Die Freiherren und der Ort ihrer Herkunft, Wimpfen am Neckar in Wort und Bild
VON ERICH SCHEIBLE, WAIBLINGEN
Diese Abhandlung widme ich Dr. Hans Hermann Freiherr von Wimpffen.
Diese Widmung erfolgt deshalb, weil dieser als promovierter Historiker und maßgeblicher gegenwärtiger Erforscher seines Geschlechts mir ganz entscheidende Impulse und Hilfen zur Bewältigung der ins Auge gefassten Darstellung des Werdens und Wirkens desselben gegeben hat.
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Mich mit diesem Adelsgeschlecht zu befassen, erschien mir vor allem deshalb notwendig, weil in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre
Baron Wilhelm von Wimpffen(1820 – 1879), ehemaliger württembergischer Kammerherr und Rittmeister,Angehöriger der Württembergischen Nebenlinie des Franzens-Zweiges derer Von Wimpffen,mit seiner Familie in der Stadt der Herkunft seiner Vorfahren Wimpfen am Neckar ansässig geworden ist.Nach wenigen Jahren des Lebens als „Rentner“, wie es in der Reichstagswahlliste heißt, wohnend im ehemaligen Haus Usinger am Beginn des Burgviertels neben dem Rathaus,
erlag er während der Jagd in der Gemarkung Hohenstadt einem Herzschlag und fand sein Grab auf dem (heutigen alten) Friedhof.
Durch dessen Anwesenheit knüpften sich damals nach Wimpfen hin mancherlei Kontakte zu seinem Geschlecht und erlebte dieses denkwürdige Besuche.
Inhalt
A. Warum und auf welchen Wegen ich dazu kam, in den Jahren 2013 und 2014 vornehmlich das Adelsgeschlecht derer Von Wimpffen aus der Sicht von dessen Ursprungsstadt Wimpfen am Neckar sowie auch in seiner Gänze zu erforschen und zu beschreiben und wie komplex sich die Suche nach dem mir zunächst vorliegenden spärlichen Quellenmaterial entwickelte.
B. Wie der erste fassbare Ahn derer Von Wimpffen, den der Nürnberger Zeichner und Kupferstecher J. W. Stör in seinem Stammbaum von ca. 1750/60 als wappentragenden Rittersmann des Namens SIGMUND HÖRMAN und C. von Wurzbach in seinem Genealogie-Werk von 1888 mit SIGISMUND oder auch SIEGMUND HEEREMANN benamt sowie dazuhin als Inhaber zahlreicher Burg- und Herrschaftsplätze deklariert, von der Genealogin Lore Sporhan-Krempel 1981/84 auf der Basis vorliegenden primären Augsburger und Nürnberger Quellenmaterials jedoch als Handelsmann des Namens SIGMUND HERMANN identifiziert wird, der zu Anfang des 15. Jahrhunderts aus seiner Heimatstadt Wimpfen am Neckar nach Augsburg abgewandert ist und dort der sog. Ehrbarkeit (2. Stand) angehörte.
C. Wie der große ehedem im Besitz der Familie gestandene Von-Wimpffen-Stammbaum des Johann Wilhelm Stör von ca. 1750/60, dazuhin die den Von Wimpfen geltenden genealogischen Betrachtungen des Nürnberger Hospitalpredigers Georg Ernst Waldau von 1787 sich ab der 2. und 3. Generation der Hermann und späteren Von Wimpffen als voll übereinstimmend mit jenen von Lore Sporhan-Krempel erweisen und somit deren Forschungsergebnisse indirekt weitere Bestätigung finden.
D. Wie der Stammträger der 4. Generation, nämlich der ebenfalls Fernhandel betreibende HEINRICH HERMANN (später zubenannt: DER JÜNGERE), 1512 nach Nürnberg auswandert, dort 1515 in das Bürgerrecht einrückt, Genannter des Größeren Rats wird und sich vor allem wohl zur Unterscheidung von den in Augsburg verbliebenen Gliedern seines Geschlechts den Beinamen „VON WIMPFFEN“ zulegt und dessen Bruder HANS (später der Ältere genannt) eine LINDERIN oder LINDHAIMERIN heiratet, nach Italien zieht und 1504 sich in Venedig niederlässt.
E. Wie aus der Nachkommenschaft von Hans dem Älteren die Tochter SYBILLA in Venedig den später in das im Nürnberger Stadtregiment höchst wichtige Amt des Losungers und schließlich dort in den Engeren Rat einrückenden BALTHASAR DERRER heiratet, der Sohn WILHELM nach Augsburg zurückkehrt und dort eine Angehörige der reichen Kaufmannsfamilie der SCHMUCKER zur Frau nimmt, womit die ersten Eheverbindungen der Hermann von Wimpffen mit Angehörigen Erster Geschlechter entstehen.
F. Wie der ebenfalls Fernhandel betreibende Sohn von Hans dem Älteren namens HANS DER JÜNGERE der Generation 6 nach Zypern, einer von dessen Söhnen namens LIENHARD nach Italien heiratet und aus dessen dort zahlreich sich ausbreitender Kinderschar der abermals HANS geheißene Sohn der Generation 7 in die Nürnberger Großkaufmannsfamilie der TUCHER einheiratet, die zu den dortigen ganz großen Ersten Geschlechtern gehört.
G. Wie Aubert des Bois und seine Adepten, nämlich der „Gotha“ und von Wurzbach, den von ihnen als Stammträger ihrer Generation IV gesehenen HANS I. , geboren angeblich 1418 in Nürnberg und bezeichnet als der Italien- und Frankreichfahrer, als späteren Ritterführer im Elsaß, schließlich als angesehenen denkwürdigen Bürger im dortigen Haguenau lebend und auch dort 1492 sterbend sowie Nachkommen in mehreren Generationen hinterlassend beschreiben und wie sich auch schließlich Bestätigungen seiner offenbar adligen Abstammung wie auch dortigen Tätigkeit im Magistrat, als Schöffe und Stettmeister und seines Todes wie auch sein Siegel findet, aber dennoch eine genaue Einordnung in den Von Wimpffen-Stammbaum nicht möglich ist und auch bezüglich dessen angeblichem Sohn JOHANNES II., Enkel JOHANNES III. sowie Urenkel JOHANNES JACOB noch vieles rätselhaft und zu klären bleibt.
H. Wie in der 5. Generation der Fernhändler DOMINICUS HERMANN VON WIMPFEN in die zu den Ersten Geschlechtern Nürnbergs gehörende Familie der GROLAND einheiratet, 1555 einen kaiserlichen Wappenbrief mit dem Wappentier des weißen Widders, dort auch Herman (Hörnermann) genannt, erlangt, ein ansehnliches Besitztum hat und auf dem Lustnauer Weiher bei einer Lustfahrt mit zwei Töchtern zu Tode kommt.
I. Wie der Sohn des Dominikus und Stammträger der 6. Generation CHRISTOPH (DER ÄLTERE) VON WIMPFFEN sich mit einer Frau aus den Ersten Nürnberger Familien und dem Inneren Rat angehörenden BÖHEIM verehelicht und dessen Bruder NICLAS eine Tochter der ebensolchen Familie der PFINTZING zur Frau nimmt und danach zum Genannten des Größeren Rats und als Assessor des Bauerngerichts berufen wird.
J. Wie CHRISTOPH DEM JÜNGEREN VON WIMPFFEN der 7. Generation die Einheirat in die der Ehrbarkeit (2. Stand) angehörenden angesehenen Nürnberger Kaufmannsfamilie der SEMLER und später der Aufstieg in das Amt des Unterpflegers in Gostenhof gelingt.
K. Wie der Sohn Christoph des Jüngeren und Stammträger der Generation 8 JOHANN FRIEDRICH VON WIMPFFEN (1615 – 1668) über seine erste Einheirat in die zwar nur dem Zweiten Stand der sog. Ehrbarkeit angehörende, doch reiche Nürnberger Familie der FÜRLEGER und über seine zweite solche in die dem Ersten Stand zugehörige einflussreiche Sippe der KRESS VON KRESSENSTEIN den begehrten Posten eines Losungsamtmannes erlangt und zu großen Besitztümern und Einkünften kommt, schließlich 1658 für sich und seinen jüngeren Bruder JOHANN DIETRICH VON WIMPFFEN (geb. 1616) die Freiherrenwürde mit Wappenvermehrung durch die Beigabe einer Königskrone erringt, doch schließlich durch seine Hoffart, Unterschlagungen und Bestechungen in Kerkerhaft und dort unrühmlich geheimnisumwittert zu Tode und gerüchteumwoben unter die Erde kommt.
L. Wie aus dem ältesten am Leben gebliebenen Sohn des Johann Friedrich namens GEORG ABRAHAM VON WIMPFFEN (geb. 1648) über seinen Urenkel TOBIAS PETER (1767 – 1813) der sog. Dänische Zweig der Von Wimpffen herauswächst.
M. Wie JOHANN DIETRICH VON WIMPFFEN Nürnberg und Umgebung verlässt, ebenso die der 9. Generation zugehörenden Söhne des Johann Friedrich JOHANN CHRISTOPH VOIN WIMPFFEN (geb. 1652) und JOHANN KARL VON WIMPFFEN (geb. 1654) sich umorientieren, indem sie die Dienste des Markgrafen von Baden-Durlach treten und schließlich sich der Letztgenannte in den Dienst des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken begibt und dort als Oberamtmann und schließlich Adeliger Geheimer Rat der Herrschaft Guttenberg-Lützelstein waltet, die von dem im Grenzgebiet der Pfalz zum Elsass hin gelegenen Schlossort Minfeld aus verwaltet wird.
N. Wie der Sohn des Johann Karl namens JOHANN GEORG VON WIMPFFEN (1689 – 1767) der 10. Generation durch die Erziehung seiner sieben Söhne im „Schloss der sieben Türme“ im pfalz-zweibrückenschen Minfeld zur Härte und Entbehrung den Grundstein für die vornehmliche künftige Hinwendung des Von Wimpffen-Geschlechts zum Waffendienst mit dem rasanten Aufstieg der beiden nachfolgenden Generationen in hohe bis höchste Ränge des Militärs zu legen versteht.
O. Wie der fünftälteste der sieben Söhne des Johann Georg namens FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN bzw. FRANÇOIS LOUIS DE WIMPFFEN (1732 – 1800), der von seiner Kindheit bis zu seinem Tod in wechselnden französischen und deutschen Herrscherdiensten, Regionen und Positionen im Militär- und Kriegsdienst u. a. als langjähriger Kriegsratspräsident unter Herzog Karl Eugen und zuletzt als General und Präsident des Revisionsgerichts in Mainz unter Napoleon steht, über seine sechs Söhne, von denen fünf sich dem Waffendienst zuwenden, zum Begründer des in vier Staaten Europas (Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland, Deutschland) und innerhalb des letztgenannten in zahlreiche Länder weitzerstreuten sog. Franzens-Zweiges der Von Wimpffen wird.
P. Wie der älteste Sohn des Franz Ludwig von Wimpffen namens FREIHERR GEORG bzw. GRIGORIJ VON WIMPFFEN (1760 – 1807) vom französischen in den russischen Militärdienst übertritt und somit eine russisch-preußische Seitenlinie der Von Wimpffen entsteht und dessen Urenkel BARON WALDEMAR als späterer BISCHOF LEONTIJ VLADIMIR FJODOROVITSCH VON WIMPFFEN (1872 – 1919) in der russischen Revolution in Astrachan sein Leben unter den Kugeln eines Tscheka-Kommandos verliert und in einer Grube verscharrt wird.
Q. Wie der drittälteste der sechs Söhne des Franz Ludwig von Wimpffen FRANZ KARL EDUARD VON WIMPFFEN (1762 – 1835) sich in Österreich-Ungarn niederlässt und 1797 in den Reichsgrafenstand gelangt, Schlossbesitzer im niederösterreichischen Kainberg wird, seine männlichen Nachkommen dort hohe bis höchste Ränge als Militärs bzw. auch der Diplomatenlaufbahn erreichen und durch Einheiraten in höchstvermögende neuadlige Magnatenfamilien des österreich-ungarischen Bankenwesens und Großgrundbesitzes zu erheblichem weitgestreutem Reichtum und Ansehen kommen, doch deren Nachkommen im Strudel der aus dem Ersten und schließlich dem Zweiten Weltkrieg herausgewachsenen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen ihrer erlangten weitverstreuten Besitztümer fast ganz verlustig gehen.
R. Wie aus dem in den französischen Wasserbaudienst tretenden zweitältesten Sohn FRANÇOIS CHARLES EUGÈNE DE WIMPFFEN/FRANZ KARL EUGEN VON WIMPFFEN (1762 – 1835) über seine mit KARL FRIEDRICH GRAF REINHARD verheiratete mittlere der drei Töchter VIRGINIE (1801 – 1886) ein französischer Nebenzweig der Von Wimpffen herauswächst.
S. Wie zwei der vielen Enkel des Zweiggründers Franz Ludwig namens FRANZ LUDWIG (1752 – 1823) und GERMAIN bzw. HERMANN VON WIMPFFEN (1749 – 1820), der eine bleibend, der andere vorübergehend, in Württemberg Fuß fassen und deren Vetter Freiherr FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN (1784 – 1845), Jüngster der sechs Söhne des Erstgenannten, im Dienste von König Wilhelm I. von Württemberg es bis zum Generalmajor und dessen Generaladjudanten bringt und durch diesen sich in der Residenz Stuttgart eine Württembergische Nebenlinie der Freiherren von Wimpffen bildet, deren Angehörige dort über 5 ½ Jahrzehnte hinweg bis Mitte der 1860er Jahre dort im Militär- , Adjudanten-, Kammerfrauen- und Kammerherrendienst stehen.
T. Wie dem in der Kolonisierung und Verwaltung Algeriens hohe Verdienste und Auszeichnungen erlangten ältesten der französische Generäle EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN (1811 – 1884), dem einzigen Sohn des viertältesten Sohnes des Franz Ludwig von Wimpffen namens FÉLIX DE WIMPFFEN (1778 – 1814), im Deutsch-französischen Krieg von 1870/71 in der letzten Phase der unabänderlich verloren gehenden Umfassungsschlacht bei Sedan der Oberbefehl und im Zuge der von ihm mit Fürst Otto von Bismarck und seinem Verwandten Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke in der Nacht vom 1. zum 2. September 1870 in Donchery ausgehandelten und am Morgen danach unterzeichneten Kapitulation der Spottname „Sedangeneral“ zufällt.
U. Wie der Plan der beginnenden 1870er Jahre der Kusine des Emmanuel Félix de Wimpffen und älteren Tochter des Friedrich Wilhelm von Wimpffen KATHARINA VON WIMPFFEN (1818 – 1875), in Wimpfen größere Baulichkeiten zu erstellen und ein größeres arrondiertes Gut zu gründen, sich durch deren frühen Tod zerschlägt, jedoch der ältere ihrer beiden Brüder, der ehemalige WÜRTTEMBERGISCHE KAMMERHERR UND RITTMEISTER BARON WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1879) den Herkunftsort seiner Ahnen Wimpfen am Neckar zu seinem Alterssitz wählt und dort nach seinem plötzlichen Tod sein Grab findet sowie im Jahr danach die Hochzeit seiner jüngeren Tochter SOPHIE CHARLOTTE VON WIMPFFEN (1861 – 1907) mit dem baltischen BARON THEODOR LEONHARD VON UNGERN-STERNBERG (1857 – 1918/23) Glieder sowohl der gräflich-österreichischen Hauptlinie wie der französischen Von Wimpffen-Nebenlinie nach dorthin führt.
V. Wie die in Wimpfen 1880 geschlossene Ehe der Sophie von Wimpffen mit Theodor von Ungern-Sternberg, zerbricht, diese eine zweite Ehe mit Baron Oskar von Hoyningen-Huene eingeht und deren älterer schwieriger Sohn aus erster Ehe namens Robert nach einem unsteten Leben als russischer Militär, nachdem er während den der Revolution folgenden Kämpfen zwischen den Weiß- und Rotarmisten die (Äußere) Mongolei von der chinesischen Vorherrschaft befreit und dann unter dem Namen Roman Ungern von Sternberg dort als „Blut(durst)iger weißer Baron“ eine schreckliche Gewalt- und Mordherrschaft ausgeübt hat, schließlich unter den Kugeln der ihn hinrichtenden Bolschewiki stirbt
W. Wie durch die Verehelichung der jüngsten der beiden Töchter des Freiherrn Friedrich Wilhelm von Wimpffen BARONESSE PAULINE VON WIMPFFEN (1822 – 1900) mit ihrem Vetter GRAF GUSTAV ADOLF FELIX VON WIMPFFEN (1805 – 1880) quasi ein doppeltes Band der Verwandtschaft geknüpft wird und damit die württembergisch-freiherrliche Nebenlinie eine kolossale ansehensmäßige Aufwertung und Mehrung ihrer Selbsteinschätzung erfährt.
X. Wie der aus dem sechstältesten der sieben Söhne des Franz Ludwig von Wimpffen namens GEORG VON WIMPFEN (1733 – 1816) heraugewachsene Georgs-Zweig entsteht, aus dem in der nächsten Generation der berühmte FELDMARSCHALL UND RITTER DES GOLDENEN VLIESES MAXIMILIAN VON WIMPFFEN (1770 – 1854) sowie der Begründer der nach Ungarn und dort über drei Generationen hinweg erfolgte Einheiraten in hochvermögende Adelsgeschlechter zu großem Ansehen und Besitz gelangten Linie der WIMPFFEN-MOLLBERG erwächst, dem der in Wimpfen 1983 angesiedelte DR. HANS HERMANN FREIHERR VON WIMPFFEN (geb. 1934 in Budapest) entstammt.
Y. Welche Schwerpunkte der vorliegenden Untersuchung der Erforschung des Werdens und Wirkens der weitverzweigten Adelsfamilie der FREIHERREN UND GRAFEN VON WIMPFFEN zugrunde gelegt sind und was aus meiner Sicht noch unklar oder offen und somit für die künftige Von-Wimpffen-Forschung noch an vielem lückenschließend zu klären bleibt.
A. Warum und auf welchen Wegen ich dazu kam, in den Jahren 2013 und 2014 vornehmlich das Adelsgeschlecht derer Von Wimpffen aus der Sicht von dessen Ursprungsstadt Wimpfen am Neckar sowie auch in seiner Gänze zu erforschen und zu beschreiben und wie komplex sich die Suche nach dem mir zunächst vorliegenden spärlichen Quellenmaterial entwickelte.
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Diese Arbeit stellt eine Nebenfrucht meiner auf anderthalb Jahrhunderte Ortsgeschichte gerichteten und auf vier Bände ausgelegten Darstellung „Die Geschichte der hessischen Exklave Wimpfen (1802/03 – 1951/52)“ dar, von der vom Verein Alt-Wimpfen bis jetzt zwei Bände herausgegeben werden konnten. Bereits im 2004 erschienenen Band 1 (1802 – 1836) sah ich mich bei der Darstellung der Napoleonischen Kriege veranlasst, dem im deutschsprachigen Raum wohl am ruhmreichsten und verehrtesten Abkömmling jenes den Namen der Stadt Wimpfen tragenden Adelsgeschlechtes derer Von Wimpffen kurzgefasst zu erwähnen, nämlich den österreichischen
FELDMARSCHALL MAX(IMILIAN) VON WIMPFFEN
(1770 – 1854).
Dieser sei gezeigt in
Abb. 1: Feldmarschall Maximilian von Wimpffen (1770 – 1854) als Kapitän der Ersten Arcieren-Leibgarde, Gemälde von Clara von Both Wimpffen (1907 – 2000), seit 2009 im Museum von Aspern-Essling .
Das in Band 1 auf Seite 224 Gesagte sei hier erweiternd wiederholt: Dieser hatte an den Türkenkriegen und den französischen Revolutionskriegen teilgenommen und trug als Generaladjudant von Erzherzog Karl von Österreich wesentlich zum Sieg, dem ersten überhaupt, über Napoleon in der Schlacht bei Aspern vom 21. und 22. Mai 1809 bei. Und die bald danach am 5. und 6. Juli 1809 stattgefundene Schlacht bei Wagram brach er militärstrategisch richtigerweise mit Rücksicht auf die französische Übermacht ab. Das ermöglichte den österreichischen Truppen einen geordneten Rückzug, so dass sich der endgültige Sieg Napoleons in Grenzen hielt. Später nahm er u. a. als Feldmarschallleutnant an den Schlachten bei Leipzig des Jahres 1813 teil. Für sein als hoher Militär ganz dem Ruhme der österreichischen Armee geopfertes langes Leben, in dem er achtmal verwundet worden war und vor dem Feind sechs Pferde verloren hatte, bekam er von Kaiser Franz Joseph kurz vor seinem Tod den Orden vom Goldenen Vlies verliehen. Seine letzte Ruhe fand er auf dem sog. Heldenberg im Schlosspark von Kleinwetzdorf (heute Gemeinde Heldenberg) nahe Hollabrunn, der „österreichischen Walhalla“. Dort birgt ihn eine im Zentrum gelegene Gruft, deren Eingang von einem hohen Obelisken überragt wird und dessen Spitze einen Todesgenius mit gesenkter, lorbeerumkränzter Lebensfackel trägt. In dieser ruhen neben ihm der dreieinhalb Jahre später verstorbene berühmteste und populärste unter den damaligen österreichischen Feldmarschällen
JOSEPH WENZEL GRAF RADETZKY VON RADETZ
(1756 – 1858)
sowie als Dritter beider Freund, der Besitzer des Schlosses mit Park Kleinwetzdorf und Begründer dieser zum Andenken ruhmreicher Herrscher und Kriegshelden errichteten Gedenkstätte, der zu Reichtum gekommene Industrielle und Armeelieferant
JOSEF GOTTFRIED RITTER VON PARGFRIEDER
(1782 – 1863).
Letzteres zu erwähnen, dazu fühle ich mich vor allem deshalb veranlasst, weil mein Wimpfener Jahrgangskamerad Otto Maisenhälder mir von einem im Sommer 2010 stattgefundenem Besuch dieses „Heldenberges“ durch den Verein Alt-Wimpfen zu Ehren des Maximilian von Wimpffen im Rahmen der Studienfahrt „Auf den Spuren der Habsburger“ höchst angerührt berichtet hat. Hierzu die
Abb. 2: Der Heldenberg in Kleinwetzdorf mit im Hintergrund der Säulenhalle, die vor allem zahlreiche Standbilder von österreichischen Feldherrren und Festungskommandanten birgt, und vorne links dem einen Todesgenius tragenden Obelisken über der Gruft; Tonlithografie von J. W. Jankowsky/F. Lepié, 1860/65, Original in der Niederösterreichischen Landesbilbliothek, und
Abb. 3: Der von einem Obelisken überragte Eingang zur 1850 geweihten Gruft von Feldmarschall Maximilian Freiherr von Wimpffen, Feldmarschall Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz und Josef Gottfried Ritter von Pargfrieder, Fotografie von 2000.
Was mir aber damals in Anbetracht meines aus der Brockhaus-Enzyklopädie von 1908 und Meyers Konversations-Lexikon von 1909 geholten und somit höchst beschränkten, dazuhin teilweise unrichtigen Wissens über die Von Wimpffen nicht klar gewesen ist, das ist der Umstand, dass der damals bereits seit um die zwei Jahrzehnte in Bad Wimpfen am Berg heimische
DR. HANS HERMANN FREIHERR VON WIMPFFEN
(geb. 1934)
sich als ein direkter Nachfahre des Feldmarschalls Maximilian von Wimpffen betrachten darf; denn dieser ist, wie an späterer Stelle nachzuweisen sein wird, als dessen Urururgroßonkel und er also als dessen Urururgroßneffe festzustellen. Da seit 1950 in Waiblingen tätig und ansässig, hatte ich zwar erfahren, dass dieser mir bislang nur dem Namen nach und als Leiter der 1973 begonnenen und über mehr als drei Jahrzehnte gegangenen sehr beliebten und viel gesehenen Sendung des Bayrischen Fernsehens „Die Sprechstunde“ mit Dr. Antje Katrin Kühnemann bekannt gewesen war, sich in den beginnenden 1980er Jahren in Wimpfen am Berg im ehemaligen Fachwerkhause Ebner, Haupstraße 25, angesiedelt hatte. Auch hatte ich schon von dessen betagter Mutter gehört, dass sie ungarischer Abstammung und Malerin sowie in Wimpfen dann und wann zu sehen sei. Von dieser sei hier vorwegnehmend eines ihrer sich im Besitz ihres Sohnes befindlichen Werke gezeigt, das diese im Alter von 83 Jahren geschaffen hat, sich auf meine Heimatstadt Wimpfen bezieht und wohl jeden Betrachterr anrührt. Dessen Aussage möchte ich mit folgenden Titel umreißen:
Abb. 4: Die Silhouette von Wimpfen am Berg, des Ursprungsortes des Von-Wimpffen-Geschlechtes, mit einem unter einer der alten Kopfweiden auf den einstigen Viehweide-Wiesen am Neckar von Wimpfen im Tal mit ihrem Hund bei ihren Schafen sitzenden Schäfermädchen, Gemälde von Clara von Both Wimpffen (1907 – 2000), 1990.
Kennengelernt habe ich denselben erst per Zufall in etwa 2002/2003 gelegentlich eines meiner damals notwendigen vielen Besuche im Stadtarchiv Bad Wimpfen. Und die wenigen Begegnungen des Folgejahrzehnts waren leider nur zufällig und flüchtig und erbrachten keinerlei Gelegenheit, Ansatzpunkte zur Einordnung seiner Person in die mir über lange Jahre nur bruchstückhaft bekannt gewordene Genealogie derer Von Wimpffen zu gewinnen.
In diese umfänglich einzudringen, dazu sah ich mich nach dem Erscheinen des den Zeitraum von 1836 – 1870 behandelnden Bandes 2 (2008) im Zuge der Sammlung weiterer historischer Fakten für den Band 3 (1870/71 – 1918/19) aus den folgenden Gründen veranlasst:
Bei meinen bereits in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg begonnenen Erforschung der Geschichte Wimpfens als hessische Exklave, war ich im „Wimpfener Bote“ bzw. in der „Wimpfener Zeitung“ auf eine über die zweite Hälfte der 1870er bis beginnenden 1880er Jahre reichende Folge von Berichten gestoßen, die belegten, dass damals in Wimpfen bereits ein anderer Abkömmling derer Von Wimpffen mit seiner Familie gewohnt hat und denn auch dort am 15. November 1879 gestorben ist, außerdem auf dem (heute Alten) Friedhof seine letzte Ruhe gefunden hat; nämlich der ehemalige KÖNIGLICH-WÜRTTEMBERGISCHE KAMMERHERR UND RITTMEISTER BARON WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1879), Angehöriger der sog. württembergischen Nebenlinie des Franzens-Zweiges der Von Wimpffen, und seine Gattin AMALIA (AMELIE) AUGUSTE VON WIMPFFEN, GEB. VON ROUX DAMIANI (1837 – 1925). Von diesen her gelangte auch der in denselben Berufspositionen gestandene Bruder des Vorgenannten, der ehemalige KÖNIGLICH-WÜRTTEMBERGISCHE KAMMERHERR UND MAJOR BARON DAGOBERT VON WIMPFFEN (1821 – 1881) nach Wimpfen und seiner Einwohnerschaft hin in engere Beziehungen. Überdies ging aus diesen Zeitungsberichten hervor, dass Wilhelm von Wimpffens Ansiedlung in Wimpfen ein von seiner älteren Schwester, der in München lebenden ST. ANNEN-EHRENSTIFTSDAME FREIFRAU KATHARINE VON WIIMPFFEN (1818 – 1875) gehegter, doch durch deren frühen Tod vereitelter Plan vorangegangen war, in Wimpfen umfängliche Baulichkeiten zu errichten und ein arrondiertes Gut zu gründen. Außerdem fand sich unter den ergiebigen Hinweisen auf deren weitgestreute Verwandtschaft der genealogische Nachforschungen induzierende Umstand, dass zu dieser auch der hochgerühmte Schlachtenlenker des 1866er- und 1870/71er-Krieges, GENERALFELDMARSCHALL HELMUTH VON MOLTKE (1800 – 1891) gehört hat und dieser seine über die Einheirat einer Tante zustande gekommene Von Wimpffen-Verwandtschaft und damit auch dem damals großherzoglich-hessischen Exklavenstädtchen Wimpfen im Herbst 1876 die hohe Ehre seines Besuches erwiesen hat.
Der den Auftakt des Bandes 3 bestimmende Deutsch-Französische Krieg mit der daraus erwachsenen Gründung des Deutschen Kaiserreiches lenkte darüber hinaus meinen Blick ganz speziell auf die von der Tragik des Geschehens umwitterte und damals in aller Munde gelangte Person des französischen sog. SEDANGENERALS FÉLIX EMMANUEL DE WIMPFFEN (1811 – 1884). Dazuhin sah ich mich veranlasst, gerade dessen Leben und unglückliche Rolle des Verlierers der Schlacht bei Sedan des 1. und 2. September 1870 sowie Unterzeichners der für die Grande Nation so schmachvollen Kapitulationsurkunde ausführlichst zu behandeln. Das erklärt sich vor allem daraus, dass dieser sich als ein Vetter des in das so nahe Blickfeld gerückten Freiherrn Wilhelm von Wimpffen bzw. als ein Großvetter von dessen mit Wimpfen, wenngleich nur vorübergehend, eng verbundenen zwei Kindern des Wilhelm und der Amelie von Wimpffen namens SOPHIE VON WIMPFFEN (1861 – 1907) und MAX(IMILIAN) VON WIMPFEN (1863 – 1917) herausstellte.
Wir werden über diese alle später noch vieles erfahren, dazuhin auch noch ganz besonders viel über den aus der in Wimpfen 1880 geschlossenen Ehe der vorgenannten Sophie von Wimpffen mit dem aus Estland stammenden BARON THEODOR LEONHARD RUDOLPH VON UNGERN-STERNBERG (1857 – gest. od. umgekommen zwischen 1918 und 1923) und dem unstet-abenteuerlichen unter den Kugeln der Roten Armee in Sibirien geendeten Leben deren jüngsten Sohnes ROBERT VON UNGERN-STERNBERG alias ROMAN UNGERN VON STERNBERG (1885 – 1921), der zwar zum Befreier der (äußeren) Mongolei vom chinesischen Joch wurde, wegen seiner unsägliche Qual und Tod bringenden grausamen Schreckensherrschaft dort aber in die Geschichte der russischen Revolution als „Der blutige weiße Baron“ eingegangen ist.
Hinzu kam noch des Sedangenerals enge Berührung mit seinem Verwandten und tragischerweise Widersacher Graf Helmuth von Moltke in dessen Rolle als Gegen-Unterzeichner der Kapitulationsurkunde von Sedan.
