Magenschab, der wohl kenntnisreichster Biograph des Erzherzogs Johann widmet in seinem 378 Seiten umfassenden Buch ganze 9 Zeilen der Schlacht von Györ. Und Manfried Rauchensteiner, dem wir eine der besten Schilderungen der Schlacht von Wagram verdanken, widmet den ungarischen Ereignissen ganze drei Zeilen.
In einem 2009 erschienenen Buch von Lazar BALAZS “Die Reglements des Königlich-Ungarischen Adelsaufgebots von 1809,”Verlag Nap,Budapest gibt der Autor eine ausführliche Darstellung der Geschichte dieses Adelsaufgebots, seiner  Bewaffnung, Organiasations- und Kommandostruktur.

 

Der Generalstabschef der Armee 1809

Kehren wir zurück zu den Vorbereitungen der Schlacht von Wagram.

Wieder einmal ging es um die Frage: Angriff oder Defensivschlacht. Wie nicht anders zu erwarten, plädierten der Kaiser, seine Frau und die Politiker für ein sofortiges losschlagen. Bruno Brehm beschreibt in seinem Buch „Zu früh und zu spät“ eine Auseinandersetzung zwischen dem Erzherzog Karl , dem kaiserlichen Bruder und seinem Minister, Graf Johann Philipp Stadion sehr lebensnah:“ Wäre es nicht leicht“ – so Stadion – „ , Napoleons Verbindungen zu bedrohen, seine Etappe, wie in Spanien durch aufreibenden Kleinkrieg zu beunruhigen? In kurzer Zeit werden die Engländer in Hannover einfallen, jetzt schon bedrohen die Tiroler Bayern, die Vorarlberger Schwaben, die allerdings sehr schwachen Kontingente versetzten Franken und Sachsen in Schrecken und in Italien mache sich bereits die englisch-sizilische Expedition bemerkbar“.
Mit heftigen Worten unterbrach der Erzherzog den Minister:“ Fast mit den gleichen Worten haben Sie seinerzeit den Beschluss zu diesem Krieg begründet. Ist ein Rheinbundfürst abgefallen? Hat sich in Bayern irgendjemand anderer auf unsere Seite gestellt als jene armen, bei Eggmühl übergelaufenen Tiroler, die man in bayerische Regimenter gesteckt und gegen uns zu kämpfen gezwungen hat? Hat sich in Preußen jemand gerührt außer jenem armen, unseligen(Major) Schill, den Westfalen, Holländer und Dänen zu Stralsund zusammengeschossen haben? Hat jemand Katte gegen Magdeburg und jemand den westfälischen Oberst Dörnberg, der den König Jerome(Napoleons Bruder) gefagennehmen wollte, geholfen? Hat man diejenigen, die gegen Frankreich die Waffen erhoben haben, hinrichten lassen? Nein, Stadion, unterbrechen Sie mich nicht! Der Herzog von Braunschweig hat in Zittau an das deutsche Herz der Sachsen appelliert, und in der ganzen Stadt haben sich drei Sachsen mit deutschen Herzen gefunden, um für Deutschlands Freiheit zu kämpfen.Statt der erwarteten zehntausend Freiheitskämpfer sind im Werbebüro des Braunschweigers zu Meissen dreihundert zerlumpte Landstreicher erschienen.“

Sieht man sich die Namensliste jener Offiziere an, die trotz ihres „deutschen Herzens“ unter Napoleons Oberbefehl standen und nicht den Mut faden, die Seite zu wechseln, wird man den Zornesausbruch des Erzherzogs sehr wohl verstehen: die Generäle Zeschwitz, Hartizsch, Zeschau,Feilitzsch ,Preysing, Wrede, Gutschmidt,Polenz ,Beckers, Steindel, Hochberg — Sachsen, Hessen, Badener, Westfalen, Württemberger, Bayern, Nassauer, fürstliche und königliche Leibregimenter, Leibgarden, Leibdragoner, Garde-Chevauxlegers, Leibgrenadiere -man hätte aus „Rheinbundsoldaten mit deutschem Herz“ eine ansehnliche Armee von über 1oo.ooo Mann zusammenstellen können, die bei Wagram gegen die Österreicher aufgeboten wurde .

Die Vorbereitungen zur zweiten Schlacht liefen bei Napoleon am rechten Donauufer ohne größere Probleme: das Heranziehen der verstreuten Reserven gingen zügig voran. Auch die „Italische Armee“ von Beauharnais und die Dalmatinische Armee unter Marmont kamen rechtzeitig im befohlenen Versammlungsraum der Grande Armee an. Brückengerät, Waffen, Munition, Kanonenboote, Belagerungsgeschütze, Verpflegung wurden in großen Mengen herangeschafft und schrittweise erneut auf der Insel Lobau deponiert, die zu einer waffenstarrenden Festung ausgebaut wurde. Zelte für Verwundete und Verbandplätze wurden in großer Zahl angelegt.
Die französischen Truppen aus Tirol wurden Richtung Wien in Marsch gesetzt und am 29.Juni konnte Napoleon die Vorbereitungen zur zweiten Schlacht als abgeschlossen ansehen. Von Melk im Westen bis in den Raum von Pressburg östlich von Wien stand die Grande Armee bereit, Versuche der Österreicher, die Donau zu überwinden abzuwehren und jederzeit zum Angriff überzugehen. Eine Armada von über 180.000 Mann mit 617 Kanonen und an die 2o.ooo Mann in der Reserve im Raum Ljubljana, Bruck a. d. L. und Wiener Neustadt. Die Frage war nur, wann und wo der Sturm losbrechen würde.

Während Napoleons Absichten, nämlich eine zweite, eine alles entscheidende Schlacht zu schlagen auf Grund der Truppenbewegungen (und der politischen Verhältnisse in Europa) unschwer zu erkennen waren, flammte auf der österreichischen Seite erneut die Diskussion über die Frage auf: Verteidigungschlacht oder Angriff über die Donau. Die Debatte war in vieler Hinsicht eine Wiederholungen der Ereignisse vor Aspern.

Der Kaiser und seine Entourage waren, besonders seine Ehefrau Maria Ludovica, aus verständlichen Gründen für einen Angriff. Unterstützt wurden sie von Politikern wie Außenminister Stadion, Kriegsminister Zichy und den persönlichen Beratern des Kaisers. Sie alle drängten den Generalissimus zur Offensive. Der Generalstabschef v. Wimpffen, der nach Verlust eines Viertels des Bestandes der Armee wieder einmal gegen die Offensive war, gab dem Druck schließlich nach und begann Pläne zu einem Übergang auszuarbeiten. An drei Stellen hielt er dies für möglich; bei Pressburg ( Bratislava), bei Krems oder bei Tulln. An diesen Stellen gab es Inseln und tote Arme, die einen Brückenbau erleichterten, außerdem gab es bei Pressburg eine intakte Schiffsbrücke. Sein Vorschlag war, den Übergang bei Krems –Tulln zu versuchen, um im Falle eines Misslingens die“ Kornkammern“ der Monarchie, Böhmen und Mähren schützen zu können. Erzherzog Karl sprach sich gegen diesen Plan aus und entschied sich für einen Übergang bei Pressburg. Also ging der Generalstabschef an die Ausarbeitung eines solchen Plans heran und ritt noch am selben Tag nach Pressburg. Während sich Wimpffen in Pressburg aufhielt, startete am 1.Juni Napoleon einen Täuschungsangriff gegen diesen Brückenkopf. Erzherzog Karl befürchtete einen größeren Übergangsversuch und änderte sofort seine Pläne. Wimpffen wurde zurückbeordert und erhielt nun die Aufgabe, doch noch den Plan eines Übergangs im Raum Tulln vorzubereiten. Als die Armee des Erzherzogs Johann, bedrängt von der „Italischen Armee“ Beauharnais’ sich in Richtung Ungarn, statt Wien zurückzog, wurde der Plan erneut geändert. Nun wurde Wimpffen angewiesen, erneut Pressburg als Donauübergang ins Auge zu fassen. Dieser Überlegung lag der Gedanke zugrunde, im Raum Pressburg sich mit Erzherzog Johann zu vereinigen und die Front der Franzosen vom Osten her aufzurollen. Zumindest sollten die Kräfte des Erzherzogs Johann dort aufgenommen und je nach Lage der Dinge ins Marchfeld zurückgeführt werden.

Die Eigenmächtigkeit des Erzherzogs Johann und die Nichtbefolgung der Befehle des Generalissimus führten am 14.Juni zur Katastrophe von Györ und damit war die Offensive im Raum Pressburg hinfällig geworden. Am 3o. Juni stand sein neuer Entschluss fest:Übergang bei Krems. Der Generalstabschef v. Wimpffen ging erneut an die Ausarbeitung eines Operationsplans.

Das Hin- und her des Oberbefehlshabers war, so muss man rückblickend annehmen, ein Täuschungsmanöver; nicht gegenüber Napoleon, sondern gegenüber dem Kaiser; Kaiser Franz saß mit seiner Kamarilla und den Politikern unweit des Hauptquartiers des Erzherzogs und er drängte fortwährend zum offensiven Vorgehen – wo auch immer. Der Erzherzog, sein Generalstabschef v. Wimpffen und sein Generaladjutant Graf Grünne waren sich jedoch einig, dass angesichts des Zustandes der österreichischen Armee nur eine Defensivschlacht nach dem Muster von Aspern Erfolg versprach. Der Kaiser sollte ruhig glauben, man plane in seinem Sinne Donauübergänge, vor allem um Wien zurückzuerobern – für den Kaiser war dies natürlich eine Prestigefrage – währenddessen man an den Ausbau einer starken Verteidigungslinie am linken Donauufer heranging. Dies bestätigt auch ein Brief des Erzherzogs an seinen Adoptivvater, Albert von Sachsen vom 7.Juni, gut drei Wochen vor der Entscheidungsschlacht:“ Soweit es an mir liegt, ist mein Plan fixiert, und ich werde genauso wenig etwas riskieren wie Fabius gegenüber Hannibal, qui cunctando restituit rem. Denn die Truppen, welche ich zur Verfügung habe, sind die letzten des Staates“. Ist es ein Zufall, dass der Erzherzog in einem vertraulichen, persönlichen Brief genau jenen Satz verwendet, für den man seinen Generalstabschef, den Generalmajor Wimpffen nach den verlorenen Schlachten in Deutschland so hart gescholten hat? Dass nämlich der römische Konsul Quintus Fabius Maximus, der „Cunctator“, der Zauderer den bis dahin siegreichen Hannibal durch eine hinhaltende Taktik und nicht durch eine Entscheidungsschlacht zermürbte. Wobei man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass zwischen dem Erzherzog und seinem Stabschef Einvernehmen herrschte hinsichtlich dieses so oft kritisierten Satzes – von welchen der beiden er auch immer stammen mag.
Für den heutigen Leser muss der Name Fabius Maximus nicht gegenwärtig sein; der Romancier Joachim Fernau hat diesen berühmten Feldherren der Antike sehr treffend geschildert: Wer war nun dieser Fabius Cunctator, auf den sich der Generalstabschef von Wimpffen und sein Oberbefehlshaber angesichts des siegreichen, (nicht unbesiegten) Napoleon beriefen? Welche Aktualität hatte dieser römische Feldherr des Jahres 216 v. Chr. für die Heerführer des Jahres 1809 ?

Die damalige Situation: Hannibal stand vor den Toren von Rom, „ante portas“, Napoleon vor den Toren Wiens bzw.in der Stadt.

Fernau:“ In diesem Moment wünschte das Volk die Verantwortung nicht mehr zu haben. Es berief einen Diktator… es ist Quintus Fabius Maximus. Er legte dem Senat und der Generalität seine Ideen dar. Sie sind das Klarste, was in einem römischen Kopf gedacht wurde, das Klarste und das Scharfsinnigste. Quintus Maximus war der einzige, der Hannibal geistig gewachsen war; der die Gedankengänge des Karthagers mutmaßen und ihnen folgen konnte; der einzige, der das scheinbar Unverständliche verstand und die Gefahr, die verborgene viel größere Gefahr, erkannte. Er erklärte den Römern, dass der Karthager in offener Feldschlacht nicht zu besiegen sei, es dürfe keine Schlacht mehr geben. Er sähe nur eine Aufgabe: hinter Hannibal herzuziehen und alle Städte, alle Orte, die er erobert hat oder – und das sei die schreckliche Gefahr – zum Abfall von Rom gebracht habe, wieder zu nehmen. Ruhe, Festigkeit müsse von den Wiedereroberern ausgehen.
Furchtbar enttäuscht gingen die Zuhörer heim. „Keine Schlacht“, „nicht zu besiegen“, „hinterherziehen“ – was für Aspekte! Ehe der Hahn einmal krähte, hatte Fabius Maximus seinen Spottnamen weg: „Cunctator“, Zauderer… Einige Monate lang ging es noch nach dem Plan des „Zauderers“, dann wurden Befehle nicht mehr ausgeführt, Operationen sabotiert. Der Kommandeur der Reiterei, Marcus Minutius rebellierte offen. In einem modernen wissenschaftlichen Geschichtswerk heißt es: ’Er war von der politischen Farbe eines Flaminius. Zwischen beiden – Munitius und Fabius – kam es zu Zerwürfnissen, so dass der einheitliche Oberbefehl des Diktators gesprengt wurde. Damit hat also die innenpolitische Auseinandersetzung bereits auf das Verfassungsrecht übergegriffen’.

Entschuldigen Sie, – wie war das? „Farbe“? Eines untergebenen Offiziers im Kriege. “Zerwürfnisse“? „Gesprengt“? Gesprengt, nicht verraten? Auf das Verfassungsrecht „übergegriffen“? Nennt man das so…? Nein meine Freunde. Das ist in aller Welt Rebellion. Das ist nach dem Kriegsrecht aller Völker der Erde reif für die Kugel. Und wer in einer Demokratie dem rechtmäßigen vom ganzen freien Volk Gewählten sein Recht verweigert, bricht die Verfassung. Wer ihn verrät, begeht Hochverrat. Erstaunlicherweise hat Fabius seinen Reitergeneral nicht köpfen lassen…Fabius Maximus „Cunctator“ tat etwas anderes: Er nahm seinen Hut und ging.“

Zwei Jahre später stellten sich die Römer der Entscheidungsschlacht. Bei Cannae. Fernau:“ Cannae wurde die schwerste Niederlage, die Rom in seiner Geschichte je erlitt. Fünfzigtausend blieben auf dem Schlachtfeld, ein Berg von Toten, wie ihn nie vorher jemand gesehen hat. Zwanzigtausend wurden gefangen. Das Volk von Rom hatte seine gewünschte Schlacht erhalten. Wer war schuld? Niemand. Denn wer ist das: „Das Volk“?“

Erzherzog Karl und sein Generalstabschef v. Wimpffen kannten die Geschichte des „Cunctators“ und die Pararellen zwischen 216 v. Chr. und dem Verlauf des Krieges 1809 n. Chr. waren in der Tat frappierend. Nur einige Namen mussten ausgetauscht werden.

Ein modernes Cannae zu vermeiden, dies war das Gebot der Stunde und man ging mit allen zur Verfügung stehenden Kräften daran, erneuet eine Defensivschlacht zu schlagen. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass sich das Marchfeld-Gelände sehr gute Möglichkeiten hierzu bot. Von Wagram im Norden von Wien bis Leopoldsdorf im Nordosten Wiens verläuft paralell zur Donau die Linie des Russbach – damals ein Bach mit weit auseinandergezogenen sumpfigen Ufern. Hinter diesem Bach, auf dem nördlichen, höheren Ufer wurde die starke Verteidigungslinie errichtet, Erdaufwürfe, Verschanzungen angelegt, Geschütze in Stellung gebracht, Carrees von 4oo Mann mit jeweils vier Kanonen gebildet. Die Dörfer der österreichischen Verteidigungslinie wurden zu starken Stützpunkten ausgebaut. An dieser auch durch die vorgelagerten Sumpfgebiete gut geschützte Verteidigungslinie sollte der Ansturm der Franzosen gestoppt werden. Und wenn die Schlacht von Wagram für die Armee des Erzherzogs Karl nicht zu einem vernichtenden Cannae geworden ist, so hat sie dies dieser „Rußbach-Stellung“ zu verdanken. Denn an ihr zerbrachen am ersten Schlachttag alle Infanterie –und Kavallerie-Angriffe Napoleons ebenso wie die von ihm immer wieder mit Erfolg praktizierten Durchbrüche des Zentrums seiner Gegner. Manfried Rauchensteiner:“ Der Misserfolg (der Franzosen) an der Front von Markgrafneusiedl bis Deutsch-Wagram ließ sich kaum beschönigen. Die Österreicher waren die Sieger gewesen. Der Einfluss des Geländes auf die Kampfführung hatte sich einmal mehr als entscheidend erwiesen. „

Hinter dieser Verteidigungslinie warteten an die 120.000 Mann Infanterie mit 446 Geschützen und an die 15.ooo Reiter, aufgestellt in einem Halbkreis zwischen Stammersdorf im Nordwesten von Wien und Siebenbrunn im Osten , auf den Beginn der Offensive der Grande Armee: 135.00 Mann Infanterie, an die 28.000 Reiter und 433 Geschütze.

Der vom Generalstabschef vorgelegte und vom Oberbefehlshaber gebilligte Operationsplan sah vor, die Franzosen beim übersetzen nicht sofort anzugreifen. Man wollte warten, bis zahlreiche Einheiten am Nordufer gelandet waren und sich zu ihren gewohnten Kampformationen entwickelt haben. Kritiker hielten dies für einen schweren Fehler; man übersieht dabei, dass man hinter der befestigten „Russbach-Stellung“ ein Defensivschlacht schlagen wollte d.h. man wollte die französischen Truppen erst einmal anrennen lassen. Hinzukam noch, dass die mächtige französische Artillerie einen sofortigen österreichischen Gegenangriff verhindert und den Angreifenden schwerste Verluste zugefügt hätte: selbst Essling und Aspern befanden sich im Schussbereich der französischen Batterien.

Anfang Juli standen nun im Großraum von Mauthausen bis Pressburg über 3oo.ooo Mann Infanterie, 9oo Kanonen und 4o.ooo Reiter bereit zur Entscheidungsschlacht des Krieges 1809. Der Plan des Erzherzogs Karl war ebenso festgelegt, nämlich Verteidigungsschlacht wie jener Napoleons: Angriff über die Donau.

Am 4.Juli begann die französische Offensive mit einem heftigen Artilleriefeuer auf die vordersten Linie der Truppen des Erzherzogs. Gegen 21.oo Uhr setzten bei einbrechender Dunkelheit die ersten französischen Truppen über die Donau, um am Nordufer einen Brückenkopf zu bilden. Am Nachmittag des 5. Juli war der Aufmarsch vollendet :über 13o.000 Mann Infanterie und 27.ooo Reiter überwanden die einzelnen österreichischen Widerstandsnester bei Groß-Enzensdorf und Schloss Sachsengang, um 18.oo Uhr standen die ersten Einheiten an der befestigten österreichischen Hauptkampflinie, der „Russbach-Stellung. Um 19.oo Uhr befahl Napoleon den Sturmangriff auf diese Stellung in der Hoffnung, das österreichische Zentrum zu zertrümmern. Doch die Verbände Massenas, Macdonalds und Bernadottes holten sich blutig Köpfe. Als um 23.00 die Waffen schwiegen, stellten alle französischen Verbände den Kampf ein, die Absicht, im Zentrum der Österreicher durchzubrechen galt als gescheitert.

Beide Seiten waren der Überzeugung, dass der nächste Tag, der 6. Juli die Entscheidung bringen werde. Napoleon schickte weitere Verbände über die Donau, so dass nunmehr 159.ooo Mann Infanterie, 29.000 Reiter und 488 Geschütze zu Verfügung standen.
Auch der Erzherzog hoffte auf das Eintreffen der Truppen seines Bruders Johann, dessen Einheiten den linken Flügel der österreichischen Armee verstärken sollten, denn es war unschwer zu erkennen, dass der französische Kaiser bei allen Waffengattungen in der Überzahl war.
Erzherzog Karl konnte mit den Ergebnisse des ersten Schlachttages allerdings durchaus zufrieden sein; seine Truppen haben dem französischen Ansturm standgehalten, verglichen mit vergangenen Waffengängen napoleonischer Kriegskunst konnte man durchaus von einem österreichischen Erfolg und einem französischen Misserfolg sprechen: Marengo, Ulm, Austerlitz, Jena, Eylau, Friedland, Regensburg waren Siege, erfochten an einem Tag. Austerlitz wurde in weniger als 9 Stunden entschieden. Vor allem die Tatsache, dass es Napoleon nicht gelungen war, das Zentrum zu zersprengen und dann von innen nach außen zu operieren, wurde zu recht als Misserfolg gedeutet.

In der Nacht ergingen neue Befehle an die Truppenkommandeure. Es war für alle klar, dass Napoleon am kommenden Tag erneut zum Angriff übergehen werde, seine Dispositionen wurden in diesem Sinne abgefasst. Was aber gedachte angesichts des bevorstehenden Angriffs der Erzherzog tun?

Noch am Abend hielt er Kriegsrat mit seinen beiden engsten Mitarbeitern, Stabschef v. Wimpffen und Generaladjutant Graf Grünne: Wimpffen und Grünne plädierten für einen Generalangriff bei Tagesanbruch, der Erzherzog neigte nach wie vor zur Defensive. Am rechten österreichischen Flügel drohte keine Gefahr, denn hier hatten die Österreicher eine Massierung ihrer Kräfte durchgeführt und Schwerpunkt gebildet. Am linken Flügel waren die Franzosen zwar in der Überzahl, doch bei einem rechtzeitigen Eintreffen der Truppen Johanns – und davon ging man im österreichischen Hauptquartier nach wie vor aus – konnte auch hier ein erfolgreicher Abwehrkampf geführt werden. Gegen 23.oo Uhr legte sich der völlig erschöpfte Oberbefehlshaber schlafen. Laut Aufzeichnungen des Generalstabschefs sagte er im Weggehen zu diesem und dem Generaladjutanten Graf Grünne:“ Wir sollten Morgen den Franzosen zuvorkommen und selber angreifen“. Sowohl Wimpffen als auch Grünne fassten diese Äußerung als Auftrag auf und Wimpffen ging sofort daran, die entsprechenden Befehle aufzusetzen. Um 23.30 ritten die ersten Adjutanten los zu den Korpskommandeuren. Um 4.00 in der früh sollte der allgemeine Angriff beginnen. Den Anfang machten das 1.Korps unter dem Kavalleriegeneral Graf Bellegarde im Zentrum der Österreicher und das 4. Korps unter Feldmarschallleutnant Fürst Orsini-Rosenberg auf dem linken Flügel. Während Bellegardes Verbände die schwachen französischen Verbände im Dorf Aderklaa überrennen und diesen wichtigen Punkt besetzen konnten, erreichte das 4. Korps Rosenbergs inmitten des Vormarsches ein Gegenbefehl des Erzherzogs. Er lautete: Vormarsch sofort anhalten und sich in die Ausgangsstellungen zurückzuziehen.
Die Kriegsgeschichte bietet zahlreiche Beispiele für das Verhängnis „Befehl- Gegenbefehl-Niederlage“. Was war geschehen, weshalb musste ein zunächst erfolgreich vorgetragener Vormarsch eingestellt werden?
Bruno Brehm hat in seinem Roman „Zu früh und zu spät“ die Situation am frühen Morgen des 6. Juli 1809 sehr realistisch beschrieben:“ Es mochte gegen halb fünf Uhr sein, als der Generalissimus mit Delmotte und zwei Flügeladjutanten auf der Anhöhe zwischen Wagram und Baumersdorf bei dem um Wimpffen versammelten Stab erschien. Ohne den Generalquartiermeister, der Meldung machen wollte, zu beachten, starrte der Generalissimus in die sich vom Nebel entschleiernde Ebene hinaus. Die ganze Ebene lag vor dem Erzherzog wie ein aufgeschlagenes Buch; aus den Zeilen der Treffen, aus den endlos langen Zeilen war die Übermacht des Feindes zu lesen. Im Zentrum bei Aderklaa allen mochten an sechzigtausend Mann versammelt sein, das nicht mitgerechnet, was sich an Reiterei und Fußvolk, eingehüllt in gewaltige Staubwolken, gegen Osten hin verschob. Napoleon hatte wohl über Nacht seine gestern abends fächerförmig auseinanderstrebenden Armeekorps zusammengeklappt und in der Mitte der von Großhofen bis Aderklaa reichenden Front vereinigt.
Die Augen des Generalissimus weiteten sich, sein Antlitz wurde grau und verfiel. Langsam, ja wiederwillig, als lohne es sich der Mühe nicht, kehrte er sich um und sah sich seine Truppen an, die noch auf der Hochfläche standen: es war nicht viel, eine schwache, aus den Regimentern Vogelsang und Argenteau bestehende Brigade.Das übrige erste Korps war wohl vorgegangen, hatte schon den Bach übersetzt, griff sogar bereits Aderklaa an, denn von dort kam heftiges Kleingewehrfeuer herüber. Dem Generalissimus war es, als träume er: ist also wirklich und wahrhaftig über den Bach gegangen und greift an.Wimpffen beobachtete den Generalissimus aus dem Augenwinkel und sagte kein Wort. Grünne, etwas seitwärts von Wimpffen, stand in den Steigbügeln und strich, um besser hören zu können, vorgebeugt dem Pferd die Mähne.
Warum Bellegarde angreife und die ausgezeichnete Stellung hinter dem Bach aufgebe, wollte der Erzherzog wissen.Seine Stimme war tonlos und brüchig, sein Blick schwer und traurig..
Rittmeister Tettenborn von den Klenau-Chevauxlegers habe heute bei Morgengrauen Aderklaa geräumt gefunden, erwiderte Wimpffen ganz unbefangen, woraufhin General Stutterheim mit der Avantgarde vorgegangen sei und zahlreiche verwundete Sachsen nebst einigen Offizieren vom Stabe Bernadottes gefangengenommen habe. Nun hätten Zweierjäger und Legionsbattaillon die Ortschaft besetzt, beiderseits von ihr führen bereits Batterien auf.
Der Erzherzog glaubte nicht richtig zu hören:“ Es ist doch gestern Nachmittag ausdrücklich befohlen worden, die ganze Armee geschlossen in mehreren Treffen hinter dem Russbach zu versammeln und hier den Angriff des Feindes abzuwarten.
Grünnes lebhafte Augen wanderten zwischen Wimpffen und dem Generalissimus hin und her.
„Kaiserliche Hoheit, dieser Befehl wurde vor unserem entscheidenden Erfolg am Abend erwogen.“
„Ist dieser Befehl abgegangen oder nicht?“
„Er ist nicht abgegangen, Kaiserliche Hoheit“? Wimpffens Stimme klang fest und entschlossen.
„Warum ist dieser Befehl nicht ausgegeben worden?“
„Weil sich nach meiner Ansicht durch die Niederlage der Franzosen gestern Abend die Lage vollkommen verändert, zu unseren Gunsten verändert hat.“
„Ich habe Ihnen gestern Abend doch gesagt, dass ich Ihre Ansicht über die Größe dieses Erfolges nicht teile, dass ich der Meinung bin, dass der Feind nur einen geringen Teil seiner Streitkräfte eingesetzt hat. Warum haben Sie mich vorher nicht gefragt?“
„Es war leider unmöglich, Kaiserliche Hoheit,über diese Frage heute Nacht noch die höchste Willensmeinung einzuholen“,entschuldigte sich Wimpffen.
Der Generalissimus verstand. Eine berennende Welle Blut stieg in sein Gesicht, er senkte den Blick und fragte tonlos, was denn der rechte Flügel in der Nacht für neue Befehle bekommen habe.
„Das dritte Korps“, erwiderte Wimpffen mit selbstsicherer Stimme,“ greift über Leopoldau und Breitenlee die offene Flanke des Gegners an und nimmt das gestern zurückgegangene sechste Korps mit nach vorne. Grenadierkorps und Kavalleriereserve marschieren bei Süssenbrunn auf und stellen die Verbindung her zwischen Kolowrat und Bellegarde.“
Der Erzherzog hatte das Glas ans Auge geführt: “Aber ich sehe nichts vom dritten und nichts vom sechsten Korps!“
Aber sie müssen jeden Augenblick ins Gefecht treten“, erwiderte Wimpffen.
„Dann müssen sie rein durch die Luft kommen“.
Der Generalissimus ritt ein paar Schritte vor und lauschte: “Und was ist drüben bei Rosenberg los?“
„Kaiserlich Hoheit, Fürst Rosenberg wurde bereits angewiesen, sein rasches Vorgehen zu bremsen“.
„Ja warum um Gottes willen, geht denn auch Rosenberg vor?“
„Rosenberg hat die Aufgabe zu demonstrieren und die Aufmerksamkeit vom Vormarsch unseres rechten Flügels abzulenken.“
Das vom Sporn gestachelte Pferd des Generalissimus drängte, heftig tretend, gegen den Zügel; der Erzherzog hatte seine Nerven nicht mehr in der Gewalt.
Wenn Rosenberg nur demonstrieren soll, dann demonstriert er entweder zu früh, oder Kolowrat und Klenau kommen zu spät.Das Wichtigste wäre wohl gewesen, diese beiden Angriffe aufeinander abzustimmen.“ Der Erzherzog deutete auf die gewaltigen sich gegen Markgrafneusiedel ziehenden Staubwolken: „Sehen Sie, was sich da gegen den ahnungslosen Rosenberg zusammenballt! Napoleon scheint seine ganze Kavalleriereserve einzusetzen.“
„Sind von Erzherzog Johann Meldungen eingelaufen?“
„Der Herr Erzherzog meldet, dass er heute morgen um ein Uhr aufbrechen wird, also wohl schon aufgebrochen ist“; erwiderte Wimpffen.
„Von wo aufgebrochen ist?“ fragte der Generalissimus hastig.
„Von Pressburg, Kaiserliche Hoheit.“
„In Pressburg? Wieso denn noch in Pressburg? Das ist doch ganz und gar unmöglich! Wie kann er denn noch in Pressburg gewesen sein? Hat er denn unsere dringenden Befehle nicht erhalten?“
„Der Herr Erzherzog hat die Befehle wohl erhalten, aber er gibt an, mit dem Abmarsch so lange warten zu müssen, weil sein Geschütz in den Verschanzungen des Brückenkopfes verteilt ist.“
„Aber er hätte doch gestern und vorgestern das alles besorgen können! Und im schlimmsten Fall hätte er vorauseilen und das Geschütz nachkommen lassen können. Aber es ist ja immer die gleiche Indolenz. Wen ich nicht persönlich hole, der kommt nicht, jeder muss gestoßen und geschoben und womöglich mittels Bittschrift allerunterwürfigst ersucht werden.“
„Der Herr Erzherzog“, fuhr Wimpffen fort,“ will in Marchegg drei Stunden rasten und dann den Marsch auf der anbefohlenen Strasse fortsetzen.
„Die Meldung meines Bruders!“ Der Erzherzog überlas den Brief, seine Hände zitterten:“ Und wenn die Welt zugrunde geht, es muss gerastet werden.“
„Vielleicht marschiert der Herr Erzherzog doch durch“, warf Wimpffen ein, „denn wir haben heut den Flügeladjutanten Fürst Reuß neuerdings mit einem dringlichen Befehl an den Herrn Erzherzog abgesandt.“
„Viel wird das nicht mehr ändern können“, stellte der Generalissimus fest. „Wenn er in Marchegg nicht rastet, kann er frühestens um neun Uhr bei Rosenberg eintreffen. Bis dahin sind noch vier Stunden. Sehen Sie ein, dass man Rosenberg nicht angreifen lassen darf? Wir lenken doch nur den Blick Napoleons auf unsere offene Flanke, wir reizen den Gegner geradezu, den vordringenden Rosenberg zu umgehen“.
„Kaiserliche Hoheit, als dieser Befehl an Rosenberg ausgegeben wurde, hatten wir von der Verzögerung des Anmarsches Erzherzogs Johann noch keine Nachricht!“ entschuldigte sich Wimpffen.
Der Generalissimus winkte seinen Flügeladjutanten Major Graf Cavriani: “Sofort zu Rosenberg.Der Fürst hat sogleich jede offensive Bewegung einzustellen. Er hat sich in vorher innegehabten Position zurückzuziehen und sein ganzes Augenmerk allein auf die Verteidigung zu richten.“

Wenn auch nicht wörtlich, so doch dem Inhalt nach wahrheitsgetreu hat Brehm die Auseinandersetzung zwischen dem Oberbefehlshaber und seines Generalstabschefs dargestellt.