Meine Forschungsarbeit wurde durch den Umstand beflügelt, dass der Hohenstadter Lehrer Ludwig Will (1872 – 1953) in seinem 1911 in der Nr. 128 der „Wimpfener Zeitung“ veröffentlichten Jubiläums-Aufsatz „Freiherr von Wimpffen – 1811 – 13. September – 1911“ im Rahmen seiner grundlegenden Ausführungen über die Adelsfamilie deren Von Wimpffen, der bislang ersten und einzigen aus Wimpfener Feder stammenden diesbezüglichen Untersuchung überhaupt (!), gerade der Person des Sedangenerals ganz breiten Raum gegeben hat. Hinzu kam 1929 noch dessen etwas veränderte Neufassung, die den Titel „Die Reichsfreiherren von Wimpffen“ trug. Während Will in seiner älteren Arbeit vom auf dem Alten Friedhof zu findenden Grabdenkmal des Reichsfreiherrn Wilhelm von Wimpffen ausgeht, dann kurz auf dessen Geschlecht allgemein eingeht, dann die Namen und Titel von zwei (hier an späterer Stelle beschriebenen) namhaften Vertetern derselben nennt, schließlich recht ausführlich sich dem „Sedangeneral“ widmet, knüpft er im jüngeren solchen an der damals bei Stadtführungen oft gestellten Frage an, „ob der französische ‚Sedangeneral’ etwas mit Wimpfen zu tun habe“. Als Antwort gibt er den Aufsatz des Jahres 1911 in der Weise wieder, dass er einige kleine Streichungen wie auch Zusätze vornimmt. Und er fügt all diesem noch drei historische Beispiele des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit hinzu, die zeigen sollten, dass auch andere Familien sich nach der „berühmten neuen freien Reichsstadt, in der das stolze Geschlecht der Hohenstaufen sich eine großartige Schloßanlage erbaut hatte, den Namen ‚von Wimpfen’ beilegten“: So der 1238 und 1250 genannte Reichsschultheiß Wilhelmus de Wimphen; dann der 1564 in einem Leichenreden-Buch als Mitautor erscheinende Doktor der sieben freien Künste und der Philosophie sowie Professor der Akademie zu Ingolstadt namens Johann Albert von Wimpfen; außerdem der 1460 als Konrad Koch und Sohn eines bis Mitte des 15. Jahrhunderts in Wimpfen tätig gewesenen Gerbers geborene ehemalige Schüler des Dominikanerklosters Wimpfen, später dessen Bruder, schließlich dessen Lektor sowie ab 1506 Professor und Rektor der neuen Universität zu Frankfiurt an der Oder, der sich Konrad Wimpina oder auch Konrad Wimpinensis nannte, gestorben auf einer Reise 1531 in Kloster Amorbach, der heftigste Gegner von Martin Luther und Verfasser der 106 Thesen Tetzels gegen diesen.
Was ich aus dieser örtlichen doppelten Quelle an Grundlegendem über das Werden derer Von Wimpffen fast unhinterfragt übernahm und im Blick darauf, dass dieses – wie auch alles andere von Luwig Will Konstatierte – mit den Aussagen sowohl der besagten Brockhaus-Enzyklopädie als auch mit Meyers Großem Konversations-Lexikon inhaltlich voll übereinstimmte, war vor allem Folgendes (die Unterstreichungen sind Hervorhebungen des Verfassers): „Die Familie derer von Wimpffen ist ein weitverzweigtes Geschlecht, dessen eigentlicher Familienname Heeremann hieß. Ein Nürnberger Bürger, Dominik Heeremann, erhielt 1555 einen kaiserlichen Wappenbrief und seine Enkel wurden hundert Jahre später (1658) in den Reichsadelsstand erhoben. Sie nannten sich von jetzt ab nach ihrer alten Heimat, dem jetzt hessischen Städtchen Wimpfen ‚Reichsfreiherrn von Wimpfen’.- Wir finden viele dieser Reichsfreiherren in verschiedenen europäischen Staaten in hervorragenden Stellungen, besonders als höhere Offiziere, so in Dänemark, in Österreich, Württemberg, Frankreich und als Gesandte in Preußen. Im Jahre 1800 starb der französische General und Vorsitzende des Militärgerichtshofes Freiherr Franz Ludwig von Wimpfen. Der württembergische Generalmajor Franz Karl Eduard v. Wimpffen wurde 1797 von Kaiser Franz II. in den Grafenstand erhoben. Und aus den vorgenannten beiden Lexika konnte ich ergänzend entnehmen, dass es sich bei den 1658 in den Freiherrenstand erhobenen sog. Enkeln dieses in den
Reichsadelsstand 1555 erhobenen
DOMINIK HEEREMANN
um – jetzt genauer gesagt – die beiden Urenkel desselben handele, nämlich um die Gebrüder:
JOHANN FRIEDRICH (VON WIMPFFEN) und JOHANN DIETRICH (VON WIMPFFEN)
Losungsamtmann zu Nürnberg – Spanischer Leutnant
(geb. 1581, gest. 1668) (geb. 1583)
Und diese seien die Begründer der beiden sog. Hauptlinien geworden, nämlich des
(ersten älteren) Johann – Friedrich – Stammes sowie des (zweiten jüngeren) Johann – Dietrich – Stammes.
Herausgewachsen sei aus
dem erstgen. die 1883 im Mannesstamm erloschene – dem zweitgen. die jetzt, d. h. 1908/09, noch blühende
dänische Linie elsässische Linie.
Die erhalten gebliebene sog.
elsässiche Linie sei später, ausgehend von
JOHANN GEORG,
(geb. 1689, gest. 1767),
– der demnach ein Nachkomme des jüngeren Dietrich gewesen sein müsste –
über dessen vier Söhne, in vier sog. Äste bzw. Zweige bzw. Linien zerfallen
(die wechselnden Kategorisierungen waren für mich sehr verwirrend),
nämlich in die des:
1) STANISLAUS, geb. 1721, 2) FRANZ LUDWIG, geb. 1732, 3) GEORG, geb. 1735, und 4) FELIX, geb. 1744.
Diesen, so heißt es, habe Kaiser Joseph II. 1781 den 1658 den Von Wimpffen verliehenen Freiherrenstand bestätigt.
Was die nun in den beiden Lexika folgenden Lebensbeschreibungen dieser vier sog. Stifter, dazu jenen der für wichtig erachteten Nachkommen derselben betrifft, so differiert die in den zugrunde gelegten beiden Lexika getroffene Personen-Auswahl zwar um Einiges. Selbstredend erscheinen jedoch bei jedem die zwei vorumschriebenen großen Feldherren, nämlich der aus dem zweitgenannten Franz-Ludwig-Zweig hervorgegangene „Sedangeneral“ (genannt und geschrieben hier) Emanuel Felix von Wimpffen (geb. am 13. 09. 1811 zu Laon, gest. am 26. 02. 1884 zu Paris) und der dem drittgenannten Georgs-Zweig entwachsene Sieger von Aspern Maximilian von Wimpffen (geb. am 19. 02. 1770 zu Münster in Westfalen, gest. am 29. 08. 1854 in Wien). Außerdem wird auch der von Ludwig Will herausgehobene und ebenfalls dem zweitgenannten Franzens-Zweig entwachsene und von Kaiser Franz II. 1797 sogar in den Grafenstand erhobene Franz Karl Eduard von Wimpffen (geb. am 02. 01. 1776 in Stuttgart, gest. am 08. 12. 1842 in Graz) angeführt. Die von beiden Lexikonwerken gegebene Personen- und Berufsbeschreibung belegt die von Ludwig Will für die ausgehende 18. sowie vor allem das 19. bis beginnende 20. Jahrhundert getroffene Charakterisierung der Angehörigen des Adelsgeschlechtes derer Von Wimpffen, sowohl was deren Verbreitung in viele Staaten Europas als auch deren vornehmliche Tätigkeit als hohe Militärs und daneben manchmal auch als Militärschriftsteller, außerdem als Botschafter (Diplomaten) betrifft. In Meyers Großem Konversations-Lexikon springt ins Auge, dass an die Spitze der Reihe der vier Stifter nicht Stanislaus, der Älteste, gesetzt ist, sondern Franz Ludwig, der Zweitälteste, ein Umstand, der mir erst später klar geworden ist: Aus dessen sog. Franzens-Zweig ist dadurch, dass dieser je sechs Töchter und Söhne gehabt hat, aus denen die Mehrzahl der – wie schon gesagt – so sehr über Europa zerstreuten Von-Wimpfen-Familien herausgewachsen sind, wobei zu den von Ludwig Will aufgeführten europäischen Ländern noch eine ganze Reihe anderer solcher hinzuzurechnen ist: Nämlich Russland, Italien, Spanien, Ungarn, Schweiz, Baltische Staaten, USA. und dem von Will aufgeführten Preußen sind noch die folgenden anderen Länder bzw. Landschaften Deutschlands hinzuzufügen: Bayern, Württemberg, Franken, Westfalen, Hessen, Sachsen, Schlesien. Diese Auflistungen sind jedoch keineswegs als erschöpfend anzusehen.
Die Begegnung mit den bislang vorgestellten Personen des Von-Wimpffen-Geschlechtes, die alle mehr oder weniger bei der Erforschung der Geschichte Wimpfens der hessischen Zeit von 1802/03 bis 1951/52 und vor allem in der Ägide von 1870 – 1918 in mein Blickfeld gerückt sind, ist es also gewesen, die mich in Vorbereitung des Bandes 3 veranlasste, vor dem Beginn und noch während dessen Niederschrift, über dieses jegliche fassbare genealogische Fachliteratur, darüber hinaus örtliches und überörtliches Quellengut, darunter auch Bildgut und dazuhin genealogische Darstellungen in Wort und Bild aller Zeitläufte zu suchen, festzuhalten und auszuwerten. Alles was ich gefunden habe, findet sich im Anhang zusammengestellt in der Liste
LITERATUR UND QUELLENTEXTE
ÜBER DAS ADELSGESCHLECHT DERER VON WIMPFFEN IN CHRONOLOGISCHER ORDNUNG.
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Das Nächstliegende war natürlich, weiteres primäres und auch sekundäres Material aus dem Stadtarchiv Bad Wimpfen zu bekommen, aus dem vor allem der Zeitraum, die genauen Namen und beruflichen Tätigkeiten desjenigen Trägers des Nachnamens He(e)r(e)mann erschlossen werden könnte, der bzw. die ihre Heimat- und Freie Reichsstadt Wimpfen vermutlich in den Anfängen des 15. Jahrhundert verlassen und gegen die Freie Reichsstadt Nürnberg (so gedacht von dem von Will und den beiden Lexikonwerken aufgeführten Nürnberger Dominik Heeremannn her) oder evtl. auch die Freie Reichsstadt Augsburg, so geschlossen aus den Feststellungen der weiter unten angeführten Genealogin des Nürnberger Raumes Lore Sporhan-Krempel, blieb, wie am Anfang des Kapitels C dargelegt ist, ergebnislos. Was mir aus dem Stadtarchiv Bad Wimpfen aber an sekundärem Quellenmaterial zukam, das waren die nachgenannten beiden Werkschöpfungen, die mir grundlegende Aufschlüsse über das Werden und Wachsen des Von Wimpffen-Geschlechtes zu bieten schienen und fortab als Basis meiner Forschungsarbeit dienten:
Der vom Stadtarchiv Bad Wimpfen im Kunsthandel erworbene titellose Stammbaum des Nürnberger insbesondere Portraitzeichners und Kupferstechers Johann Wilhelm Stör von ca. 1750/60. Dieser reicht vom ausgehenden 14. bis in etwa zum ausgehenden 17. Jahrhundert und erfasst von den „Hörmann von Wimpffen“, wie diese genannt werden, die ersten 9 Generationen. Leider ist beim Kauf der ursprünglich sicherlich dazugehörige Interpretations-Text nicht angeboten worden und vermutlich verloren gegangen gewesen.
Der 4 + 35 DIN A4-Seiten umfassende spezielle Genealogiewerk des österreichischen Bibliografen, Lexikografen und Schriftstellers Constantin von Wurzbach „Die Freiherren und Grafen von Wimpfen. Separatdruck aus C. von Wurzbach’s biographischem Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, LVI. Band. Mit zwei Stammtafeln“, Wien 1888. Dieser umspannt, entsprechend der späteren Erscheinungszeit, 17 Generationen des Zeitraumes vom 14. Jahrhundert bis in etwa zum dritten Viertel des 19. Jahrhunderts und stellt 41 „Denkwürdige Sprossen“ in 34 kürzeren und 7 längeren Texten vor. Unter den letztgenannten hält der Träger des Goldenen Vlieses Maximilian von Wimpffen mit 8 Seiten die Spitze. Ins Auge springt vor allem das den Freiherren von Wimpffen in der Fassung des 19. Jahrhunderts eigene Wappen. Dessen durch den Schwarz-Weiß-Druck zu vermissende Farbgestaltung lässt sich jedoch aus der beigegebenen Wappenbeschreibung ableiten. Siehe dazu die
Abb. 5: Die im Genealogischen Separatwerk des Constantin von Wurzbach von 1888 zu findende damalige Wappen der Freiherren von Wimpffen in einfarbiger Fassung mit Beschreibung desselben.
Dem Werk ist ein „Alphabetisches Namen-Verzeichniß“ vorangestellt, das als Suchhilfe hinter den Namen der insgesamt 50 erfassten Personen die jeweiligen Seitenzahlen angibt. Und was die nächsten zwei Seiten bringen, das sei gezeigt in
Abb. 6: Die im genealogischen Werk des Constantin von Wurzbach von 1888 auf den Seiten III und IV aufgeführten „Besonders denkwürdigen Sprossen des Geschlechtes Wimpffen“.
Dort sind diese Personen aufgegliedert nach den Gebieten ihres jeweiligen Hervortretens angegeben (Anmerkung: die Zahlen in Klammer bedeuten die Anzahl der jeweils Genannten), nämlich als
„Ordensritter“ (2)
a) des goldenen Vließes (1 – somit Maximlian von Wimpffen allein an der Spitze stehend) und
b. des Maria Theresien-Ordens (2 – dabei der vorgenannte Maximlian!) ),
„Reisende“ (3),
„Schriftsteller“ (10),
„Zur See“ Gefahrene (1),
„Staatsmänner und Staatsbeamte“ (11),
„Männer der Kirche und Mitglieder geistlicher Orden“ (5),
„Zu Oesterreich denkwürdig geworden“( 8),
„Im Auslande denkwürdig geworden“ (18).
Selbstredend ist dann und wann eine Person in mehreren der aufgeführten Kategorien zu finden. Den jeweils ggfls. beigefügten Adelstiteln sind ab der fünften Rubrik auch die Amtsfunktionen sowie Plätze der Tätigkeit beigegeben. Damit werden die ja auch schon von Ludwig Will und den beiden Lexika zu erfassen gesuchten beruflichen sowie neigungsmäßigen Arbeitsgebiete herausgestellt, wobei durch die Hereinnahme der letzten größten Rubrik der im Auslande denkwürdig Gewordenen der Waffendienst dominiert. Es wird bei genauer Durchforschung der Namen auffallen, dass bei vier der aufgeführten Personen Lebensdaten stehen, die mehrheitlich weit vor jenem oben festgestellten Zeitraum des Wegganges der sog. Heeremann von Wimpfen des 14./15. Jahrhunderts liegen, nämlich bei:
ARNOLD, BISCHOF VON WORMS (1044 – 1063),
CONRAD , PROBST IN WORMS (1329) UND
JOHANN ALBERT, DOMHERR ZU WÜRZBURG (GEB. 1354).
Dazu gehört auch noch der an siebtletzter Stelle angegebene
HEEREMANN (vom letzten Magdeburger Turnier),
das laut Lebensbeschreibung Nr. 23 auf das Jahr 1036 gesetzt ist.
Und späteren Text erscheint auch noch
DAGOBERT VON WIMPFFEN, der im 11. Jahrhundert gelebt haben soll.
Die fünf Vorgenannten erscheinen auch alle in der angeschlossenen Rubrik „Zur Genealogie der Freiherren von Wimpffen“ (S. 3 – 5) aufgeführt. Wie an späterer Stelle gezeigt, ist die Existenz und Zuordnung dieser frühen Personen zum Geschlecht der He(e)r(e)mann/Von Wimpffen von unserer Quellenkenntnis her letztlich nicht nachweisbar. Nichtsdestotrotz bildete die Personenbeschreibung von Wurzbach im Verein mit deren beigegebenen beiden Stammtafeln, dazu der Stammbaum von Stör, die Basis für die Gewinnung eines genealogischen Grundgerüstes, das die so wichtige Einordnung der fürs Erste erfassten Abkömmlinge des fraglichen Geschlechts in eine Gesamtgenealogie ermöglichte. Um auch den Leser, wenngleich die Namen des erstgenannten Stammbaumes in der vorgegebenen Größe nur mit Lupe einigermaßen lesbar sind, sofort daran teilhaben zu lassen, seien vorläufig unkommentiert und ohne später für notwendig erachtete gliedernde und korrigierende Eingriffe diese drei zusammenfassenden Grunddarstellungen wiedergegeben in:
Abb. 7: Unbetitelter und undatierter Stammbaum der sog. Familie Hörmann, hier versehen mit der Zählung der Generationen mittels arabischer Zahlzeichen von 1 bis 9 in Rot; Kupferstich von Johann Wilhelm Stör, geb. 1705 und gest. 1765 in Nürnberg (Gestalter), und Alanias (Stecher) von ca. 1750/60, signiert mit „Alanias sculpcit“ – „J. W. Stör excudit“;
Abb. 8: Die I. Stammtafel der Freiherren und Grafen v. Wimpffen. Aeltere Linie, hier die oberen zwei Drittel versehen mit der Zählung der Generationen mittels römischer Ziffern von I bis X in Schwarz; entnommen dem 1888 erschienenen genealogischen Standardwerk des Constantin von Wurzbach „Die Freiherren und Grafen von Wimpffen … Mit zwei Stammtafeln“, Seite 33 (wegen Schwärzungen der Vorlage an den unbeschrifteten Randbereichen beschnitten);
Abb. 9: Die II. Stammtafel der Freiherrn und Grafen von Wimpffen. Jüngerer Hauptast; entnommen dem 1888 erschienenen genealogischen Standardwerk des Constantin von Wurzbach „Die Freiherren und Grafen von Wimpffen … Mit zwei Stammtafeln“, S. 33/34.
Als wichtige Ergänzung dieser ganz speziell und allein auf die Von Wimpffen ausgerichteten Werkschöpfungen erschienen mir die gängigen Lexikonwerke des Adels, so vor allem der seit 1763 erscheinende und ständig aktualisierte berühmte „Gotha“, der sich (wie auch der vorgenannte Separatdruck des C. von Wurzbach und alle nachgenannten solchen) im Internet fand und von dem zunächst die von Christoph Cellarius und Julius Gerhard Goltbeeg bearbeitete Ausgabe des Jahres 1853 des Titels „Genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, Band 3“ und dann vor allem auch noch die Weiterführungen von 1866 und 1874 benützt wurden. Hinzu traten vergleichend vor allem die von dem Heraldiker, Arzt und Schriftsteller Ernst Heinrich Kneschke herausgegebenen genealogischen Speziallexika „Deutsche Grafenhäuser der Gegenwart in heraldischer, historischer und genealogischer Beziehung“ von 1853 und „Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexikon“, Band 9, 1870. Hinzugezogen wurden noch die folgenden Internet-Kompendien, die ebenso weitgespannt wie die vorgenannten genealogische Informationen über den Adel in seiner Gänze bieten, so: GeneAll.net/Index, Geni.com.people, William Adams Reitwiesner Genealocical Services, World Roots.com Genealogy Archive u. a. m. Diesbezüglich ganz besonders ergiebig zeigte sich auch Wikipedia, die Freie Enzyklopädie. Natürlich erwies sich diese und erwiesen sich alle die vorgenannten lexikal-digitalen Informationsträger auch unabdingbar notwendig für die Gewinnung von Informationen über die bestehenden weitgespannten Verwandtschaftsverbindungen derer Von Wimpffen aller Zeiten, so z. B. hin zu den Von Moltke oder, ausgehend von der in Wimpfen 1888 erfolgten Heirat der o. a. Sophie von Wimpffen des Jahres 1888 mit einem Spross derer Von Ungern-Sternberg u. v. v. a. m. Was die Letztgenannte betrifft, so konnte vor allem aus dem digitalisierten Genealogie-Werk des Otto Magnus von Stackelbeerg des Jahres 1930 „Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften, Band 1“ geschöpft werden. Hinzu kamen zwei spezielle von C. Rußwurm im Auftrag der Familie von Ungern-Sternberg revidierten und ergänzten Bände (Breslau 1875 bzw. Reval 1877) des Titels „Nachrichten über das Geschlecht Ungern-Sternberg aus authentischnen Quellen gesammelt von Rudolf Freiherrrn von Ungern-Sternberg zu Birkas“ sowie das vor wenigen Jahren (2009) erschienene aufsehenerregende Werk von James Palmer „The Bloody White Baron …“. Glücklicherweise fand ich im Internet auch das folgende französische Lexikonwerk des ausgehenden 18. Jahrhunderts, das ebenfalls Grundlegendes über das Werden derer – wie dort gesagt – „De Wimpffen“ (wenngleich sich später, was die dort aufgeführten Generationen I – VIII betrifft, als großteils unrichtig Erweisendes) aussagt und aus der Feder des als Sammler vielerlei genealogischen und sonstigen Materials bezeichneten Schrifttstellers Francois-Alexandre Aubert de la Chesnaye Des Bois stammt und den Titel: „Dictionaire de la noblesse, contenant les généalogies, l’histoire et la chronologie des familles nobles de France, l’explication des leurs armes et l’état des grandes terres du royaume; tome 12“ (Paris 1778) trägt. Dazu kam die 1788 erschienene und 223 Seiten umfassende Lebensbeschreibung des o. a. Stifters des sog. Franzens-Zweiges François Louis de Wimpffen des Titels „Mémoires du Général Baron de Wimpffen Mémoires du Général de Wimpffen, écrits par lui même. Tome premier. Contenant sa vie privée et militaire, 1788 Paris chez Didot fils ainé“. Aus dieser geht nicht allein der hauptsächliche höchst wechselvolle Lebensgang desselben hervor, sondern im Vorspann finden sich auch aufschlussreiche (wenngleich fragwürdige) Aussagen über das Werden seines Geschlechtes. Und was die mir ganz besonders wichtig erscheinende Erschließung des Lebens und vor allem dessen Erleidens nach der verlorenen Schlacht bei Sedan des französischen Generals Emmanuel Félix de Wimpffen betrifft, so bot mir der 1873 erschienene Band 1 des dreibändigen bewunderungswürdigen Werkes des brandenburgischen großen Dichters und Schilderers seiner Zeit und der Menschen derselben Theodor Fontane des Titels „Der Krieg gegen Frankreich 1870-1871“ den benötigten Stoff fast lückenlos. Außerdem gaben noch zusätzlich die folgenden Selbstzeugnisse von General Emmanuel Félix de Wimpffen selbst weitere Aufschlüsse über dessen Denken und Handeln und die dahinterstehenden Intentionen: „Sedan. Par le Général de Wimpffen“, 1871 Paris, sowie „Souvenirs de captivité. De L’instruction en Allemagne par un officier général“, 1872 Paris. Die letztgenannte Schrift heranzuziehen, erschien insofern wichtig, als diese aus des Sedangenerals fünfmonatiger Gefangenschaft in Stuttgart herausgewachsen ist, jener deutschen Stadt, in der die württembergische Nebenlinie der Von Wimpffen entstanden und rund 5 ½ Jahrzehnte (von ca. 1810 bis 1865) ansässig gewesen ist und zu der nicht nur der in Wimpfen niedergelassene und gestorbene Baron Wilhelm von Wimpffen, sondern auch dessen Vater (Friedrich Wilhelm von Wimpffen) und Großvater (François Louis de Wimpffen bzw. Franz Ludwig von Wimpffen) sowie dazuhin noch zwei Großvettern (der gleichnamige François Louis/Franz Ludwig und Germain/Hermann von Wimpffen) enge bis engste Lebensverbindungen gehabt haben. Die zunächst aus der vorhandenen Literatur gewonnenen Angaben über Wilhelm und auch Dagobert von Wimpffen erhärteten und konkretisierten sich weiter durch meine 2014 im Stadtarchiv Stuttgart betriebenen umfänglicheren Quellenforschungen, deren aus Adressbüchern, Zeitungsnachrichten, Familienregistern mit Angaben von Geburten, Taufen, Eheschließungen, Tod etc. gewonnenen Ergebnisse in einem gesonderten Ordner erfasst und insbesondere in die den im Wimpfen der 1870er Jahre zugezogenen Wilhelm von Wimpffen betreffenden Abschnitte eingeflossen sind. Über dessen und seines Bruders Dagobert Jugend, deren Heranwachsen im Stuttgarter höfischen Leben und Werden zum Offizier sowie die beruflichen Tätigkeiten derselben als werdende und schließlich bestallte Offiziere und Kammerherren etc. in den Garnisonen Stuttgart und Ludwigsburg bzw. am Stuttgarter Königshof konnten wertvolle Erkenntnisse aus Robert Uhland (Herausgeber), „Das Tagebuch der Baronin Eveline von Massenbach. Hofdame der Königin Olga von Württemberg“, Stuttgart 1987, gewonnen werden.
Per Zufall stieß ich 2010 auf den Umstand, dass Dr. Hans Hermann Freiherr von Wimpffen, zu dem meinerseits damals immer noch keinerlei fester Kontakt bestand, damit begonnen hatte, im Internet auf seiner Homepage www.wimpffen.de fortlaufend unter der Überschrift „Die Freiherren von Wimpffen und die Stadt Ihres Ursprungs Wimpfen“ von ihm verfasste Abhandlungen in bunter unsystematischer Folge über einzelne Glieder des Von-Wimpffen-Geschlechtes aller Jahrhunderte seines Bestehens zu veröffentlichen. Und zwar sind diese dort in der zweiten Rubrik „biographien“ teilweise zusammen mit aufschlussreichem Bild- und Urkundengut im Rahmen der folgenden insgesamt 10 Rubriken umfassenden Gesamt-Konzeption zu finden:
wappen,
biographien,
literatur,
militär,
schlachten,
wimpfen am Neckar,
bilder,
portraits,
strassen,
Sie starben für.
Die Vielfalt der Rubriken lässt spüren, dass der Autor dort nicht allein aufschlussreiches biografisches Material in Form von Einzelbiografien, sondern darüber hinaus auch vielerlei veranschaulichendes Wappen- und sonstiges Bildgut vorstellt sowie Verbindungen zwischen den beschriebenen Einzelpersonen herstellt, welche die Wesenszüge und Bedeutung seines Geschlechts bestens aufzeigen. Bis jetzt finden sich dort 45 Biografien eingebracht, die in der o. a. Zusammenstellung aufgelistet sind. Es ist zu erwarten, dass im Laufe der Zeit noch manch andere solche dazukommen werden. Dessen überraschenderweise ein Dutzend DIN A4-Seiten füllende Rubrik „literatur“ bezieht sich nicht auf Veröffentlichungen Außenstehender über das Von-Wimpffen-Geschlecht, sondern auf von Angehörigen desselben über 2 ¼ Jahrhunderte hinweg geschaffene Literatur insbesondere der Bereiche Militärwesen und -strategie, Erziehungswesen und auch Reiseberichte. Darunter finden sich etwas mehr als fünf Seiten mit rund 4 ½ Dutzend Titeln, in denen Dr. Hans Hermann von Wimpffen als Mitherausgeber von in den ca. dreieinhalb Jahrzehnten seiner großteils leitenden Tätigkeit beim Bayrischen Rundfunk und Fernsehen geschaffenen populärwissenschaftlich-medzinischen Schriften erscheint, die weite Bereiche der Medizin, der Krankheitsformen und deren Therapie berühren. Deren breiter Erfolg manifestiert sich vor allem darin, dass diese häufig weitere Auflagen fanden, auch in anderen Ländern erschienen sind und teilweise sich noch heute im Angebot der Verlage finden. Die wohl erfolgreichste dieser Veröffentlichungen war das 1973 zum ersten Male von Professor Theodor Hellbrügge, München, und Johann Hermann von Wimpffen auf der Basis einer Studie an 1660 Neugeborenen herausgegebene und zunächst von der TR-Verlagsunion München verlegte Elternbuch mit dem Titel „Die ersten 365 Tage im Leben eines Kindes. Die Entwicklung des Säuglings“. Dieses erlebte sehr bald neue und noch bis zur Gegenwart fortgeschriebene Auflagen und wurde raschestens in unzählige Sprachen der Welt von – um nur einige zu nennen – Albanisch über Chinesisch, Koreanisch, Lettisch, Französisch, Georgisch, Russisch, Griechisch, Tamilisch, Hindi, Holländisch, Iranisch, Türkisch bis Ungarisch übersetzt und in den jeweiligen Sprachen als Buch herausgebracht. Hierzu sei nachstehend die im Knaur Verlag erschienene dritte deutsche Auflage gezeigt:
Abb. 10: Titelseite des Eltern- und Erziehungsbuches von Dr. Theodor Hellbrügge und J. Hermann von Wimpffen „Die ersten 365 Tage im Leben eines Kindes. Die Entwicklung des Säuglings“.
Und 1990 erschien unter Dr. Hans H. von Wimpffens alleiniger Autorenschaft bei Mitarbeit von Susi Piroué im Verlag Orac Wien.München.Zürich (in der Reihe „Die Sprechstunde. Ratschläge für die Gesundheit“) das mit eindrucksvollen Bildern von Sauerkraut-Gerichten aller Art (Suppen, Salate, Vorspeisen und Snacks, Aufläufe, Kuchen und Pfannengerichte, Beilagen und Gerichte ohne Fleisch, Gerichte mit Fisch und Krustentieren, Gerichte mit Fleisch und Wurst, Gerichte mit Geflügel) versehene und von der Presse bestbewertete Koch- und Gesundheitsbuch „Sauerkraut. Die besten Kochrezepte. Wirksame Heilanwendungen. Geschichte & Anekdoten“. Hier sei die einige Jahre später herausgekommene erweiterte Neuausgabe gezeigt:
Abb. 11: Titelseite des Koch- und Gesundheitsbuches von Dr. Hans Hermann von Wimpffen „Sauerkraut …“, Zweite erweiterte Auflage 1996.
Was aus der in der Rubrik „literatur“ verzeichneten großen Reihe der Werkschöpfungen des Dr. von Wimpffen noch erwähnt werden muss, das ist dessen Dissertation, durch die dieser im Rahmen seines weitgespannten Studiums der Fächer Politische Wissenschaften, Soziologie und Völkerrecht sowie auch Mittlere und Neue Geschichte an den Universitäten Heidelberg, Hamburg, Paris (Sorbonne) und Würzburg 1968 von der letztgenannten Universität den Doktorgrad erlangt hat. Diese trägt den Titel „Die Kämpfe der 2. Armee 1942/43 am Don. Ein Beitrag zur Koalitionsführung im Zweiten Weltkrieg“ und weist ihn als (auch!) Historiker aus. Das lässt verstehen, warum er sich so intensiv mit der Erforschung und Vermittlung der Geschichte seines Geschlechtes befasst. Selbstredend besitzt er einen sowohl durch Familienüberlieferung als auch durch wissenschaftliches Interesse und Sammelleidenschaft entstandenen höchst umfangreichen und vielfältigen Fundus von landes- und sprachenübergreifender Literatur, Urkunden- und Bildmaterial, das die Geschichte sein Geschlechts ausweist und ihm bei der Abfassung seiner teilweise sehr umfänglichen Abhandlungen Hilfe leistet.
Erst aus seinen ganz besonders ausführlichen und personal dichten solchen über die Glieder seines eigenen Zweiges wurde mir klar, dass er dem o. a. dritten sog. Georgs-Zweig entwachsen ist, innerhalb desselben der nach Ungarn gelangten Linie der Wimpffen-Mollberg angehört und sein Vater, Großvater und Urgroßvater den ungarisch-russischen Vornamen
IWAN
(= JOHANN = HANS)
getragen haben:
IWAN I. VON WIMPFFEN-MOLLBERG
(1847 – 1895),
IWAN II. VON WIMPFFEN-MOLLBERG
(1880 – 1944),
IWAN III. VON WIMPFFEN-MOLLBERG
(1903 – 1990).
Näheres über diese und über die Linie der Wimpffen-Mollberg überhaupt, geschöpft aus des Autors ebenso fundiert-präzisen wie auch von der Materie her bannenden Personenbeiträgen, findet sich in Kapitel X. Natürlich konnte ich auch aus allen dessen vielen anderen Internet-Beiträgen wertvolle Anregungen und Erkennisse für meine Textgewinnung allgemein entnehmen.
Nachdem ich zusammen mit meiner Frau schließlich im Spätherbst 2013 bleibende engere Verbindung zu Dr. von Wimpffen und seiner Gattin fand und mich somit mit ihm direkt und fortlaufend über seine und meine Forschungen austauschen konnte, wurde mir klar, dass er Kontakte in alle jene Gebiete Deutschlands (so vor allem auch nach Augsburg und Nürnberg mit Umraum hin!) sowie in all jene vielen Staaten Europas und dort insbesondere zu Bibliotheken und Museen wie auch zu Von Wimpffen-Sprossen (Ungarn, Österreich, Frankreich und dort vor allem ins Elsaß sowie in die Île de France u. a. m., Dänemark, Russland, Spanien, Baltische Staaten) unterhält und darüber hinaus vor allem auch in die USA, wo sein älterer Bruder
GEORG IWAN (IWAN IV.) VON WIMPFFEN,
(geb. 1931 in Budapest),
als ehemaliger Unternehmer in Chikago lebt. Bei diesen Kontakten, die vor allem der Suche von Materialien und Auskünften über seine Vorfahren sowie auch nach Verbindung zu lebenden Gliedern und Zweigen seines Geschlechtes gelten, kommen ihm seine ausgesprochene Weltläufigkeit, umfängliche Sprachenkenntnis und Beherrschung eines weitgespannten Kanons von Fachdisziplinen und Berufserfahrungen ganz besonders zustatten. Von ihm empfing ich nunmehr bei meinen Bemühungen um die Erforschung seines Geschlechtes ganz entscheidende Hilfen zu einem Zeitpunkt stockenden Weiterkommens infolge sich mehr und mehr einstellender Zweifel an der Richtigkeit der aus C. von Wurzbach geschöpften Genealogie der frühen Wimpffen des ausgehenden 14. bis beginnenden 17. Jahrhunderts. Diese Zweifel ergaben sich zunächst daraus, dass ich bei der systematischen Vergleichung des Stammbaumes des Nürnbergers J. W. Stör mit der ersten Hälfte der I. Stammtafel des Wiener C. von Wurzbach vornehmlich auf Nichtübereinstimmung stieß. Und zwar ergab die Durchzählung der Generationen bei Stör nur 9 solche (bezeichnet in Rot mit 1 – 9), bei Wurzbach (dort natürlich beschränkt auf die Parallelgenerationen) dagegen 10 solche (zur Unterscheidung dort bezeichnet mit I – X in Schwarz). Und die Vergleichung der bei Stör und Wurzbach angegebenen Namen der (männlichen) Stammträger und deren Frauen erbrachte nur eine Übereinstimmung bei der Generation 1 (bei Stör) mit I (bei Wurzbach) beim Mann (nicht bei der Frau), außerdem bei den Generationen 8 und 9 (bei Stör) bzw. IX und X (bei Wurzbach) beim Mann, auch bei den beiden Frauen bei 8 und IX; bei 9 ist eine Frau nicht genannt, deshalb mit X eine Vergleichung nicht möglich. Ansonsten ergab sich diesbezüglich bei den dazwischenliegenden Generationen 2 bis 7 bzw. II bis VIII keinerlei Gleichheit. Das löste bei mir stärkste Irritationen aus. Gewiss genoss der Stammbaum Stör bei mir zunächst ein gewisses Vertrauen, weil dort in der 5. Generation der mir durch die beschriebene Wappenverleihung des Jahres 1555 durchaus als einstens existent gewesen erscheinende Dominik He(e)remann (dort: Dominicus Hörmann von Wimpffen) zu finden war, der sich bei von Wurzbach merkwürdigerweise nirgendwo (auch nicht in den Begleittexten) verzeichnet fand. Doch vertraute ich letztlich denn doch dem vielgelobten und vielschreibenden österreichischen Hausgenealogen C. von Wurzbach, nicht zuletzt auch deshalb, weil dessen Angaben so gut wie voll mit jenen älteren solchen von Aubert des Bois (1778) sowie dazuhin auch mit jenen des Gotha (1853) übereinstimmten. Also legte ich den Stammbaum Stör, nicht zuletzt auch mitveranlasst durch das Fehlen des Kommentartextes, wenngleich mit unguten Gefühlen, beiseite.
So entstand zunächst eine Darstellung, die sich allein und genau auf die von Wurzbach in seiner I. Stammtafel aufgeführten ersten Generationen I bis X der „Heeremann von Wimpffen“ stützte, obgleich ich von vorneherein allein schon gewisse Zweifel an deren Richtigkeit hatte, weil merkwürdigerweise die Frauen der dort aufgeführten Stammträger ohne Ausnahme als dem Adel entsprungen dargestellt waren. So werden z. B. beim ersten fassbaren Abkömmling des 14. Jahrhunderts namens
SIGISMUND HEEREMANN VON WIMPFFEN
1) SUSANNA VON EBLINGEN,
2) LUDOVICA VON KHEIT
genannt. Diese Zweifel sollten schließlich noch genährt werden, als ich im Internet nach der Fertigstellung des Textes auf einen umfänglichen Beitrag des sog. älteren Hospitalpredigers der Stadt Nürnberg namens Georg Ernst Waldau von 1778 des Titels „Von dem Losungsamtmann Johann Friedrich von Wimpfen und dessen Familie“ (siehe oben die aus der Brockhaus-Enzyklopädie und Meyers-Konversations-Lexikon übernommene auf diesen Johann Friedrich bezogene Namensnennung) stieß. Im Vorspann dieser Abhandlung wird nämlich ein dem Autor von der Nürnberger Von-Wimpffen-Familie zugekommener in Kupfer gestochener großer Stammbaum aufgeführt und ganz offenkundig als teilweise Textgrundlage verwendet, der mir mit Sicherheit mit jenem des J. W. Stör identisch erschien; denn die von Waldau aus diesem Stammbaum entnommenen Angaben über die dort genannte Generation 1 derselben entsprach genau jener von Stör, nämlich:
SIGMUND HÖRMANN und AGNES BRACHERIN.
Und volle Übereinstimmung mit den Angaben von Stör waren auch hinsichtlich der, allerdings von der Gesamt-Genealogie her nur sporadischen, Angaben von Waldau festzustellen, welche die 4., 7. und 8. Generation (letztere sich auf Johann Friedrich sowie dessen jüngeren Bruder Johann Dietrich beziehend) betrafen, und zwar, sowohl was die aufgeführten Männer als auch die Frauen der letztgenannten beiden Generationen angeht, nur mit dem kleinen Unterschied, dass Waldau stets statt „Wimpffen“ (mit ff) „Wimpfen“ (nur mit f) schreibt. Und darüber hinaus ergab sich bezüglich der von Waldau insgesamt aufgeführten acht Namen jener Nürnberger höchstgestellten sog. Ersten Familien, in welche laut diesem männliche und weibliche Mitglieder der Von-Wimpffen Geschlechts eingeheiratet haben, bei der genauen Durchschau von Stör vollste Übereinstimmung. Und zwar kommt man auf genau sechs männliche plus eine weibliche, da sind sieben Angehörige derer Von-Wimpfen, die in den Generationen 5 bis 9 sich mit diesen höchstgestellten Nürnberger Ersten Geschlechtern ehelich verbunden haben, und zwar sechs männliche solche und ein weibliches solches, zusammen also sieben. Die Minusdifferenz von einem männlichen Mitglied erklärt sich daraus, dass der Stammhalter der 9. Generation Johann Friedrich in zwei dieser Familien eingeheiratet hat. Namensnennungen tun hier noch nichts zur Sache und sollen deshalb erst an späterer Stelle in allen Einzelheiten dargelegt werden.
Was mir jedoch letztlich den entscheidenden Stoß zur Verwerfung des über das Werden und Wachsen des He(e)r(e)mann/Von Wimpffen-Geschlechtes geschaffenen Ersttextes versetzte, das war die von mir gesuchte und mir überraschenderweise durch Dr. von Wimpffen zugesandte Textkopie eines im Nürnberger Raum 1984 erschienenen und auf einem Vortrag der nachgenannten Autorin des Jahres 1881 bei der „Gesellschaft für Familienforschung in Franken“ fußenden genealogischen Aufsatzes der bayrischen Genealogin des Nürnberger Raumes Lore Sporhan-Krempel des Titels „Zur Geschichte der Familie Hermann von Wimpffen“. Beim Lesen fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Bis auf wenige Unbedeutsamkeiten bestand zwischen deren aus Nürnberger Originalunterlagen, darunter auch Familienakten, geschöpften umfänglichen konkreten lückenlosen Angaben über die Generationen 1 bis 8 (und teilweise auch über die Generation 9) der, wie sie sagt, „Familie Hermann von Wimpffen“ und jenen des Stammbaumes Stör beste Übereinstimmung. Die konkrete Vergleichung kann natürlich auch hier erst an späterer Stelle erfolgen. Das bedeutete, den bislang auf der Basis des von Wurzbach, Aubert des Bois und dem Gotha entstandenen ersten Einführungstext endgültig zu verwerfen und einen neuen solchen zu verfassen. Was ich aus Sporhan-Krempel Elementares entnehmen konnte, das waren drei (Dr. von Wimpffen natürlich aus der Kenntnis deiner Unterlagen schon bekannte) Grundtatsachen (Unterstreichungen sind Heraushebungen des Verfassers; Genaueres dazu erst später):
Erstens und worauf schon die Brockhaus-Enzyklopädie 1908 („schwäbisches Geschlecht, dessen eigentlicher Geschlechtsname Heeremann lautet“) und Meyers Konversations-Lexikon 1909 („reichsunmittelbares Geschlecht, hieß eigentlich Heremann“) sowie, von diesen wohl übernommen, 1911 und 1929 auch Lehrer Ludwig Will („ein weitverzweigtes Geschlecht, dessen eigentlicher Familienname Heeremann hieß“) hingewiesen haben: Die Ahnen der Von Wimpffen hießen Hermann, von denen ein Glied aus ihrem ursprünglichen Wohn- und Wirkungsort Wimpfen ausgewandert ist und die sich später nach diesem „Von Wimpffen“ genannt haben (Brockhaus: „Heimatsbenennung“; Meyer: „nannte sich nach seiner Heimat“).
Deren Weggang von Wimpfen erfolgte in den Anfängen des 15. Jahrhunderts und zwar, nicht – wie von mir angenommen – zunächst nach Nürnberg, sondern nach der Freien Reichsstadt Augsburg. Von dort aus ließ sich ein Angehöriger der vierten Generation nach dem Weggang aus Wimpfen, die ausgewanderte solche eingerechnet, in den Anfängen des 16. Jahrhunderts in Nürnberg nieder, der „Heinrich“ hieß und sich jetzt des Nachnamens „Hermann von Wimpffen“ bediente.
Diese alle waren ursprünglich keineswegs Militärs, wie von ihrem späteren vorwiegenden Metier des Kriegshandwerks her unwillkürlich geschlossen und wie dies auch in der Familientradition kolportiert und von Wurzbach wie sogar von Stör übernommen wurde, sondern sie waren über mehrere Jahrhunderte hinweg vorwiegend Kaufleute, und zwar insbesondere Fernkaufleute.
Von Dr. von Wimpffen erhielt ich im gleichen Zeitraum auch ein Exemplar einer neuen Biografie, die 2012 in Laon, dem Geburtsort von „Sedangeneral“ Emmanuel Félix de Wimpffen, erschienen ist. Diese stammt aus der Hand von Jean-Pierre Allart und trägt den Titel „Le général de Wimpffen (1811-1884). L’autre homme de Sedan“. Wie die Titelfassung spüren lässt, sucht der Autor das diesem aus der Rolle des Verlierers der Schlacht von Sedan und des Unterzeichners der Kapitulationsurkunde zugekommene Negativbild durch die Darlegung dessen in mehreren Jahrzehnten vorausgegangenen militärischen und verwaltungsmäßigen Auf- und Ausbautätigkeiten im algerischen Kolonialgebiet ins rechte Licht zu rücken. Aus dieser Schrift konnte ich wertvolle Erkenntnisse gewinnen, wozu auch gehört, dass bestehende Unklarheiten bezüglich dessen Vaters und dessen nirgends erwähnt gefundener Mutter beseitigt werden konnten. Jüngst kamen außerdem noch die höchst aufschlussreichen Texte der von Will und den zwei teilzitierten Lexika aufgeführten beiden Diplome dazu, so das der Wappenverleihung durch Kaiser Ferdinand I. von 1555 und das der Adelserhebung durch Kaiser Leopold I. von 1658, die nach ihrer Transkribierung wichtige Aufschlüsse hinsichtlich der Bedeutung des den Von Wimpffen zueigneten Widderwappens sowie den Gründen der Adelswerdung ihres Geschlechts lieferten. Neuerdings bekam ich noch einen Urkundentext des Jahres 1559, der den bei Stör als Stammträger der Generation 5 ausgewiesenen Dominicus Herman von Wimpffen betrifft. Außerdem sandte Dr. Hans H. von Wimpffen mir gestern (19. 02. 2015) noch die Kopie eines ihm nach seine persönlichen Recherchen dort ihm zugegangenes Schreibens des Leiters des Archivs, der Bibliothek und des Museums der Stadt Haguenau im Elsass A. M. Burg vom 14. April 1959, das ganz entscheidend dazu beigetragen hat, den Nachweis der Existenz eines Hans (nach Wurzbach: des I.) im 15. Jahrhundert weiter zu konkretisieren und damit zu festigen, und darüber hinaus eine Spur zu dessen Urgroßvater namens Hermannus à Wimpfen und damit hin zu einem der noch sehr ins Dunkel getauchten frühen Vertretern des Wimpffen-Geschlechtes zu legen. Nicht zu vergessen die mir von Dr. von Wimpffen zugekommene Serie von einem starken halben Dutzend Farbdrucken im Ansichtskartenformat, ergänzt durch einhe größere Anzahl weiterer solcher, die manchen der Lebensläufe von in seiner Homepage behandelten Gliedern seines Geschlechtes illustrieren und alle nach den Originalgemälden seiner verstorbenen Mutter bedeutsame Persönlichkeiten desselben in denkwürigen Situationen der Geschichte nachempfindend wiedergeben und sich im Fortgang alle (wie schon vorausgehend jene der Abb. 1 und 4) an passender Stelle eingebracht finden.
Was aus der langen Liste der gefundenen und verwendeten Literatur und sonstiger Quellenträger hier noch als besonders stoffbietend zu betrachten ist und somit abschließend hier ebenfalls noch herausgestellt werden soll, das ist ein 2008 in Nürnberg erschienenes dreibändiges Geschichtswerk von Archivdirektor Peter Fleischmann: „Rat und Partriziat in Nürnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jahrhundert; Band 1: Der Kleinere Rat; Band 2: Ratsherren und Ratsgeschlechter; Band Ratsgänge (1318/23 bis 1806/08. Register und Verzeichnisse“. Dieses heranzuziehen, zeigte sich notwendig, um die nach ihrer Niederlassung in der Freien Reichsstadt Nürnberg erfolgte Einbindung und Heiratsverbindungen der Hermann/Von Wimpffen mit dem eingesessenen Patriziat sowie ihren dort erfolgten Aufstieg in der streng hierarchisch gegliederten Gesellschaft wie deren schließlichen dortigen tiefen Fall und Wegzug im ausgehenden 17. Jahrhundert richtig sehen und beurteilen zu können. Wollte man der Vollständigkeit huldigen, dann müsste hier noch eine Unmenge von zum Teil im Internet sowie sonsther aufgespürter Nebenliteratur aufgezählt werden, so z. B. vor allem solche über die mit den Von Wimpffen bzw. noch mehr ihrer angeheirateten Nürnberger patrizischen Verwandtschaft im alten Nürnberg verbundenen Örtlichkeiten sowie deren in den Nürnberger Umlanden existierten Schlösser und Herrensitze. Dieses gefundene und verarbeitete restliche Schrift- und Urkundengut findet sich zusammen mit dem vorstehend aufgeführten solchen in der o. g. Zusammenstellung verzeichnet. Das sichtbare Ergebnis dieser jahrelangen intensiven Stoffsuche manifestiert sich in meinem Arbeitszimmer in der fast einen Meter füllenden Reihe von Druckwerken und in neun dicken Leitzordnern, gefüllt hauptsächlich mit Text-, Bild- und Urkundenkopien aus dem Internet bzw. Kopien von Fachliteratur. Und die Kapitel A und F des Vortextes für „Die Geschichte der hessischen Exklave Wimpffen, Band 3 (1870 – 1918)“ umfassen, was die auf die Von Wimpffen bezogenen Abschnitte betrifft, fast 100 DIN A4-Seiten, nicht gerechnet das dazugehörige rund 50 Titel zählende Bild- und Urkundengut.
Damit ist im Zuge der Betrachtung des Adelsgeschlechtes derer Von Wimpfen das angerissen, was man aus dem Blick auf die Vergangenheit meiner Heimatstadt Bad Wimpfen und auf meine intensiven Bemühungen um die Erschließung der Stadtgeschichte wie der Von-Wimpffen-Geschichte zugleich auch mit „Die Wirkungsgeschichte der Erforschung des Von-Wimpffen-Geschlechts aus der zweifachen Warte der Stadt Bad Wimpfen und meiner Person“ überschreiben könnte.
B. Wie der erste fassbare Ahn derer Von Wimpffen, den der Nürnberger Zeichner und Kupferstecher J. W. Stör in seinem Stammbaum von ca. 1750/60 als wappentragenden Rittersmann des Namens SIGMUND HÖRMAN und C. von Wurzbach in seinem Genealogie-Werk von 1888 mit SIGISMUND oder auch SIEGMUND HEEREMANN benamt sowie dazuhin als Inhaber zahlreicher Burg- und Herrschaftsplätze deklariert, von der Genealogin Lore Sporhan-Krempel 1981/84 auf der Basis vorliegenden primären Augsburger und Nürnberger Quellenmaterials jedoch als Handelsmann des Namens SIGMUND HERMANN identifiziert wird, der zu Anfang des 15. Jahrhunderts aus seiner Heimatstadt Wimpfen am Neckar nach Augsburg abwanderte und dort der sog. Ehrbarkeit (2. Stand) angehörte.
Um nach diesen langen Vorbetrachtungen nunmehr die Anfänge des Von Wimpffen-Geschlechtes sehr viel genauer, als dies bereits in Kap. A durch die Präsentation des Stammbaumes des J. W. Stör (ca. 1750/60) und der I. Stammtafel des C. von Wurzbach (1888) sowie durch die spätere Nennung der dort als Stammträger Erscheinenden geschehen ist, darzustellen, ist es in Anbetracht der großen Diskrepanzen unabdingbar, jetzt alle diesbezüglichen in den Von Wimpffen-Quellenwerken oder -abschnitten gefundenen Einträge vergleichend gegenüberzustellen und dann zu entscheiden, was für richtig und was für falsch zu befinden ist. Wie bereits angedeutet, glaubte ich, in der Dissertation des Jahres 1993 von Andreas Hafer „Wimpfen. Stadt-Raum-Beziehungen im späten Mittelalter“ vielleicht einen Anhaltspunkt (und damit eine Primärquelle!) für die Suche eines solchen über die folgende von diesem auf das ausgehende Mittelalter gerichtete Feststellung finden zu können: „Auch sind beispielsweise Augsburger Kaufleute so zahlreich in Wimpfen nachzuweisen, daß man davon ausgehen kann, daß Wimpfen immer noch Durchgangsort für Fernreisende aus dieser Stadt war.“ Zum Beleg dieser Feststellung gibt dieser in Fußnote 137 Folgendes an: „Allein im Gerichtsbuch der Jahre 1422 bis 1432 werden vier Augsburger in Wimpfen genannt (StadtA Wi Gerichtsbuch fol. 8, 1422; fol 40v 1424; fol. 107v, 1428; fol. 197v, 1432).“ Leider hat die Einsicht in den vorgenannten Urkundenbestand keinerlei Namensspur eines „Heremann“ bzw. „Heeremann“ (wie z. B. der Brockhaus von 1908 bzw. Meyers Konversations-Lexikon von 1809 sagen) oder „Hörmann von Wimpffen“ (nach Stör) bzw. Sigismund Heeremann von Wimpffen (nach Wurzbach) erbracht; und zwar obgleich, wie sich später zeigen wird, die genannten Gerichtsbücherr zeitmäßig fast genau mit dem Zeitpunkt des Wegganges des Von Wimpffen-Ahnen aus Wimpfen zusammenfällt. Und was die Auskunft von Stadtarchivar Günther Haberhauer über eventuell vorhandene andere diesbezügliche hoch- bis spätmittelalterliche primäre Quellen anbelangt, so lautete diese wie folgt: „Weitere Anhaltspunkte kann ich in den spärlichen Archivalien der Zeit nicht entdecken.“ Und was die wohl eher Erfolg versprechende Suche nach diesbezüglichem primärem oder auch sekundärem Quellenmaterial in Augsburg betrifft, so hat mir Dr. Hans H. von Wimpffen berichtet, dass seine nach dorthin versuchten Erkundigungen leider auf keine Gegenliebe gestoßen sind.
Zunächst seien alle diesbezüglich des Stammträgers und dessen Gattin, d. h. der
Generation 1:
gefundenen Angaben in wörtlicher Textübernahme bei zeitlicher Staffelung, getrennt in die Gruppe I und II, aufgelistet, wobei die in Großschreibung der Namen mit Unterstreichung jener der Stammträger Heraushebungen des Verfassers darstellen:
– Die G r u p p e I bezieht sich auf jene vier Autoren, deren Angaben hinsichtlich des Standes, der Betitelung und des Berufs, des Wohnplatzes und Besitzstandes sowie des angeblichen Wappens des Stammträgers, dazuhin des Names der Ehefrau(en) und der Namen deren Kinder, auch bezüglich der Jahresdaten zwar völlig übereinstimmen, sich jedoch hinsichtlich dieser Parameter von den Angaben der drei Autoren der Gruppe II total unterscheidet, abgesehen von den Übereinstimmungen, dass Stör den Stammträger als Ritter und dessen Wappen wiedergibt und Waldau dessen Rittererhebung erwähnt. Die Texte derselben lauten:
A u b e r t d e l a C h e s n a y e d e s B o i s – 1778:
„Mais la filiation des cette Maison, et légalement prouvée, ne commence qu’à SIGISMOND-HERMANN, dont nous allons parler.- I. SIGISMOND-HERMANN DE WIMPFFEN, Chevalier, Seigneur de Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen etc. servit l’Empereur CHARLES IV avec tant de zele et de courage, qu’il l’ éléva à la dignité de Baron du Saint-Empire par un Diplôme particulier, daté du 1363. Par son testament de 1393, il paroit qu’il étoit marié avec Louise de Kheit, de laquelle vintent: – 1. CHARLES-AUGUSTE, qui suit; – 2. JEAN-ALBERT, né en 1354, Chanois à Wurtzbourg en Allemagne; FRÉDÉRIC-BARTHOLOMÉ, né en 1356, qui fut attaché au service de l’Empereur.“ Zu Deutsch: „Aber die Abstammung dieses Hauses, und amtlich bewiesen, beginnt bei keinem anderen als bei SIGISMUND-HERMANN, von dem wir jetzt sprechen: I. SIGISMUND HERMAN VON WIMPFFEN, Ritter, Herr von Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen usw. diente Kaiser Karl IV. mit solchem Eifer und Mut, dass er ihn durch ein Sonderdiplom, datiert 1363, in die Würde eines Reichsfreiherren erhob. Durch sein Testament von 1393 erscheint er als mit LUISE VON KHEIT verheiratet, von der am Leben bleiben: 1. KARL-AUGUST, der nachfolgt; 2. HANS-ALBERT, geboren 1354, Domherr zu Würzburg in Deutschland; 3. FRIEDRICH-BARTHOLOMÄUS, geboren 1356, der sich in den Dienst des Königs begab.“
G o t h a -1853 (Autoren: Christoph Cellarius und Julius Gerhard Goldtbeeg):
Diese Autoren berichten ziemlich dasselbe, doch teilweise Detaillierteres und sprechen noch die weiteren Parameter der Wappen-, Rang- und Besitzverleihung sowie des Sterbedatums und -ortes an: „Die ununterbrochene und urkundlich erwiesene Stammreihe des Hauses beginnt indessen erst mit SIGMUND HEEREMANN VON WIMPFFEN, Herrn auf Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen etc. in Schwaben und Kaiser Karls IV. Feldobersten. Dieser erwarb sich in Verfolgung der Ungläubigen solche Verdienste, daß ihm der Kaiser auf dem Reichstage zu Speyer im J. 1373 den eigenhändigen Ritterschlag ertheilte, ihm besondere Urkunden über den alten Adel seines Geschlechtes verlieh, sein Wappen mit dem Kreuze in den Vorderfüßen des Widders vermehrte und ihn zum Reichsvogt über seine beiden Ahnenstädte einsetzte. Er starb 1393 in hohem Alter zu Prag. Von seinen beiden Gemahlinnen, SUSANNA GEB. V. EBLINGEN, und LUDOVICA GEB. VON KHEIT scheint nach seinem Testamente die Letztere die Mutter seiner 3 Söhne gewesen zu sein, nämlich von KARL AUGUST, der ihm folgte, JOHANN ALBERT, geb. 1354, Canonicus zu Würzburg und FRIEDRICH BATHOLOMÄUS, der in Kaisers Diensten stand.“
E r n s t H e i n r i c h K n e s c h k e – 1853 und 1870:
Dessen Angaben fallen zwar knapper aus, liegen aber inhaltlich ganz auf die Linie der beiden Vorgenannten: „Die ununterbrochene Stammreihe beginnt mit SIGMUND HEEREMANN V. WIMPFFEN, Herrn auf Brixenstein, Zabietstein, Ebertshausen in Schwaben, Kaiser Carls IV. Feldobersten, welchem der Kaiser 1373 auf dem Reichstage zu Speyer den eigenhändigen Ritterschlag ertheilte, wobei die erwähnte Wappenvermehrung mit dem Kreuze erfolgte“. – Anmerkung: Die im letzten Satz stehende Wendung „erwähnte Wappenvermehrung“ bezieht sich auf die am Anfang im Rahmen der in ähnlicher Weise, wie das nachstehend bei Wurzbach geschieht, beschriebene (angebliche schon 1373 verliehene!) Widder-Wappen.
C o n s t a n t i n v o n W u r z b a c h – 1888: Dieser weiß über den Stammträger in seiner Beschreibung des Titels „Besonders denkwürdige Sprossen der Wimpffen“ Nr. 38 beinahe alles, was sich in Sammlung der Angaben der drei Vorgenannten ergibt: „38. SIEGMUND HEEREMANN bzw. in seiner I. Stammtafel SIGISMUND HEEREMANN VON WIMPFFEN (gest. 1393).- Mit diesem tapferen Kriegsmanne des vierzehnten Jahrhunderts beginnt unsere Stammtafel des adligen Geschlechtes von W i m p f f e n , weil von ihm herab die genealogische Stammesfolge nach ziemlich zuverlässigen Daten möglich ist. In Schwaben als Besitzer von Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen u. s. w. seßhaft, stand er in kaiserlichen Kriegsdiensten, und zwar als Feldoberster Kaiser K a r l s IV. In diesem erwarb er sich solche Verdienste, daß ihm vom Kaiser auf dem Reichstage zu Speyer (1373) eigenhändig der Ritterschlag ertheilt, ihm eine besondere Urkunde über den alten Adel seines Geschlechtes verliehen, sein Wappen mit dem Kreuze in den Vorderfüßen des Widders vermehrt und er zum Reichsvogte über seine Ahnenstädte Wimpfen auf dem Berge und Wimpfen im Thale eingesetzt wurde. S i e g m u n d H e e r e m a n n starb 1393 zu Prag im hohen Alter. Er war zweimal vermält, zuerst mit SUSANNE VON EBLINGEN, dann mit LUDOVICA VON KHEIT. Doch scheint aus seinem Testemente hervorzugehen, daß Letztere die Mutter seiner drei Söhne: K A R L A U G U S T , geb. 1353, kais. Feldhauptmann, welcher seinen Stamm fortsetzte. J O H A N N A L B E R T , geb. 1354, Domherr zu Würzburg, und F R I E D R I C H B A R T H O L O M Ä U S, geb. 1356, der in kaiserlichen Diensten stand und einen Zweig gründete, welcher den lutherischen Glauben annahm und lange Zeit in Baden, später auch in Sachsen wohnte.“
Die G r u p p e II bezieht sich auf jene drei Autoren, die hinsichlich der oben genannten Parameter mit der Gruppe I in keiner Weise übereinstimmen. abgesehen von der bei Stör und Waldau zu findenden Darstellung bzw. Beschreibung des Stammträgers als Ritter, dazuhin bei Stör noch der Wiedergabe dessen Wappens, welches alles in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Gruppe I steht. Hier die Beschreibung der Wort- und Bildaussagen von Stör und die Texte der beiden anderen Autoren:
F r i e d r i c h W i l h e l m S t ö r – ca. 1750/60: Siehe hierzu zunächst die nachstehende Abbildung, die ein Teilausschnitt der Abb. 7 darstellt und der zum Zwecke der Vergleichung die bereits schon in Kapitel A wiedergegebene Paralellangabe der I. Stammtafel von Wurzbach beigegeben ist:
Abb. 12: Der auf den Stammträger bezogene Anfang der sog. Stammtafel I des Constantin von Wurzbach (1888) und darunter angefügt die dementsprechende Wurzelzone des Stammbaums des F. W. Stör (von ca. 1750/60) mit Darstellung des Stammträgers als schlafender Rittersmann mit abgelegtem Helm und Schild sowie, in Vergrößerung darunter hinzugegeben, die über diesem zu findende Namens- und Wappenleiste sowie der wappengeschmückte Ritterschild.