Der Erzherzog hatte, bevor er sich zum schlafen gelegt hatte, nachweislich einen Angriff befohlen, denn in der Operationsdirektive stand wörtlich, „der Generalissimus hatte beschlossen, mit Anbruch des Tages einen Angriff auf beide Flügel des Feindes zu unternehmen“. Der Generalstabschef hatte diese Direktive, wohl eigenmächtig, insofern abgeändert, als er durch seinen Adjutanten dem Kavallerie General Bellegarde , einem alten Freund, ausrichten ließ, dieser soll mit allen verfügbaren Kräften den französischen linken Flügel angreifen und über Kagran- Breitenlee-Hirschstetten und entlang der Donau Richtung Osten auf Groß-Enzensdorf vorstoßen und die französische Armee im Rücken fassen. Da es sich jedoch um eine Eigenmächtigkeit des Generalstabschefs gehandelt hat, hat er diesen Gedanken einer einseitigen Umfassung mit stark gebündelten Kräften nicht schriftlich in der Disposition niedergelegt, sondern dem General Bellegarde mündlich ausrichten lassen; dieser wiederum ließ durch seine Adjutanten den Inhalt dieses Angriffsplans den Kommandeuren der benachbarten Korps – Feldzeugmeister Kolowrat, Feldmarschall-Leutnant Klenau und dem General Fürst Liechtenstein ausrichten. Diese Eigenmächtigkeit wurde ermöglicht, weil der Erzherzog sich schlafen gelegt hatte, oder wie es später hieß, er habe einen epileptischen Anfall gehabt und war deshalb nicht in der Lage, die Dispositionen des Generalstabschefs gutzuheißen. Der epileptische Anfall wurde freilich erst nach der verlorenen Schlacht in die Welt gesetzt, wohl wissend, dass Erzherzog Karl seit seiner Jugend unter epileptischen Anfällen gelitten hat. Es spricht für den edlen Charakter dieses wohl berühmtesten Feldherrn Österriechs, dass er nach der verlorenen Schlacht seinen Generalstabschef nicht mit einem Wort wegen dieser Eigenmächtigkeit gerügt hat, obwohl er, wie wir wissen, seinen Bruder, den Erzherzog Johann nicht geschont hat, wenn es um die Frage nach den Ursachen der Niederlage ging.

Um 4.oo Uhr in der früh begannen die Truppen des rechten und linken Flügels der österreichischen Armee den Vormarsch. Der linke Flügel unter dem Fürsten Rosenberg marschierte in drei Kolonnen gegen die französischen Linien und warf die vorgeschobenen französischen Vorposten. Doch Rosenberg sollte, wie es damals hieß „nur demonstrieren“, d.h. den Gegner nur beschäftigen, die Aufmerksamkeit des Feindes auf sich ziehen, ihm den Eindruck vermitteln, an diesem Punkt müsse man mit ernsthaften Angriffen rechnen. Doch dies war einem Kommandeur wie dem draufgängerischen Generalmajor Radetzky offensichtlich nicht vermittelt worden, oder er hielt sich nicht an den Befehl des langsamen Vorgehens; kurz vor 5.00 Uhr erreichte er den Ort Glinzendorf und, anstatt Halt zu befehlen, ließ er zum Sturm auf den Ort blasen.Im übrigen hatte Radetzky recht,auch ohne Befehl anzugreifen,denn Davouts Truppen gerieten auf Grund des unerwarteten Angriffs in Unordnung.Es dauerte zwei Stunden, bis Davout seine Verbände ordnete und dann zum Angriff überging. Gegen 5 Uhr erreichte den General Radetzky  der Befehl des OB , Halt zu machen , alle Angriffe einzustellen und , damit begann das Verhängnis, sich auf die Ausgangsstellungen zurückzuziehen. Hätte man Radetzky gelassen, er hätte Glinzendorf genommen und sich damit einen Eckpfeiler, einen starken Stützpunkt für den späteren Angriffs gesichert. Nun musste man – für Napoleon völlig überraschend- und für die österreichischenTruppenkommandeure vollkommen unverständlich, kehrtmachen, zunächst ohne vom Gegner bedrängt zu werden und sich nach einem Stundenmarsch wieder in die Ausgangsstellungen zurückziehen.
Napoleon blieb das Geschehen vor seinem recht Flügel natürlich nicht unbemerkt; er ritt an der Spitze zweier Kürassierdivisionen zur gefährdeten Stelle seiner Front; er sah nun, dass die Österreicher sich bereits im Rückzug befanden. Als diese etwa auf dem halben Weg zurück in die Ausgangsstellungen waren, ließ der Kaiser seine Kürassiere angreifen. Rosenberg erlitt schwere Verluste und konnte sich nur mit Mühe und Not in die Ausgangsstellungen zurückziehen. Wäre der Erzherzog Johann mit seinen Verbänden zur Stelle gewesen, hätte die Schlacht bereits hier eine andere Wende genommen.

Weitaus günstiger entwickelte sich die Lage auf dem rechten Flügel der Österreicher; Bellegards Truppen überrannten die Franzosen bei Aderklaa; sein Vormarsch konnte erst durch ein starkes Artilleriefeuer der Franzosen gestoppt werden; auch die Truppen Klenaus konnten einen guten Geländegewinn für sich verbuchen. Wimpffens Plan eines „Sichelschlags“, einer einseitigen Umfassung schien sich zu bewähren. Marcellin de Marbot: “ Als ich bei Massena anlangte, war dieser in großer Verlegenheit.Sein Armeekorps zog sich, vom Feind lebhaft verfolgt, längs der Donau zurück, und die Infanterie der Division Boudet, die von der feindlichen Reiterei durchbrochen war und erbarmungslos niedergemetzelt wurde, floh in einer wirren Masse über die Ebene. Es war der bedenklichste Augenblick der Schlacht.“

Napoleon hat die Gefahr noch nicht bemerkt, er konzentrierte seine Kräfte gegen Bellegarde bei Aderklaa; den Franzosen war es nach einem schweren Kampf gelungen, Aderklaa zu besetzen, doch ein österreichischer Gegenangriff warf die Franzosen erneut aus dem Dorf. Napoleons Zentrum und sein linker Flügel schienen in ernste Gefahr zu geraten, es war in er Tat ein „bedenklicher Augenblick der Schlacht“ für die Franzosen.. Als der Vormarsch der Truppen Klenaus entlang der Donau gemeldet wurde und die flüchtende Infanterie des Generals Boudet in Sichtnähe kam, befahl Napoleon seinem Marschall Massena eine Art Rochade vom Zentrum zum linken Flügel, um Boudets Truppen aufzufangen. Mit Erfolg. Gleichzeitig wurden über 112 Geschütze zur „Grossen Batterie“ zusammengefasst, die nun ein vernichtendes Feuer gegen die österreichischen Linien eröffneten. Napoleon sah auch die Zeit für gekommen, nun seinerseits mit einer einseitigen Umfassung der österreichischen Armee zu beginnen. Der rechte Flügel der französischen Armee unter Marschall Davout erhielt Befehl, Richtung Markgrafneusiedl vorzugehen, den linken österreichischen Flügel von Fürst Rosenberg niederzukämpfen und in den Rücken der österreichischen Armee vorzustoßen.

Wollte man die Truppenbewegungen beider Armee darstellen, entstünde folgendes Bild: der rechte Flügel der österreichischen Armee unter Klenau bedrohte durch ihr energisches Vorgehen den linken Flügel und somit die rückwärtigen Linien der französischen Armee, der Angriff des rechten französischen Flügels unter Davout bedrohte seinerseits den linken Flügel des Erherzogs, somit die rückwärtigen Linien der Österreicher. Die Frage war nur, welche Angriffskolonne schneller ihr Ziel erreicht, Klenau oder Davout? Betrachtet man die Kräfteverhältnisse beider Truppenkörper, verfügte Marschall Davout über weit überlegene Kräfte, denn die Vereinigung von Erzherzog Johann mit Rosenberg konnte nicht durchgeführt werden – der Erzherzog stand noch mindestens 3 bis 4 Stunden Marschweg entfernt, sein Eintreffen mit den kümmerlichen Resten seiner bei Györ geschlagenen Armee wurde um frühestens 17.00 Uhr erwartet. Doch die Entscheidung fiel bereits gegen Mittag. Beide Angegriffenen , Massena und Rosenberg baten um den Einsatz von Reserven. Erzherzog Karl wollte (oder konnte) sie nicht geben, er schickte lediglich 5 Battailone Infanterie, ein Husaren-und ein Kürassierregiment zur Verstärkung Rosenbergs. Napoleon hätte sie geben können, aber als ihm die Meldung überbracht wurde, Davouts Divisionen würden Markgrafneusiedl erreicht haben, hielt er die Schlacht für gewonnen und ließ Marschall Massena ausrichten, er möge noch eine Weile gegen Klenau ausharren, der Generalangriff gegen die österreichische Armee stünde unmittelbar bevor. Zwei Stunden später, gegen 14.30 Uhr befahlt Erzherzog Karl, mit dem Rückzug der Armee zu beginnen, nachdem er um 14:00 Uhr von seinen Bruder die Nachricht erhielt, dass mit seinem Eintreffen vor 17:00 Uhr nicht zu rechnen sei.

In operativer Hinsicht hat also weder Napoleon noch Erzherzog Karl das gesteckte Ziel erreicht, nämlich durch die einseitige Umfassung des Gegners in dessen Rücken vorzustoßen und diesen zu vernichten: Klenau fehlten dazu die Kräfte; die Reserven Napoleons, die Garde und des Generals Wrede bayerisches Korps mit über 5.ooo Mann Infanterie hätten Klenaus Vorstoß voraussichtlich ohnedies gestoppt. Sein Armeekorps umfasste an die 6.ooo Mann Infanterie, 1.275 Mann Kavallerie und 56 Geschütze. Die vier Wiener Freiwilligen-Battailone Klenaus haben zwar in beiden Schlachten tapfer gekämpft, doch den kampferfahrenen französischen Truppen waren sie letztlich nicht gewachsen. Klenau stellte somit keine ernsthafte Bedrohung der rückwärtigen Linien Napoleons dar. Die Kritik mancher Militärhistoriker, Klenau sei stehen geblieben, weil er keine Aufträge erhielt und somit nicht wusste, was er tun soll, statt weiter anzugreifen, ist ungerecht. Erzherzog Karl, der nach der verlorenen Schlacht manch’ einen Offizier hart kritisiert hat, hätte Klenau mit Sicherheit wegen Untätigkeit getadelt.
Anders verlief das Geschehen beim Armeekorps der Marschälle  Davout und Oudinot, die Napoleon gegen den linken Flügel er Österreicher losgeschickt hat: 63.000 Mann , die leichte Kavallerie Montbruns mit 3300 Berittenen und die gesamte Artilleriereserve des 3.Armeekorps marschierte gegen die Verbände des Fürsten Rosenberg. Rosenberg mag kein besonders fähiger Truppenführer gewesen sein – über ihn soll der Kaiser gesagt haben als er hörte, dass Rosenberg den linken Flügel befehlige, „Na, dann könn’ma eh gleich hamgeh’n „ – doch gegen Davout war er hoffnungslos unterlegen. Er war im übrigen von Anfang an der Meinung, der Erzherzog Johann würde zu ihm stoßen und nahm schon aus diesem Grund in Kauf, nicht über ausreihende Kampfkraft verfügen zu können. Die hohen Verluste seines Korps beweisen, dass seine Truppen hervorragend gekämpft haben – gegen eine mindestens dreifache französische Übermacht.

Die Geschichte liefert zahlreiche Beispiele dafür, dass der geordnete Rückzug nach einer verlorenen Schlacht eine größere Herausforderung an den Feldherrn darstellt als der Angriff, mag dieser Angriff noch so erfolgreich sein, vor allem dann, wenn der Gegner in vieler Hinsicht unterlegen ist. Der Vernichtung zu entgehen, einer Einkesselung zu entkommen, flüchtende Massen zu geordneten Verbänden zusammenzufassen stellt die höchsten Anforderungen an die Kommandeure. Napoleons Rückzug aus Russland, viele Feldzüge des Ersten und des Zweiten Weltkriegs, der Abzug der amerikanischen Truppen aus Vietnam sind gute Beispiele dafür, wie anfängliche Siege in Chaos, Vernichtung und totalen Untergang ganzer Armeen enden können. Bei einem rechtzeitigen Rückzug wären die Katastrophen von Sedan, Metz Uman, Wolchow, Falaise und Stalingrad zu vermeiden gewesen, um nur einige der schlimmsten militärischen Katastrophen, die in Umfassung, Einkesselung und Vernichtung endeten, zu nennen.

Der Erzherzog hatte sowohl die politische Weitsicht als auch den untrüglichen Sinn dafür, wann ein Kampf abgebrochen werden musste, um nicht das Leben von Soldaten sinnlos einem Kampf „bis zur letzten Patrone“ zu opfern. Die 120.000 Soldaten, denen er um 14.30 Uhr befahl, sich vom Feind zu lösen, hätten ohne Zweifel noch einige Stunden ausharren können, bis zum Abend wären sie von den französischen Truppen eingekesselt und zum Teil vernichtet, zum Teil gefangengenommen worden. Er hat seine Armee aus Deutschland kämpfend quer durch ganz Österreich ins Marchfeld geführt, nun galt es, diese Armee für die Monarchie zu erhalten. Auch bei dieser Entscheidung spielte die Kriegstheorie des Erzherzogs eine Rolle: die vorhandene Reswerve sei vornehmlich dazu da, den Rückzug zu decken, die gänzliche Vernichtung der Armee zu verhindern.Nur wenn sicher ist, dass der Einsatz der Reserve die Entscheidung bringe, dürfe man die Reserveverbände einsetzen.Und  Karl war der Meinung, dass die Reserve keine Entscheidung werde erzwingen können, als sei es ihre Aufgabe, den geordneten Rückzug zu decken.