Der am Fuße des mächtigen Stammbaumes ruhende Stammträger war nach dieser Bildausage von Stör Ritter von Beruf. Dessen bebartetes Haupt und seine rüstungsbewehrten Schultern ruhen an einem gewaltigen Baumstrunk, aus dem der verhältnismäßig dünne, vom rechten Arm des Schlafenden umfasste, Stamm des Stammbaumes herauswächst. Darüber hängt am Stamm ein rollwerkbesetztes Namens- und Datumschild, das auch die Gattin des Dargestellten nennt und folgendermaßen lautet: „SIGMUND HÖRMAN VON WIMPFFEN vixit A. 1377 (d. h. lebte im Jahr 1377) – AGNES BRACHERIN“. Darunter hängen zwei kleine Wappenschilde mit deren jeweiligem Wappenzeichen, nämlich der dem Rittersmann zugehörige und bereits aus der Abb. 5 hervorgehende, doch hier – heraldisch gesehen – nach links schreitende Widder = Schafbock bzw. der seiner Frau zugehörige achtstrahlige Stern; und am Fuße des Baumstrunks steht der abgelegte federgeschmückte Helm des Rittersmannes; daneben lehnt an dessen Hüfte dessen Schild, der mit dem gleichen (natürlich vereinfachten) Wappen besetzt scheint, wie es in Abb. 5 schon zu sehen ist. Beim genauen Hinsehen ist jedoch zu entdecken, dass in diesem Wappen das in dieser Abbildung vorhandene und auch in Wurzbachs Beschreibung aufgeführte Kreuz in den Vorderfüßen des Widders fehlt. Mehr ist aus dem Stammbaum Stör nicht herauszulesen. Wendet man allerdings den Blick noch auf die der Abb. 12 oben erscheinende Namens- und Wappenleiste der Generation 2, so findet man hier – ganz im Unterschied zu den von Aubert des Bois, dem Gotha und von Wurzbach aufgeführten 3 Kindern (Söhnen) – 5 Kinder, und zwar 3 Söhne und 2 Töchter genannt, wobei merkwürdigerweise bei den Söhnen völlig andere Namen erscheinen: LIENHARD (als Stammträger, nicht KARL AUGUST), außerdem NICOLAUS und CHRISTOFF statt oben jeweils JOHANN ALBERT und FRIEDRICH BARTHOLOMÄUS! Mehr hierzu später!
G e o r g W i l h e l m W a l d a u – 1787:
Dieser bringt bei seinen Angaben über den Stammvater und seine Gattin zwei Quellen ins Spiel, nämlich den Stammbaum Stör und ein Adelshandbuch des Jahres 1878, wodurch er bezüglich des Namens der Ehefrau desselben auf unterschiedliche Angaben stößt: „Der Stammvater des Geschlechts hieß SIGMUND HÖRMANN, und kam aus der Reichsstadt Wimpfen her, von welcher er mit Erlaubniß K. Carls IV. der ihn A. 1373 zum Ritter geschlagen, den Namen angenommen hat. In einem in Kupfer gestochenen großen Stammbaum (gemeint eben jener des F. W. Stör), den wir von der Familie haben, heißt seine Ehefrau, die Stammutter aller von Wimpffen, AGNES BRACHERIN, welches ich mit dem Albrechtischen geneal. Adelshandbuch (Frankf. 1778. 89.) nicht vereinigen kann, wo gesaget wird, daß er eine LUDOVICA VON KEIL (statt bei Wurzbach Keith) zur Ehe hatte.“
L o r e S p o r h a n – K r e m p e l – 1984:
Diese Autorin weiß ihre Betrachtungen zur Genealogie derer Von Wimpffen und deren Stammträgers sowie dessen Gattin kategorisch und unmissverständlich mit acht prägnanten Sätzen wie folgt zu eröffnen: „Die Wimpffen leiteten ihren Ursprung aus der alten Stauferpfalz und späteren Reichsstadt Wimpffen ab, die im Schwäbischen hoch über dem Neckar liegt. Freilich führten sie damals noch nicht den Namen ‚VON WIMPFFEN’, sondern nannten sich ‚HERMANN’. Von Wimpffen aus kam anfangs des 15. Jahrhunderts SIGMUND HERMANN nach Augsburg. Die Familientradition berichtet, Sigmund habe mit Erlaubnis Kaiser (ab 1355) Karls IV., der ihn 1373 zum Ritter geschlagen habe, den Namen ‚von Wimpffen’ angenommen. Das ist aber doch sehr zweifelhaft. In ihren Augsburger Jahren nennen sich die Mitglieder immer nur (!) HERMANN. So findet man sie auch in den genealogischen Aufstellungen.- Sigmund war mit einer AGNES PRACHERIN verheiratet, er gehörte wohl der ‚Ehrbarkeit’ an und trieb Handel.“
Damit stimmt diese mit den vorgenannten sechs Autoren, aus deren Gesamtheit betrachtet, nur noch darin überein, dass diese alle Wimpfen am Neckar als den Ort der Herkunft des Geschlechtes der Von Wimpffen ansehen. Was aber den von Sporhan-Krempel berichteten Namen des aus Wimpfen ausgewanderten Ahnen und Stammträgers SIGMUND HERMANN betrifft, liegen diese alle nur hinsichtlich des von ihnen angegebenen Vornamens SIGISMOND, SIGMUND, SIEGMUND, SIGISMUND richtig; nicht jedoch bezüglich des Nachnamens HERMANN, ausgenommen Waldau, der ähnlich HÖRMANN angibt, während bei allen anderen dem richtigen Vornamen der doppelte Nachname HERMANN DE WIMPFFEN oder HEEREMANN VON WIMPFFEN oder HÖRMANN VON WIMPFFEN beigefügt ist. Die Zubenennung Von WIMPFFEN und erst recht nicht der alleinige neue Nachname VON WIMPFFEN besteht also laut Sporhan-Krempel beim Stammträger noch nicht. Während bei allen sechs oben zitierten Autoren ohne jede Ausnahme dieser Stammträger für seinen Eifer und für seine Tapferkeit als (im Gotha für seine Verdienste im Kampf gegen die Ungläubigen – gemeint die Türken) im Dienste von Kaiser Karl IV. (im Gotha, bei Kneschke und Wurzbach als Feldoberster sogar eigenhändig auf dem Reichstag zu Speyer des Jahres 1373) zum Ritter geschlagen und damit als dem Adel angehörig ausgewiesen, dazuhin nach den Angaben der vier in der obigen Auflistung erstgenannten Autoren Herr (und demnach Besitzer) von drei und mehr Burgsitzen und Ortschaften namens Zabietstein, Brixenstein und Ebershausen etc. in Schwaben ist, trifft Sporhan-Krempel dagegen die folgende desillusionierende Feststellung: Er gehörte wahrscheinlich der Ehrbarkeit (2. Stand) an und trieb Handel – und zwar sicherlich schon, wie seine an späteren Stellen aufgeführten Nachfahren über viele Generationen, auch Fernhandel. Er gehörte demnach dem Kaufmannsstand an. Und somit kann er kein Angehöriger des Adels und Besitzer der angegebenen in Schwaben gelegenen umfänglichen Streubesitztümer, wo er laut Wurzbach sogar sesshaft gewesen sein soll, gewesen sei. Dafür spricht auch Sporhan-Krempels Feststellung, dass Sigmund Hermann mit AGNES PRACHERIN verheiratet war, also einer Bürgerlichen und keiner Adligen, wie von den in etwa übereinstimmenden Nennungen des Namens LUISE bzw. LUDOVICA VON K(H)EIT und SUSANNE oder SUSANNA VON EBLINGEN von dreien der vier Autoren der Gruppe I, gesagt ist.
Aus der Tatsache des Fehlens des Adelsranges ist natürlich auch abzuleiten, dass Sigmund Hermann, entgegen insbesondere der detaillierten Wappenbeschreibung von Wurzbach und Wappenabbildung des Ritterschildes bei Stör, noch kein Adelswappen besessen haben kann. Gewiss hat auch mir das laut diesen Autoren verliehene Wappentier des Widders (in den späteren Wappenverleih-Urkunden interessanterweise auch „Hörnermann“) geheißen, ungeheuer insofern imponiert, als dieses das Symbol für die Stärke, die Kraft und den Kampfgeist wie für das Böse und das Unheil ist. Und das schien mir – in dreifacher Hinsicht sogar – für das Geschlecht der Hermann-Hörmann höchst passend: Zum ersten, weil mir dieses Geschlecht von seinen Anfängen an dem Kriegsmetier zu huldigen schien; zum zweiten, weil im Namen Hörmann-Hermann „Hörnermann = Widder“ steckte; zum dritten, weil auch der Vorname des ersten fassbaren Ahnen Sigismund in enger Sinnverwandtschaft mit dem Widder- bzw. Hörnermann-Tier steht. Doch ist dieser auf die Anfänge des Hermann-Von Wimpffen-Geschlechts gerichtete Gedanke allzuschön, um wahr zu sein! Wie unter Kapitel G ausführlichst dargestellt, ist das von Stör auf dem Ritterschild wiedergegebene Widderwappen diesem, wie schon mehrfach erwähnt, erst unter DOMINIK 1555 verliehen worden, wohlgemerkt – entgegen den Angaben von Wurzbach – ohne Kreuz in den Vorderbeinen des Widders. Und aus Kapitel J und schließlich G geht hervor, dass das Kreuz das hinzugekommene Objekt einer (zweiten) Wappenvermehrung im Zuge der Verleihung des Grafenranges an FRANZ KARL EDUARD VON WIMPFFEN erst des Jahres 1797 gewesen ist. Also hat Wurzbach sein Wissen um das Aussehen des damaligen Von Wimpffen-Wappens fälschlicherweise um ca. 400 Jahre zurück in das ausgehende 14. Jahrhundert projiziert!
Zweifelsfrei sind die Feststellungen der im Nürnberg-Augsburger Raum forschend, veröffentlichend und lehrend tätig gewesenen Genealogin Sporhan-Krempel aus primären Quellen direkt und indirekt auf der Grundlage zuverlässigen Quellenstudiums geschöpft, was im Gegensatz zu den Setzungen der älteren Autoren der Gruppe I und gerade des vorbeschriebenen Kardinalfehlers von Wurzbach voll überzeugen kann und von dieser sich folgendermaßen kommentiert findet: „Zur Geschichte der Hermann – auch Hörmann – von Wimpffen gibt es nur spärlich gedruckte Literatur, dafür aber verhältnismäßig zahlreiche schriftliche Aufzeichnungen. Eine im Jahre 1651 notwendig gewordene Untersuchung über den ‚Stand’ derer von Wimpffen übemittelt uns wichtige Unterlagen zur Tradition der Familie.- … Da es in Nürnberg verhältnismäßig frühe Heirats- , Tauf- und Sterberegister gibt, so weiß man seit dem 16. Jahrhundert etwas mehr von den Hermann von Wimpffen.“ Und an späterer Stelle wird klar werden, dass Sporhan-Krempel auch Einsicht in primäre Quellen gerade jener Generationen gehabt hat, die in Augsburg vor jenen in Nürnberg ansässigen Ahnen der Von Wimpffen gelebt haben. Zeitlich am Anfang der vorstehend angeführten Autorengruppe I zweifelhafter Berichterstattung steht Aubert des Bois, dem die drei jüngeren Autoren des 19. Jahrhunderts inhaltlich nachgefolgt und als Adepten desselben zu klassifizieren sind und die das ihnen von diesem Vorgegebene unhinterfragend weitergegeben und dessen Text ihrerseits allerlei passendes ausschmückendes Beiwerk hinzugefügt haben. Das würde weniger zum Problem werden, wenn Aubert des Bois richtig liegen würde; doch das Gegenteil ist der Fall. Schon ganz am Anfang seiner Ausführungen lässt er als Erster, wie schon gezeigt fehlerhafterweise, den sog. Ritter Sigismond de Wimpffen Herr einer Reihe zerstreuter Burg- und Ortsplätze (in Schwaben, wie im Gotha und voin Wurzbach gesagt) sein. Darüber hinaus trifft er in einem Vorspann die als absurd anzusehende Feststellung, dass das Haus De WIMPFFEN in der Epoche des Lehenswesens in Schwaben und Franken Verbindungen zu den vornehmsten Adelshäusern aufgenommen und in diesem Teil des Kaiserreiches beträchtliche Besitzungem gehabt habe, deren es aber durch verschiedene Kriege in diesem Teil Deutschlands beraubt worden sei. Dann führt er einen HERMANN DE WIMPFFEN an, von dem noch eine ihn auszeichnende Medaille des letzten Magdeburger Turniers existiere, das später von Wurzbach in das Jahr 1036 gesetzt wird. Das Eröffnungswort „Mais = Aber“ der nun beginnenden oben wiedergegeben Textpartie über SIGISMOND lässt die vorausgegangene Vorbetrachtung dubiosen Inhalts spüren. Was sich in dieser und dann in der stark ein Jahrhundert jüngeren sehr viel ausführlicheren Vorbetrachtung von Wurzbach wiederfindet, steht in ganz ähnlicher Weise in der bereits in Kapitel A erwähnten Selbstbiografie des Gründers des Franzens-Zweiges CHARLES LOUIS DE WIMPFFEN (1730 – 1800) zu lesen: Nach diesem sind die Von Wimpffen sogar bereits Anfang des 10. Jahrhunderts existent und damals sogar schon im Besitz von Wimpfen gewesen! Was Letzterer zu berichten weiß und was in kürzerer Fassung Aubert des Bois ebenfalls voranstellt, findet denn auch seinen erweiterten Niederschlag im Gotha, weniger bei Kneschke, und wieder ziemlich ausschmückend erweitert bei Wurzbach. In dessen Text ist es das im ersten Satz eingefügte „indessen“, was auf die vorausgehenden Vorbetrachtungen hindeutet. Alle diese angeführten angeblichen frühen Sprosse der Von Wimpffen des 10. bis 14. Jahrhunderts werden gesondert im Kapitel W ausführlichst und bei angezeigter kritischer Betrachtung zur Behandlung kommen.
So aufwendig die obige Textauflistung und die angeschlossene penible kritische Vergleichung auch sein mag, so unausweichlich notwendig erscheint diese im Hinblick auf die schlussendliche Infragestellung all der vorgenannten -teilweise ja größtes Ansehen genießenden – Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts. Unausweichlich drängen sich hieraus zwei Fragen auf: Woher haben Aubert des Bois (1778) und ein Jahrzehnt nach ihm Charles Louis de Wimpffen (1788) und schließlich im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die drei nun sattsam bekannten Adepten und dazuhin meist Inhaltserweiterer ihre angegebenen genealogischen und schließlich durch Sporhan-Krempel entzauberten Inhalte geholt? Meine ursprüngliche ins Auge gefasste Antwort, die Lösung dieser Fragen stünde in den Sternen, möchte ich nach gründlichem Nachspüren wie folgt korrigieren: Alle die genannten Autoren von Aubert des Bois (1778) bis Wurzbach (1888) des letzten Vierels des 18. bis ausgehenden 19. Jahrhunderts, ausgenommen der erstrangig für die Nürnberger Obigkeit schreibende G. E. Waldau (1787), doch auch zuvor schon J. W. Stör (ca. 1750/60) haben weniger für eine allgemeine Leserschaft denn für die rapid an Zahl sowie Bedeutung und Ruhm zunehmenden Glieder des Von Wimpffen-Geschlechtes geschrieben. Diese hatten sich im ausgehenden 18. Jahrhundert in zahlreiche Zweige und diese danach wieder teilweise in Nebenlinien geteilt und diese alle sich in zahlreichen Staaten Europas und Ländern Deutschlands zerstreut. Und dabei waren alle diese in ihrem Ansehen und ihrer Bedeutung insbesondere durch ihren Aufstieg in hohe bis höchste Militär- und auch Diplomaten und Staatsverwaltungsstellen mächtig gestiegen. Als solche und wie alle Angehörigen des Adels suchten diese alle, an der Spitze die 1797 entstandene Gräfliche Linie, mit Nachdruck eine möglichst weit in die Zeitsphären alten Adels und in Anbetracht der damaligen Höchstschätzung des Militärs des sog. Schwertadels zurückgehende Familiengeschichte vorweisen zu können. Für die dahingehend bemühten Genealogen lag die Schwierigkeit nicht in der Erfassung der zu ihren Lebzeiten des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts noch greifbaren Glieder der Familie, sondern jener der früheren und zudem der frühesten Jahrhunderte derselben. Hierzu scheinen von diesen, begreiflicherweise der Not fehlender und fragwürdiger schriftlicher Nachweise gehorchend, teilweise oder gar ganz falsche Familienüberlieferungen mit hineingenommen worden zu sein. Sporhan-Krempel sagt ja selbst, dass von dem als erster fassbarer Ahn geltenden Sigmund Hermann die Familientradition berichte. Da lag es nahe, den an sich schon fragwürdigen und naturgermäß sehr lückenhaften familiären Erzählfakten schlüssige lückenfüllende Lebensdaten und -fakten beizufügen und fehlende Nachrichten über Glieder des Stammbaumes im Streben nach Vervollkommnung schlechtestenfalls zu erfinden und so ein dem Zielgeschlecht genehmes und gefallendes abgerundetes Gesamtbild zu liefern.
Nur so ist es zu erklären, dass Aubert des Bois, gefolgt von drei und mehr seiner vorgeschilderten Adepten, das unfertige und an sich schon sagenumwobene Bild des Stammvaters seiner Generation I Sigismond, dadurch rundet, dass er diesen zum Herrn und Besitzer einer Reihe von Burg- und Ortsplätzen und überhaupt zum vom Kaiser zum Ritter geschlagenen Kampfeshelden macht, aus dem in der Generation II wieder ein Kriegsmann (wir greifen hier wiederholend abermals voraus) wächst und der genau wie der Stammvater natürlich mit einer Adligen verheiratet ist und dessen direkte Nachkommen den angeblichen stattlichen Streubesitz ihrer Vorfahren bis zur Generation IX behalten. Was liegt da näher, als dass die Adepten dieses immer noch lückenhafte Bild insbesondere dadurch runden, dass sie Sigismund u. a. sogar zum Reichsvogt über die Ahnenstadt Wimpfen am Neckar machen und Wurzbach dessen Widderwappen, das Sigmund natürlich als in Wirklichkeit nichtadliger Handelsmann noch gar nicht gehabt haben kann und der Famiie erst 1555 zugekommen ist, bereits das erst 1781 hinzuverliehene Kreuz zuordnet! Und dass selbst Stör, dessen Stammbaum ja ca. zwei Jahrzehnte vor dem Text von Aubert des Bois entstanden ist und, wie im Fortgang sich zeigen wird, auf der Basis ihm zugänglicher Augsburg-Nürnberger Aktenunterlagen sonst durchweg realitätskonforme Aussagen trifft, in seiner Zeichnung Sigismund einen Ritter mit dem Widderwappen im Schild sein lässt, so nicht zuletzt deshalb, weil man seitens der Wimpffen-Familie dieses von ihm erwartet hat, abgesehen davon, dass der Entwerfer Stör und der Stecher Atanias mit ihrem unten gezeigten Rittersmann ja auch ihren Stammbaum beleben und gleichzeitig ihre Kunstfertigkeit zeigen konnten. Und selbst bei Waldau, der seinen Von Wimpffen-Beitrag zwei Jahrzehnte nach Aubert des Bois geschrieben hat und diesen kaum gekannt haben dürfte, findet sich die Mär der Rittererhebung des Sigmund Hörmann, wie er den Stammvater richtig auf Grund seiner Kenntnisse als Nürnberger Hospitalprediger und Familienforscher nennt, erwähnt, auch dass dieser dabei schon den Namen der Stadt Wimpfen angenommen habe. Bei diesem geschieht dies deshalb so, weil Sigmund in der damaligen genealogischen Literatur in dieser Art beschrieben ist.
Was das mit reichen Einkünften verbundene Reichsvogteiamt und angeblich dem Sigismund verliehene Reichsschultheißenamt betrifft, so ergibt sich aus dem diesbezüglichen Nachspüren bei Ludwig Frohnhäuser („Geschichte der Reichsstadt Wimpfen …“) und August von Lorent („Wimpfen am Neckar. Geschichtlich und topographisch … dargestellt“), beide 1870, sowie den unten noch genannten Autoren Folgendes: Zwar konnte die Stadt Wimpfen dieses in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts, nachdem es 1315 käuflich aus der Hand des Heinrich von Herbotisheim und Ehefrau an CONRAD VON NUFERN übergegangen war, durch Kauf an sich bringen. Trotzdem muss dieses Amt danach von den hierzu allein bevollmächtigten Kaisern tatsächlich immer wieder verpfändet oder als Gnadenerweis verschenkt worden sein. Denn 1358, d. h. in der Zeit von Kaiser Karl IV., wird ein Drittel an Vogtei und Schultheißenamt aus der Hand des HEINTZ VON BUTINGEN von der Reichsstadt Wimpfen zurückgelöst. Und um 1360 findet sich dieses zusammen mit dem Umgeld (Getränkesteuer) pfandweise in die Hand des GRAFEN VON WÜRTTEMBERG gegeben. Nachdem 1361 beide Regale vom Kaiser IV. wieder ausgelöst worden sind, vergibt dieser 1377 die Wimpfener Vogtei (zusammen mit dem Reichsschultheißenamt) abermals, und zwar an seinen HOFSCHREIBER SIEGFRIED STEINHEIMER. 1383 gelingt es der Stadt, die Vogtei wieder zurückzuerwerben. Dieses Geld verschlingende Hin und Her geht mehrfach bis in das ausgehende 15. Jahrhundert hinein weiter. Zwar dürften diese angeführten urkundlichen Nachrichten über die kaiserliche Vergabe dieses Amtes nur Bruchstücke des diesbezüglich Gewesenen darstellen; dennoch: Wenn dieses Amt wirklich an Sigismund vergeben worden wäre, so müsste dieser Vorgang sowie die Rückgabe oder Rückerwerbung denn doch in den Chronikwerken von Frohnhäuser oder von Lorent oder auch in anderen Werken wie den Dissertationen von Jülch (1959), Endriss (1967), Schroeder (1973) und Hafer (1993), in denen allen keinerlei diesbezügliche Hinweise zu finden sind, denn doch irgendwo in Erscheinung treten.
Nach dieser langen Kette von Ausführungen über die von Sporhan-Krempel zurechtgerückte Fehlerhaftigkeit der über weit mehr als ein Jahrhundert gegangenen Beschreibung des Stammträgers des Von Wimpffen-Geschlechts seien der Klarheit halber resumierend die folgenden von dieser wiedergegebenen Grundtatsachen herausgestellt: Als Stammträger des Adelsgeschlechtes derer von Wimpffen ist der zu Beginn des 15. Jahrhunderts von der kleinen Reichsstadt Wimpfen am Neckar nach der großen oberschwäbischen Reichsstadt Augsburg gezogene Kaufmann SIGMUND HERMANN anzusehen, der AGNES BRACHERIN oder auch PRACHERIN, zur Frau gehabt und dort der sog. Ehrbarkeit (genannt auch Zweiter Stand gegenüber dem sog. Ersten Stand der sog. Patrizier) angehört hat.
C. Wie der große ehedem im Besitz der Familie gestandene Von-Wimpffen-Stammbaum des Johann Wilhelm Stör von ca. 1750/60, dazuhin die den Von Wimpf(f)en geltenden genealogischen Betrachtungen des Nürnberger Hospitalpredigers Georg Ernst Waldau von 1787 sich ab der 2. und 3. Generation der Hermann und späteren Von Wimpffen als voll übereinstimmend mit jenen von Lore Sporhan-Krempel erweisen und somit deren Forschungsergebnisse indirekt weitere Bestätigung finden.
Dass die vorstehende Kritik und Korrektur der Autoren von Aubert des Bois (1778) bis von Wurzbach (1888) unbezweifelbar berechtigt ist, wird sich im nunmehr anstehenden Fortgang des Schreitens durch die Generationen dadurch bestätigen und erhärten, dass die Diskrepanz zwischen den Aussagen der Autoren der vorgenannten Gruppe I und den über jeden Zweifel erhabenen solchen von Sporhan-Krempel sich ohne jegliche Ausnahme von (bei Wurzbach) Generation II bis VIII und teilweise bis IX bzw. (bei Stör) von Generation 2 bis 7 und teilweise 8 und ohne Abstrich fortsetzen wird. Darüber hinaus wird es sich auch zeigen, dass die bezüglich ihrer Generation 1 getroffenen teilweise noch mit Wurzbach einhergehenden Aussagen des Stammbaumes Stör (ca. 1750/60) und des von Beitrags Waldau (1787) ab der Generation 2 mit jenen von Sporhan-Krempüel bleibend so gut wie voll übereinstimmen. Um die getroffenen jeweiligen Aussagen permanent veranschaulichend begleiten prüfend untereinander vergleichen zu können, seien nachfolgend noch einmal die in den Abb. 7 und Abb. 8 bereits gezeigten diesbezüglichen graphischen Darstellungen, jetzt allerdings unter weiterer Beigabe von Finde- und Vergleichshilfen, eingefügt:
Abb. 13: Der unbetitelte und undatierte Stammbaum der dort so genannten Familie Hörman von Wimpffen, Kupferstich von Johann Wilhelm Stör, geb. 1705 und gest. 1765 in Nürnberg (Gestalter), und Atanias (Stecher) von ca. 1750/60, signiert mit „Atanias sculpit“ – „J.W. Stör excudit“; hier verändert durch jetzt eingebrachte Titelgebung, Nachtragungen bei Generation 9, Kennzeichnung der Generationen durch Nummerierung mit arabischen Ziffern im Stammbereich sowie jetzt auch der einzelnen Glieder derselben durch Buchstaben, außerdem durch die untenstehende Erklärung (Anmerkungen) hierzu sowie (oben) durch weiterführende Angaben zur Generation 9 und 10 und (beidseitig unten) Beschriftung der beiden Neben-Stammbäume;
Abb. 14: Die I. Stammtafel der Freiherren und Grafen v. Wimpffen. Aeltere Linie; entnommen dem 1888 erschienenen genealogischen Standardwerk des Constantin von Wurzbach „Die Freiherren und Grafen von Wimpffen … Mit zwei Stammtafeln“; verändert durch Kenntlichmachung der elementaren Unterschiede gegenüber dem Stammbaum des J. W. Stör von um 1750/60 sowie zur Förderung der Durchschaubarkeit und Vergleichbarkeit durch Einbringung der Generationenzählung, links bezogen auf Aubert des Bois und von Wurzbach in römischen, rechts bezogen auf Stör in arabischen Ziffern; außerdem ergänzt durch die Kennzeichnung der Abzweigungsstellen des sog. Aelteren sowie Jüngeren Hauptastes, dazu des sog. Dänischen Zweiges.
Generation 2:
Folgen wir bei der nunmehr anstehenden Suche des Stammhalters mit Gattin und gfls. Geschwistern desselben der Folgegeneration 2 weiterhin Lore Sporhan-Krempel, so finden wir bei dieser die Angabe, dass einer der Söhne des Sigmund Hermann LEONHARD hieß, der mit einer BARBARA ENTZINGIN verheiratet war. Der vergleichende Blick in den Stammbaum von Stör ergibt (siehe diese sowohl in der Abb. 12 – wie bereits angesprochen – in der oben durchlaufenden Namens- und Wappenzeile als auch in Abb. 13 unter 3a bis 3g) – nach den vorstehend ausgesprochenen Korrekturen an dessen vorgestellter Generation 1 vielleicht eher überraschenderweise – grobe Übereinstimmung. Denn dort steht LIENHARD (2a), was die alte Form von Leonhard ist, und ANNA ENTZIN (2a). Die Abweichung beim Nachnamen der Frau (Entzing statt Entz) dürfte nur wenig negativ wiegen, aber auch die unterschiedliche Vornamengebung. Denn bei der damaligen Sitte, den Kindern eine ganze Reihe von Vornamen zu geben, die sich dann oft alle in Urkundennennungen verzeichnet finden, ist es für den Uneingeweihten schwer, den Hauptnamen herauszufinden; und so könnten die Andersnennungen von einer solchen Fehlauswahl verursacht sein. Die Abweichungen haben das Gute, uns zu signalieren, dass die Autorin ihr diesbezügliches Wissen nicht aus dem Stammbaum Stör, sondern aus anderen – und zwar primären – Quellen geholt hat, ein Umstand, der die letztendliche Zuverlässigkeit beider Quellenlieferanten signalisiert. Letztlich dürften Stör und Sporhan-Krempel (zu unterschiedlichen Zeiten im Abstand von ca. 125 Jahren) aus denselben Augsburg-Nürnberger Quellen geschöpft haben. Was die in der Generationsreihe 2 von Stör noch angegebenen Namen von 4 Geschwistern, nämlich 2 Brüdern des Namens NICOLAUS mit Frau CHRISTINA BLANCKIN (2b) und CHRISTOFF mit Frau FELICITAS EBERHARDIN (2e) und 2 männerlosen Schwestern namens CATHARINA (2c) und AGNES (2e), anbelangt, so ist bei Sporhan-Krempel darüber nichts ausgesagt. Aus den beigebenen Wappenzeichen ist abzulesen, dass der Widder zur Geschlechtsunterscheidung bei den männlichen Abkömmlingen, heraldisch gesehen, nach links, bei den weiblichen solchen nach rechts (von der Blickrichtung her umgekehrt) gerichtet ist. Da den Hermann-Hörman, wie oben gezeigt, noch kein Adelswappen zu eigen gewesen sein kann, muss man den nunmehr jeder im Stammbaum erscheinenden Person ihrer Familie zugeordneten Widder als eine Art Zugehörigkeitszeichen und nicht mehr betrachten.