Der Generalstabschef von Wimpffen erhielt noch vor der Schlacht von Aspern den Auftrag, detaillierte Pläne für einen Rückzug in Richtung Böhmen und Ungarn auszuarbeiten. Den Rückzugsplan aus Deutschland hat Wimpffen ausgearbeitet , nun musste er zwischen den beiden Marchfeldschlachten den Plan verfeinern, die Rückzugswege der großen Truppenverbände detailliert darstellen. Der Plan konnte sofort in die Tat umgesetzt werden. Fechtend zog sich die Armee des Erzherzogs Richtung Norden: zurück, wies nachsetzende Truppen Napoleons in Gefechten bei Stockerau, Schöngraben, Hollabrunn ,Hörersdorf und Znaim ab. Am 7.Juli schreibt der Erzherzog einen Bericht an den Kaiser, in dem es hieß: auf diese Armee ist im gegenwärtigen Zustand nicht zu rechnen. Einen Tag später teilt der Kaiser mit, der General Fürst Liechtensein werde als sein Abgesandter Napoleon aufsuchen und die Möglichkeit eines Waffenstillstandes sondieren. Der Erzherzog möge dafür sorgen, dass der General Liechtenstein die feindlichen Vorposten passieren könne.
Nach der Schlacht kam es zwischen dem Erzherzog und dem Kaiser zu ernsten Auseinandersetzungen, an deren Ende Karl abgesetzt wurde und nie wieder ein Truppenkommando erhielt. Man mag im Stab des Erzherzogs über einen Waffenstillstand gesprochen haben, konkrete Schritte wurden jedoch nicht unternommen, denn die Armee befand sich noch in erfolgreichen Abwehrkämpfen. Es war also der Kaiser, der als erster einen Waffenstillstand ins Auge gefasst hat und nicht der Erzherzog.

Angesicht des erfolgreichen Abwehrkampfes der österreichischen Armee bei Znaim und der zu erwartenden harten Waffenstillstandsbedingungen überlegt sich der Kaiser, den Kampf doch noch fortzusetzen. Jetzt war aber der Erzherzog der Meinung, dass ein Waffenstillstand die Rettung der erschöpften und abgekämpften Armee bedeutete, nicht zuletzt um Zeit zu gewinnen und einen weiteren Rückzug nach Norden planen zu können. Vor ihm standen über 60.000 Franzosen, geführt von Napoleon persönlich; der französische Kaiser plante noch vor Einbruch der Dunkelheit loszuschlagen, um Karls Armee den Todesstoß zu versetzen.

Gegen 17.00 traf ein Adjutant des Erzherzogs im französischen Hauptquartier ein und übermittelte den Wunsch nach einem Waffenstillstand. Während der österreichische Kaiser in seinem entfernten Hauptquartier nunmehr die Fortsetzung des Kampfes verlangte, sprach sich jetzt Napoleon für die Einstellung der Kämpfe ,und zwar gegen den Rat seiner Marschälle aus. Napoleon ließ Erzherzog Karl ausrichten, die beiden Generalstabschef sollten sich in den nächsten Stunden treffen, um über die Bedingungen eines Waffenstillstands zu verhandeln.
Gegen 21.00 traf v.Wimpffen den Generalstabschef Berthier auf einem Bauernhof unweit Znaim. Gut 2 Stunden saßen die beiden Generalstabschefs zusammen. Wimpffen hörte nur zu, er hatte keine Instruktionen des Erzherzogs mitgebracht. Im Grunde genommen hatte er den Auftrag, zunächst einmal alle Bedingungen kennenzulernen, und diese zu akzeptieren, um, wie der Erzherzog in einem Brief an Herzog Albert v.Sachen schrieb, der totalen Vernichtung der Armee zu entgehen. Um 23.00 Uhr erschien Napoleon im Zelt und diktierte die Bedingungen: Räumung Tirols und Besetzung großer Teile der Monarchie durch französische Truppen. Von seiner früher geäußerten Absicht, die Habsburgermonarchie in drei unabhängige Königreiche Ungarn, Österreich, Böhmen auzuteilen und Kaisers Franz zu Abdankung zu zwingen, war bei diesen Verhandlungen keine Rede. Wimpffen stimmte diesen Bedingungen auftragsgemäß zu, wobei festgelegt wurde, dass die Waffenruhe einen Monat dauern sollte, bei einer 15-tägigen Kündigung.

Es waren aus militärischer Sicht hervorragende Bedingungen; der Erzherzog hätte einen ganzen Monat Zeit, die Versorgung der Armee sicherzustellen, frische Truppen zuzuführen, die Armee , wie ursprünglich geplant, mit den zerstreuten Korps zu verstärken, eine neue Strategie auszuarbeiten, und, je nach Lage, den Kampf wieder aufzunehmen, oder, angesichts einer wiedererstarkten Armee günstige Voraussetzungen für einen späteren Friedensschluß zu erlangen. Der Waffenstillstand, ausgehandelt durch Berthier und Wimpffen trug die Handschrift von Militärs; wie Napoleon seinen Marschällen sagte: Es sei genug Blut geflossen. Nicht anders dachten der Erzherzog und die beiden Generalstabschefs.

Noch saßen Wimpffen und Berthier im Zelt, um die Bedingungen schriftlich festzulegen, da wurde Napoleon gemeldet, der Abgesandte des österreichischen Kaisers, der Fürst Liechtenstein sei eingetroffen und wünsche, Napoleon zu sprechen. Liechtenstein wusste nicht, dass Napoleon mit den beiden Generalstabschefs die Bedingungen eines Waffemstillstands bereits ausgehandelt hat, und Napoleon hat dies Liechtenstein auch nicht mitgeteilt. So kam es, dass der hochmütige österreichische Aristokrat dem „Korsen“, dem General Buonaparte, dem Emporkömmling gegenüber saß und nun zog Napoleon die Trumpfkarte, die er vor Stunden nicht gezogen hatte, und teilte Liechtenstein mit, er beabsichtige die Monarchie aufzuteilen. Und Kaiser Franz müsse abdanken.
Den Fürsten Liechtenstein muss diese Mitteilung wie ein Blitzschlag getroffen haben; er wusste nachts um 1 Uhr nicht, dass die beiden Generalstabschefs bereits einen wesentlich günstigeren Waffenstillstandsvertrag ausgehandelt hatten und sah nun das Ende des Habsburgerreichs- eine Sternstunde mitteleuropäischer Geschichte – kommen. Als er nach seiner Rückkehr dem Erzherzog über die Forderung Napoleons berichtete, sah dieser ebenfalls den Untergang der Monarchie aufziehen . Nun erst recht musste die Armee gerettet werden. Im Hauptquartier des Erzherzogs wurde jetzt nicht mehr über die Vereinbarungen der beiden Generalstabschefs gesprochen, die dem Erzherzog die Zeit zur Reorganisation der Armee gewährt hätte, einschließlich der Möglichkeit eines neuen Waffenganges, jetzt ging es plötzlich um den Frieden, es ging um eine für die Monarchie günstige politische Lösung. Unter dem Einfluss von Liechtensteins Bericht und Graf Grünne, als Chef der Kanzlei des Erzherzogs einer der engsten Berater Karls, beschloss der Erzherzog, die Bedingungen Napoleons zu akzeptieren; eine Entscheidung, die Kaiser Franz nicht ganz  zu Unrecht als eine nicht zu tolerierende Eigenmächtigkeit ansah, als ihm am 14.Juli in Komarom/Komorn in Ungarn der Inhalt des Waffenstillstandsabkommens mitgeteilt wurde. Vergeblich versuchte Wimpffen, dagegen zu halten mit dem Hinweis, die Vereinbarung mit Berthier gewähre dem Erzherzog die Möglichkeit, Zeit zu gewinnen, die Armee zu reorganisieren und einen neuen Waffengang zu wagen. Der Erzherzog beschloss wieder einmal, das Haus Habsburg, die Monarchie zu retten, alles andere verlor an Bedeutung. (Das Haus “Cerveny dvur”, in welchem die beiden Generalstaschefs den Waffenstillstand ausgehandelt und unterzeichnet haben, befindet sich heute im alten Zustand im privatbesitz.Auf der Strasse nach Kuchorovice ist ein Hinweisschild anngebracht,das den Weg zu dieser histrorischen Stätte beschreibt.)

Welche Maßnahmen ordnete nun der Kaiser Franz an?

Der österreichische Kaiser hielt sich seit dem 9.Juli mit seinem Hofstaat und Beratern in Ungarn auf.. Und dieser Hofstaat, bestehend aus Politikern, politischen Ratgebern und Ministern glich nach der verlorenen Schlacht einem aufgescheuchten Hühnerhaufen.

Als erster reichte der Scharfmacher, Aussenminister Stadion sein Rücktrittsgesuch ein; die Illusion eines allgemeinen Volksaufstandes in Deutschland blieb Illusion, ebenso der Eintritt Preussens in den Krieg. Auch dieser Minister sprach nicht von eigenen Fehleinschätzungen, sondern beschimpfe den Generalissimus wegen seines angeblichen Defätismus, seiner Untätigkeit seit Aspern. Zehntausende toter Soldaten waren für den Minister offensichtlich kein Beweis eines wahrlich heldenmütigen Kampfes, für ihn waren die Militärs allesamt Versager, in sonderheit aber der Erzherzog Karl und sein Generalstabschef. Der Kaiser nahm das Rücktrittsgesuch natürlich nicht an, Stadion,der die Suppe eingebrockt habe, sollte sie auch auslöffeln, blieb also  nominell weiterhin Minister, die Leitung der Aussenpolitik übernahm jedoch der ehemalige Botschafter in Paris, Metternich.

Als nächstes wurde Erzherzog Karl vom Kaiser aufgefordert, den Chef seiner Kanzlei ,Graf Grünne zu entlassen; offensichtlich ist ihm zu Ohren gekommen, dass Grünne dem Erzherzog riet, den Waffenstillstand ohne kaiserliches Plazet zu unterschreiben.

Der ungarische Verweser(Nador), Erzherzog Joseph wurde aufgefordert, die verstreuten Insurrektionstruppen erneut zu versammeln; Teile dieser Truppen befanden sich bereits auf dem Weg in ihre Heimatorte in Ost- und Südungarn, sie sollten wieder nach Komorn/Komarom zurückgeholt werden, um dort zu exerzieren. Von der Bewaffnung der demoralisierten Adelstruppen war natürlich auch diesmal nicht die Rede, sieht man vom Austausch einiger Infanteriewaffen ab.

Natürlich meldet sich auch der unersetzliche  Erzherzog Johann mit einem kühnen Feldzugsplan: als erstes müsse Napoleon aus Ungarn und Österreich vertrieben werden. Erzherzog Joseph müsse mit seinen Adelstruppen über die Donau setzen und die französischen Besatzungstruppen aus der Stadt Györ vertreiben und anschließend zur Leitha-Linie vorstossen. Der General Johann Gabriel Marquis de Chasteler müsse über die ungarische Grenzstadt Ödenburg in Österreich einfallen und Napoleon im Rücken fassen. Er selber werde mit den verbliebenen Truppen das restliche Ungarn von den Franzosen säubern.Man kann sich das Bild dieses wichtigtuerischen Erzherzogs gut vorstellen, wie er vor einem Kartentisch seine Offensivpläne erläuter und alle, Minister,Berater und Hofschranzen beifällig nicken Die  nüchternen Zeitgenossen fragten natürlich  zu recht, wie dieser Plan umgesetzt werden sollte mit den vorhandenen Kräften.

Von der Armee des Erzherzogs Karl ist  am Kartentisch mit keinem Wort die Rede. Und dass Napoleon in Schönbrunn saß und über eine Armee von 100.000 Mann verfügte ,wurde auch ignoriert. Am 14.Juli sollten die Operationen beginnen. An diesem 14.Juli erfährt aber der Kaiser die Nachricht vom Waffenstillstand, den Napoleon bereits Tag zuvor in einem Tagesbefehl verkündet hat.

Kaiser Franz war außer sich wegen der „Eigenmächtigkeit“ seines Bruders, obwohl der Erzherzog als Generalissimus zweifelsohne das Recht hatte, einen vorläufigen – die Betonung liegt auf “vorläufig” _ Waffenstillstand abzuschließen, den der Kaiser andererseits  aufkündigen konnte, sofern er das Recht auf Abschluss eines Waffenstillstands als sein alleiniges Recht betrachtete. Dies hat er insofern getan, als er am nächsten Tag ein Rundschreiben herausgab, in dem es hieß, beim Waffenstillstand handle es sich um eine nicht ganz „verbürgte Sage“, solange ihm der Erzherzog keine “amtliche Anzeige“ erstatte .Er befiehlt gleichzeitig, die Waffen nicht niederzulegen. Gleichzeitig erteilt er den Befehl, sein Hauptquartier nach Szemere, und am 16.Juli nach Koronco (südlich Györ) zu verlegen, wo erneut  ein Kriegsrat abgehalten werden soll. Wie sagte doch der Prinz Eugen? Wenn ein Heerführer keine Lust hat, etwas zu unternehmen, so gäbe es kein besseres Mittel, als einen Kriegsrat zu halten; die meisten Stimmen würden erfahrungsgemäß auf Nichthandeln lauten.
Nun wollte also der Kaiser einen Kriegsrat einberufen. Eingeladen wurden die Erzherzöge Johann , Joseph, und Rainer, Metternich und die höheren Kommandeure, nicht aber der EH Karl. Die Besprechung begann zunächst mit einem üppigen Essen; nach dem Mittagsmahl wurde ein Spaziergang eingelegt; während dieses Spaziergang erfuhr der Kaiser durch einen Adjutanten Karls , dass das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet worden ist. Es entstand eine heftige Diskussion unter den drei Brüdern, wobei der nüchterne und intelligenteste,  Erzherzog Joseph die Ansicht vertrat, dass Karl durchaus das Recht hatte, ein vorläufiges Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen. Sein Bruder, der Erzherzog Johann hat dem, wie erwartet,energisch widersprochen, ganz im Sinne des Kaisers. Beschlossen wurde, die begonnenen Operationen fortzusetzen. Als allgemeine Richtung und Versammlungsraum für alle Truppen wurde der Raum Graz angegeben.

Wenige Stunden später beschloss der Kaiser, alle kriegerischen Maßnahmen doch nicht nach Österreich, sondern auf das ungarische Staatsgebiet zu konzentrieren mit Zentrum Komarom an der Donau. „Wenn ich in Ungarn sechs Schlachten verliere, werde ich die siebente Schlacht bei Temesvar(Timisoara,Temeschburg,heute Rumänien) gewinnen“ . Da der Kaiser weder an einer Schlacht teilgenommen hatte noch gewillt war, sein Feldherrentalent unter Beweis zu stellen (wie etwa Franz Joseph bei Solferino), wurde dieser Satz vom Hofstaat ohne Kommentar zur Kenntnis genommen.Des Kaisers Aufmerksamkeit galt nun dem Ausbau eines “Festungsgürtels” von Komorn-Acs-Igmand-Csep bis Mocsa.