Mehr lässt sich über diese nicht sagen. Worauf allerdings im Rahmen der Generation 1 schon hingewiesen wurde, das ist die Tatsache, dass bei den Autoren der o. a. Gruppe I bezüglich der Kinder des Sigmund Hermann (1. Generation) = bezüglich der Angehörigen der 2. Generation und jenen des Stammbaumes Stör keinerlei Übereinstimmung besteht. Das zeigt auch der vergleichende Blick in Abb. 14, deren Angaben nachfolgend aufgeführt sind und zum Vergleich herangezogen werden können:
Bruder:
Johann Albert,
Domherr zu Würzburg
geb . 1354
Stammträger der Gen. II laut I. Stammtafel des C. v. Wurzbach:
Karl August,
kaiserlicher Feldhauptmann,
geb. 1352,
verheiratet mit:
1) Maria Eva von Ruseck
2) Lisa von Wildeck Bruder:
Friedrich Bartholomäus,
geb. 1356
Mit der Berufsangabe des Stammträgers „kaiserlicher Feldhauptmann“ ist dieser bei Wurzbach ähnlich dem Vater (dort: kaiserlicher Feldoberster) deklariert. Wie zu erwarten, ist dieses an Aubert des Bois festgemacht, der diesen zunächst gleichgerichtet folgendermaßen umschreibt: „II. CHARLES AUGUSTE DE WIMPFFEN, né en 1353, Officier au service de l’Empereur, épousa 1381 à Nuremberg, Marie-Eve, Baronne de Ruseck, dont: – CHARLES-AUGUSTE, né en 1383, Chambellan de l’Empereur & Officier dans ces troupes, mort sans postérité; – & FRÉDÉRIC-AUGUSTE, qui fuit.“ = „KARL AUGUST VON WIMPFFEN, Offizier im Dienste des Kaisers, heiratet 1381 in Nürnberg Maria Eva von Ruseck, deren – zu ergänzen – Kinder: Karl August, geb. 1383, Kammerherr des Kaisers und Offizier in seinen Truppen, gestorben ohne Nachkommen.“ Abgesehem vom sich in der I. Stammtafel unerheblich um ein Jahr unterscheidenden Geburtsjahr, umfassen Wurzbachs Angaben jedoch sehr viel mehr; er schreibt nämlich: „32. KARL AUGUST (geb. 1553) – (demnach handelt es sich bei der Eintragung in der I. Stammtafel um einen Übertragungsfehler) – Herr auf Brixenstein, Zabietstein und Ebershausen, ein Sohn S i g i s m u n d H e e r e m a n n s aus dessen zweiter Ehe mit L u d o v i c a von K h e i t. Auch er stand, wie es denn in der Familie W i m p f f e n ein vorherrschender Zug ist, sich dem Waffenhandwerk zu widmen, in kaiserlichen Kriegsdiensten, und zwar als Feldhauptmann. Er soll es auch sein, welcher der e r s t e mit seiner Familie bleibenden Wohnsitz in der damaligen freien Reichsstadt Nürnberg nahm, worauf die Famile nahezu drei Jahrhunderte hindurch unter den Patriziern Nürnbergs erscheint. Aus seiner ersten Ehe mit Maria Eva von Buseck hatte er zwei Söhne: K a r l A u g u s t , der im Herrendienste und als Kämmerer beim Kaiser stand, und F r i e d r i c h A u g u s t, der den Stamm fortpflanzte. Seine zweite Ehe mit Lisa von Wildeck blieb kinderlos.“ Wie sich bei der Betrachtung der Nachfolgegeneration 3 zeigen wird, liegt bei der vorliegenden Feststellung dessen Zuzugs nach Nürnberg etc. eine irrtümliche Zuordnung Wurzbachs vor, die laut Aubert des Bois eigentlich auf dessen ältesten Sohn und Stammhalter Friedrich-August zu beziehen ist. Auf die etwas verknappten, doch auch bezüglich der vorstehend konstatierten Verwechlung gleichgerichteten Angaben im Gotha, letztlich auch Beweis des Schöpfens von Wurzbach aus diesem, sei hier verzichtet. Bei Kneschke ist Karl August ebenfalls als der nach Nürnberg weg von der Familie Ausgewanderte vermerkt. Dass diese totalen Diskrepanzen zwischen den Autoren der Gruppe 1 und der Gruppe 2 sich bis hin zu der Generation VIII und teilweise auch IX (nach der Zählung von Aubert des Bois und Wurzbach) bzw. 7 und teilweise 8 (nach der Zählung bei Stör) fortsetzen und dort die Ehefrauen der Stammträger ohne jede Ausnahme Adelsnamen tragen, darauf sei jetzt schon vorausnehmend verwiesen.- Wir gehen nun zu der
Generation 3:
Als Stammhalter ist von Sporhan-Krempel und Stör HEINRICH (3a) angegeben, der ANNA REITERIN (3a) zur Frau hatte. Über die dort aufgeführten sechs Geschwister dieses (wie später gesagt wurde: älteren) Heinrich ist bei Sporhan-Krempel nichts ausgesagt. Bei Stör finden sich je drei Brüder (3c: ALBRECHT mit Gattin ELISABETH MAIEBERGERIN, 3d: WOLFFGANG mit Gattin AFRA MARBACHERIN und 3f: wiederum LIENHARD mit Gattin SUSANNA DOLDERIN) sowie drei Schwestern (3b: ANNA mit Gatten HANS BEYSEL, 3e: MARIA und 3g: ANNA). Der Umstand, dass die Schwestern 3b und 3g den gleichen Namen ANNA aufweisen, lässt sich wohl damit erklären, dass eine so genannte Tochter früh verstorben ist und einer später geborene solche den Namen der verstorbenen Schwester erhielt.
Was die Generation 3 bzw. III betrifft, so findet die Vergleichung der Aussagen der Namens- und Jahresdaten sowie Betitelung des Stammbaumes Stör und von Sporhan-Krempel einerseits mit den Angaben von Wurzbach in seiner I. Stammtafel andererseits keinerlei Übereinstimmung: Stutzig macht die Betitelung des dort als Stammträger aufgeführten Friedrich August „Senator der Stadt Nürnberg“.
Stammträger der Gen. III laut I. Stammtafel des C. v. Wurzbach:
Friedrich August,
Senator der Stadt Nürnberg,
geb. 1385,
verheiratet mit:
Ludovica Theresia von Wolfskehl;
1 Bruder:
Karl August, geb. 1383
Demnach soll der Wechsl von Augsburg nach Nürnberg also denn doch von diesem angeblichen Stammträger der Generation III FRIEDRICH AUGUST stattgefunden haben und nicht bereits, wie Wurzbach diesen verwechselnderweise seinem Stammträger der Generation II namens KARL AUGUST zugewiesen hat,. Das findet sich auch bei Wurzbachs Vorreiter Aubert des Bois so verzeichnet, der allerdings zuvor wieder sich der stereotypen Aufzählung der angeblichen Streubesitztümer befleißigt: „III. FRÉDÉRIC-AUGUSTE DE WIMPFFEN, né en 1385, Seigneur de Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen & autres lieux, entra dans le Sénat de Nuremberg, enposé pour-lors de la Noblesse la plus qualifiée. Suivant l’acte de célébration de mariage il épousa, en 1415, LOUISE – THÉRESE DE WOLFFSKHIEL, & n’en eut q’un fils, nommé IV. JEAN DE WIMPFFEN … .“ = „III. FRIEDRICH-AUGUST VON WIMPFFEN, geboren 1385, Herr von Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen und anderen Orten, trat in den Senat von Nürnberg, eingegliedert seitdem in den höchstgestellten Adel (gemeint dieser Stadt). Der Heiratsurkunde folgend, verehelichte er sich mit LUISE THERESE VON WOLFSKIEL, und von diese hatte er nur einen Sohn namens IV: HANS VON WIMPFFEN.“ Während in Wurzbachs I. Stammtafel die im Text für die Generation II fehlerhaft berichtete Auswanderung des Stammträgers Karl August jenem der III. Generation Friedrich August durch den beigebenen Titel „Senator der Stadt Nürnberg“ zugewiesen ist und damit die fehlerhafte Eintragung sich indirekt korrigiert findet, ist weder im Gotha noch bei Kneschkle eine Korrektur vorgenommen.
Wir kommen in der nunmehr umrissenen Nachfolgegeneration 4 auf diesen von Aubert des Bois beschriebenen (und verwechselnderweise von Wurzbach bereits dem Stammhalter der Generation 3 zugeschriebenen) Vorgang der Auswanderung von Augsburg nach Nürnberg zurück.
D. Wie der Stammträger der 4. Generation, nämlich der ebenfalls Fernhandel betreibende HEINRICH HERMANN (später zubenannt: DER JÜNGERE), 1512 nach Nürnberg auswandert, dort 1515 in das Bürgerrecht einrückt, Genannter des Größeren Rats wird und sich vor allem wohl zur Unterscheidung von den in Augsburg verbliebenen Gliedern seines Geschlechts den Beinamen „VON WIMPFFEN“ zulegt und dessen Bruder HANS (später der Ältere genannt) eine LINDERIN oder LINDENMAIRIN heiratet, nach Italien zieht und 1504 sich in Venedig niederlässt.
Generation 4:
Wieder erscheint bei Stör als Stammhalter HEINRICH (4a), dessen Frau laut Stör URSULA DAXIN (4a), laut Sporhan-Krempel ANNA DAXIN gewesen ist. Von diesem, wie er genannt wurde, JÜNGEREN HEINRICH weiß Sporhan-Krempel folgendes Habhafte und Wegweisende zu berichten: „Die alten Genealogien enthalten kaum Jahreszahlen, doch wenn man weiß, daß der Sohn Heinrich 1512 nach Nürnberg auswanderte, so darf man annehmen, daß er etwa 1485 geboren wurde. Von ihm wird in der Familien-Genealogie gesagt, ‚er sei der erste, der nach Nürnberg gekommen sei und sich Hermann von Wimpffen genannt habe’, vermutlich doch wohl zur Unterscheidung von anderen Hermännern. Diesen Zusatz übernahmen dann auch die anderen Mitglieder der Familie. Manchmal steht der Name voraus, manchmal heißt es auch nur ‚genannt Hermann’. Manchmal wird aber auch die Beifügung weggelassen, denn mit der Zeit wurde das ‚von Wimpffen’ immer wichtiger und ‚Hermann’ trat zurück. … Heinrich in Nürnberg war mit einer ANNA DAXIN verheiratet. Er wurde 1515 Bürger zu Nürnberg und im selben Jahr auch Genannter des Größeren Rats. Er führte das Prädikat ‚Ehrbar’. Im August 1532 starb er und wurde auf dem St. Johannesfriedhof begraben.“ Die Exaktheit der Daten- und Ortsangaben von Sporhan-Krempel weisen aus, dass diese auf vorliegenden Nürnberger Aktenunterlagen basieren und somit als zuverlässig angesehen werden können. Und z. B. ergibt die prüfende Nachschau in der Schrift von Friedrich Gugel, „Norischer Christen Freydhöfe Gedächtnis“ unter Nr. 1030 die folgende bestätigende und ergänzende Eintragung: „Anno Domini 1532 den 19. Tag Augusti starb Heinrich Hermann von Wimpffen.“
Laut Sporhan-Krempel, hat sich das, was Aubert des Bois bereits seinem angeblichen Stammträger der Generation III FRÉDÉRIC-AUGUSTE DE WIMPFFEN und Wurzbach zunächst vielleicht aus Versehen bereits demjenigen seiner Generation II KARL AUGUST, aber dann in seiner I. Stammtafel Aubert des Bois folgend, denn doch korrigierend dem Stammträger FRIEDRICH AUGUST der III. Generation zuschreibt, nämlich die Auswanderung von Augsburg nach Nürnberg, in Wirklichkeit also erst in der Generation IV bzw. 4 – und zwar im Jahre 1512 – abgespielt. Damit taucht bei Sporhan-Krempel erstmals eine genaue über das Werden derer Von Wimpffen berichtende Jahreszahl auf. Und aus dieser Auswanderung heraus wuchs der Anbeginn der Änderung des Urnamens HERMANN-HÖRMAN zunächst in Form des Anhängens der Herkunftsbezeichnung VON WIMPFFEN an diesen, wohlgemerkt nicht als Adelsbezeichnung, wie das von den Autoren der Gruppe 1 von Anbeginn ab und auch bei Aubert des Bois durch das angehängte DE WIMPFFEN gesehen wird sowie bei deren Nennung all der angeblich adligen Ehefrauen der Stammträger geschieht. Diese Namenserweiterung und die Auswanderung nach Nürnberg geschah demnach ca. ein Jahrhundert nach der Auswanderung der Hermann-Hörman von Wimpfen nach Augsburg in der vierten Generation. Dass der Epitaph auf dem Johannesfriedhof dieses jüngeren Heinrich demnach die Namensbezeichnung „HEINRICH HERMANN VON WIMPFFEN“ getragen habe, darauf weist Dr. Hans H. von Wimpffen in einer Mail an mich vom 2. Dezember 2014 hin, womit er verdeutlichen will, dass in der Tat schon damals von den Hermännern die Bezeichnung „von Wimpffen“ als Nachnamenzusatz verwendet worden ist. Laut Rüdiger Jülch ist in einer Eintragung des Heilbronner Urkundenbuches des Jahres 1517 ein „HERMANN HEINRICH VON WIMPFEN, Bürger zu Nürnberg“ aufgeführt, dessen Person höchstwahrscheinlich mit HEINRICH HERMANN identisch ist und als Indiz dafür gelten könnte, dass dieser – wie sein Vorfahr Sigismund und, wie es sich noch zeigen wird, seine direkten und zahlreiche indirekte Nachkommen in mindestens drei Generationen – Handelsmann, sprich Fernkaufmann, gewesen ist. Zwar finden sich in dieser Heilbronner Eintragung Vor- und Nachname ausgetauscht, ein Umstand, der jedoch in Anbetracht deren bei den urkundlichen Namensnennungen wechselnden Positionierung als unerheblich angesehen werden kann, zumal denn auch die Datierung 1517 in das übernächste Jahr nach der Zuerkennung des Nürnberger Bürgerrechts fällt. Genau so dürfte die wiederum unterschiedliche Angabe des Vornamerns, hier URSULA, dort ANNA, die Glaubwürdigkeit beider Quellen nicht mindern, was bereits an früherer Stelle begründet wurde.
Der zweitletzte Satz in Sporhan-Krempels Angaben zur Person des Augsburg-Nürnberg-Auswanderers Heinrich des Jüngeren weist aus, dass dieser mit der Aufnahme in das Nürnberger Bürgerrecht ca. 3 Jahre nach seiner Zuwanderung und der im gleichen Jahr 1515 erfolgten Erhebung zum Genannten des Größeren Rats sowie der Einstufung in die Gruppe der sog. Ehrbarkeit oder des Zweiten Standes die von ihm dort als solcher erreichbare höchste Sprosse in der Leiter des gesellschaftlichen und politischen Aufstieges in die einige hundert Familien umfassende Gruppe der sog. Zweiten oder Ehrbaren Geschlechter erreicht hatte. Höher stand dort nur die kleine Gruppe der alteingesessenen sog. Vordersten oder auch Ersten Geschlechter, von den Außenstehenden auch Patrizier genannt; als Selbsbezeichnung kam die letztgenannte Betitelung in Nürnberg nicht vor. Letztere umfasste zunächst 22, später 26 und schließlich ab 1521 insgesamt 42 Familien, denen allein Sitz und Stimme im machtpolitisch an der Spitze stehenden sog. Inneren oder Engeren oder auch Kleineren Rat zustand. Wenn Aubert des Bois vom Eintritt in den „Senat von Nürnberg“ (das französische Wort „Sénat“ lässt sich in kein anderes Wort übersetzen) bzw. Wurzbach den schillernden Titel „Senator von Nürnberg“ verwendet (siehe beides oben bei Generation 3), so könnten diese zwar durchaus an den machtpolitisch und gesellschaftlich bedeutenderen „Kleineren Rat“ denken, zumal Wurzbach expressis verbis auch davon spricht, dass nach ihrer Wohnsitznahme dort „die Familie nahezu drei Jahrhunderte hindurch unter den Patriziern Nürnbergs erscheint“. Immerhin passt die letztgenannte Formulierung auf alle Fälle zu der Tatsache, dass die Nachkommen der Herrmann von Wimpffen, wie sie sich jetzt nannten, von der ihnen in jedem Fall gegebenen Möglichkeit, in diese höchsten Kreise der Ersten sog. patrizischen Geschlechter durch Heirat hineinzugelangen und damit allerhöchstes Ansehen zu genießen, immer wieder in hohe bis sehr hohe Stadtämter aufzusteigen sowie den Besitz und das Sozialprestige mehren zu können, regsten Gebrauch machten. Darauf weist G. E. Waldau, übereinstimmend mit den oben bereits dargelegten Angaben von Sporhan-Krempel, folgendermaßen hin: „Er (gemeint der jüngere Heinrich) wurde 1515 Genannter des größeren Raths, und seine Nachkommen haben sich bei uns bald mit den besten adelichen und rathsfähigen Familien, den Dörrern, Groland, Pfinzing, Behaim, Kreß, Löffelholz, Tucher u. a. (die Unterstreichungen stellen Hervorhebungen des Verfassers dar) verheirathet und verschwägert.“ Dass der auf sieben Nürnberger Patrizierfamilien und mehr bezogene zweite Teil der vorstehenden Feststellung ohne jeglichen Abstrich zutrifft, wird bei der Fortführung des Stammbaums von Stör dadurch evident werden, dass dort alle diese Namen Nürnberger Patrizierfamilien sukzessive über die Generationen 5 – 8 hinweg im Zusammenhang mit Eheschließungen auftauchen werden. Sicher erscheint auch die aus der raschen Aufnahme in das Bürgerrecht und dem Erscheinen im gleichen Jahr als Genannter des Größeren Rates zu schließende Tatsache, dass der jüngere Heinrich bereits bei seinem Zuzug nach Nürnberg über ein bedeutendes Ansehen sowie ziemliche pekuniäre Mittel und/oder sonstiges Vermögen verfügt haben muss, sicherlich erworben, wie sich noch zeigen wird, im Fernhandel.
Was die im Stammbaum aufgeführten sieben Geschwister des Heinrich betrifft, so sollen diese hier im einzelnen wegen ihrer zusammen mit ihren Ehepartnern großen Fülle nicht aufgeführt werden, zumal deren Namen und Wappenzeichen ja durch Nachschau im Stammbaum (am besten mit Lupenhilfe) ermittelt werden können. Darunter finden sich allein sechs Brüder (4b, 4c, 4e, 4f, 4g, 4h) und nur eine (4 d) Schwester. Über den unter 4f zu findenden Bruder des jüngeren Heinrich namens HANß (später DER ÄLTERE genannt) weiß Sporhan-Krempel die folgende aufschlussreiche und unbezweifelbar richtige Aussage zu machen, welche die Berufstätigkeit Heinrichs als Fernhändler verifiziert: „Heinrichs Bruder (gemeint HANß, bei ihm HANS geschrieben), verheiratet mit einer ANNA (statt bei Stör BARBARA) LINDERIN (statt bei Stör LINDENMAIRIN), zog nach Italien und ließ sich 1504 in Venedig nieder. Diese beiden Auswanderungen nach Nürnberg und Venedig sprechen dafür, daß die Hermann Kaufleute, Fernhändler waren.“ Somit brachten diese sich höchstwahrscheinlich ununterbrochen seit ihren Anfängen in Augsburg schon über die ganze Zeit in dem ebenso lukrativen wie risikoreichen Erwerbsbereich ein, aus dem die geflügelte Rede „Nürnberger Tand geht durch alle Land“ herausgewachsen ist. Und deren Betätigung als Fernhändler wird in der Fortführung des Stammbaums fortdauern. Die angeheiratete BARBARA oder ANNA LINDER (bzw. LINDENMAIRIN) dürfte der aus Posen stammenden Nürnberger Fernhändler-Familie der LINDNER angehört haben. Wieder differieren der von Spör und Sporhan-Krempel angegebene Vorname der Frau, was seine Erklärung bereits anlässlich früher schon mehrfach aufgetretener gleicher Fälle gefunden hat. Was die dreimal voneinander abweichende Form des Mädchennamens der Frau betrifft, so stellen diese immerhin sich ähnelnde Namensvarianten dar, welche die Anerkennenswürdigkeit der Grundangaben wohl kaum beeinträchtigen dürften.
E. Wie aus der Nachkommenschaft von Hans dem Älteren die Tochter SYBILLA in Venedig den später in das im Nürnberger Stadtregiment höchst wichtige Amt des Losungers und schließlich dort in den Engeren Rat einrückenden BALTHASAR DERRER heiratet, der Sohn WILHELM nach Augsburg zurückkehrt und dort eine Angehörige der reichen Kaufmannsfamilie der SCHMUCKER zur Frau nimmt, womit die ersten Eheverbindungen der Hermann von Wimpffen mit Angehörigen Erster Geschlechter entstehen.
Bei der nunmehr anstehenden Betrachtung der Generation 5 sei deren Stammträger namens DOMINICUS mit Gattin (5a) zunächst übergangen und der Blick zuerst auf die Nachkommen von HANS DEM ÄLTEREN, dem „Italienfahrer“, wie Sporhan-Krempel diesen wegen seiner Niederlassung in Venedig nennt, und seiner Frau, der LINDNERIN oder LINDENMAIERIN berichtet. Laut Stammbaum Stör hatten diese 5 Kinder, 4 Söhne (5b, 5d, 5e, 5f) und eine Tochter (5b), die SYBILLE, wie Sporhan-Krempel berichtet, hieß und mit BALTHASAR DERRER verheiratet war. Die gering abweichenden Namensangaben von Stör SYBILLA und DÖRRER dürften unerheblich sein. Laut Sporhan-Krempel fand die Hochzeit 1530 in Venedig und damit in jener mächtigen und glanzvollen Fernhandelsstadt statt, die jahrhundertelang das Monopol für den europäischen Levantehandel besaß und von der Pfeffer und viele andere Gewürze, Öl und Safran, Seide und Musseline, Balsam und Weihrauch u. v. a. m. aus dem Orient, aus Indien, China usw. sowie etwa auch italienische Handwerks- und Kunstgewerbeerzeugnisse über die verschiedenen zentralen Alpenpässe insbesondere nach Augsburg, Nürnberg, Regensburg etc. und von dort bis hin nach dem Norden Europas gebracht und gegen nach dem Süden Europas transportierte deutsche Leinwand, Erzeugnisse des florierenden deutschen Bergbaus und Metallwaren, flandrische Tuche, Pelzwerk usf. ausgetauscht wurden. Die Derrer von Unterbürg (so beigenannt nach der ihnen im ausgehenden 15. Jahrhundert zugekommenen und vom Kaiser als Stammsitz bestätigten Wasserburg nahe Erlenstegen) gehörten zu den Ersten Nürnberger Geschlechtern, die sich als solches 1319 ersterwähnt und im Engeren Rat bereits seit 1355 (FRITZ DERER) finden. Dieses ist also die erste der von Waldau (siehe oben) angesprochenen Einheiraten der Hermann von Wimpffen in eines der Ersten Nürnberger Geschlechter. Deren Wappen, ein mit drei stilisierten Blüten besetzter Schrägbalken, findet sich im Stammbaum von Stör nach (heraldisch gesehen) rechts statt normalerweise nach links geneigt. Aus den weiteren Angaben von Sporhan-Krempel unter Hinzuziehung von Peter Fleischmann ist noch Folgendes anzufügen: Es handelte sich bei dem Gatten um BALTHASAR I. DERRER (1509 – 1586), der sich 1504 am Hochzeitsort Venedig als (Fernhandels-) Kaufmann niedergelassen hatte. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor. Wegen des Geschäfts hat sich Balthasar Derrer mit seiner Familie bis spätestens 1532 in Venedig aufgehalten. Nach seiner nunmehrigen Rückkehr in die Vaterstadt Nürnberg wurde er 1534 zum Genannten (des Engeren Rats) und gleichzeitig zum Schöffen am Untergericht, später auch am Stadt- und Ehegericht bestellt. Nachdem das Stammhaus der Derrer am Weinmarkt bei der nach diesem benannten Derrersbrücke 1522 aus dem Besitz der Familie ausgeschieden war, erwarb er 1535, Zeichen seiner finanziellen Potenz, ein stattliches Anwesen zwischen Rathaus und Kaiserstallung (Burgstraße 19). Als sein Bruder Ladislaus III. (1496 – 1579) noch Alter Genannter des Kleineren Rates war, holten die Wähler Balthasar I. als jüngeren Bürgermeister in die Ratsstube, so dass zwischen 1536 und 1538, Beweis des Ansehens und der Machtstellung der Familie, sogar zwei Derrer im Kleineren Rat vertreten waren. Unverdrossen widmete Balthasar Derrer sich daneben seinem Fernhandelsgeschäft, aber auch den Aufgaben im Kleineren Rat, der ihn 1543 zum Rugherrn (das Rugamt übte die Aufsicht über das Handwerk aus) bestellte. 1557 kommt er vertretungsweise und 1858 definitiv als erster Bürgermeister an die Reihe. Zwei Jahre zuvor war seine Frau Sybilla aus dem immerhin der Ehrbarkeit (Zweiten Stand) angehörendern Geschlecht der Hermann von Wimpffen gestorben und 1556, ein halbes Jahr nach deren Tod, war er in eine zweite Ehe mit MAGDALENA BAYER eingetreten. Diese stammte ebenfalls nicht aus dem Patriziat, sondern wieder „nur“ aus dem Zweiten Stand, „was bei den Derrer“, so Fleischmann (bezogen auf die Heiraten der Frauen), „sehr häufig zu beobachten ist“. Die
Abb. 15: Medaille mit dem Brustbild für Balthasar Derrer I. (1509 – 1586) und der Umschrift dessen Namens sowie „AETATIS. LX.“
zeigt den Vorbeschriebenen im Alter von 60 Jahren. Hier auf die weitere Schilderung dessen permanenten Aufstiegs in der Nürnberger patrizischen Rats- und Ämterhierarchie verzichtend, seien nur noch die Endpunkte aufgeführt: Von 1580 ab amtiert er als der Vorderste der beiden sog. Losunger, deren Amtsbezeichnung auf das mittelhochdeutsche Wort lôsunge oderr loesunge zurückgeht und u. a. die Auslösung mit Geld oder die Geldeinnahme mit Steuererhebung bedeutete. Dessen und des sog. Zweiten Losungers Aufgaben bestanden vor allem im Erheben und Verwahren der Vermögenssteuer und des seit Mitte des 13. Jahrhunderts erhobenen Ungelds (Getränkesteuer), im Entrichten der Reichssteuer sowie im Bestreiten der Ausgaben; damit waren sie für die Erhebung und Verwaltung der öffentlichen Einkünfte zuständig. Dieses verantwortungsvolle Amt wurde natürlich nur an Angehörige der Ersten Geschlechter vergeben, die sich bereits in anderen Ämterfunktionen bewährt hatten. Auch war ihnen damals in Personalunion als Oberste Hauptleute der Staatsschatz anvertraut. In der sog. Losungsstube, die schwer gesichert und nur durch eine versteckte Tür über eine schmale Wendeltreppe erreichbar war, befanden sich neben den Geldvorräten auch die wertvollsten Dokumente der Reichsstadt. Außerdem rückt Balthasar Derrer I. kurz danach ohne sein Zutun kraft seines hohen Alters von 70 Jahren zum vordersten Repräsentanten des Kleineren Rates und somit auch des reichsstädtischen führenden Stadtregiments in Nürnberg sowie als Verweser des Reichsschultheißenamtes auf. Daneben darf er auch weiterhin seine Kaufmannschaftshandlung betreiben, bis ihn am 16. März 1586 der Tod erteilt. Sicherlich hat diese Einheirat in die zu den Ersten Geschlechern Nürnbergs gezählte Familie bei der nur dem Zweiten der Nürnberger Geschlechter der Ehrbaren zugerechneten Hörmann-Familie hohen Gefallen gefunden und sehr zur Förderung ihres öffentlichen Ansehens beigetragen. Eine Standesderhöhung konnte es den Trägern des Namens Hermann von Wimpffen jedoch in Anbetracht der Nürnberger Machtgegebenheiten nicht bringen.
Wir schreiten nun weiter zum zweiten der vier Söhne des älteren Hans und der Linderin, der laut Stör und Sporhan-Krempel übereinstimmend WILHELM hieß und MAGDALENA SCHMÜCKERIN (5d) bzw. MAGDALENA SCHMUCKER geheiratet hat. Diese stammte, wie Sporhan-Krempel hinzufügt, aus Augsburg, der alten Heimat der Hermann von Wimpffen, wohin Wilhelm zurückgekehrt ist. Die Heirat erfolgte 1529, eben in dem Jahr, wo Wilhelm, wie es ausdrücklich in alten Aufzeichnungen heißt, „allda auf die Herrenstube gelanget“. „Das bedeutetet“, so folgert Sporhan-Krempel, „daß Wilhelm in das Augsburger Patriziat aufgenommen wurde. Halten wir das für später fest.“ Diese sog. Herrenstube war eine Augsburger gesellschaftliche Korporation, in der Patrizier und auch durch Heirat herrenstubenfähig gewordene Nichtpatrizier aufgenommen waren. Die Schmucker, die durch Barchenttuchhandel reich gewordene weberzünftige Kaufleute waren und zu den reichsten Augsburger Bürgern mit ganz beträchtlichem auswärtigem Streubesitz in Form mehrerer arrondierter Grundherrschaften gehörten, sind 1538, d. h. bald nach Heirat des Wilhelm, ins Augsburger Patriziat aufgenommen worden, in dem sie sich aber nur kurz halten konnten. Deren Wappen zeigt den von drei sechsstrahligen Sternen umfangenen Sparren der Schmucker. Dieser Sparren sticht dem Betrachter des Stammbaums von Stör dadurch ins Auge, dass er in den Wappen all der dieser Ehe entwachsenen Nachkommen über die drei Nachfolge-Generationen 6, 7 und 8 hinweg enthalten ist, allerdings jetzt zusammen mit dem darüber gesetzten Widder der Hermann von Wimpffen zu einem sog. Allianzwappen vereint. Der Widder schreitet hier allerdings nicht mehr auf den beiden Hinterbeinen, sondern rennt auf allen vier Beinen voran, und zwar wie bei der Urform bei den männlichen Sprösslingen (heraldisch gesehen) nach links, bei den weiblichen solchen nach rechts. Es erscheint schon kolossal, welche Zahl von Nachkommen im Gang der Generationen aus Wilhelm Hermann von Wimpffen und Magdalena Schmucker herausgewachsen ist: Sind es in Generation 6 nicht mehr als 6 (6l – 6q) solche, dann in Generation 7 bereits 9 (7r – 7z) + 3 (7aa – 7cc) + 7 (aus Platzgründen hinuntergesetzt: 7dd – 7kk) = 19 und in Generation 8 weitere 4 (8q – 8t) + 4 (8u – 8x) = 8 solche, das sind insgesamt 33. Doch liegt es auf der Hand, dass im Stammbaum nur eine beschränkte Nachkommenzahl wiedergegeben ist – oder besser gesagt – wiedergegeben werden kann, was natürlich auch für den Stammbaum in seiner Gesamtheit gilt! Abschließend sei das den männlichen direkten und indirekten Nachkommen der Augsburger Hermann von Wimpffen-Schmucker-Ehe zugekommene Wappen gezeigt:
Abb. 16: Das aus der Eheschließung von Wilhelm Hermann von Wimpffen mit Magdalena Schmucker von Augsburg des Jahres 1529 hervorgegangene Allianzwappen (Variante für die weiblichen Abkömmlinge
Aus der Reihe der Augsburger Ehe des WILHELM HERMANN VON WIMPFFEN mit MAGDALENA SCHMUCKER(IN) ist für uns aus der oben schon angeführten Reihe ihrer 6 Kinder als einiges genauer fassbar der bei Stör unter 6q zu findende Sohn JOHANNES. Laut Hans H. von Wimpffen war dessen vollständiger Name JOHANN ALBERT VON WIMPF(F)EN; dieser sei 1539 in Augsburg geboren und 1589 in Nürnberg gestorben; er habe in Straßburg studiert und den Beruf eines Arztes zuerst in Augsburg und dann in Nürnberrg ausgeübt. In dem 1564 in Ingolstadt erschienenen Buch „Vier Leichenreden auf den Tod von Herrn Dr. Frid. Staphyl“ erscheint er als einer der Leichenredner, der den Titel Doktor der sieben freien Künste und der Philosophie, Professor der Academie Ingolstadt, führt. Laut Günther Haberhauer „Illustrierte Chronik der Stadt Bad Wimpfen“ von 2012 soll dieser von 1563 – 1570 Fürstlich-Bayrischer Hofmedicus gewesen sein und 1574 als Präceptor in Vaihingen gewirkt haben. Unbezweifelbar erscheint, dass er ein enger Freund des berühmten und mit großem Erfolg neue Wege weisenden Arztes Paracelsus gewesen ist, dessen Werke er betreut und zum Teil herausgegeben hat. Die Titelseite seines Paracelsus geltenden Werkes des Jahres 1570 sei gezeigt in der nachfolgenden
Abb. A 17: Archidoxa D. Philippi Theophrasti Paracelsi von Hohenheim/zwölff Bücher/darin alle gehaimnueß der natur eröffnet/ … Gedruckt zu Münchenb/Bey Adam Berg Anno M. D. LXX …
Wie dem Titelende zu entnehmen, nannte Johann Albert sich dort in damaliger Manier des Humanismus „D. (DOCTOR) IOHANNE ALBERTO VVIMPINAEO, MEDICO & PHILISOPHO“. Das Hauptwerk dieses der medizinischen Wissenschaft Huldigenden hieß „De concordia Hippocraticorum et Paracelsistarum libri magni. Excursiones defensivae cum appendice, quid medico sit faciundum“. An dessen Beispiel wird klar, dass in der Reihe der unzählig-unüberschaubaren Augsburger wie auch Nürnberger Abkömmlinge der Herrmann-Wimpffen manche Berufe ergriffen haben bzw. ergreifen mussten, die völlig außerhalb derjenigen der hier im Fokus stehenden zentralen Personen des Geschlechtes lagen. Wichtig auch zu wissen, dass in seiner Namensbezeichnung der Urname Hermann bereits verschwunden ist.
F. Wie der ebenfalls Fernhandel betreibende Sohn von Hans dem Älteren namens HANS DER JÜNGERE der Generation 6 nach Zypern, einer von dessen Söhnen namens LIENHARD nach Italien heiratet und aus dessen dort zahlreich sich ausbreitender Kinderschar der abermals HANS geheißene Sohn der Generation 7 in die Nürnberger Großkaufmannsfamilie der TUCHER einheiratet, die zu den dortigen ganz großen Ersten Geschlechtern gehört.
Und nochmals den Stammhalter der Generation 5 zurückstellend, betrachten wird dort zuvor noch den ältesten der 4 Söhne des HANS und der LINDNERIN, der ebenfalls HANS (im Stammbaum Stör unter 5b und als HANß erscheinend) hieß und, wie Sprohan-Krempel angibt, CLARA DIOTÄT AUS ZYPERN geheiratet hat. Diese erscheint bei Stör jedoch als CLARA CLAUDIANI AUS ZIPERN. Zwar erscheint in Anbetracht der ganz erheblichen Unterschiedlichkeit des Zunamens der Frau der Erklärungsversuch beiderseitiger Lesefehler fragwürdig. Die Übereinstimmung deren Vornamens wie deren Herkunft spricht jedoch dafür, dass eine Ehe mit einer Zypriotin bestanden hat und die folgende den beiden Namen angefügte Schlussfolgerung von Sporhan-Krempel als richtig anzusehen ist: „Man muß mit Recht annehmen, daß die Hermann Handel mit Cypern trieben.“ Und diese fährt in voller Übereinstimmung mit dem Stammbaum von Stör und damit der als richtig anzusehenden Feststellung fort, dass einer der Söhne von HANS und CLARA, namens LEONHARD, mit einer Italienerin die Ehe eingegangen sei und der Sohn dieser beiden sich mit ANNA MARIA TUCHERIN verheiratet habe. Um die Richtigkeit dieser in die nächsten zwei Generationen blickenden Gedankensprünge zu überprüfen, muss man, ausgehend von 5b, sich in die Generationszeilen 6 und 7 begeben. Dort steht in der Tat beim erstgenannten der drei Söhne der beiden (6b, 6c, 6d) – Töchter erscheinen nicht – der beiden: LIENHARD (6b); und als dessen vom Namen her unbezweifelbare italienische) Ehefrau erscheint PIARINA DI ALDI vermerkt. Geht man von diesem Hörmann-Ehepaar der Generation 6 aus weiter, so stößt man in der Generationsspalte 7 auf sage und schreibe 13 Kinder (7b – 7n), 4 Söhne (7b, 7g, 7l, 7n) und 9 Töchter (7c, 7d, 7e, 7f, 7h, 7i, 7j, 7k, 7m). Die unter den Letztgenannten zu findende Tochter MARIETTA (7h) heiratet den mit Sicherheit als Italiener zu betrachtenden LAZARIO NONSIO und deren Schwester MAGDALENA (7 j) den aus derselben italienischen Familie stammendern (wohl Bruderr) UICENß NONSIO (siehe das Griechische Kreuz als deren Wappenzeichen). Vermutlich, leider sind die Namen nicht klar lesbar, haben auch die Schwestern derselben namens CLARA (7f) und (?) SASKIA (7e) italienische Männer, wovon derjenige der Letztgenannten JUAN CREMONI lauten könnte. Und der drittgenannte Sohn heißt wiederum HANß (siehe bei 7l), der tatsächlich eine PHILIPINA TUECHERIN geheiratet hat. Nicht übereinstimmend ist allerdings wieder einmal der von Sporhanh-Krempel mit MARIA bezeichnete Vorname! In diesem Fall liegt wiederum eine Eheschließung eines Hermann von Wimpffen mit einer Nürnberger Patrizierin vor. „Also wieder eine Verbindung zu Nürnberg“, wie Sporhan-Krempel sagt. Denn die Tucher (von Simmelsdorf) gehörten zu den ganz großen Geschlechtern der Reichsstadt Nürnberg, die dort 1309 zum ersten Mal genannt und 1340 in den Engeren Rat eingezogen sind. Diese waren in europäischen Handelszentren wie z. B. in Venedig tätig gewordene Großkaufleute, die sich ganz besonders im Safranhandel betätigten; auch waren sie herausragende Kirchenkunststifter. Ihren Namenszusatz bekommen sie schließlich 1697 von Kaiser Leopold sogar als Adelsname unter Immatrikulation im Ritterkanton Gebürg der Reichsritterschaft in Franken anerkannt. Allein dieser gewaltigen Geschwisterreihe dieses Hanß der Generation 7 oder dem Schicksal der aus der Eheverbindung Hermann von Wimpffen-Tucher hervorgegangenen vier Söhne und einen Tochter (siehe unter 8b – 8f) nachgehen zu wollen, würde eine unendliche Forschungsarbeit bedingen!
G. Wie Aubert des Bois und seine Adepten, nämlich der „Gotha“ und von Wurzbach, den von ihnen als Stammträger ihrer Generation IV gesehenen HANS I. , geboren angeblich 1418 in Nürnberg und bezeichnet als der Italien- und Frankreichfahrer, als späteren Ritterführer im Elsaß, schließlich als angesehenen denkwürdigen Bürger im dortigen Haguenau lebend und auch dort 1492 sterbend sowie Nachkommen in mehreren Generationen hinterlassend beschreiben und wie sich auch schließlich Bestätigungen seiner offenbar adligen Abstammung wie auch dortigen Tätigkeit im Magistrat, als Schöffe und Stettemeister und seines Todes wie auch sein Siegel findet, aber dennoch eine genaue Einordnung in den Von Wimpffen-Stammbaum nicht möglich ist und auch bezüglich dessen angeblichem Sohn JOHANNES II., Enkel JOHANNES III. sowie Urenkel JOHANNES JACOB noch vieles rätselhaft und zu klären bleibt.
Wenn nun die Betrachtung des Stammträgers der Generation 5 noch ein weiteres Mal des Aufschubs bedarf, so deshalb, weil es bezüglich des von den Autoren der obigen Gruppe I Aubert des Bois, Gotha und Wurzbach) übereinstimmend aufgeführten Stammträgers der Generation IV namens JEAN DE WIMPFFEN bzw. HANS I. VON WIMPFEN sowie den nachfolgenden Stammträgern deren Generation V bis VIII unausweichlichen Diskussionsbedarf gibt. Diese finden sich zunäcdhst nachstehend alle in Wiedergabe der I. Stammtafel von Wurzbach zusammen mit ggfls. aufgeführten Ehefrauen und Geschwistern etc. aufgelistet:
Stammträger der Gen. IV – VIII laut I. Stammtafel des Constantin von Wurzbach:
Generation IV:
Hans I. (26),
geb. 1418 – gest. 1491,
verheiratet mit:
Barbara von Rechtenbach
Generation V:
Johannes II.,
verheiratet mit:
1) Barbara von Knobelsdorf – 2) Anna von Alb, gest. 1526
Generation VI:
Sebastian – Maria Eva Johannes III. Ludovica Dorothea – Simon *
geb. 1492 geb. 1495 verheiratet mit: geb. 1499 gest.1538
Ludovica Gabriele von Wildenstein
Generation VII:
Friedrich, nach Anderen Sebastian,
geb. 1521,
verheiratet mit:
Dorothea Susanna von Neuenstein
Generation VIII:
Johann Jacob,
geb. 1547,
verheiratet mit:
Dorothea von Schwarzenberg
* verheiratet mit: Susanne v. Gretzingen; deren Sohn (Gen. VII): Wilhelm, geb. 1516,
verh. mit: Magdalena v. Lauenburg; deren Sohn (Gen. VIII): Christoph, verh. mit: Veronica v. Heinsberg
Die auf HANS I. der Generation IV und die nachfolgenden Generationen V – VIII bezogenen Angaben wenden sich, ausgehend von dessen angeblichem Geburtsort Nürnberg, schließlich zur Stadt Hagenau im Elsaß und hinsichtlich dessen Nachkommen auch teilweise noch zur elsässischen Nachbarstadt Schlettstadt sowie auchnbzurückm nach Nürnberg hin und erbringen trotz ihrer völligen Diskrepanz gegenüber den gleichliegenden Feststellungen von Sporhan-Krempel und dem Stammbaum Stör Fakten teilweise ernstzunehmenden und somit nicht übergehbaren Hintergrundes. Bei dem diese Stammträger-Folge eröffnenden HANS I., ist man versucht, diesen mit des Letztgenannten Bruder HANS (HANß) DEM ÄLTEREN (4f) gleichzusetzen, den Sporhan-Krempel wegen seiner Tätigkeit als Kaufmann in Italien und Heirat der LINDERIN“ in Venedig ja den „Italienfahrer“ nennt. Dafür sprechen drei feststellbare Übereinstimmungen: nämlich die Namensgleichheit, die Gleichheit der Generation (IV bzw. 4) und weil Aubert des Bois sowie der Gotha und Wurzbach berichten, dieser habe Reisen in Italien und Frankreich (die beiden Letztgenannten sprechen von „merkwürdigen“ solchen) unternommen. Gewiss muss man sofort Bedenken im Blick darauf anmelden, dass dieser als Stammträger der Generation IV bezeichnet ist, was nicht stimmig sein kann, nachdem als solcher mit Sicherheit der vorgenannte HEINRICH DER ÄLTERE zu sehen ist.
Wenn man aber die nachstehenden wörtlichen Darlegungen der drei obengenannten Autoren kritisch überprüft, so stößt man darauf, dass dieser HANS (oder auch JOHANN) I., wie ihn Wurzbach nennt, oder laut dem Gotha „HANS VON W. wohlbekannt“ oder JEAN DE WIMPFFEN laut Aubert des Bois tatsächlich in Hagenau im Elsaß das Amt eines Schöffen innegehabt und 1491 als solcher dort gestorben ist:
Wir beginnen mit Wurzbach (1888), der in seiner „Genealogie der besonders denkwürdigen Sprossen“ unter Nr. 26 der alphabetisch geordneten Lebensbeschreibungen über das in seiner I. Stammtafel (siehe oben) Gesagte hinaus über diesen Folgendes schreibt: „26. JOHANN (HANS) (geb. zu Nürnberg 1418, gest. in Hagenau 1491). Auch einer jener merkwürdigen Menschen des 15. Jahrhunderts, die noch ihres Biographen harren. Ein Sohn des Nürnberger Patriziers und Senators FRIEDRICH AUGUST VON WIMPFFEN, Herrn auf Brixenstein, Zabietstein und Ebershausen und LUDOVICA THERESIAS geborenen WOLFSKEHL, hat er sich durch seine namhaften Ritterzüge und seine Belagerung der Veste Lindbronn im Elsaß im Jahre 1450, ferner aber auch durch seine merkwürdigen Reisen in Frankreich und Italien berühmt gemacht. Bernhard H e r z o g e r in seiner Chronik weiß darüber Näheres zu berichten. Endlich seiner Fahrten über Meer und Land müde, ließ sich HANS WIMPFFEN in Hagenau in der Nähe von Straßburg nieder und vermälte sich mit BARBARA VON RECHTENBACH, welche ihm den Sohn JOHANN II. gebar. Eine Nürnberger Pergamenturkunde aus dem Jahre 1444 spricht von dieser Ehe und dem derselben entsprossenen Sohne, und ein auf einem Stadtthurme zu Hagenau angebrachtes Denkmal zeugt von der angesehenen Stellung, die HANS V. WIMPFFEN daselbst einnahm.“
Es folgt der zwar kürzere, doch inhaltlich gleichgerichtete Text im „Gotha“ (1853): „Sein (gemeint ist FRIEDRICH AUGUST) Sohn, ‚Hans von W. wohlbekannt’, wie ihn die Chronik Bernard Herzogers nennt, geb. 1418 in Nürnberg, ebenso berühmt durch seine mannhaften Ritterzüge und durch die Belagerung der Veste Lindbronn im Elsaß im J. 1450, wie durch seine merkwürdigen Reisen in Frankreich und Italien, ließ sich in Hagenau nieder, wo er BARBARA VON RECHTENBACH zur Gemahlin nahm, und starb dort 1491 mit Hinterlassung des Sohnes JOHANN II.“
Zum Schluss sei der originale Text des Aubert des Bois (1778) über die
Abb. 18: Die Eintragung in der Von Wimpffen-Genealogie des Aubert (de la Chesnaye) des Bois des Jahres 1778 unter Generation IV, den dort aufgeführten Jean de Wimpffen betreffend,
gezeigt und diesem die Übersetzung angefügt: „IV: HANS VON WIMPFFEN, geboren in Nürnberg 1418, der in Italien und in Frankreich reiste und sich in Hagenau im Elsaß niederließ, wo er einen herausragenden Rang einnahm, wie noch in unseren heutigen Tagen ein öffentliches Denkmal auf einem der Stadttürme beweist. Die berühmte Chronik von Bernhard Herzoger aus dem Jahr 1592, S. 41, 42 & 43, Buch V, genau so die Geschichte der Provinz Elsaß des Herrn Schorpling, in Latein geschrieben, tun davon eine ehrenhafte Erwähnung. Eine Pergamenturkunde von 1484 in der glaubwürdigsten Art und Weise des Nürnberger Magistrats, ausgehändigt im Zuge einer Recherche in dessen Archiv, erinnert an JEAN, der folgt, seinen Sohn, der BARBARA VON RECHTENBACH besaß, die er in Hagenau geheiratet hatte.“
Wenn man die von allen drei vorgenannten Autoren übereinstimmend festgestellte Lebenszeit des vorstehend dreifach Beschriebenen von 1418 bis 1491 mit jener von HANS DEM ÄLTEREN vergleicht, der laut Sporhan-Krempel ja ein Bruder vom ungefähr 1485 geborenen und in frühen Jahren 1512 nach Nürnberg ausgewanderten HEINRICH DEM JÜNGEREN gewesen ist, so kommt man, auch wenn er von Aubert des Bois und Wurzbach in dieselbe Generation (IV oder 4) eingereiht ist, auf ein in etwa 7 Jahrzehnte frühere Lebenszeit desselben und damit auf einen Unterschied zwischen beiden von stark 2 Generationen. D. h., dass man HANS I. von den angegebenen Lebensdaten her erstrangig in der Generation 2 von Stör suchen muss, wo er aber nicht auffindbar ist; siehe dort den Stammhalter LIENHARD (2a) und die Brüder NICOLAUS (2b) und CHRISTOFF 2e). Und auch in Generation 3 sucht man den Namen Hans vergeblich: siehe dort den Stammhalter HEINRICH DEN ÄLTEREN (3a) und die Brüder ALBRECHT (3c), WOLFGANG (3d) und LIENHARD (3f). Damit ist eine Identität von HANS (HANß) DEM ÄLTEREN (4f) von Sporhan-Krempel und Stör mit HANS I. von Wurzbach etc. auszuschließen. Dafür spricht natürlich auch, dass der Gotha und Wurzbach diesen gleichermaßen mehr als einen Rittersmann denn als einen Handelsmann, wie dies Heinrich der Jüngere mit Sicherheit gewesen ist, beschreiben. Prüft man die angeblichen Ritterzüge dieses Hans I. und Beteiligung an der Belagerung der Feste Lindbronn des Jahres 1450 mittels Durchsicht der von diesen drei Autoren als Quelle genannten „Chronikon Alsatiae – Beschreibung des undern Elsaß, Das Fünffte Buch“ des Bernard Hertzoger aus dem Jahre 1592, S. 41, 42 und 43, nach, so entpuppt sich dieser dort nur auf Seite 43 (und nicht auch auf den Seiten 41 und 42) erwähnte „Hans von Wimpffen“ als einer von ca. zwei Dutzend damaligen rittermäßigen Kampfgenossen und keineswegs, wie man von Wurzbachs und des Gotha hochtrabenden Worten her meinen möchte, als nam- oder mannhafter Teilnehmer an (mehreren) Ritterzügen oder gar deren führender Kopf. Siehe dazu die
Abb. 19: Die Seite 43 von „Das Fünffte Buch“ von „Chronikon Alsatiae II. Edelsasser Cronick … von 1592 … beschrieben … Durch Bernhart Hertzogen …“, erschienen zu Straßburg und gedruckt durch Bernhart Jobin.
Aber immerhin ist dessen Existenz durch die Namensnennung nachgewiesen. Auf der vorgenannten Seite 43 erscheint dieser durch rote Unterstreichung kenntlich gemachte Name in etwa der Mitte von rund zwei Dutzend aufgeführten Reisigen, die an der Belagerung vom „Hauß Lindelbron“ zur Befreiung des dort gefangen gesetzten Hans von Helmstett teilgenommen haben. Darüber hinaus erscheint dessen Name auch an einer anderen Stelle dieser Chronik. Siehe dazu die
Abb. 20: Die Seite 155 von „Das Neunt Buch“ der vorgenannten Chronik des Bernhart Hertzoger.
Die rot unterstrichene Stelle lautet: „Hans von Wimpffen starb vff Sontag vor S. Margrethetag anno 1591“. Aus diesen beiden Nennungen ergibt sich mit Sicherheit, dass dieser immerhin im Hagenau des 16. Jahrhunderts wohnhaft gewesen und als einer der damaligen 24 Schöffen der Stadt fungiert hat und dort auch in dem von allen drei Autoren genannten Jahr 1491 gestorben ist. Beim Lesen des Nachnamens „von Wimpffen“ muss man nach der an früherer Stelle mehrfach getroffenen Feststellung, dass erst der 1512 nach Nürnberg gekommene HEINRICH HERMANN DER JÜNGERE den Nachnamenzusatz VON WIMPFFEN angenommen habe, sich wundern, dass bei diesem um zwei Generationen voraus gelebten HANS I. bereits schon als Nachname (und ohne den vorausgehenden Urnamen „Hermann“) „von Wimpffen“ auftaucht. Wenn dieser wirklich der Sippe der „Hermann“ entwachsen ist, so wäre dieser zwei Generationen vor jenem es gewesen, der schon diese Herkunftsbezeichnung getragen hat – und zwar bereits ohne den vorgehängten Urnamen, den erst, wie noch zu sehen sein wird, die Stammträger viel späterer Generationen abzulegen beginnen! Da aus alledem zu vermuten stand, dass dieser Hans (I.) im Hagenau des 15. Jahrhunderts wirklich existent gewesen ist und evtl. auf einem der Stadttürme durch ein Denkmal oder einen Denkstein mit Inschrift o. ä. dokumentiert sein bzw. einst gewesen sein könnte und die von Aubert des Bois als Quelle genannte Chronik in Latein des Sieur Schorpling von mir hinweg vergeblich gesucht worden war, versuchte ich 2011 wie folgt weiterzukommen: Damals stand eine Studienfahrt des Vereins Alt-Wimpfen unter Leitung von Stadtarchivar Günther Haberhauer nach Haguenau an. Und so gab ich diesem einen diesen Hans I. betreffenden Fragekatalog mit, der sich auf dessen Person sowie auf die von den Genealogen angesprochenen Fakten (Lateinische Chronik Schorpling, Wappen, Pergamenturkunde, einstiges oder noch bestehendes Denkmal auf einem Stadtturm, evtl. andere auf den genannten bezogene Spuren) bezog. Nach Rückkunft von dort erklärte mir Herr Haberhauer, dass er vom dortigen Archivar und Museumsleiter die Auskunft bekommen habe, es sei in Haguenau nichts Derartiges bekannt. Dementgegen versicherte mir jedoch Dr. Hans H. von Wimpffen, dass auf Grund seiner Kenntnis der dortigen Gegebenheiten durchaus Nachweise solcher Art sowie vor allem auch dessen Urgroßvaters sowie Nachfahren in Haguenau und anderen Orten vom Elsass ansässsig gewesener Wimpffen-Abkömmlinge vorlägen.
Zunächst erschien mir in der Tat die Existenz dieses Hans (I.) durch die in der Homepage gezeigten Fotografie eines diesem zugeschriebenen Wappensiegels bekräftigt, das im Archiv der Stadt Haguenau vorhanden sei und nachstehend wiedergegeben ist in der
Abb. 21: Das dem Schöffen der Stadt Haguenau Hans von Wimpfen (1418 – 1491) zugeschriebene Wappensiegel mit einem Sparren als Wappenzeichen.
Dass in diesem als Wappenzeichen ein Sparren und nicht der auf den Wappenschilden des Stammbaumes Stör erscheinende Widder zu finden ist, lässt die Hinordnung zu diesem keineswegs ins Wanken geraten. Denn die Hermann-von Wimpffen der ersten vier Generationen dürften, wie unter Generation 5 erhärtend festgestellt werden wird, ja ursprünglich noch gar kein Widderwappen besessen haben! Gestern (am 19. Februar 2015), der Text dieses Kapitels G schien endgültgig zu stehen, erreichte mich nach die Thematik „Hans von Wimpfen und Haguenau“ berührenden Gesprächen unversehens eine von Dr. Hans H. von Wimpffen zugesandte Kopie eines höchst aufschlussreichen Briefes vom 14. April 1959, den ihm vor nun 5 ½ Jahrzehnten der damalige Leiter des Archivs, der Bibliothek und des Museums der Stadt Haguenau im Elsaß namens A. M. Burg im Zuge dessen während seines Studiums dort getätigten persönlichen Recherchen zugeschickt hat. Aus den Angaben dieses Briefes geht in mehrfacher und damit überzeugender Weise die einstige dortige Existenz des Hans von Wimpfen hervor, indem eine Reihe von Auskünften über das dort vorliegende diesbezügliche Archivmaterial (Lateinische Chronik Schoepflin, Statutenbuch, Ukunden mit Siegel u. a. m.) aufgeführt ist. Der Klarheit und Bedeutsamkeit wegen sei hier zunächst der vollständige Text gegeben: „Leider haben wir uns nicht getroffen, als Sie in Hagenau durchkamen. Ueber den Hagenauer Schöffen, Hans von Wimpfen, kann ich Ihnen leider auch nicht allzuviel mitteilen.- Nach Schoepflin, Alsatia Illustra, Bd. II, S. 356, Anm. r, wäre dieser Hans ein ‚pronepos’ des Hermannus à Wimpfen gewesen, der 1373 geadelt worden wäre. Hans wäre, nach dem gleichen Forscher im J. 1408 geboren, und hätte sich dann in Hagenau niedergelassen. – Dem Hagenauer Statutenbuch zufolge (Das alte Statutenbuch der Stadt Hagenau, hgg. v. A. Hanauer u. J. Klélé, Hagenau 1900, S.83), ist Hans von Wympffen am 15. Januar 1481 zum Schöffen gewählt worden, und starb am 10. Juli 1491. Während seiner Schöffenzeit, war er etliche Male Stettmeister.- Es sind einige Urkunden erhalten, die er als Schöffe mit seinem Siegel versah; er führte folgendes Wappen: (Die hier eingefügte vereinfachte Skizze bildet den im Originalsiegel der Abbildung 21 enthaltenen Sparren ab.) Weder von einem Denkmal, noch von seiner Ehefrau Barbara v. Rechtenbach, sind in Hagenau Spuren zu finden. Da das Denkmal auf einem Stadtturm gestanden haben soll, ist dessen Verschwinden nicht verwunderlich, da von den etwa sechzig früheren Türmen nur noch drei erhalten sind.- Die im 16. Jh. in Hagenau wieder auttauchenden Wimpf sind wohl nach Schoepflin Nachkommen jenes ersten Hans; mir scheint dies aber fragwürdig. Diese führen einen Fuchs im Schild; Ihre Nachkommen leben noch heute in Innerfrankreich als ‚de Wimpffen’. In Sedan war 1870 ein französischer General de Wimpffen mit Napoleon III. gefangen genommen worden.- Falls Sie uns eine Fotokopie oder eine Abschrift der von Ihnen erwähnten Nürnberger Pergamenturkunde von 1444 verschaffen könnten, wäre ich Ihnen zu großem Danke verpflichtet. Ergebenst MBurg.“
Beim Lesen des am Anfang zu findenden Namens „Schoepflin“ kam mir die Vermutung in den Sinn, dass dieser und dessen in Latein geschriebene Elsass-Chronik mit dem von Aubert des Bois angeführten „Sieur Schorpling“ und dessen ebenfalls in Latein geschriebenen solchen (siehe oben), die ich ja trotz jahrelangen Suchens nicht habe aufspüren können, identisch sein könnte. Die Nachschau in dieser im Internet zu findenden Chronik des, wie dessen voller Name ist, Johann David Schoepflin, bestätigte meine Vermutung voll und ganz. Denn dort sind auf der von Archivar Burk angegebenen Seite 356 des Bandes II die folgenden auf das Haguenau (Hagenoe) des späten Mittelalters gerichteten Eintragungen zu finden: „Ex nobilibus & patritiis gentibus, quas H E R Z O G I U S (q) recenset, illustriores fuerunt Bernsteinii, Bogneri, Breuningii, Gotteshernii … (Es folgen noch 16 Namen von solchen, die aus religiösen Gründen – da Gegner der dort eingeführten Reformation – vertrieben wurden). Soli Wangii adhuc supersunt & et Wimpfii. ( r ) – Unter der Fußnote q steht als Erläuterung zu lesen: „ ( q ) Chron. Alsat. Lib. IX. Cap. X.“ – Unter der Fußnote r heißt es: „ ( r ) Horum auctor Hermannus à Wimpfen, ob virtutem bellicam, An. MCCCCVIII. nobilitate donatus, posteros multos reliquit; quos inter pronepos Johannes, An. MCCCCVIII. natus, Hagenoe sedes fixit, ubi Magistratum gessit, suumque genus propagavit.“ Zu Deutsch: „Von den angesehenen und patrizischen Geschlechtern, die H e r z o g i u s ( q ) aufzählt, waren die Vornehmsten die Bernstein, Bogner, Breuning, Gotteshern … . Allein die Wanger sind noch weiter vorhanden & die Wimpf(en) ( r ).“ – „ ( q ) Chro(nicon) Alsa(tae), Kapitel X“ – „( r ) Deren Urheber Hermannus à Wimpfen, wegen kriegerischer Heldentaten (Tapferkeit) im Jahre 1373 geadelt; er hat zahlreiche Nachkommen hinterlassen; dessen Urenkel Johannes ist 1408 geboren, er machte Hagenau zu seinem Wohnsitz, wo er im Magistrat eine Rolle spielte und sein Geschlecht fortpflanzte.“
Also ist durch den Brief des A. M. Burk sogar ein Vorfahr dieses Hans von Wimpffen, nämlich sein Urgroßvater des Namens HERMANNUS À WIMPFEN, und damit sogar dessen Abkunft ausgewiesen und der Vorgenannte darüber hinaus sogar wegen seiner tapferen Kriegertaten als 1373 geadelt und zahlreiche Nachkommen hinterlassen habend umschrieben, Umstände durch welche die auf diesen bezogenen Aussagen von Burk Bestätigung finden. Vom erstgenannten Fakt her drängt sich der Gedanke auf, dass dieser mit dem laut Wurzbach ebenfalls durch Kaiser Karl IV. wegen seiner kriegerischen Heldentaten 1373 (laut Stör 1377) geadelten SIEGMUND HEEREMNANN bzw. laut Stör 1377 SIGMUND HÖRMANN VON WIMPFFEN identisch sein könnte, wobei dieser in Übereinstimmung mit Stör und Wurzbach und anders als bei Sporthan-Krermpel denn doch als tapferer Kriegsmann berschrieben ist. Und was dessen Urenkel JOHANNES oder HANS VON WIMPFEN betrifft, so wird dessen von Wurzbach mit 1418 angegebenes Geburtsjahr durch Schoepflin bestätigt, wobei der von Wurzbach angegebene Geburtsort Nürnberg jedoch von keinem der beiden genannt ist. Des Weiteren wird bestätigt, dass dieser in Haguenau Schöffe, aber während seiner Schöffenzeit auch mehrfach Stettmeister gewesen ist. Hinzu tritt als Datum der Wahl zum Schöffen der 15. Januar 1481 sowie die Feststellung, dass in Haguenau Urkunden erhalten sind, die dessen Siegel tragen, das von Burk so dargestellt ist, wie es in der Wiedergabe auf der Basis der Fotografie von Dr. Hans H. von Wimpffen erscheint, nämlich mit einem Sparren. Hinzu tritt bei Schoepflin die Auskunft, dass Hans von Wimpfen im Magistrat von Hagenau eine Rolle gespielt und sich dort fortgepflanzt habe. Doch wird von Burk ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Hinweise auf die ihm zugeschriebene Gattin BARBARA VON RECHTENBACH sowie auf ein auf Hans bezogenes Denkmal auf einem (der einst um die 60 und jetzt nur noch vorhandenen 3) Stadttürme, nicht bzw. nicht mehr vorliegen. Und auch vom bei den Genealogen genannten Sohn derselben namens JOHANNES II. oder JEAN oder weiteren Nachkommen ist bei Burk und Schoepflin nirgends die Rede. Aus der Bitte von Burk um die Zusendung einer Kopie oder des Textes der von den Genealogen aufgeführten (Nürnberger) Pergamenturkunde des Jahres 1444 (bzw. 1484 bei Aubert des Bois) lässt sich schließen, das dort eine solche (auf die Gattin Barbara Rechtenbach und die Geburt des Hans oder Johannes bezogene) Urkunde in Haguenau nicht vorhanden bzw. dort nicht bekannt ist. Kopfzerbrechen macht das „à“ = in oder zu statt das den Adel aufzeigende „de“ im Namen des geadelten Hermannus. Wenn man jedoch die behauptete Adelsverleihung anerkennt, so ist das „von“ im Namen des HANS VON WIMPFEN nicht als bloße Herkunftsbezeichnung, sondern als Adelsbezeichnung zu betrachten. Schoepflin rechnet diesen zu den patrizischen Geschlechtern (Stadtadel) Haguenaus.
Durch die zitierten beiden Quellen wird dessen Existenz zwar vielfältig erhärtend bestätigt und das Wissen um dessen Person bereichert. Dennoch fehlen immer noch sowohl nach unten wie nach oben die verbindenden Glieder und stößt somit dessen Einordnung in den Stammbaum Stör immer noch auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Wie schon gesagt, ist schon von den Lebensdaten her eine Idendität mit dem nachweislich in Venedig als Fernkaufmann tätig gewesenen „Italienfahrer“ HANß HERMANN der 4. Generation des 16. Jahrhunderts (siehe im Stammbaum Stör bei 4f) mit Sicherheit auszuschließen. Wir müssen den Erstgenannten innerhalb in etwa der Generation 2 oder vielleicht auch 3 suchen, können aber einen solchen bei Stör nicht finden. Das steht ganz im Gegensatz zu den jüngeren Generationen 4 – 9, wo bei Stör solche bzw. in der 8. und 9. Generation mehrfach Johann (mit angehängtem zweitem Vornamen), wie auch der Fortgang zeigen wird, auftauchen. Demgegenüber ist in der I. Stammtafel von Wurzbach HANS I. der Generation IV nahtlos sowohl rückwärts wie vorwärts in die Genealogie eingegliedert und tragen auch die stammtragenden Nachkommen desselben auffallenderweise durchgängig (mit Ausnahme von Friedrich bzw. Sebastian der Generation VII) bis zur Generation IX den Erstnamen JOHANN (V: JOHANNES II., VI: JOHANNES III., VIII: JOHANN JACOB, IX: JOHANN FRIEDRICH bzw. JOHANN DIETRICH). Dass alle diese Namen sowie auch die der Frauen bei Aubert des Bois, Cellarius-Goldtbeeg und bei Wurzbach das „von“ in sich tragen und somit auch von daher mit jenen des Wappenbaumes von Stör nach wie vor in keiner Weise übereinstimmen und von ihrer Richtigkeit her als mehr als fragwürdig zu werten sind, das wird der Weitergang zeigen.