Am 17.Juli erhielt der Kaiser den Text des Waffenstillstandes; nun hatte er die Möglichkeit, den Waffenstillstand sofort aufzukündigen und die ehrgeizigen , aber gänzlich realitätsfernen Pläne des Erzherzogs Johann in die Tat umzusetzen.

Des Kaisers Umgebung, Hofstaat, Generaladjutant, Minister, Generäle, Erzherzöge,  sogar der Erzprimas von Ungarn wurden heirbeibefohlen, führten heftige Diskussionen über Krieg oder Frieden. Kurioserweise herrschte Einigkeit darüber, Erzherzog Karl aus der Armee zu entfernen. Einige bezeichneten den Waffenstillstand von Znaim als die größte Sünde,die jemals in der Monarchie begangen worden ist, andere zogen – vor allem die Politiker – gegen den Erzherzog vom Leder: dieser sei ein „schlechter General und der eigentliche Urheber alles bisherigen Unglücks“. Nicht verschont wurden von den Kritikern der Generaladjutant Graf Grünne und der Generalstabschef v. Wimpffen.

Die Franzosen sind in der Zwischenzeit natürlich auch nicht untätig geblieben; am 11.Juli wurde Magyarovar (Ung. Altenburg) besetzt, am 14 Juli fiel Köszeg . Nun entschloss sich der Kaiser, das Waffenstillstandsabkommen von Znaim doch noch zu akzeptieren und gab zu den Bestimmungen seinen Segen. Es wurde eine Demarkationslinie von Györ –Sankt Gotthard – Fiume vereinbart. Györ wurde zum Hauptquartier der auf ungarischem Staatsgebiet befindlichen französischen Truppen, der General Narbonne-Lara zum Militärbefehlshaber der besetzten Gebiete ernannt.

Vom militärischen Standpunkt her wäre es zwingend gewesen, nunmehr alle verfügbaren Truppen der Monarchie hinter dieser Demarkationslinie zu versammeln, sie neue zu organisieren und einen neuen Waffengang zu wagen. Dafür standen gute vier Wochen zur Verfügung. Welche Kräfte standen überhaupt noch zur Verfügung? Alles in allem hätten in den vier Wochen über 200.000 Mann Infanterie und über 15.000 Mann Kavallerie hinter der Demarkationslinie in Westungarn aufmarschieren können – die Armee des Erzherzogs Karl, das Armeekorps des Erzherzogs Johann, die reorganisierten Kräfte der ungarisch-kroatischen Insurrektion. Die Chancen, Napoleon wenn auch nicht zu besiegen, so doch noch zu einem günstigen Friedensvertrag zwingen zu können waren durchaus realistisch, denn die Nachschublinien der Franzosen wurden immer länger, und der Kaiser Franz wollte ja bekanntlich sieben Schlachten schlagen und sich, wenn es sein musste, bis nach Temesvar (heute Timisoara) fechtend zurückziehen. Doch wer sollte den Oberbefehl über diese Truppen haben? Aufgrund seines militärischen Talents, seiner Erfahrung, seines Sieges bei Aspern und der meisterhaft durchgefühten und geordneten Rückführung der Armee nach Böhmen hätte es Karl sein müssen. Doch sowohl der Kaiser als auch seine Kamarilla waren dafür, den Erzherzog Karl abzusetzen. Aber den Sieger von Aspern einfach abzusetzen wäre bei den Völkern der Monarchie auf Unverständnis gestoßen, und so wurde Karl nahegelegt, vom Oberkommando zurückzutreten. Am 18.Juli teilt der Kaiser seinem Bruder mit, dass er die Oberleitung der gesamten Armee übernehme, Karl habe lediglich das Kommando über die bei ihm befindlichen Truppen. Er ist also nicht mehr der Generalissimus. Karl hat verstanden, Tage später reicht er seine Demission ein.

Es gibt eine interessante historische Parallele aus dem 2. Weltkrieg: Nach der verlorenen Schlacht von El Alamein  zog sich Rommel  – entgegen der Befehle Hitlers  – mit seinem Afrika-Korps in einem gut organisierten Rückzug nach Nord-Afrika zurück; Hitler tobte, wagte es aber nicht, Rommel sofort des Kommandos zu erheben, dazu war Rommel viel zu populär. Also wurde Rommel aufgefordert, selbst zu verzichten, was er auch tat; er zog sich sozusagen freiwillig zurück und übernahm ein “Kommando” in Wiener-Neustadt, um wenig später zum “Atlantikwall” als “Festungskommandant” abkommandiert zu werden. EH Karl “avancierte” später ebenfalls zum Festungskommandanten: in Mainz.

Was tat nun der Generalstabschef v.Wimpffen? Der Kaiser ging davon aus, dass dieser,troz harter Kritik  auf seinem Posten bleibt, doch der Generalstabschef zeigte sich solidarisch mit seinem Oberbefehlshaber und reichtet ebenfalls seine Demission ein. Mit ihm geht auch der Generaladjutant Grünne. Während die drei Militärs sozusagen in die Wüste geschickt werden, ehrt Napoleon seine Heerführer: Marmont wird Herzog von Ragusa, Berthier Fürst von Wagram, Davout Fürst von Eckmühl, selbst der Kriegsminister im fernen Paris bekommt einen Fürstentitel.
Kaiser Franz bleibt nicht lange Generalissimus; nachdem die Erzherzöge sich um den Posten eines Oberbefehlhabers mit Erfolg drücken – die Kunde, dass Napoleon den Befehl erteilt hat, über 270.ooo Mann aufmarschieren zu lassen – fällt die Wahl auf den Kavalleriegeneral Fürst Liechtenstein. Als Generalstabschef wird ihm der Feldmarschall-Leutnant Radetzky attachiert, ein Militärrat soll die beiden “unterstützen”  – ein absurder Gedanke.   Doch es kommt dann doch nicht zu den sieben Schlachten, oder zur Bildung eines Beraterstabes, womöglich zusammengesetzt aus den Erzherzögen,sondern zu einem demütigenden Friedensschluss und zu einer Heirat einer Habsburgerin mit dem siegreichen „Ursurpator“.Und nicht zu vergessen das Schicksal des Andreas Hofer. Ein recht mageres Ergebnis, wenn man die 5.500 toten Soldaten und die über 17.000 ,zum größten Teil grässlich verstümmelten Verletzten des Krieges dagegenstellt.

Wimpffen bekam ebenfalls sein “Wiener-Neustadt”: er wurde  erst nach Böhmen, dann nach Polen und schließlich nach Siebenbürgen, wo sein Vater  früher als Regimentskommandeur diente, in die Versenkung versetzt.. Hier erreichte ihn ein Schreiben des Zaren Alexander: der Zar bot ihm die Übernahme in russische Dienste im Rang eines Generalleutnants an.Wimpffen sollte dem Stab des Kriegsministers Barclay de Tolly zugeteilt werden, in dessen Stab früher der in der Schlacht von Austerlitz gefallene Grigorij von Wimpffen, eine Vetter von Maximilian  diente. Aus welchem Grund auch immer, Wimpffen lehnte dieses für ihn sehr vorteilhafte Angebot ab und blieb in Siebenbürgen. Am 2.September 1813 ernannte ihn der Kaiser zum Feldmarschall-Leutnant und übertrug ihm das Kommando einer Division von 9.330 Mann Infanterie und Kavallerie, die er gut 4 Wochen später in der Völkerschalcht von Leipzig befehligte.
Wimpffens Einheit wurde auf dem linken Flügel der alliierte Hauptarme eingesetzt. Nach der Schlacht wurde er Militärkommandant von Troppau.

Bei Ausbruchs des Krieges gegen Frankreich erhielt Wimpffen erneut ein Truppenkommando: seine Division umfasste die Brigaden Paulucci, Steininger und Hohenlohe. Am 26.Juni 1815 übersetzte sein Verband bei Kreuznach den Rhein und stieß im Verband des Korps Colloredo   in Richtung Belfort vor. Die Festung von Belfort wurde eingeschlossen, Wimpffen erhielt nun den Auftrag, Belfort zu blockieren  und mit Teilkräften seiner verstärkten Division weiter auf Besancon vorzustoßen. Über Soye, Clervanne und Roulans  erreichten Wimpffens Truppen die Festung Besancon und schlossen auch diese Festung, das und dem Kommando des Marschalls Jourdan stand ein.Am 15.Juli. schloss Wimpffen mit Jourdan einen Waffenstillstand ab und stieß mit seinen Truppen über Montbusson, Vesoul  Richtung Dijon vor. Inzwischen erreichte ihn ein neuer Befehl, in dessen Folge er die Richtung ändern musste und statt Dijon in Richtung  Auxonne, wo sich gleichfalls eine starke französische Besatzung die Stadt verteidigte zu marschieren hatte.

Nach Waterloo hatten die österreichischen Truppen im Grunde genommen lediglich die Aufgaben, das südliche Frankrecih zu besetzen, die sich noch wehrenden Forts zur Kapitulation zu bewegen und sich auf eine längere Besatzungszeit einzurichten.Wimpffens Verband hatte Teile dieser Aufgaben zu erfüllen. Nun erschien auch der Verlierer der Schlacht von Györ ,der intrigante Erzherzog Johann auf dem Plan – und nicht etwa der Erzherzog Karl –und übernahm das Kommando über sämtliche “Blockadetruppen”. Am 30.Juli wurden sämtliche Truppen Wimpffens dem 33jährigen  Erzherzog unterstellt, keine leichte Aufgabe für ihn, nachdem Johann es war, der Wimpffens Arbeit als Generalstabschef hart kritisiert und diesen beim Kaiser angeschwärzt hatte und Wimpffen nach wie vor für einen “räsonierenden Stäbler” gehalten hat.
Die  Dissonanz ließ nicht lange auf sich warten; der Erzherzog erließ sofort nach der Übernahme des Kommandos einen absurden Befehl an Wimpffen, indem er diesem  verbot, mit den besiegten Franzosane auf Französische zu verhandeln und zu korrespondieren.Wörtlich hieß es: “Wir haben in dieser Hinsicht uns zu lange eine erniedrigende Abhängigkeit auferlegt, die übrigens mannigfachen Nachtheil hatte; es ist Zeit, dass wir in unsere Rechte treten, und ich wünsche, dass Sie in vorkommenden Fällen meinem Beispiel folgen”.
Wimpffen , dessen Muttersprache ja das Französische war, war  nicht gewillt, diesem, gelinde gesagt, lächerlichen, ja unsinnigen Befehl Folge zu leisten; Übergabeverhandlungen mit dem Marschall Jourdan, mit Generälen, mit Beamten, mit Präfekten führte er nach wie vor auf französisch, lediglich die Korrespondenz diktierte er auf deutsch, die dann mühsam von den Franzosen übersetzt wurden musste. Mitte September übergab der Erzherzog das Kommando über die “Blockadetruppen” an Wimpffen und verschwand nach Paris, wo es wesentlich gemütlicher  leben ließ, denn dort saß wieder ein König auf dem Thron und es gab Feste, viel Prominenz und viele Bälle; die Vertreibung Napoleons und die Restauration des Königtums mussten ja gefeiert werden. Bis Mitte September wurde das südliche, von den Österreichern besetzte Frankreichs “pazifiziert”, auch Wimpffen zog es nach getaner Arbeit nach Paris; unterwegs nahm er noch an einer Militärparade der siegreichen Österreicher in Dijon teil, und übergab  dann  das Kommando  am 21.September an den Feldmarschall-Leutnant Mariassy .

Der österreichische Generalstabschef,Maximilian von Wimpffen bei Hollabrunn, anlässlich der
Waffenstillstandsverhandlungen mit  Marschall Alexandre Berthier

 

Der Generalstabschef Maximilian von Wimpffen bei Hollabrunn
Gemälde von Clara v. Both (1907-2000)

Der französische Marschall Alexandre Berthier, nachmaliger Fürst von Wagram bei Hollabrunn
Gemälde von Clara von Both(1907 -2000) Gemälde im Museum Wagram

Nun brach eine verhältnismäßig lange Friedenszeit , die Zeit der “Heiligen Allianz ” an, gekennzeichnet durch Unterdrückung, Zensur, Bevormundung und monarchistische Verbohrtheit. Die Buchhalter der Macht,die Bürokraten des allmächtigen Metternichs ergriffen die Macht; und sie klammerten sich an diese Macht, bis sie das Jahr 1848 vertrieb.

1816 kehrte Wimpffen aus Frankreich zurück nach Troppau,wo er bis 1820 blieb;  in diesem Jahr übernahm er als Oberkommandierender den Befehl über die in Norditalien stehenden österreichischen Truppen. Am 14.Januar 1821 ernannte ihn der Kaiser zum Geheimen Rat,  drei Jahre später wurde er erneut Chef des Generalstabes, diesmal des gesamten österreichischen  Heeres. Sechs Jahre lang bekleidete er diese Position; zusammen mit seinem Freund Radetzky schuf er ein gänzlich umgestaltetes Heer, soweit dies bei den ständigen und immer wieder beklagten finanziellen Engpässen möglich war. Im Grunde genommen haben beide die Reformpläne des Erzherzogs Karl fortgeführt und in  vielen Bereichen der Heeresorganisation verwirklicht.
Am 1. November 1830 wurde er zum Feldzeugmeister und kommandierenden General in Niederösterreich ernannt; Wimpffen bekleidete diese Position 14 Jahre lang. 1844 bat er um die Versetzung in den Ruhestand. Kaiser  Ferdinand , ein Verehrer des Erzherzogs Karl ,billigte das Ersuchen und ernannte ihn am 4. Dezember 1844 zum Feldmarschall und Kapitän der “Ersten  Arcieren Leibgarde” Am 5. Dezember 1852  verlieh ihm der junge Franz Joseph das Goldene Vließ.