Dieser geht dahin, nunmehr alle auf die Generationen V – VIII bezogenen und großteils zusammenstimmenden Angaben von Aubert des Bois von 1788, des Gotha von 1853 und des von Wurzbach von 1888 (letztere siehe in dem obigen Kasten) zusammenfassend-vergleichend darzustellen, wobei in der nun folgenden Textwiedergabe derjenige des Aubert des Bois zugrundegelegt und gegenüber diesem abweichende Sachverhalte oder auch Zusätze des Gotha und von Wurzbach in Klammer gesetzt und alle Zielnamen wiederum durch Schreibung in Aufrechtschrift und Großbuchstaben hervorgehoben sind:
„V. JEAN DE WIMPFFEN II. des Namens, geboren 1444, Herr von Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen & anderer Orte, hervorgehend aus zwei mit dem Wappenzeichen versiegelten Pergamenturkunden von 1492 und 1493, kehrte (nachdem er laut Gotha zuerst im Elsass und in kurpfälzischen Diensten gewesen war) nach Nürnberg zurück, wo er, den in dieser Stadt bewahrten Registern folgend, 1490 BARBE DE KNOBELSDORFF heiratete, wovon leben: – 1. SÉBASTIAN, geboren 1492, gestorben ohne Nachkommen; – JEAN, der folgt; – 3. MARIE-EVE, geboren 1495; – 4. und LOUISE-DOROTHÈE, geboren 1499.“
VI. JEAN DE WIMPFFEN, III. des Namens, geboren 1494, heiratete 1520 LOUISE-GABRIELLE DE WILDENSTEIN, (laut dem Gotha und Wurzbach LUDOVICA GABRIELE VON WILDENSTEIN) und hatte von ihr außer anderen Kindern:
VII. FRÈDEREIC DE WIMPFFEN (laut Gotha SEBASTIAN II., laut Wurzbach FRIEDRICH bzw. nach Anderen SEBASTIAN), geboren 1521, der ins Elsaß zurückkehrte, um einen Erbnachlass in der Nachfolge seines Urgroßvaters (das wäre HANS I.; laut Gotha aber kommt das Erbe von seiner Großmutter, das wäre BARBARA VON KNOBELSDORF) anzutreten. Er heiratete 1545 in Schlettstadt DOROTHÉE-SUSANNE DE NEUSTEIN (bei Wurzbach NEUENSTEIN), die ihm mehrere Kinder hinterließ, wie es aus einer originalen Teilungsakte hervorgeht; aber man kennt dessen Schicksal nicht. So findet man nur JEAN-JACQUES erwähnt, der folgt und die Nachkommenschaft fortführte.
VIII. JEAN-JAQUES DE WIMPFFEN, Herr von Brixenstein, Zabietstein, etc. (laut Gotha abgekürzt: „Herr von B. etc.“) , heiratete in Franken 1571 MARIA GRÄFIN VON SCHWARZENBERG, und daraus gingen vier Kinder hervor, an die er in seinem Testament erinnert: 1. SÉBASTIAN, geboren 1580, gestorben ohne Kinder;- 2. JEAN-FRÉDERIC, geboren 1581, – 3. JEAN-DIETRICH, geboren 1581, dessen Nachkommenschaft sich in Saugershausen (gemeint: Sangerhausen in Sachsen-Anhalt; darüber an späterer Stelle im Zusammenhang mit dem der Generation IX angehörenden Genannten) niedergelassen hat, der folgt; – 4. & ELISABETH, geboren 1587.“
Was die Unterschiedlichkeiten gegenüber dem Gotha und Wurzbach betrifft, so ist hier noch Folgendes nachzutragen: Laut Wurzbach war JOHANNES II. (gemeint JEAN II.; siehe dies auch im obigen Kasten) in zweiter Ehe mit ANNA VON ALB (gest. angeblich 1526) verheiratet, woraus 5. SIMON, gestorben 1538 zu Haguenau, hervorging; laut Gotha dort begraben neben seinem Großvater (JEAN/HANS I.), laut Wurzbach vermählt mit SUSANNE VON GRETZINGEN. Als deren Sohn erscheint im Gotha und bei Wurzbach WILHELM, geb. 1516. Dieser soll laut Wurzbach mit MAGDALENA VON LAUENBURG und deren Sohn CHRISTOPH mit VERONICA VON HEINSPERG verheiratet gewesen sein. Laut dem Gotha zog der Erstgenannte ebenfalls ins Elsass, wo überhaupt Zweige der Familie fortan bis zur französischen Besitznahme von diesem verblieben sein sollen.
Damit ist die zusammenfassende Vorgwegschau der Angaben der Generationen IV – VIII nach Aubert des Bois, dem Gotha und Wurzbach abgeschlossen und eine Wertung derselben angezeigt. Was zunächst am meisten missfällt und als äußerst fragwürdig anzusehen ist, das ist, wie schon gesagt, zum einen der Umstand, dass die Ehegattinnen aller Stammträger ohne Ausnahme dem Adel entstammt haben sollen, zum anderen, die jedem Stammträger geltende stupide Feststellung der Besitzerschaft von Brixenstein, Zabietstein, Ebershausen und anderer Orte. Zudem gehen bei der vorgenannten Autoren-Dreieinheit die aufgezeigten Namen und dahinterstehenden nachweislichen Fakten, wie die anschließende Weiterführung des Stammbaumes von J. W. Stör (Generation 5 bis 7) zeigen wird, in keiner Weise mit diesem zusammen. Erst ab der Folgeneration IX bzw. 8 beginnen zwischen Aubert des Bois etc. einerseits und Stör sowie Sporhan-Krempel andererseits die Namen und teilweise auch die dahinterstehenden Fakten zusammenzugehen; doch auch hier noch und verstärkt durch abermaliges Auseinandertriften der Namen ab Generation X bis hin zu XII der II. Stammtafel (nach der Zählung Stör 9 – 10) gehen diese wieder auseinander und schleichen sich nachweislich bei Wurzbach kardinale Fehler ein.
Die nachgewiesene Existenz dieses HANS oder JOHANN I. in Verbindung mit dem fehlenden Anschluss nach unten und oben signalisiert Folgendes: Die vorgenannten elsässichen drei Städte Haguenau, Schlettstadt und Weißenburg sind (natürlich neben Augsburg, Nürnberg, und auch Wimpfen selbst) als erstrangige Zielorte der weiteren Von-Wimpffen-Forschung zu begreifen, was helfen könnte, bestehende Lücken zu schließen und vor allem auch Widersprüche, Ungereimtheiten und Unklarheiten zu beseitigen. Hinzu muss noch Straßburg treten, wohin nach Auskundt von Dr.Hans H. von Wimpffen innerelsässische Akten verlagert worden sind und nach denen dieser im Sommer 2015 vor Ort Ausschau halten will. Es wäre nicht verwunderlich, wenn solche Sicherheit für die Richtigkeit der These bringen würden, dass es vor dem HEINRICH HERMANN DEM JÜNGEREN VON WIMPFFEN der Generation 4 schon einen HANS geheißenen Spross der Augsburger HERMANN wahrscheinlich der 2. oder vielleicht auch 3. Generation gewesen ist, der von Augsburg wegging, sich schließlich in Haguenau niederließ, seinen Zunamen Hermann ganz ablegte und durch den Namen der Stadt der Herkunft seines Geschlechts Wimpfen unter Voranstellung „von“, Zeichen der vom Urgroßvater ererbten Adelseigenschaft, ersetzte. Und sollte durch die Weiterforschung in Richtung Elsass sich nicht doch sogar die These von Dr. Hans H. von Wimpffen als richtig erweisen, dass seine Vorfahren, die Von Wimpffen, bereits im 13. Jahrhundert, also schon in staufischer Zeit, in Haguenau ansässig gewesen sind? Würde dies aber nicht bedeuten – und in dieser Richtung könnte letztlich auch schon der 1392 nachweislich dort gestorbene HANS VON WIMPFFEN weisen – , dass diese elsässischen Von Wimpffen gar nicht mit den als Hermann von Wimpfen nach Augsburg ausgewanderten solchen identisch (blutsverwandt) oder bestenfalls später ineinander verschmolzen sind? Fragen über Fragen! Doch bleibt nach Lage der momentanen Dinge hier kein anderer Weg, als auf der begonnenen Schiene des Stammbaumes des J. W. Stör der HERMANN-VON WIMPFFEN weiterzugehen.
H. Wie in der 5. Generation der Fernhändler DOMINICUS HERMANN VON WIMPFEN in die zu den Ersten Geschlechtern Nürnbergs gehörende Familie der GROLAND einheiratet, 1555 einen kaiserlichen Wappenbrief mit dem Wappentier des weißen Widders, dort auch Herman (Hörnermann) genannt, erlangt, ein ansehnliches Besitztum hat und auf dem Lustnauer Weiher bei einer Lustfahrt mit zwei Töchtern zu Tode kommt.
Generation 5:
Nach dieser langen und zeitlich weit vorauseilenden Betrachtung wenden wir uns nunmehr endlich dem Stammhalter der Generation 5 zu. Bei Stör erscheint dieser als DOMINICUS und dessen Frau als URSULA GROLANDIN (5a), was bei Lore Sporhan-Krempel volle Bestätigung findet, indem diese Folgendes schreibt (die Zielnamen sind hier wieder in Großschrift herausgehoben): „Ähnlich wie Wilhelm und Sybilla die Kinder des Italienfahrers Hans (in den Jahren 1529 und 1530), schloß auch Dominik, der Sohn von Heinrich und Anna, eine glanzvolle Heirat. Am 12. Februar 1537 wurde er zu St. Sebald mit URSULA, der Tochter des NIKLAS GROLAND (III.) getraut – also wieder eine Einheirat in ein Nürnberger Ratsgeschlecht. Im Jahre seiner Eheschließung wurde Dominik auch Genannter (zu ergänzen: des Größeren Rats). Von ihm kann man mit Sicherheit sagen, daß er Fernkaufmann war, denn in den sogenannten ‚Freßlisten’ wird er mehrmals als Besucher der Frankfurter Messen ausgewiesen. Das Freßgeld ist eine Art Geleitsabgabe.“ Die Groland (von Oedenberg) finden sich in Nürnberg 1305 ersterwähnt und ab 1346 (Hainrich Gralannt) im Inneren Rat. Sie betrieben Fernhandel und waren u. a. im flandrischen Tuchzentrum Tournai vertreten. Das der Gattin Ursula beigegebene Wappen der Groland führt im Zentrum eine fünfblättrige Rose, aus der drei Sensenklingen hervorgehen. Wie wichtig diese Eheverbindung für die Hermann von Wimpffen gesehen wurde, das geht aus dem Umstand hervor, dass im Stammbaum von J. W. Stör links unter der mächtigen Baumkrone eine gegenüber diesem auf den Kopf gestellte genealogische Darstellung in Rosettenform der Patrizierfamilie Groland eingebracht ist, in der am unteren Ende rechtsaußen der Vorname der URSULA (GROLAND) zusammen mit dem vollen Namen des in die Familie eingeheirateten Gatten DOMINICUS HÖRMANN und darunter beider Wappenzeichen erscheinen. Siehe dazu die
Abb. 22: Die links unter dem Laubdach des Stammbaumes von J. W. Stör angebrachte Runddarstellung der Abstammung von Ursula Groland, Gattin des Dominicus Hörmann (Heirat am 12. Februar 1537 in Nürnberg).
Als Einordnungshilfe wurde dort über den Namen und Wappen der beiden Ehegatten der Hinweis angebracht, wo diese oben im Stammbaum zu finden sind, nämlich bei 5a. Wie aus dieser Darstellung zu ersehen und bereits oben gesagt, war der Vater der Erheirateten NICLAS (NIKOLAUS II.) GROLAND (gest. 1551) und die Mutter (Heirat 1500) BARBARA EBNER(IN). Der Blick in die sog. Nürnberger Ratsgänge von P. Fleischmann findet Nikolaus Groland durchgängig von 1524 – 1546 als „Alter Genannter“ (des Kleineren Rates) verzeichnet, dem 1549 CHRISTOPH GROLAND (aus anderer – vermutlich der Diepoltsdorfer – Linie) als Scabini (Schöffe) folgt. Das Ansehen und die finanzielle Potenz der Groland manifestiert sich auch darin, dass PETER GROLAND (gest. 1507), der Großvater der Ursula (siehe dessen Name in der Runddarstellung), ca. 1490 in Nürnberg auf dem Egidienberg beim Paniersplatz und nahe der Burg das bemerkenswerte markante hochstrebende sog. Grolandhaus erbaut hatte, das 1945 ein Opfer des Bombenkrieges geworden ist. Was die in der Runddarstellung verzeichneten weiteren Groland-Ahnen der nächsten beiden Generationen JOHANN GROLAND und und deren Gattinnen sowie alle dort genannten Ahnen der aus der Patrizierfamilie der EBNER stammenden Mutterseite betrifft, so sei herausgestellt, dass deren vergleichende Überprüfung mit dem diesbezüglichen Ahnenverzeichnis der Groland von Peter Fleischmann keinerlei Ungleichheiten erkennen lässt, wodurch die Zuverlässigkeit der genealogischen Angaben von J. W. Stör wieder einmal zweifelsfrei Bestätigung findet.
Um nun wieder zum Stammträger DOMINICUS zurückzukommen: Im Gotha (Cellarius-Goldtbeeg) von 1853 zunächst allein, nicht bei bei dem mit diesem großteils übereinstimmenden Aubert des Bois (1770/78) und auch nicht später bei Kneschke (1870) und bei Wurzbach (1888), bei denen Dominicus in keiner Weise erscheint, ist in der Einleitung – allerdings ohne Namensbezug – gesagt, dass die „Wimpffen“ 1373 sowie auch am 18. August 1555 einen „Adels- und Wappenbrief“ erhalten hätten. Während die erstgenannte Jahreszahl allein auf den sagenhaften Stammvater Sigismund Bezugsetzung finden kann, stößt man bei der Suche nach einer auf das zweitgenannte Datum beziehbaren Person auf den nachweislich am 30. Mai 1556, wie wir nachfolgend genauer erfahren werden, zu Tode gekommenen Dominik Hermann. Sowohl im Brockhaus von 1908 als auch in Meyers Großem Konversations-Lexikon von 1909 ist ja unter der Rubrik „Wimpffen“ jeweils im zweiten Satz die folgende auf diesen bezogene Aussage zu finden: „Dominik He(e)remann, Bürger zu Nürnberg, erlangte bzw. erhielt 1555 einen kaiserlichen Wappenbrief.“ Somit sprechen die Letztgenannten damit nur, aber immerhin, von der Verleihung eines Wappenbriefes und nicht des Adelstitels. Und aus der Beifügung „kaiserlicher“ in Verbindung mit dem Verleihungsjahr 1555 ist zu schließen, dass dieser Wappenbrief durch den von 1530 – 1556 als solcher regierenden Kaiser Karl V. verliehen worden ist. Wovon Cellarius-Goldtbeeg und die beiden Lexikonwerke ihre Angaben ableiteten, und von wo dazuhin die Erstgenannten das genaue Datum herholten, ließ sich von mir zunächst nicht ausmachen. In Anbetracht von des Dominikus offenkundig höchst erfolgreicher Betätigung im Fernhandelswesen sowie seiner Einheirat in eines der Nürnberger Ersten Geschlechter erschien mir der kaiserliche Gnadenerweis der Zuerkennung eines Wappenbriefes, den in dieser Zeit auch so gut wie allen Ersten Nürnberger Geschlechtern vom Kaiser (wenn nicht auch schon der Adelstitel) nach und nach zugestanden war, durchaus glaubhaft. Dass diese Annahme richtig war, das beweist die mir nach Fertigstellung des vorstehenden Textteils von Dr. Hans H. Freiherr von Wimpffen im November 2014 zugesandte Kopie einer aus Nürnberger Beständen stammenden Urkunde, die nachstehend gezeigt ist:
Abb. 23: Beglaubigte Abschrift des Wappenbriefes, der dem Dominicus Hermann von „Ferdinand Von Gottes gnaden Röm. König“ (ab 1556 Kaiser Ferdinand I. nach der Abdankung seines älteren Bruders Karl V.) unter dem 18. August 1555 zuerkannt wurde
Hier nunmehr die vor allem in Anbetracht der etwas unscharfen sowie da und dort detailverwischten Vorlage schwierige und somit noch kleine Unklarheiten (siehe die eingefügten Fragezeichen) aufweisende Transkription derselben. Die in Klammer gesetzten aufrecht geschriebenen Textpartien stellen Anmerkungen des Autors dar:
„Wir Ferdinand Von Gottes gnaden Röm: König p.
(p. = perge, d. h. fahre fort; gemeint sind die in dieser Urkundenwiedergabe
weggelassenen anderen Herrschaftstitel und -lande bzw. im Falle dieses im Fortgang
mehrfach wiederkehrenden Kürzels um nicht wiedergegebene weitere Teile der
Originalurkunde)
Bekennen öffentlich mit diesem brieff und thun kund allermänniglich p.
das Wir gnadiglich angesehen und betracht haben, die erbarkeit, redlichkeit gut Sitten
tugend Und Vernunft damit unßer Und des Reichs getreüer Dominicus Herman,
Von uns berümbt wirdt, auch die getreüen ünterthänigen Dienste die er sich uns
dem Heil: Reich und unßerem hochlöblichen Haus Oesterreich Zeithin und Zurückgängig
gehorsamlich erböth (?), auch Wohl thun mag Und soll; Und darumb mit wohlbedachtem
Muth, gutem Rath Und rechtem Wißen, demselben Dominicus Herman, allen seinen
Ehelichen leibsErben und derselben ErbensErben, diß hernach beschriebene Wappen undt
Cleinoth mit nahmen einen rothen oder rubinfarben schilt, in demselben aufrecht
und Vorwerts zum Sprung geschickt erscheinendt eines weißen oder silberfarben Hermann
und Widder gestalt, mit gelben glaun und einwarts gekrümbten Hörnern, Und rother
außgeschlagener Zungen, Auf dem Schild ein Stechhelm, Und Von denselben farben
ein gebundener Pausch gefüret, auß demselben Zwischen Zweyen rothen Püffelshörnern,
so ihre mundlöcher Von einander gekehrt, und in jeglichem Mundloch ein gelb Linden-
blättl und beyseits an iedem derselben Püffelshörnern komen nacheinander stehendt
Vier abgestimblete gelbe Lindenäste, das unter mit dreyen die Zwey mitlern
indes mit Zweyen, und das obere ästle mit einem unterlich hangenden Linden-
plättlein, entspringt aufrecht und Vorwarts ein Vordertheil eines weißen
Hermans oder Widdergestalt, mit gelben glaen Und Hörnern wie im Schildt p.
Alß andrer unßrer und des Heil: Röm: Reichs auch unßerm Königreiche Löblichen
Fürstenthumb und Landen geberner Wappengenoßenbrieff p.
Bey Pöen (Strafe) 20 Marck löthiges goldts halb p. Geben in Augstburg des 18 Augusti
1555 Jahrs p.“
Darunter mit Abstand zueinander und unterschiedlich seitwärtig verschoben stehend:
„Ferdinand
L. S.
(= Lectori salutem = Dem Leser Heil! = Grußformel für den Leser in alten Handschriften)
Honar (?) Dr.
Vice Cantzler
Ad mandatum Dm Regis ppa
(Im Auftrag des Herren Königs per procura, d. h. aufgrund erteilter Vollmacht)
? Ungelter Von
?????“
(letzterer Titel verwischt wiedergegeben und somit nicht lesbar)
Dieser Wappenbrief (und keinesfalls Adelsbrief) ist also nicht von Kaiser (1530 – 1556) Karl V., sondern von dessen jüngerem Bruder Ferdinand verliehen worden, der von 1531 bis 1556 Römischer König gewesen und erst nach seines vorgenannten älteren Bruders Abdankung und Rückzug in seine Villa nahe dem Kloster San Gerónimo de Yuste des Jahres 1556 unter dem Namen Ferdinand I. Kaiser geworden ist. Die Wappenbeschreibung deckt sich voll und ganz mit jener Wappendarstellung, die im Stammbaum des J. W. Stör den Ritterschild des sagenhaften Stammvaters Sigmund Hörmann ziert. Durch die zweimalige Formulierung „eines … weißen Herman(s) oder Widdergestalt“ findet die im Zusammenhang mit der Beschreibung dieses Sigmund-Wappens getroffene Feststellung, dass hinter dem Wort „Hörman(n)“, das ist „Hörnermann“ = Widder steckt, eine klare Bestätigung. Ganz wichtig erscheint es noch, Folgendes herauszustellen: In dieser Verleihungsurkunde taucht der Beiname „Von Wimpffen“ nicht auf, ein Umstand der überrascht, nachdem sich schon der Vater des Wappenempfängers Dominicus erwiesenermaßen „Heinrich Hermann von Wimpffen“ genannt hat. Unten findet sich auf dem Blatt ein kleiner Besitzer-Stempel, in dessen Zentrum ein Wappenschild mit einem schreitenden Löwen und eine Umschrift zu finden ist. In dieser lassen sich nur der Name JANKOVICH sowie annähernd die Jahreszahl 1830 oder 1836 entziffern. Und ganz unten steht die Seitenzahl 256 zu lesen. Laut Dr. Hans von Wimpffen stammt diese Urkundenabschrift aus einer umfangreichen Urkundensammlung eines bekannten ungarischen Mäzens namens MIKLOS VON JANKOVICH, die von diesem ausgangs des 19. Jahrhunderts an das Ungarische Nationalmuseum übergeben wurde und aus der auf das Geschlecht derer Von Wimpffen bezogene Teile, darunter originale solche wie etwa der Stammbaum Stör, im Rahmen einer Austauschaktion nach Nürnberg in das Staats- wie auch Stadtarchiv gelangt sind. Dr. Hans von Wimpffen ist dabei, in Nürnberg noch einmal anzufragen, „ob denn das Original des Diploms nicht doch noch in Nürnberg schlummert“.
Abschließend sei aus Sporhan-Krempel die ausnehmend traurige Begebenheit des Todes von Dominicus Hermann wiedergegeben, in welcher der zitierte Chronist sich denn doch dieses Beinamens „von Wimpffen“ bedient, was fraglos beweist, dass diese schon auf dessen Vater bezogene Nachnamensergänzung auch von und für Dominicus Anwendung fand: „Dominik fand ein tragisches Ende. Lassen wir es uns von dem Chronisten Müllner erzählen, der in seinen Annalen berichtet: ,An der Heiligen Dreifaltigkeitsabend, d. h. am 30. Mai des jahres 1556 ist Dominicus Hermann von Wimpffen mit zwei seiner töchter, einem jungen gesellen, von breslau bürtig, und einer magd uff ein weiher hinter Wehr (gemeint ist der Tullnauer Weiher hinter Wöhrd) im aderlass lusthalben auf einem Floss gefahren, und als ihm ohne gefär eine pommeranzen ins wasser gefallen, nach der er sich gebückt und damit verursacht, dass der floss etwas gewackelt, sind die furchtsamen weibsbilder alle ihm zugelaufen und der floss auf derselben seiten zu hart beschwert, dass er sich umgestürzt, ist also er, samt den zweien töchtern und dem jungen gesellen ertrunken, die magd aber ist herauskommen. Man hat die toten des andern tags auf dreien bahren zu grab und ihnen acht leichkerzen vorgetragen.“ – Abschließend schreibt Sporhan-Krempel: „Das war ein trauriges Ende der so unbeschwert angefangenen Lustfahrt. Das Trauerhaus war am Herrenmarkt. Dominiks Witwe Ursula starb viele Jahre später am Weinmarkt, sie wurde am 15. September 1570 begraben.“ Vom Chronisten Müllner ist der zu Tode Gekommene zwar mit „Dominicus Hermann von Wimpffen“ benamt. Der Namenszusatz „von Wimpffen“ stellte jedoch keine Adelsbezeichnung dar, sondern nichts anderes als die etwa auch von vielen Nürnberger Angehörigen der Ersten (nichtadligen!) Geschlechter in dieser Zeit, wie wir mehrfach schon gesehen haben, an ihren Geschlechternamen zu ihrer Ruhmerhöhung angehängte Bezeichnung ihres hauptsächlichen in den Nürnberger oder sonstigen Landen gelegenen Stamm- oder/und Herrensitzes gewesen sein, was Adel bestenfalls vortäuschte.
Dass die Namensbezeichnung „Dominicus Hermann von Wimpffen“ des vorgenannten Chronisten Müllner nicht dessen spätere Erfindung darstellt, sondern der Realität der Lebenszeit des Dominicus entspricht, das zeigt auch die Urkunde vom 5. November 1561, von der mir ausgangs 2014 Dr. Hans von Wimpffen eine Kopie übergeben hat und wonach am 8. Juli 1559 an Bürgermeister und Rat die „verordnete vormundere des erbarn Dominici Herman von Wimpffens seliger verlasner kinder und Ursula, desselben von Wimpffen wittfrau … die behausung und hofraith, so er von Wimpffen uf sein absterben nach sich verlassen … verkauft und zu kaufen vergeben … .“ Aus dieser Urkunde lässt sich auch ablesen, dass Dominicus, wie es einem vermögenden Fernhandelskaufmann geziemte, ein in der Sankt Sebalds-Pfarrei und deren Pfarrkirche oberhalb des Rathauses und neben der „herren kaufere“ (gemeint, wie es oben bei Sporhan-Krempel heißt, dem Herrnmarkt) eine zwischen zwei Gassen durch und durch reichende Behausung besaß, die aus einem Vorder-, Mittel- und Hinterhaus bestand.
Ergänzend einbringen, die per Mail am 24. 03. 2015 avisierte und am 28. 03. 15 aus wimpffen-hu entnommene und auf Dominicus Hermann vom W. bezogene Medaille von angeblich 1533 des Nürnberger Matthes Gebel als Abb. Nr. 24!
I. Wie der Sohn des Dominikus und Stammträger der 6. Generation CHRISTOPH (DER ÄLTERE) VON WIMPFFEN sich mit einer Frau aus den Ersten Nürnberger Familien und dem Inneren Rat angehörenden BÖHEIM verehelicht und dessen Bruder NICLAS eine Tochter der ebensolchen Familie der PFINTZING zur Frau nimmt und danach zum Genannten des Größeren Rats und als Assessor des Bauerngerichts berufen wird.
Generation 6:
Der Blick in den Stammbaum von Stör zeigt, dass Dominicus und Ursula vier Töchter hatten: URSULA (6h), BARBARA (6i), APOLONIA, verheiratet mit CONRAD KIELMANN VON CÖLN bzw. JACOB KRAMER (6j); MAGDALENA, verheiratet mit LIENHARD OTT (6k). Außerdem hatte er vier Söhne: HEINRICH (6e), NICLAS, verheiratet mit ANNA PFINTZINGERIN (6f); DIETRICH (6g) und den Stammträger CHRISTOFF 6a), verheiratet mit REGINA BÖHEIMIN. Welche zwei von diesen vier Töchtern bei dem Flossunfall ertrunken sind, erfahren wir von Sporhan-Krempel nicht. Diese spricht im Fortgang lediglich davon, dass die Erstgenannten zwei Söhne gehabt hätten: NIKLAS und CHRISTOPH, und sie stellt zunächst vom Erstgenannten Folgendes heraus, womit Stör in seinen diesbezüglichen Angaben bestätigt wird: „NIKLAS, am 22. März 1539 in St. Sebald getauft, setzte die Reihe der erfolgreichen Ehen fort. Er verheiratete sich am 15. Juni 1568 mit ANNA, der Tochter des MARTIN PFINTZING. Ein Jahr nach seiner Eheschließung (demnach 1569) wurde er Genannter (zu ergänzen: des Größeren, natürlich nicht des Abkömmlingen der Ersten Geschlechter vorbehaltenen Kleineren Rates) und im selben Jahr als Assessor ans Bauerngericht berufen, wo er bis zu seinem Tod im August 1597 tätig war. Er wertete das ‚Image’ seiner Familie sehr auf.“ Die prüfende Nachschau bei Friedrich Gugel Nr. 1030 erbringt den folgenden bestätigende Eintragung: „Gott mein Hoffnung / Anno 1597, den 29. Augusti / ist in Gott entschlaffen / der Erbar und Vest Nicolaus Hermann von Wimpffen.“ Und angefügt ist: „Und hernach An. – dm – (es fehlt die Jahreszahl) starb die Erbar Ehrntugendreiche Anna / seine eheliche Hausfrau / eine geborene Pfinzingin / denen und uns allen Gott eine fröliche Auferstehung verleyhen wolle. Amen.“ Die von Sporhan-Krempel konstatierte Aufwertung ergab sich sicherlich vor allem dadurch, dass die ebenfalls zu den Ersten Geschlechtern gehörigen Pfinzing (1554 mit dem Zusatz „von Henfenfeld“) im 13. und 14. Jahrhundert das größte und auch einflussreichste Geschlecht Nürnbergs und unstrittig staufisch-ministerialer Abstammung gewesen waren sowie mehrfach in Nürnberg das höchste Amt des Reichsschultheißen innegehabt hatten. Deren früher Reichtum war vor allem dem Fernhandel entwachsen. Wir können davon ausgehen, dass ANNA PFINZING eine der sieben Töchter der ersten Ehefrau des MARTIN I. PFINZING (1490 – 1552) namens ANNA GEBORENE LÖFFELHOLZ (1498 – 1543) gewesen ist. Diese sieben Töchter alle unter den Hut zu bringen und sie damit vor immerwährendem Jungfernschaft und gar dem Eintritt in ein geistliches Fräuleinstift zu bewahren, dürfte nicht einfach und so im Falle der Anna der Preis dafür die Verheiratung in den nächstniederen Stand gewesen sein. Aus dem mütterlichen Erbe hatte die Mutter das prächtige Haus „zum Lindwurm“ in markanter Lage unterhalb der Lorenzkirche (Königstraße 12) in die Ehe gebracht. Ob die Hermann von Wimpffen davon profitiert haben, bleibt natürlich offen.
Was den von Sporhan-Krempel nun beschriebenen Bruder des Niclas namens CHRISTOPH betrifft, der von Stör an die Stelle des Stammhalters unter demselben Namen (in anderer Schreibweise) CHRISTOFF mit REGINA BÖHEIMIN (6a) dahinter als Ehegattin gesetzt ist, so erfahren wir über diesen ebenfalls eine ziemlich reiche Reihe familiärer Lebensdaten und -fakten, die mit den von Stör ableitbaren solchen großteils korrespondieren: „Sein (gemeint Niclas) mehr als zehn Jahre jüngerer Bruder CHRISTOPH – später der Ältere genannt – wurde am 21. April 1552 in St. Sebald getauft. Auch ihm gelang eine Einheirat in eine alte Ratsfamilie. Am 20. Dezember 1577 wurde er mit REGINA BEHEIM getraut. Ihr Vater Michael gehörte dem Inneren Rat an und war oberster Bauherr der Stadt. Das Ehepaar hatte mehrere Kinder. Die Töchter starben jung und unvermählt, die 1579 geborene Anna Regina achtzehnjährig in Köln, wo sie vielleicht Verwandte besucht hatte. Ihre viel jüngere, erst 1591 geborene Schwester Susanna starb im März 1601 in einem Haus am Fischbach. Der ältere Christoph beendete sein Leben im März 1619 in einem Haus beim Gelben Löwen am Bonersberg. Die überprüfende Nachschau in der Folgegeneration 7 bei Stör erbringt vier aufgeführte Kinder: einen Sohn und Stammhalter namens CHRISTOFF (7a) sowie 3 Töchter: MARGARET (7o), REGINA (7p) und SUSANNA (7q); somit besteht zwischen Sporhan-Krempel und Stör, abgesehen von der bei der Erstgenannten nicht erwähnten Margaret, volle Übereinstimmung.