Kapitän der Arcieren-Leibgarde – um was für einen Posten handelte es sich?   Der heutige Mensch denkt beim Wort “Leibgarde” an Bodyguards, die Prominente in ihre Mitte nehmen und sie auch durch Einsatz ihres Lebens schützen; massige, Respekt einflößende,  “unauffällig “schwarz gekleidete Muskelmänner. Am österreichischen Hof gab es etliche Leibgarden  –  die ungarische adelige Leibgarde, die deutsche adelige Leibgarde, Hartschiergarde , Trabantenleibgarde  – doch ihre  Aufgabe bestand nicht darin, den Monarchen in der Öffentlichkeit zu schützen, ihn bei  den seltenen öffentlichen Auftritten zu begleiten., sondern einen mehr repräsentativen “Ehrenwachdienst ” sowohl in der Hofburg als auch  bei Festlichkeiten wie z.B. bei den Krönungsfeierlichkeiten oder Hochzeiten des kaiserlichen Hauses zu versehen.( als  auf Franz Joseph bei einem  Wiener Spaziergang ein Messerattentat verübt wurde, befand sich  in seiner Begleitung lediglich ein Adjutant ) Der Grundgedanke war  die Heranziehung besonders verdienstvoller Armeeangehörige dem Hofstaat einzugliedern bzw. junge Adelige mit dem Militärdienst vertraut zu machen und Manieren beizubringen.. Die Initiative zur Gründung der Arcierengarde ging von Maria Theresia aus; sie beauftrage den Feldmarschall Aspremont-Lynden mit  der Organisation und der Erarbeitung eines Statuts. Am 1.Januar 1764, beim Neujahrsempfang wurde die Garde in ihren prächtigen Uniformen der Kaiserin vorgestellt ” und zur besonders hohen Auszeichnung des Handkusses zugelassen”

Wimpffen war Zögling der Theresianischen Militärakademie, zu der ein Leben lang enge Verbindung pflegte. Bereits 1808, als Generaladjutant des Erzherzogs Karl wandte er sich an seine ehemaligen Mitschüler mit der Bitte, dem Akademiedirektor Graf Franz Josef Kinsky, der die Akademie von 1779 bis 1805 leitete, ein würdiges Denkmal zu errichten.Er schrieb: Freunde, die Ihr mit mir den Edlen kanntet, die Ihr mit mir zugleich von seinen Lippen die grundsätze einsogt, die uns lehrten, die Gefahr der Schande, die Ehre dem Leben,das Wohl des Vaterlandes jedem anderen Gute vorzuziehen; laßt uns ihm ein Denkmal errichten, das prunklos, edel und einfach, wie er selbst war, für Zeitgenossen und Nachkommen ein Ausdruck unserer Verehrung und Dankbarkeit gegen ihn sei!”
Innerhalb weniger Zeit kamen 5639 Gulden zusammen, die Familie Kinsky steuerte 2500 Gulden bei,indes verhinderten die Krieg und die damit einhergehende Geldentwertung den Bau um Jahre. Erst 1828 kam der erforderliche Betrag von 11.000 Gulden zusammen, so das Wimpffen erst jetzt eine Kommission aus ehemaligen Zöglingen bilden konnte, um über Form und Art des Denkmals zu beraten und zu entscheiden. Mittlerweile hat auch der Kaiser seine Zustimmung erteilt, so dass  der Wiener  Professor Schaller Ende des Jahres mit den Arbeiten beginnen konnte.
Am 26.Mai 1830 konnten das Brustbild aus Kanonenmaterial( 2,84 m) und das Piedestal ( 5,06 m)  ausgestellt werden. Wimpffen bat in einem Schreiben an den Kaiser, an den Enthüllungsfeierlichkeiten teilzunehmen,doch dieses Ansinnen wurde abgelehnt. Der Kaiser bestimmte den Erzherzog Johann, ihn zu vertreten , doch der lehnte dankend ab, den von ihm verachteten Wimpffen zu treffen. Er schrieb an den “Herrn Feldmarschall-Leutnant und Chef des Generalquartiermeisterstabes” am 13.September 1830: ” Da Se.Majestät der Kaiser die Feier Allerhöchst Ihres Namenstages zu untersagen geruhten, und überdies, abgesehen von diesem Allerhöchsten Verbote,durch die Vereinigung jener Feier mit der Enthüllung des Kinskyschen Denkmals meiner Absicht nicht entsprechen würde, so hat hierbei jede Beziehung auf den namenstag Sr.Majestät des Kaisers …zu unterbleiben”. Der Herr Feldmarschall-Leutnant möge die Grundsteinlegung und Enthüllung selber vornehmen. Dies war eine durch Hass gegen Wimpffen motivierte Entscheidung des Erzherzogs, denn immerhin bekleidete er zu dieser Zeit den Posten des Direktors der Theresianischen Akademie.

Am 4.Oktober begannen die  Feierlichkeiten; aus der ganzen Monarchie kamen die ehemaligen Zöglinge um  “einer stillen Meßopfer beizuwohnen und ungestört das Gemüt dankbar zum Allmächtigen zu erheben”.
Um 6.00 in der früh ertönte der erste Kanonenschuß,”welchen in Zwischenräumen von fünf Minuten 35 andere folgten”.  Um 7.00 Uhr begann die Feldmesse, bis 10.00 Uhr versammelten sich  die ehemaligen Zöglinge, darunter zwei Feldmarschall-Leutnants,Generalmajore, Stabsoffiziere, Abgeordnete des Magistrats von Wiener Neustadt, “um den Feldmarschallleutnant und Chef des Generalquartiermeisterstabes Freiherrn von Wimpffen zu erwarten”.

“Wimpffen erschien nun, von allen Anwesenden begleitet, um 10 uhr vor der Aufstellung der Truppen und besichtigte sie.Hierauf wurde der Gottesdienst durch den geistlichen Superior der Akademie, Seydel unter Assistenz zweier Priester abgehalten.Nach Verlesung der Geschichte des Denkmals… bildete sich der Zug, um sämtliche Gegenstände, welche in die hiezu eigens ausgesparte Öffnung zwischen den Stufen des Denkmals versenkt werden sollten, aus dem Zelt dahin zu übertragen.Zu diesem Zweck marschierte die erste Division der Zöglinge an dem Altar und am Zelte vorüber gegen das Denkmal ab; hinter ihr führte der mit der Sorge der Detailausführung des Denkmals beauftragt gewesene Major Kempen paarweise vier Offiziere, von welchen die beiden ersten Kelle und Hammer, die beiden anderen die zu versenkenden Gegenstände auf Polstern trugen.  Ihnen folgten die Priester, dann Wimpffen mit sämtlichen ünrigen Offizieren und der Magistrat der Stadt”.

Nach der Einsegnung durch den Superior fiel, auf einen Wink Wimpffens die Hülle des Denkmals und Kinskys “wohlgetroffenen ernsten Züge blickten wieder auf seine ringsum versammelten Zöglinge.Kanonendonner empfing das Monument des Kriegshelden und Lehrers.Feldmarschall-Leutnant Baron Wimpffen begab sich nun, begleitet  von allen Generalen und Stabsoffizieren auf die Plattform, auf welcher das Denkmal steht, um den Grundstein zu legen. Das Kistchen enthielt die Geschichte des Denkmals; der vom damaligen Obersten,Generaladjutant Baron Wimpffen im Jahre 1808 erlassenen Aufruf, eine Liste aller Spender, eine Zeichnung des Monuments, Kinskys Biographie, ein Verzeichnis seiner Publikationen, ein Verzeichnis aller seiner Zöglinge, und ein Dokument des Magistrats von Wiener Neustadt über die Verdienste Kinsky um die Stadt.

Seit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst lebte Wimpffen zurückgezogen in Wien im Palais seines Freundes,Joseph Gottfried Pargfrieder .Die Jahre  bis zu seinem Tod im Jahre 1854 versah  er zahlreiche Repräsentationsaufgaben, war er doch Kapitän der Ersten Arcieren-Leibgarde und Inhaber des 13. infanterieregiments. Er reiste in Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Mailand, nach Padua, wo er im Cafe “Pedrocchi” sein Espresso tran,nach Triest, kümmerte sich um die Angelegenheiten seines Regiments, besuchte seinen alten Kampfgefährten,den Feldmarschall Radetzky in Mailand  und widmete sich mit Hingabe  der  Reorganisation der Leibgarde in Wien. Immer wieder kehrte er zur Erholung auf das Landgut  von Joseph Pargfrieder in Wetzdorf zurück, wo er später auch beerdigt wurde.

Bekanntlich errichtete der Heereslieferant Joseph Pargfrieder in Wetzdorf den “Heldenberg”, in dessen Kripta er und seine beiden Freunde, die Marschälle Radetzky und Wimpffen ihre letzte Ruhe fanden.

Eingang des “Wimpffen-Palais” in Wien.Den Namen gab der Eigentümer des Hauses, Josef Gottfried von Pargfrieder,da der Feldmarschall anlässlich seines Aufenthaltes in Wien in diesem Palais wohnte. Er starb auch in diesem Haus 1854

Wie kam es zur  Freundschaft zwischen diesen drei Männern, zwischen dem millionenschweren Heereslieferanten Pargfrieder und den beiden Militärs?

Pargfrieder war der aussereheliche Sohn der Förstertochter  Anna Maria Moser. Mutter und Sohn lebten in Pest  in der Váci -utca, heute die bekannteste Einkaufsmeile von Budapest.. Unter dem Namen Bargfriedl Jozsef  (  Parkfrieder) besaß er,zusammen mit seiner Mutter das Haus Nr. 1;  später erwarb er dazu das Haus Nr.2 .( beide Häuser standen an der Ecke der heutigen Vaci-utca und Vörösmarty-Platz)  Später erwarb er noch in der Rettichgasse(heute Revay-utca) die Häuser Nr. 1128 und 1130.
Die Vaci-Strasse war im 19.Jahhundert die Strasse mit den meisten Gewerbetreibenden. Deutsche und österreichische Handwerker dominierten  in dieser Strasse, unter ihnen waren die Tuchhändler, die Uniformschneidereien, Rauchwarenhändler,Kürschner,Pelzhändler, Militärausrüster besonders stark vertreten. Allein im Haus Nr.2. von Bargfriedl Jozsef hatten drei Tuchhändler ihren Betrieb, und so ist es kein Wunder, dass Joseph Pargfrieder, wie er sich  seit Anfang 1810 nannte, dank seines früh erwachten Geschäftssinns gerade auf dem Gebiet der Uniformschneiderei und Lieferungen an die Armee zu einem sagenhaften Vermögen kam. Da es Anfang des 18.Jahrhunderts bis in die 60ger  Jahren allein in der Vaci-Strasse 29 Tuchhhändler gab,kann man davon ausgehen, dass Pargfrieder  dieseTuchhändler, Schneidereien, Kürschnereien, Uniformschneidereien gut mit Aufträgen versorgt hat, die Grundlage seines späteren Vermögens.

In seinem Haus wohnte auch das Ehepaar Aloisia und Richard Drasche, deren Sohn Heinrich  später sein Millionenerbe geworden ist. Hier, in dieser Strasse der Kaufleute in (Buda)Pest begannen zwei Karrieren, die das Staunen der Zeitgenossen hervorrief: Pargfrieder und sein Generalerbe, Heinrich Drasche wurden im Laufe ihrer Geschäftstätigkeit zu Millionären und adeligen Großgrundbesitzern mit Schloss und allem, was dazu gehört: Aus dem Herrn Bargfridl wurde der  Joseph Gottfried Ritter von Pargfrieder auf Wetzdorf, aus dem Jüngling Heinrich Drasche der Herr Heinrich Drasche von Wartinberg, Besitzer der größten Ziegeleifabrik der Monarchie und Eigner von 32 Bergwerken.

Als 20jähriger hatte Bargfriedl József das Glück, anlässlich einer Uniformanfertigung durch befreundete Tuchhändler und Schneider die Bekanntschaft des Generals  Georges Francois de Wimpffen, des Vaters des späteren Feldmarschalls zu machen, der als pensionierter General und Regimentskommandeur  ebenfall in Pest  lebte, und zu den militärischen Beratern, einer Art Geheimkanzlei des “Reichsverwesers” (Nador) Erzherzog Josephs  gehört hat.  Die Frau des Generals, Juliane  Freiin von Boeselager nannte Pargfrieder   “meine Stiefmutter Juliane”, nachdem seine Mutter 1790 verstarb  – er war damals 1 Jahr alt. Offensichtlich hat das Ehepaar Drasche ihn erzogen und aus diesem Grund hat er später  sein Vermögen dem Sohn seiner Erzieher, Heinrich Drasche vermacht. Im übrigen hat auch  dieser Heinrich Drasche , der Erbe  von Pargfrieder,eine sagenhafte Karriere als Großindustrieller der Monarchie durchlaufen, nachdem er,neben Pargfrieders Millionen auch die Millionen seines  Onkels Alois Miesbach geerbt hat. Und es ist sicher kein Zufall, dass der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit dieses Triumvirats in der Gegend von Znaim und Pest  befand. Aus der Vaci-Gasse in Pest zum Weltkonzern Wienerberg: das ist der Weg des Heinrich Drasche von Wartinberg und seiner Nachkommen.

Das Ölgemelde, das Janos Donat , ein deutschstämmiger ungarischer Maler von Pargfrieder angefertigt hat, dürfte einige Jahre später entstanden sein, denn dem Maler stand er bereits als “Joseph Pargfrieder” Modell. Das Gemälde selbst gibt einige Rätsel auf, denn der Maler hat ihn in einer römischen Tunika dargestellt. Eine mittelalterliche Burg im Hintergrund steht allerdings im Widespruch zur römischen Tunika. Burg und der stilisierte  Adler im Hintergrund – im Anflug auf die ausgestreckte rechte  Hand  –  dürften auf seine, von ihm immer wieder behaupteten Abstammung hindeuten, die ihm sozusagen als Vermächtnis der verstorbenen Mutter  das Ehepaar Drasche mitgeteilt  hat; demnach sei er ein illegitiemer Sohn des Kaisers Joseph II.gewesen. Bewiesen wurde diese Abstammung naturgemäß nie.Indes, wenn man bedenkt, dass der Sohn Maria Theresias nach zwei gescheiterten, aufgezwungenen Ehen mit Prizessinnen aus Sachsen und aus Bayern nie wieder geheiratet hat  und  danach ein recht freizügeges Leben genoss, ist die Möglichkeit einer illegitimen Abstammung von einem Habsburger  nicht auszuschließen, zumal der Vater, ein Förster durchaus die Möglichkeit hatte, in die Nähe des Kaisers zu kommen, wodurch auch der Weg zur Tochter offen stand.

Zweifelsfrei war Pargfrieder zu einem genialen Geschäftsmann herangewachsen, der geschickt die Unterstützung der Militärs in Ungarn bei der Erlangung von Aufträgen für die Armee  organisiert hattte. Anfänglich unterstützte ihn der General Francois Georges de Wimpffen, der Vater von Maximilian bei der Herstellung der geschäftlichen Kontake zu den Beschaffungsstellen in Ofen,später fand er in den Söhnen des Generals, Maximilian, Dagobert und Georg  – allesamt Soldaten  –  und dem Divisionskommandeur in Buda(Pest), General Joseph Wenzel Graf Radetzky  einflußreiche  Mentoren. Die Grundlage der Freundschaft der späteren Feldmarschälle mit Pargfrieder wurde in dieser Zeit , in Pest  gelegt und sie endete in der Gruft am Heldenberg bei Wien.


Joseph Pargfrieder
1789- 1863
Gemälde von Janos Donat (1744 in Neuzelle/Oder  – 1830 in Pest/Ungarn)

Mit 43 Jahren hatte Pargfrieder bereits ein ansehnliches Vermögen, das ihn  in die  Lage versetzte, ein Schloss in Niederösterreich zu erwerben; interessanterweise nicht in Ungarn, wo er Immobilien besaß,  sein Geld verdiente und arbeiten ließ, sondern in Wetzdorf, unweit von Wien. Er zahlte für das heruntergekommene Schloss 90.000 Gulden und investierte in den folgenden Jahren die immense Summe von 400.000 Gulden in die Verschönerung und Modernisierung.Sein Leben spielte sich zwischen  Pest und Buda, Znaim und Wien, Mailand, Padua und  der Lombardei ab.

Das Kaffehaus “Pedrocchi” in Padua; hier trafen sich des öfteren der Felmarschall von Wimpffen und Pargfrieder

Selten ist einem edelmütigen, einem reichen Mann so viel Unrecht angetan worden wie  dem Gottfried Joseph Pargfrieder. “Fetzentandler dubioser Herkunf” ,”Napoleon des Zwillichs”,”jüdischer Parvenü”,”ein zwielichtiger Emporkömmling ”  – um nur einige der diffamierenden Bezeichnungen zu nennen. Einer der wenigen, die ihm Gerechtigkeit haben widerfahren lassen, war der deutsche Schriftsteller Stefan Heym,der in seinem Roman “Pargfrider” dem angeblichen Fetzentandler ein literarisches Denkmal gesetzt hat.

Pargfrieder hatte das Glück, als einer der Ausrüster der österreichischen Armee in einer Zeit zu leben, in der Hunderttausende Soldaten sterben mussten auf den europäischen Schlachtfeldern. Österreich führte seit 1792 bis 1849 ununterbrochen Kriege: gegen die Revolutionsarmeen in den Niederlanden,Belgien und in Frankreiche gegen Napoleon ,in Italien. in Russland  und in Ungarn.Sieht man von den  wenigen Friedensperioden ab, waren das gut 50 Jahre Krieg. Und als diese Kriege  zu Ende gingen, war Pargfrieder ein reicher Heereslieferant, der als einziger Heereslieferant der europäischen Geschichte aus Dankbarkeit der Armee gegenüber ein Denkmal schuf:den Heldenberg bei Wien. Aus Dankbarkeit  denen gegenüber, die in seinen  Uniformen zu Tausenden den Tod fanden. Das kann man von einem Krupp, den Chefs von Schneider-Creusot , von  Thyssen ,oder den Waffen- und Uniformlieferanten  des 2.Weltkriegs oder unserer Tage mit Sicherheit nicht behaupten.

Über Wimpffen und Radetzky kam er schon in jungen Jahren mit den Freimaurern in Ungarn in Verbindung; er wurde in die Loge in Pest aufgenommen, trat aber  später über in den Geheimbund der “Rosenkreuzer”, die ähnliche Ziel verfolgten  wie  die Freimaurer: Reformen der kulturellen,politischen  und militärischen Verhältnisse. Die Zugehörigkeit Pargfrieders ,Radetzkys und Wimpffens zum Geheimbund der Rosenkreuzer ( übrigens war auch Stalin in jungen Jahren Rosenkreuzer ) blieb bis zum Jahre 1979  ein Geheimnis, bekannt war lediglich, dass sowohl Radetzky als auch Wimpffen Freimaurer waren.  Die Zugehörigkeit Pargfrieders zu den Rosenkreuzern ist durch   eine Initiative des bekannten  Wiener Grafikers und Malers Wilfried Zeller von Zellenberg bekannt geworden. Dieser war ein Liebhaber des “Heldenbergs”, über den er auch in seinem  Buch ,”Seid nett  auch zu Disteln” humorvoll, aber sehr sachkundig berichtet hat. Der Hinweis des Dienstpersonals , Pargfrieder sei in einem roten ” Schlafrock” beerdigt worden, ließ ihn Jahre hindurch nicht ruhen, dieser  doch recht ungewöhnlichen Erzählung nachzugehen. Schließlich fasste er den Entschluss, die drei Grüfte auf dem Heldenberg öffnen zu lassen, um das Rätsel des roten Mantels zu lösen–indes, die Bundesgebäudeverwaltung, die damals den Heldenberg   betreute, lehnte ab. Der Hinweis, der Großvater  Zeller  von Zellenberg habe als Künstler ein besonderes Verhältnis zur Radetzky-Verehrung, indem er u.a. den Leichenzug Radetzkys malte, half auch nicht. Daraufhin wandte sich Zeller-Zellenberg an den damaligen Bundeskanzler  Bruno Kreisky, dem er freundschaftlich verbunden war ,bei einem Mittagessen im “Schwarzen Kamel” mit der Bitte um Fürsprache. Kreisky stimmte der Öffnung des Sarges von Pargfrieder zu, lehnte aber die Öffnung der Särge der beiden Marschälle ab.

Der eigentliche Anlass, eine Art Walhalle  der Armee zu errichten ,war die Weigerung der Politik, dem Sieger über die Revolution in Italien, Radetzky ein Denkmal in Wien  zu errichten. Pargfrieder, der einen tiefen Dank der österreichischen Armee gegenüber empfand, denn schließlich verdankte er sein Millionenvermögen dieser Armee, beschloss, auf eigenem Grund ein Denkmal der gesamten österreichischen Armee, nicht einzelnen Heerführern zu errichten.Dabei sollten auch Geistesgrößen der Vergangenheit berücksichtigt werden: Goethe, Schiller,Mozart, Haydn,Marcus Aurelius ,insgesamt 22 Büsten  Er besprach das Projekt mit seinen beiden Gönnern, Radetzky und Wimpffen  alle Einzelheiten: die einfachen Soldaten  und Unteroffiziere sollten ebenso einen Platz bekommen wie die berühmten, verdienten Heerführer und Generäle. Der Feldmarschall von Wimpffen berichtete in einem Brief an seinen Neffen, dem Feldzeugmeister Franz Graf von Wimpffen über das Projekt “Heldenfriedhof”, wo, nach Vorstellung von Pargfrieder sowohl  er als auch Radetzky beerdigt werden sollten. Wimpffen stimmte diesem Plan zu und wollte sich auch bei Radetzky um dessen Zustimmung verwenden. Am 2.November 1855, ein Jahr nach dem Tod seines Freundes Wimpffen, schrieb Radetzky sein Testament, in welchem er   bestimmte, auf dem “Heldenberg” an”der Seite meines alten Freundes Marschalll von Wimpffen beigesetzt zu werden”.

Pargfrieder ließ 180 Büsten und Standbilder anfertigen, die allesamt mit den beiden Marschällen besprochen wurden; lediglich zwei “Helden”  Julius Haynau und Alfred Windisch-Graetz wurden nicht berücksichtigt:. Haynau passte nicht in die ritterliche Gedankenwelt der  drei Freunde, der 1848 in Italien Frauen auspeitschen ließ und fortan als die “Hyäne von Brescia” genannt wurde und in Ungarn, nach  mit russischer Hilfe niedergeschlagenen Revolution ein Blutgericht veranstaltete: Am 6.Oktober ließ er den ersten frei gewählten ungarischen Ministerpräsidenten, Graf Lajos Batthyany, erschießen. Ihm folgten 13 Generäle,2 Oberste und ein Oberstleutnant, von denen etliche Kameraden der beiden Marschälle waren, (ein Vetter von FML August Graf Leiningen-Westerburg ,Mitglied in Wimpffens  Arcieren-Leibgarde,der ungarische General Karl Graf von Leiningen-Westerburg gehörte ebenfalls zu den durch den Strang   hingerichteten Generälen.Dessen Vetter,Karl Fürst zu Leiningen, erster Ministerpräsident der Frankfurter Nationalversammlung, hat Haynau ebenfalls um  Mäßigung ersucht, ohne Erfolg) Trotz der Intervention von Wimpffen und Radetzky und selbst  des russischen Zaren  ließ Haynau in einem Schauprozess  die Generäle, Offiziere und einfache Soldaten und auch Priester verurteilen und erschießen oder erhängen  –  der 6.Oktober,der Tag der Hinrichtungen  ist heute noch ein nationaler Gedenktag in Ungarn.   Weshalb der “Paladin des Kaisers” Franz Josephs, Fürst Alfred zu Windisch-Graetz kein Denkmal erhielt, kann man nur vermuten.Wenn man jedoch bedenkt, dass Windisch-Graetz  die Wiener bürgerliche Revolution blutig niederschlug – über 2000 Revolutionäre büßten ihr Leben ein – und er  den  demokratisch gewählten Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung ,Robert Blum ohne viel Federlesens “standrechtlich” erschießen ließ, so nimmt es kein Wunder, dass Windisch-Graetz weder für die beiden Marschälle, noch für Pargfrieder als Held galt.  Die Racheaktionen von Julius von  Haynau ,der Generäle erhängen statt erschießen ließ, und Windisch-Graetz , der Rache an seiner ermordeten Frau nahm,gehörten mit Gewissheit nicht zu den soldatischen  Vorbildern.Als Radetzky Haynau zur Mäßigung aufforderte, antwortete dieser,” man müsse das Unkraut an der Wurzel packen und vernichten, die Halunken müssen hängen”. Der Appell von Radetzky und Wimpffen, die Generäle  zu schonen, nutzte nichts. Haynau genoss die Rückendeckung des neuen Kaisers Franz Joseph und Felix Schwarzenbergs. Radetzskys Haltung beschrieb er in seinen Erinnerungen mit folgenden Worten: “Wir wollten der Welt, wir wollten selbst unseren Feinden die Mäßigung zeigen,die Österreich stets bewies.Wir bringen nicht Despotie,sondern Freiheit, vielleicht mehr Freiheit als die Völker zu ihrem Wohl ertragen können.Gott schätzt die Mäßigung mehr  als den Übermut des Siegers”. Man könnte sagen” Jaso warn die alten Rittersleut’. Dass sowohl in Italien als auch in Ungarn ein absolutistisches Regime des bigotten Felix Schwarzenberg errichtet wurde, ein Vorläufer der europäischen Polizeistaaten, war nicht die Schuld des Soldaten Radetzky, Besieger der italienischen Revolution.Die Kamarilla des jungen Kaisers, Schwarzenberg,Bach und des Polizeichefs Kempen von Fichtenstamm zwangen Radetzky,  den Kritiker der “Heiligen Allianz”,in die Rolle eines unbarmherzigen ,neoabsolutistischen Satrapen,zum Militärbefehlshaber des ” Lommbardo-Venetianischen Königreichs”. Dieses Regime führte schließlich unweigerlich zu Solferino und Königgrätz..
Um es nicht zu einem Eklat kommen zu lassen, ließ Pargfrieder Windisch-Graetz und Haynau in Form von Namenstafeln “verewigen”; Wenn man bedenkt, das Korporale, einfache Soldaten, ein Arzt   und auch Feldgeistliche “Heldenbüsten” erhielten, wird die  Weigerung der drei Freunde, die beiden Militärs mit Büsten oder Standbildern  in der “Walhalla Heldenberg”  zu verewigen, allzu deutlich.

Die Feldmarschälle Radetzky und Wimpffen beim Ausritt im Schlosspark von Wetzdorf
Gemälde von Clara von Both (1907 – 2000)

Die enge Freundschaft der beiden Marschälle zum millionenschweren Pargfrieder ließ das Gerücht entstehen, Pargfrieder habe die beiden gegen großzügige finanziellen Zuwendungen  gewinnen können, sich auf “seinem” Heldenberg beerdigen zu lassen.  Zunächst einmal muss man feststellen, dass beide Marschälle mit dem  höchsten Gehalt, das ein Militär erhalten konnte, es mit Sichereheit nicht nötig hatten, von Pargfrieder Geld zu bekommen. Als sie starben, hinterließen sie  kein eigenes Vermögen: Wimpffen vermachte seinem Bruder,dem Oberst Dagobert von Wimpffen seinen Marschallstab (heute im Heeresgeschichtlichen Museum) ,seinen Degen( heute im Museum von Wagram)  und zahlreiche Gegenstände, die seine Nachkommen 1909, anlässlich der Hundertjahrfeier der Schlacht von Aspern dem Heeresgeschichtlichen Museum vermach haben.Dazu gehörten ein Briefbeschwerer aus Mariazeller Guss,Trophäe aus Schwert und Lorbeerkranz; auf dem Stahlreifen eine bronzene Platte mit der Überschrift:” Dem General Max Freiherr von Wimpffen zur Erinnerung an die Leitung der Schlachten von Aspern und Wagram,Znaim am 21.und 22.May und 5.und 6.Julij 809.Geschenk des Erzherzogs Carl”. Dann ein Behältnis aus geschnittenem Chalcedon, enthaltend 4 Knochensplitter des Majors i.G. v.Wimpffen. Datum: Tauffers 25.3.1799 Ausserdem wurden dem Museum 1909  von den Nachkommen Rittmeister Philipp und Rittmeister Ivan von Wimpffen als Dauerleihgabe überreicht: der Marschallstab,  ein Offiziersstock, ein Helm und Epauletten, eine Feuersteinpistole mit der Gravur MW sowie ein Säbel, den der Feldmarschall als Kapitän der 1. Arcieren-Leibgarde trug.
Kein Haus, kein Schloss, kein Geld. Er wohnte bis zu seinem Tod in Pargfrieders Palais  in Wien , als Mieter – oder er befand sich auf Reisen zu seinem 13.Infanterie-Regiment nach Padua, dessen “Inhaber” er war, oder nach Mailand, wo er Radetzky besuchte. Der Hinweis, Pargfrieder habe Wimpffens “Spielschulden” beglichen, ist eine Erfindung, die niergendwo belegt ist.
Was hinterließ Radetzky seinen Nachkommen? Der gesamte Nachlasswert betrug 61 740 Gulden und 284 Gulden Bargeld. ( im Vergleich zu Wimpffen ein begüterter Militär) Er versäumte es jedoch nicht,aus diesem bescheidenen Vermögen Geld für Messen im Dom von Verona in Höhe von 200 Gulden zu stiften und weitere 300 Gulden den Armen von Verona zu hinterlassen. Auch hier kein Palais, kein Schloss, kein Vermögen.

Aus den hinterlassenen  Schriften von Pargfrieder erfahren wir, dass er die beiden Militärs sehr wohl auch finanziell unterstützte, damit diese ihren repräsentativen Verpflichtungen nachkommen konnten; diese Zuwendungen verpflichteten die beiden zu nichts, sie waren Ausdruck der Dankbarkeit Pargfrieders zwei Männern gegenüber, die ihn unterstützt hatten bei der Anbahnung von Kontakten zur Armee.

Um welche repräsentativen Veranstaltungen ging es im Falle des Feldmarschalls v. Wimpffen?  Wie schon erwähnt, hat ihn Kaiser Ferdinand 1844 zum Generalkapitän der 1.Arcieren-Leibgarde ernannt,außerdem war er Inhaber des 13.Infanterieregiments “Wimpffen”.  Bei Besuchen der einzelnen Truppenkörper erwartete man vom “Regimentsinhaber” eingeladen zu werden, Offiziersbälle wurden an den einzelnen Standorten veranstaltet, es folgten die Festivitäten nach Manövern, Invalide mussten unterstützt werden. Dies alles kostete Geld, und da sprang Pargfrieder mit seinem Geld ein. Auch die Stellung als Kapitän der Leibgarde war mit repräsentativen Aufgaben verbunden,die wiederum Geld kosteten.

Welche Aufgaben erwarteten Wimpffen als Kapitän der Arcieren-Leibgarde?

Nach der Eidesablegung am 18.Dezember 1844 vor dem Kaiser und der anschließenden Vorstellung des neuen Kapitäns bei dem in der Ritterstube der Hofburg versammelten Gardeoffizierskorps ging Wimpffen Anfang 1845 an die Reformierung der Garde heran. Mittel wurden beantragt, um die heruntergekommenen Gardehöfe zu renovieren und die Gehälter des Gardekorps aufzubessern.Die Quartiere der Garde wurden in wenigen Monaten  instandgesetzt und mit neuen Einrichtungsgegenständen versehen. 1846 hat er auch Neuerungen hinsichtlich Adjustierung der Garde eingeführt: Statt Degen wurden Kavallerieoffizierssäbel eingeführt, der Frack der Hausuniform mit Klappen und zwei Reihen Knöpfen versehen, an den Frackschößen goldverzierte Doppeladlerknöpfe angebracht, die grauen Pantalons durch Aufnähen von schmalen Goldlampassen verschönert, der Hut der Grenadieroffiziere der Armee auch bei der Garde als Strassenkopfbedeckung eingeführt.  Die  hohen Reitstiefel und engen Hirschlederhosen wurden abgeschafft und weiße Tuchpantalons mit Goldlampassen eingeführt. Ab 1850 galt  eine weitere,  neue Adjustierungsvorschrift: statt der bortierten Hüte wurde ein Silberhelm mit    einem doppelköpfigem Adler als Helmzier eingeführt, der Waffenrock wurde rot ,zur Uniform gehörte jetzt auch noch ein weißer Radmantel mit rotem Umlegekragen.Das waren sicherlich nur Äusserlichkeiten, doch das alles mußte der Kaiser genehmigen und durch die Militärbürokratie verwirklicht werden.  Doch die Garde bot jetzt ein schönes ,farbenprächtiges Bild, wenn es den Dienst versah ,oder bei großen Events Spalier stand. ( in den Sissy-Filmen kam man sie auch heute noch betrachten) Auch setzte  Wimpffen   eine “Verjüngung” der Garde durch, indem beschlossen wurde, daß nach Erreichen des 55.Lebensjahres die Gardeoffiziere des aktiven Dienstes grundsätzlich ausscheiden mussten. Ausländer konnten nur aufgenommen werden, wenn sie mindestens 20 Jahre in der Armee Dienst taten. Ab 1847 durfte die Glaubenszugehörigkeit kein Hindernis sein, in die Garde aufgenommen zu werden. War das alles nicht auf  den Einfluss eines Freimaurer zurückzuführen?
Am 30.April 1847 starb sein ehemaliger Oberbefehlshaber,Erzherzog Karl; Wimpffens Garde versah , zusammen mit der ungarischen und lombardisch-venezianischen adeligen Garde die Totenwache in der Augustinerkirche.
Die Revolutionen der Jahre 1848/49 in Italien, Ungarn und Österreich blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Garde; in den Gardehöfen wurde die schwarz-rot-goldene Fahne gehißt, in den Text des Eides wurde die Verpflichtung eingeführt, die Verfassung zu verteidigen. Wimpffen hat diese Veränderungen ohne Widerspruch durchgeführt, er weigerte sich jedoch, an den “Verbrüderungsfesten”  der Nationalgarde und der akademischen Legion mit der Garde bzw. einzelnen Offizieren teilzunehmen. Die Radikalisierung der revolutionären Bewegung, die Ermordung  von Latour und Lamberg  in Pest(seine Frau war eine Nichte des Felmarschalls) haben  Wimpffen auf Distanz  gehen lassen.Er meldete sich krank und zog sich nach Baden bei Wien zurück. Die Revolutionen in Italien und Ungarn bedeuteten das Ende der ungarischen und der lombardisch-venetianischen Leibgarde; sie wurden aufgelöst bzw. sie lösten sich von selbst auf. Als am 29.November 1849 der neue Kaiser nach Wien zurückkehrte, blieb nur die Arcierenleibgarde übrig für den “Hofdienst”. Auch Wimpffen kehrte nach Wien zurück; auf Grund seiner Vorschläge wurde die Uniform der Garde erneut  “reformiert”. Der Hauptmann Wilhelm Skalitzky wurde beauftragt, die Erneuerungen zu entwerfen. Am 29. Juli 1850 erschien die neue Adjustierungsvorschrift, welche bis zum Untergang der Monarchie und der Arcieren-Leibgarde Gültigkeit hatte. 1851 bewilligte der Kaiser die Gleichstellung der Gagen der Gardeoffiziere mit jenen der Armee. Als Wimpffen Anfang September 1853 erkrankte und bis zu seinem Tod den Dienst nicht mehr versehen konnte, hatte er auf eine erfolgreiche Dienstzeit bei der Arcieren-Leibgarde zurückblicken können: Gleichstellung des Offizierkorps mit den Offizieren der Armee, Verjüngung der Garde, Erhöhung des Mannschaftsbestandes, Instandsetzung der Gardeunterkünfte, strengere Auswahlkrieterien bei der Aufnahme in die Garde.  Am 29.August des Jahres 1854 verstarb der Gardekapitän Feldmarschall von Wimpffen in Wien, im Palais seines Freundes  Pargfrieder. “Nicht nur die Arcieren-Leibgarde, der er ein wohlwollender, gütiger und gerechter Kapitän war, betrauerte sein Hinscheiden, sondern auch die Wiener-Neustädter Akademie, von deren ehemaligen Zöglingen er als erster den hohen Rang eines Feldmarschafls erreichte” – schrieb Emil Paskovits, Verfasser des Werkes “Die Erste Arcieren -Leibgarde seiner Majestät des Kaisers und Königs”, Wien 1914.

Feldmarschall Maximilian Freiherr von Wimpffen (1770 – 1854)
Gemälde von  Hans Holpein in  der Wiener -Neustädter Militärakademie,Theresiensaal

Der Gesundheitszustand Wimpffens verschlechter sich zusehends; an den Hochzeitsfeierlichkeiten des jungen Kaisers Franz Joseph konnte er nicht mehr teilnehmen.Im Roman “Pargfrider” beschreibt Stefan Heym sehr lebensnah die letzten Tage des Marschalls   – aus der Sicht des Freundes,Joseph von Pargfrieder.
“Es gehe ihm schlecht, ließ er mir,Parkfrieder  mitteilen, und ich möge doch, sobald ich könne, zu ihm kommen nach Wien. Ich kannte Wimpffen zur Genüge, um zu wissen, dass er nicht wehleidig war und kein Hypochonder, welcher in jedem Bauchgrimmen  einen Darmverschluß sieht und in jedem zusätzlichen Pulsschlag eine Herzattacke; außerdem wußte ich durch meinen Arzt, Dr. Wurda, welcher auch Wimpffens Hausarzt , von dessen ernsthafter Erkrankung; Wurda sprach von der Erkrankung als terminal, was immer das hieß; und so ließ ich die Chaise einspannen nach Stcokerau und bestieg dort den Zug und war bei Wimpffen zwei Tage nach Erhalt der bösen Botschaft.Ich erschrak, als ich den Freund sah, ließ mir’s aber nicht anmerken: eine mitleidlose Hand hatte sein Gesicht gekennzeichnet, und seine Augen, die sonst so voller Leben gewesen, waren in sich gesunken und fern, als hätten sie bereits in Weiten geblickt, die uns andern verschlossen.
Nach einer Weile schien er zu sich zu finden. Ich danke Ihnen Pargfrieder, sagte er, dass Sie gekommen sind.Und fügte hinzu, er fürchte, er werde nicht mehr allzu viele Gelegenheiten haben, Gespräche mit mir zu führen; es sei aber noch allerlei zu klären.
Ich legte meine Hand auf die seine, besänftigend, und spürte die alten Narben über den schlecht verheilten Knochen. Er möge sein Herz nicht unnötig strapazieren oder sein Gemüt, sagte ich; ich hätte alle Zeit der Welt für ihn, und hoffte außerdem, dass sein zustand in Wahrheit nicht ganz so kritisch sei wie er, Wimpffen im Moment vielleicht befürchte.Habe er denn nicht oft genug selber erlebt, dass alte Soldaten, wenn die Macht des Feindes bereits erdrückend, in sich noch Reserven fanden, von denen sie vorher nie geahnt, und mit frischem Mut und frischer Kraft den Kampf wieder aufnahmen und diesen siegreich bestanden?
Er lächelte schwach.Gut, gut, was er noch in sich habe an Reserven, werde er jetzt brauchen, brauchen gegen die Horden seiner Gläubiger, die angesichts seiner Erkrankung, welche sich nicht habe geheimhalten lassen, ihn vorn überallher bedrängten. Und warum,fragte ich, habe er, statt sich der Meute auszusetzen. nicht längst mich zu Hilfe gerufen? – ein Gläubiger sei besser als ihrer eine Vielzahl.Aber diesem einen, sagte er, ein Anfall von Atemnot seine Stimme bedrängend, werde schon zu viel von ihm geschuldet. Das,sagte ich, möge er meinem Urteil überlassen. Er hustete, spie in einen Napf, und lehnte sich zurück in sein Kissen. Ich trocknete ihm die Stirn. Aber ich sähe doch, sagte er dann, dass er in dem bißchen Leben, das ihm noch bliebe, auch nicht den winzigen Bruchteil der Kredite werde zu tilgen imstande sein, welche er über Jahre bereits von mir erhalten, und erst recht würde er ohne Schaden an seinem Gewissen keinen neuen, großen von mir akzeptieren können; bei allem Vertrauen, das er in mich setze: er sein kein Schnorrer und wünsche nicht, in meiner Schuld zu sterben.
Ob er sich erinnern könne, fragte ich ihn,dass er mir bei einem ähnlichen Handel einmal schon als Sicherheit seinen Leib geboten, obwohl, wie er mich gewarnt, dieser durch Kugeln und Säbelhiebe leider längst ramponiert wäre.Nun, ich sei gewillt, diesenLeib jetzt in Zahlung zu nehmen, Lieferfrist wann immer es ihm konveniere.
Ich scherze wohl, sagte er  und hustete wieder: eine Generalsleich sei auch nicht mehr wert als irgendeine andere, nämlich nichts.

Übergabe des Gemäldes   “Feldmarschall Maximilian von Wimpffen ,Kapitän der 1.Arcieren-Leibgarde” an das Asperner Museum  anlässlich der
200-Jahr-Feier der Schlacht von Aspern 2009. Die Vorsitzende des Museumsvereins Aspern, Margarete Pelikan nahm das Bild im Namen des Museumsvereins von Dr.Hans Freiherr von Wimpffen in Empfang


Auf Vorschlag der Präsidentin des Musumsvereins Aspern-Essling 1809. Frau Margarete Pelikan wurde anlässlich der 200-Jahr-Feier von der Österreichischen Post eine Sondermarke mit dem Bild des Feldmarschalls Maximilian von Wimpffen (Gemälde von Clara de Both)  herausgebracht.

1959 nahm an der Feier am Asperner Löwen das österreichische Bundesheer
mit einer Ehrenwache teil…

…ebenso der französische Militärattachee

Grabplatte des Feldmarschall Radetzky in der Gruft auf dem Heldenberg in Wetzdorf

Vergoldetes Wappen des Feldmarschalls von Wimpffen auf seiner Grabplatte

 

Vergoldeter Marschallstab auf der Grabplatte von Maximilian von Wimpffen

Der Eingang zur Gruft des Josef Gottfried von Pargfrieder
Photo: Prof. Wilfried Zeller von Zellenberg

Grabplatte von Joseph Gottfried  Ritter von Pargfrieder
“Ihr glaubt, die Zeit vergeht! Thoren! Die Zeit steht! Ihr vergeht!
“Hier arbeitet die Natur an der Verwandlung des Menschen”
K.I.S.I.P.F.V.F.
Photo: Wilfried Zeller von Zellenberg (1979), aufgenommen annlässlich der Öffnung des Sarges von J.G. v. Pargfrieder

Wilried Zeller von Zellenberg beim Öffnen der Grabplatte

Auf der Innenseite der Grabplatte das Signet der Freimaurer/Rosenkreuzer

…der Kopf von Pargfrieder “rollte” nicht zu seinen Füssen.

Auswertung der Bilder der Graböffnung :Professor Wilfried Zeller von Zellenberg und Hans Hermann von Wimpffen  in Wien (Photo:E.Holzach)

Wilfried Zeller von Zellenberg war ein begeisterter Radetzky-Pargfrieder-Forscher;bei Festivitäten auf dem “Heldenberg” trug er häufig die Uniform des Feldmarschälle Radetzky und Wimpffen. (Photo:E.Holzach)

 

Das Ende einer verunglimpfenden Legende: Die sowjetischen Soldaten haben das Grab nicht geplünder, der Kopf rollte nicht weg und der rote Umhang –  “rotgeblümter Schlafrock” – war nicht eine Marotte eines Sonderlings, sondern der Zeremoniemantel der Rosenkreuzer. Hätte man die Gruft der Marschälle von Wimpffen und Radetzky geöffnet, wären auf den Grabpllatten  das selbe Signet sichbar geworden.
Willfried Zeller von Zellenberg war ein bekannter österreichischer Grafiker, Karikaturist und Buchautor. Er widmete Jahre seines Lebens der Erforschung der Geschichcte des Heldenbergs und dessen Erbauer, Pargfrieder. Unter dem Titel “Die zweite Kapuzinergruft” schrieb er, zusammen mit dem Verleger und Buchautor, Leo Mazakarini einen Fernsehfilm für den ORF. Pargfrieder, Radetzky und Wimpffen stehen im Mittelpunkt der Dokumentation :”In Ermangelung zeitgenössischer Größe ehrt man Vergangene”,schrieb der Autor,Leo Mazakarini.

Über den Schöpfer dieses” austriakischen Denkmals,” Josef Gottfried  von Pargfrieder heißt es in der Dokumentation:”Er war Realist und Romantiker zugleich.Er wußte um die Meisterung von Kräften, die magisch im Menschen-Pflanzen -und Tierreich verborgen, durch Meditieren und Glauben an die eigene Persönlichkeit,in Phänomenen einer übernatürlichen Physik,über Figuren,Sprüche, Töne und Medien freigemacht werden können.War er Träger eines europäischen Aufklärungsgedanken? Ein schlichter,praktisch denkender Partikularismusgegner? Ein Schloßherr mit Spleen? Am Heldenberg demonstriert er seine Philosophie: DEN ADEL DER TAT. ” Und an anderer Stelle sagt Pargfrieder: Aufklärung und Humanität kann nur der verbreiten, der etwas zu geben hat.Doch – wie soll man mit leeren Händen geben? Geben kann nur der, der hat. Anarchische  Bestrebungen hier, Weltwinkelei dort unter dem Deckmantel anarcho-paradiesischer Weltordnung, wo jedes Streben nach eigener Individualität unterbunden wird, und der Mantel ewiger Verdummung über das Volk gebreitet werden sollte.Anarchisches Chaos soll Zkunft werden, und die Kräfte der Natur mißbräulich angewandt, anstatt erkennend zu ordnen und das Licht der Aufklärung in die Welt zu setzen.”.

Ungeachtet dieser Tatsachen schrieb der renommierte ungarische  Militärhistoriker, Robert Hermann  – ein Kenner und ausgewiesener Fachmann der Revolutionskriege 1848/49 – in einem Blog, Radetzky und Wimpffen hätten große Schulden im Kartenspiel angehäuft, und Pargfrieder habe für die Schulden aufkommen müssen.Und um an das Geld zu kommen, hätten die beiden Marschälle ihren Leichnahm an Pargfrieder “verkaufen müssen.” Pargfrieder habe allerdings vor seinem Tod die Schuldscheine vernichtet. Liest man  einen solchen Kommentar in einer Boulvardzeitung, müsste man sich nicht wundern – aus er Feder eines Militärhistorikers mutet eine solche Behauptung indes merkwürdig an.(www. mandiner.blog.hu)

Anlässlich eines Aufenthaltes in Bad Kissingen reiste der Feldmarschall nach Wimpfen am Neckar.Zusammen mit einigen Verwandten spendete er auf Bitten des Pfarrers der Dominikanerkirche eine größere Summe an die Kirche. Diese dankte ihm mit der Anbringung seines Namens auf der “Wohltätertafel” der Kirche.

Plakatentwurf zu “Museum Aspern-Essling 1809” anlässlich der 200-Jahr-Feierlink:http://www.magazin-donaustadt-1809.at


Der französische Botschafter in Wien,Dr. Bachmann besuchte alnlässlich der 210-Jahre-Feier 2019 das Museum Aspern.Einige Zeit später kamen Mitglieder der Familie Walewski zu Besuch  und äusserten sich lobend über das Museum.(Sie sind die einzigen Nachkommen Napoleons aus der Verbindung mit der Polin Marie Walewska)

Photo:Karl Juris