Die BÖHEIM oder BEHEIM oder bei Peter Fleischmann BEHAIM auf Kirchensittenbach, wie diese auch im Verzeichnis des Nürnberger Patriziats erscheinen, sind bereits 1285 ersterwähnt, finden sich im Inneren Rat ab 1319 und erhalten 1677 sogar unter Vermehrung ihres Wappens von Kaiser Leopold I. den Adelstitel. Die der Einheirat in das Erste Geschlecht der Böheim von den Hermann beigemessene große Bedeutung wird abermals daraus evident, dass bei Stör auf der Gegenseite der genealogischen Rund-Darstellung der Groland eine solche der Böheim eingebracht ist. Siehe dazu
Abb. 24: Die rechts unter dem Laubdach des Stammbaumes von J. W. Stör angebrachte Runddarstellung der Abstammung von Regina Böheim, Gattin des Christoff Hörmann von Wimpffen (Heirat am 20. Dezember 1577 in Nürnberg).
In dieser ist das Ehepaar CHRIST. HÖRMANN und REGINA BÖHEIM mit ihrem jeweiligen Wappenzeichen, dem Widder der Hermann von Wimpffen bzw. der auf senkrecht gespaltenem Schildgrund nach schräglinks laufende geschlängelte Fluss der Böheim, wie von der Pendantdarstellung der Abb. 21 her zu erwarten, wieder ganz rechts außen zu finden. Als Eltern von Regina sind angegeben: MICHAEL BÖHEIM (entsprechend der Angabe von Sporhan-Krempel) und MARGARETHA EMERICHIN, als Großeltern väterlicherseits STEPHAN BÖHEIM und MARGARETHA ORTOLFFIN, als Urgroßvater väterlicherseits MARTIN BÖHEIM, als Ururgroßvater sowie Urururgroßvater väterlicherseits jeweils H(ANS) MARTIN BÖHEIM. Diese von Spör präsentierte Ahnenfolge ist mit der von P. Fleischmann gegebenen (allerdings sehr lückenhaft erscheinenden) Ahnentafel der Behaim leider nicht zusammenzubringen. Mit dem von Sporhan-Krempel angegeben Vater namens Michael müsste MICHAEL VII. BEHAIM (1459 – 1511) gemeint sein, der von 1502 – 1511 Ratsbaumeister gewesen und ab 1485 bis zu seinem Tod ununterbrochen Funktionen im Engeren Rat wahrgenommen hat. Doch ist bei Fleischmann als dessen Gattin MARGARETA WINTER (und nicht wie in der Runddarstellung von Stör MARGARETHA EMERICHIN) angegeben. Außerdem müsste Regina Böheim bei einer Vaterschaft des Vorgenannten im Jahre ihrer Heirat im Jahre 1577 niedrigstenfalls bereits 66 Jahre alt gewesen sein, was mit ihren vorstehend bereits aufgeführten vier Kindern in keiner Weise zusammengeht. Darüber hinaus lassen weder die Suche in der (allerdings sehr lückenhaften) Genealogischen Tafel noch in der umfangreichen Familienbeschreibung der Behaim von Peter Feischmann Übereinstimmungen mit der von Stör angegebenen rückschreitenden männlichen Ahnenfolge von Regina zu Michael und weiter zu Stephan, dann zu Martin, dann zu H. Michael und schließlich noch einmal zu H. Michael erkennen. Wie dem auch sei: Entscheidend ist, dass bei der Weiterbetrachtung der Stammfolge der Hermann von Wimpffen sowie der Geschwisterverzweigungen zwischen Stör und Sporhan-Krempel Übereinstimmung besteht.
Über LIENHARD HERMANN und PIARINA DI ALDI (6b), den Sohn und die itaiienische Schwiegertochter von HANß DEM JÜNGEREN und CLARA CLAUDIANI bzw. CLARA DIOTÄT aus Zypern, wurde bereits in Kapitel F berichtet.
J. Wie CHRISTOPH DEM JÜNGEREN VON WIMPFFEN der 7. Generation die Einheirat in die der Ehrbarkeit (2. Stand) angehörenden angesehenen Nürnberger Kaufmannsfamilie der SEMLER und später der Aufstieg in das Amt des Unterpflegers in Gostenhof gelingt.
Generation 7:
In der genau 3 Dutzend Glieder umfassenden äußerst langen Generationskette (7a – 7z und 7aa – 7kk) ist bei Stör der am Stamm platzierte Sohn CHRISTOFF (DER JÜNGERE) zusammen mit seiner 1607 geehelichten Frau namens ANNA MARIA SEMLERIN (7a) der Wichtigste. Das sieht auch Sporhan-Krempel so, die wiederum CHRISTOPH schreibt und über dessen von ihr gleichbenannte Frau und deren Herkunft Folgendes berichtet: „Sie war die Tochter des ehrbaren und fürnehmen DIETRICH SEMLER. Die Semler waren angesehene Kaufleute. Christoph wurde später Unterpfleger in Gostenhof (damals ein Vorort Nürnbergs, heute an die Nürnberger Altstadt grenzend).“ Demnach wurden die Semler nicht zu den Ersten, sondern – wie die Hermann von Wimpffen – „nur“ zu den Zweiten Geschlechtern Nürnbergs, der sog. Ehrbarkeit, gerechnet. Laut Sporhan-Krempel hatte Christoph der Jüngere mit seiner Frau Anna Maria elf Kinder. Die Vergleichung mit Stör erbringt volle Übereinstimmung: siehe dazu 8a sowie 8g – 8p.
Die Töchter von Christoph dem Älteren bzw. die Geschwister von Christoph dem Jüngeren, so Sporhan-Krempel, „starben jung und unvermählt, die 1579 geborener ANNA REGINA (7p) achtzehnjährig in Köln, wo sie vielleicht Verwandte besucht hatte. Ihre viel jüngere, erst 1591 geborene, Schwester SUSANNA (7q) starb im März 1601 in einem Haus am Fischbach. Von dieser bleibt, wie bereits gesagt, MARGARETE (7o) ungenannt. Über HANß und PHILIPINA TUCHERIN (7l), den Sohn und die Schwiegertochter von LIENHARD HERMANN und PIARINA DI ALDI wurde bereits in Kapitel F berichtet.
Bevor wir uns der Generation 8 zuwenden, erscheint wieder ein Blick in die I. Stammtafel von Wurzbach notwendig (siehe Abb. 14), wo bei Generation VIII, die in etwa der Generation 7 des Stammbaumes von Spör entsprechen dürfte, als Stammhalter nicht Christoph mit der Semlerin, sondern ein JOHANN JACOB, geb. 1547, sowie als dessen Gattin die angeblich aus Franken stammende DOROTHEA VON SCHWARZENBERG erscheinen. Bei Wurzbachs Vorläufer und Vorbild Aubert des Bois sind diese, wie bereits dargestellt, folgendermaßen beschrieben: „VIII. Jean-Jacques de Wimpffen, né en 1547, Seigneur de Brixenstein, Zabietstein etc. èpousa en Franconie, en 1571, Marie, Comtesse de Schwarzenberg“. Beim Letztgenannten sowie bei Cellarius-Goldtbeeg besitzt diese Gattin somit sogar den Adelsrang einer Gräfin. Was das „etc.“ hinter den diesem als „Seigneur“ (Guts- und Lehensherrn) zugeschriebenen Plätzen Brixenstein und Zabietstein etc. betrifft, so ist, entsprechend dem bereits an früheren Stellen Gesagten, Ebershausen gemeint. Wie aus einer an späterer Stelle aufgeführten auf diesen Jean-Jacques bezogenen Textstelle abgeleitet werden kann, ist aus der Sicht von Aubert des Bois des Weiteren noch die „Seigneurie de Rohosbourg dans le Canton d’Ortenau“ (die Lehensherrschaft Rohosburg im Kanton Ortenau) zu diesen angeblichen Besitztümern hinzuzurechnen. Um es der Klarheit wegen noch einmal zu wiederholen: Der aus diesen gleichbleibenden stereotypen Angaben behauptete über drei Jahrhunderte hinweg reichende permanente Besitz dieser zerstreut liegenden Herrschaftsplätze ist als eine Unmöglichkeit zu betrachten. Im Übrigen war und hieß der von Aubert des Bois, dem Gotha (Cellarius-Goldtbeeg) und Wurzbach präsentierte Stammvater deren Generation VIII nicht JEAN-JACQUES (JOHANN JACOB), sondern – wie sich zweifelsfrei aus den obigen korrespondierenden Angaben von Stör und Sporhan-Krempel ergeben hat – CHRISTOFF/CHRISTOPH (DER JÜNGERE), einzureihen in die Zählung nach Stör in die Generation 7.
K. Wie der Sohn von Christoph dem Jüngeren und Stammträger der Generation 8 JOHANN FRIEDRICH VON WIMPFFEN (1615 – 1668) über seine erste Einheirat in die zwar nur dem Zweiten Stand der sog. Ehrbarkeit angehörende, doch reiche Nürnberger Familie der FÜRLEGER und über seine zweite solche in die dem Ersten Stand zugehörige einflussreiche Sippe der KRESS VON KRESSENSTEIN den begehrten Posten eines Losungsamtmannes erlangt und zu großen Besitztümern und Einkünften kommt, schließlich 1658 für sich und seinen jüngeren Bruder JOHANN DIETRICH VON WIMPFFEN (geb. 1616) die Freiherrenwürde mit Wappenvermehrung durch die Beigabe einer Königskrone erringt, doch schließlich durch seine Hoffart, Unterschlagungen und Bestechungen in Kerkerhaft und dort unrühmlich und geheimnisumwittert zu Tode und gerüchteumwoben unter die Erde kommt.
Generation 8
mit Vorausblicken zu Generation 9
(Kinder):
Bevor wir im Stammbaumn Stör in die Betrachtung des Stammträgers eintreten, sei ein großteils unter Weglassung von Namen erfolgender kurzer orientierender Blick auf die Gesamtheit der hier dargestellten Generation 8 geworfen, wovon der Mittelbereich der elf Kinder von 7a (CHRISTOFF UND ANNA MARIA SEMLERIN), nämlich 8a sowie 8g – 8p, summarisch bereits angesprochen worden ist. Hinzu kommen linkerhand die fünf Kinder von 7l (HANß und PHILIPINA TUCHERIN), nämlich 8b – 8f; daran schließen sich rechterhand zwei je vierköpfige Geschwistergruppen, welche Ururenkel von HANß, dem Italienfahrer, und der LINDENMAIRIN (4f) sind. Zu denen gelangt man, wenn man von diesen beiden aus den Weg über deren Sohn WILHELM und dessen Ehefrau MAGDALENA SCHMUCKERIN (5d), zu deren Enkel CHRISTOFF mit der SUSANNA WALTERIN (6n) sowie deren Urenkel einerseits BERNHARD und ANASTASIA SCHMOLTZIN (7t) bzw. andererseits CONRAD und ANNA EGLOFIN (7w) nimmt: die erste Vierergruppe ist bezeichnet mit 8q – 8t, die andere mit 8u – 8x. Somit sind in dieser Generation 5 + 11 + 4 + 4 = 24 Namen aufgeführt.
Im Zentrum als Stammhalter erscheint JOHANN FRIEDRICH mit links seiner ersten Gemahlin SUSANNA CATHARINA FÜRLEGER, rechts seiner zweiten solchen SUSANNA KREßIN. Vier Plätze weiter links findet sich JOHANN DIETRICH mit links seiner ersten Gemahlin MARIA MAGD. LÖFFELHOLTZIN und rechts seiner zweiten solchen KATHARINA BART(HOLOMEA) LÖFFELHOLTZIN. Der Blick in die I. Stammtafel von Wurzbach (Generation IX) zeigt überraschenderweise und damit zum ersten Male seit Generation I bzw. 1, dass bezüglich der Namen der vorgenannten zwei Brüder wie auch deren Gattinnen (abgesehen von den bei Wurzbach aufgeführten weiteren Ehefrauen 3 und 4 des Johann Dietrich) Übereinstimmung zwischen Stör und Wurzbach besteht. Dass, was die dort genannten Lebensdaten und Titulierungen der beiden sowie die bei Wurzbach seitlich aufgeführten beiden Geschwister betrifft, jedoch immer noch gravierende Unterschiede bestehen, wird sich konkret im Fortgang noch zeigen. Rückblickend ist außerdem in Bezugsetzung zum im letzten Abschnitt von Generation 7 Gesagten, darauf hinzuweisen, dass von Wurzbach, den vorgenannten beiden Brüdern die quasi falschen Eltern namens JOHANN JACOB und MARIA DOROTHEA VON SCHWARZENBERG statt CHRISTOFF und ANNA MARIA SEMLERIN zugeordnet sind. Dazuhin erscheinen im I. Stammbaum die dem Brüderpaar beigegebenen zwei Geschwister (links) SEBASTIAN, geb. 1580, und (rechts) ELISABETH, geb. 1587, in der langen Reihe der bei Stör aufgeführten elfköpfigen Geschwisterreihe (8a – 8p), darunter 7 Brüder und 4 Schwestern, nicht. Das vorgenannte Brüderpaar sticht in der I. Stammtafel von Wurzbach dadurch ins Auge, dass JOHANN FRIEDRICH als Stammvater vom sog. Aelteren Hauptast, JOHANN DIETRICH als solcher vom sog. Jüngeren Hauptast deklariert ist. Dies scheint im Blick auf die beigegebenen Geburtsjahre 1581 für den Erstgenannten und 1583 für den Zweitgenannten zwar richtig; doch sind diese zugrunde gelegten Geburtsjahre eindeutig falsch, was die notwendige Korrektur an späterer Stelle erfahren wird. Sehr bedeutsam erscheint, um dies andeutend vorwegzunehmen, dass es sich bei den erheirateten Ehefrauen dieses Brüderpaares um hoch- bis höchstvermögende Nürnbergerinnen gehandelt hat, wovon die Kressin und die beiden Löffelholtzinnen sogar aus Familien des Ersten Standes, d. h. dem Patriziat, die Fürlegerin aus immerhin dem Zweiten Stand, der sog. Ehrbarkeit, stammten. Genaueres darüber siehe in der nachfolgenden Übersicht! Da die jetzt gegebene Übereinstimmung der Angaben von Wurzbach (einschließlich derjenigen von Aubert des Bois und Cellarius-Goldtbeeg) sich fast nur auf die Namengebung männlicher- und fraulicherseits bezieht, erscheint es notwendig, diese Übersicht in Form einer vergleichend-kritischen Zusammenschau der übereinstimmenden Angaben von Stör, Sporhan-Krempel und – jetzt diese noch bestätigend wie ergänzend dazukommend – von G. E. Waldau einerseits sowie denen des Aubert des Bois und dessen späteren hinlänglich bekannten beiden Adepten Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach andererseits anzulegen.
GENEALOGISCHE ÜBERSICHT I:
Das Nürnberger Brüderpaar JOHANN FRIEDRICH und JOHANN DIETRICH VON WIMPFFEN, GENANNT HERMANN,
(Generation IX bzw. 8)
sowie
DEREN KINDER
(Generation X bzw. 9)
Zusammenschau nach F. W. Spör (ca. 1750/60) sowie G. E. Waldau (1787) und Sporhan-Krempel (1984)
– dazu korrigierend-vergleichend mit Aubert des Bois (1770/78), Cellarius-Goldtbeeg (1853) und von Wurzbach (1888) –
Siehe im Stammbaum Stör bei
Nr. 8a,
in der I. Stammtafel von Wurzbach unter
Generation IX links der Mitte Siehe im Stammbaum Stör bei
Nr. 8j,
in der I. Stammtafel von Wurzbach unter
Generation IX rechts der Mitte
JOHANN (HANS) FRIED(E)RICH
VON WIMPFFEN, GENANNT HERMANN JOHANN (HANS) DIETRICH
VON WIMPFFEN, GEN. HERMANN
Geboren laut Sporhan-Krempel
1615
und getauft am 12. September 1615,
jedoch laut Aubert des Bois, Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach
falscherweise schon 1581, womit dieser der
vorhergehenden Generation zugewiesen ist.
Laut den beiden Letzgenannten soll dessen Geburtsort
Hirschbach gewesen sein. Geboren laut Sporhan-Krempel
1616
und so um ein Jahr jünger der Bruder,
jedoch laut Aubert des Bois,
Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach falscherweise bereits 1583, was diesen
der vorhergehenden Generation zuweist.
Über den Geburtsort ist nichts gesagt.
Gestorben nachweislich in Gefängnishaft in Nürnberg in der Nacht des
13. Dezember 1668
laut Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach am
13. November 1668
(angegebener Monat jedoch falsch) Todesdatum und -ort nicht bekannt
Heiraten:
03. 11. 1645: 1) SUSANNA CATH. FÜRLEGERIN
04. 06. 1660: 2) SUSANNA KREßIN (KRESSIN)
oder laut Wurzbach und Cellarius-Goldtbeeg
SUSANNA KREß VON KRESSENSTEIN,
laut Letztgenanntem
geboren am 16. August 1622, gestorben am 5. Juli 1682 Heiraten:
1658: 1) MARIA MAGDALENA
LÖFFELHÖLTZIN
nach deren Tod
1663: 2) KATHARINA BARTHOLOMEA
LÖFFELHÖLTZIN
laut Aubert des Bois allein mit
MARIE DE ROSENBACH,
laut Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach
wie beim Vorgenannten
wohl falscherweise
3) MARIA SABINA bzw. SABINA
VON CREMONI
4) ANNA VON ROSENBACH
Die angeheiratete Familie der FÜRLEGER gehörte zwar „nur“ seit 1495 dem Zweiten Stand der Nürnberger Ehrbarkeit an, besaß aber eine Handelsniederlassung z. B. in Verona und bekam 1625 sogar den Adelstitel zuerkannt. Ihr großer Reichtum zeigt sich z. B. darin, dass von SUSANNA KATHARINA FÜRLEGER gesagt wurde, sie habe um die 60 bis 70 000 Gulden mit in die Ehe gebracht. Die Familie der Kreß dagegen, aus der die nach deren Tod geheiratete SUSANNA KRESSIN stammte, gehörte dem Vordersten Stand der Patrizier an. Die Kreß waren mit dem äußerst erfolgreichen Kaufmann Fritz Kreß zwar erst ab dem Jahr 1370 in Nürnberg belegt, doch 1418 erstmalig ratsfähig geworden. Im 16. Jahrhundert hatten sie sich vom Kaufmannsberuf ab- und bewusst zum Staatsdienst als Diplomaten und Kriegsleute hingewandt und 1531 vom Kaiser das Adelsprivileg mit der Benennung „Kreß von Kressenstein“ erlangt. Laut Sporhan-Krempel und Waldau war Susanna Kressin viermal verheiratet: in 1. Ehe mit HANS CHRISTOPH SCHLÜSSELFELDER, nach dessen Tod in 2. Ehe 1655 mit GABRIEL HARSDÖRFFER, Assessor am Nürnberger Stadtgericht, nach dessen Tod sowie dem ihres 3. Gatten JOHANN FRIEDRICH VON WIMPFFEN GENANNT HERMANN, in 4. Ehe mit Friedrich WALTER SCHLAHER VON DER NIMKAU, der Pfalz-Sulzbachischer Hof- und Stallmeister war.- Dass im Stammbaum Stör Johann Friedrich zusammen mit seinen beiden Frauen am Stamm und sein Bruder Johann Dietrich links seitab gesetzt ist, dürfte erstrangig darauf zurückgehen, dass er der Ältere der beiden gewesen ist. Laut Waldau und übereinstimmend mit Sporhan-Krempel wurde Johann Friedrich 1645 (damals 30-jährig und gerade verehelicht) Gegenschreiber und 1646 Genannter im Größeren Rat, 1654 (knapp 40-jährig) Kassier im städtischen Leihhaus (Pfandhaus), 1655 Losungsamtmann in der Losungsstube der sog. Losunger (des Kleineren Rates). Letztere waren die Steuererheber und Verwalter der städtischen Finanzen, denen die Stadtkasse und die Verwahrung der Siegel und Freiheitsbriefe anvertraut war. Johann Friedrich war diesen als Schreiber und Rechner zugeteilt und so in ein bedeutendes Nürnberger Stadtamt eingerückt. Als Losungsamtmann war es ihm verboten, Handel und Gewerbe zu betreiben. Bei Aubert des Bois ist dieser als zweiter Sohn des angeblichen Jean-Jacques namens „JEAN-FRÉDÉRIC, né en 1581“ aufgeführt. Sonst verliert er über diesen kaum noch ein Wort, ganz im Gegensatz zu dessen um ein Jahr jüngerem Bruder Johann Dietrich, obgleich Johann Friedrichs in Nürnberg erreichtes hohes Amt und sein außergewöhnlich großer Güterbesitz, nicht zuletzt sein tiefer Fall und unglückseliges Ende (siehe die dieser Übersicht angeschlossene umfängliche Schilderung seines weiteren Werdens und Todes) dieses erwarten lassen. Wurzbach dagegen nennt zwar dessen Tätigkeit als Lo-sungsamtmann, behauptet aber fälschlicherweise, Johann Friedrich sei zuletzt (statt bestenfalls, wenn überhaupt, zuerst) kaiserlicher Feldoberster gewesen, was er in seiner I. Stammtafel auch allein dessen Namen beigibt. Dadurch entsteht von diesem ein völlig falsches Bild, indem dieser dort somit als reiner Militär apostrophiert ist. Dies geschieht wohl bewusst in Angleichung an den daneben ebenfalls höchst übertreibend als kaiserlichen Feldobersten deklarierten Bruder Johann Dietrich (mehr dazu in der diesem geltenden rechten Spalte). Von Aubert des Bois und Cellarius-Goldtbeeg übernimmt Wurzbach auch die als Mär anzusehende Feststellung, Johann Friedrich habe von seinem Neffen Johann Paul (dieser erscheinend im Stammbaum Stör unter 9c als Sohn des Johann Dietrich, bei Aubert des Bois als „X. Jean de Wimpffen, IV.“) die sog. Rohooburg im Kanton Ortenau von seinem Onkel Johann Dietrich gekauft. Aubert formuliert den Gesamtvorgang dieses Verkaufs und Kaufs, bezogen auf Jean de Wimpffen IV., jedoch sehr viel genauer: „Jean Dietrich, son père, & son ayeul (gemeint damit dessen Großvater Johann Jacob der Gen. VIII), ayant dissipé tous les grands biens qu’ils possédoient, il ne resta à Jean IV. qu’ une partie de la Seigneurie de Rohosbourg dans le Canton d’ Ortenau, qu ’il céda ensuite à son oncle Jean Frédéric pour prix & somme de 50 mille florins.“ D. h. zusammengefasst: Jean IV. (= Johann Paul) und sein Vater Johann Dietrich verkauften an den Onkel bzw. Bruder Johann Friedrich den von den verloren gegangenen (man könnte auch übersetzen „verschleuderten“) vielen Besitztümern gebliebenen Rest, nämlich die Herrschaft Rohooburg im Kanton Ortenau für 50 000 Gulden. Dieses Besitztum ist hier also als Herrschaftsort und nicht als Burg empfunden. Nicht allein, dass eine solche Burg bzw. ein solcher Herrschaftsplatz in der Ortenau nicht auffindbar ist, sondern dies passt zu dem hier bereits kurz angerissenen sowie im Anschluss noch ausführlich geschilderten weiteren Lebensgang des Johann Friedrich mit der Darstellung seiner im Nürnberger nordöstlichen Umland erworbenen vielen Besitztümer in keinerlei Weise. Der Besitz dieser Herrschaft Rohooburg/Rohosbourg seitens der von Wimpffen entpuppt sich damit ebenfalls, genau, wie an früherer Stelle schon mehrfach konstatiert, jener der Herrschaften Brixenstein, Zabietstein und Ebershausen als so etwas wie eine Vorspiegelung nicht vorhandener Besitzreichtümer und Herrschaftsrechte, woraus auch die den angeheirateten angeblichen Frauen aller Generationen generell von Aubert des Bois und Adepten angedichtete Adelseigenschaft entspringt.- Zurückkommend auf den im letzten Textabschnitt vor dieser ÜBERSICHT I gegebenen Hinweis, dass Johann Friedrich und Johann Dietrich von Wurzbach als die Stammväter des sog. Älteren Hauptastes bzw. sog. Jüngeren Hauptastes der von Wimpffen deklariert sind, wird ins Auge springen, dass auf der I. Stammtafel des Constantin von Wurzbach die diesbezüglichen beiden Begriffe korrigierend von deren beider Namen weg hin zu zweien der Söhne des Erstgenannten namens GEORG ABRAHAM und HANS KARL umgesetzt sind. Der Grund für diese Änderung der Zuordnung wird sich erst richtig durchschauen lassen, wenn die nachfolgend aufgeführten vier Kinder des Johann Friedrich und dann noch die Nachkommen der vorgenannten beiden neu als Stammväter der zwei Hauptäste ausgewiesenen Brüder Georg Abraham und Hans Karl einer genaueren Betrachtung unterzogen worden sind. Die beiden angeheirateten Löffelholtz-Frauen waren Schwestern. Die Familie der LÖFFELHOLTZ zählte zu den Vordersten Geschlechtern (Patriziern) Nürnbergs. Die Löffelhol(t)z (von Kolberg auf Steinach) hatten in und um Nürnberg große Besitzungen mit Herrensitzen, Schlössern u. v. a. m. (Ersterwähnung 1420, im Engeren Rat ab 1418, 1512 Namenszusatz als Adelstitel anerkannt). Thomas Löffelholtz (1472 – 1527) war ein erfolgreicher nürnbergischer Feld¬hauptmann im Bayrisch-pfälzischen Erb-folgekrieg (1504/05) gewesen und dafür mit dem Schloss Kolberg bei Altötting belohnt worden, wonach sich die Familie in Erweiterung ihres Namens seither genannt hatte.-
Laut Waldau und sich deckend mit Sporhan-Krempel war Johann Dietrich zuerst in kaiserlichen, dann in spa-nischen Diensten (es herrschte ja der 30-jährige Krieg) als Lieutenant zu Ross, dann in Nürnbergischen Diensten als solcher zu Fuß. 1659 wurde er Genannter des Größeren Rats. Laut Waldau soll er sich meistens auf seinem Gut zu Happurg (in der mittelfrän-kischen Hersbrucker Schweiz gelegen) aufgehalten haben. Er ist jedoch 1663, d. h. in der Zeit seiner zweiten Heirat mit Katharina Barbara Löffenholtz, als Hammerbesitzer und Hammermeister zu Rothenbruck bei Markt Neuhaus an der Pegnitz (im heutigen mittelfränkischen Kreis Nürnberg Land gelegen) über-liefert, wo die Löffelholtz und andere Patrizier 1659 mit ihrer Finanzkraft den kriegszerstörten Hammer wieder auf-gebaut hatten. In dessen Besitz sowie auch wohl in dem des dazugehörigen Schlosses und Herrenhauses war dieser Hammer im o. g. Jahr durch einen Prozess mit der Nürnberger Patrizier¬Gesellschaft der Löffelholtz-Tetzel-Kress gekommen, deren Teilhaber aus dem erst- und letztgenannten Geschlecht mit Johann Dietrich verschwägert waren. Dieser soll laut Aubert des Bois und Cellarius-Goldtbeeg die Stadt Nürnberg, was jedoch nicht stimmen kann, bereits 1650 verlassen und sich in Durlach niedergelassen haben, wo er Gro߬kämmerer der Markgräfin von Baden-Durlach, geborene Prinzessin von Sachsen-Eisenach, gewesen sei, wie es der Todesnachweis beweise. Wurzbach dagegen sagt, dieser sei zunächst gleich seinem Bruder kaiserlicher Feld-oberster, dann (hierin übereinstimmend mit Aubert des Bois und Cellarius-Goldt-beeg) Kämmerer und Obersthofmeister der Markgräfin von Baden-Durlach gewesen. Zwar sieht dieser ebenfalls 1650 als das Jahr an, in dem Johann Dietrich Nürnberg verlassen habe, doch gibt er an, dass dieser damals in die Pfalz übergesiedelt sei, was aber nicht so recht zu der Johann Dietrich zuvor zugeschriebenen Tätigkeit am Hofe Baden-Durlach passt. Dorthin weist auch Gene-Allnet, wo bei sonstiger Über-einstimmung mit Wurzbach als Ort und Datum des Todes „Durlach, 17. 11. 1679“ angegeben ist. Dieses alles geht in keinerlei Weise mit Johann Friedrichs wirklichem Lebensgang zusammen, der sich ja in den genannten Zeiträumen im nürnbergisch-mittelfränkischen Raum (1659 in Nürnberg im Größeren Rat, 1663 zu Rothenbruck Hammerbesitzer und Hammermeister; Hauptaufent¬haltsort damals sein Gut Happurg auf der Frankenalb) abgespielt hat. Dass dieser zunächst kaiserlicher Feld-oberster gewesen sei, stellt eine Übertreibung von Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach dar, was sich aus den sicherlich fundierten Angaben von Wal-dau ergibt, wonach er nicht mehr als den Rang eines Lieutenants erreicht hat.
Und nun Grundsätzliches über die Kinder der oben vorgestellten beiden Brüder:
Zunächst über die KINDER DES ÄLTEREN JOHANN FRIEDRICH:
Laut Sporhan-Krempel – übereinstimmend mit Stör und Waldau sowie auch nunmehr sogar mit Wurzbach – sind aus der zweiten Ehe des Johann Friedrich mit Susanna Kreßin keine Kinder, aus der ersten Ehe mit Susanna Katharina Fürlegerin dagegen die folgenden (alle in Nürnberg geborenen und getauften) vier Söhne hervorgegangen, deren erster vor dem Vater verstorben sein soll (in Klammer die Schreibweise bei Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach; Waldau schreibt nie „Hans“, sondern grundsätzlich „Johann“):
1. 1646: JOHANN JACOB (JOHANN JACOB) – (siehe 9d bzw. X ganz links))
2. 1648: GEORG ABRAHAM (GEORG ABRAHAM)
– (siehe 9a bzw. X, dort jeweils als Stammträger erscheinend); laut Wurzbach hat sich dieser mit ANNA VON
TRAUTTENBERG vermählt; Weiteres, doch Anderslautendes, später!
3. 1652: HANß CHRISTOFF (HANS CHRISTOPH) – (9e bzw. X als Dritter der Reihe); Weiteres an späterer Stelle!
4. 1654: lt. Aubert des Bois und Sporhan-Krempel bzw. am 30. 10. 1656 lt. Waldau und Cellarius-Goldtbeeg: HANß
CARL, (lt. Stör, siehe bei 9f) bzw. HANS KARL (laut Wurzbach, siehe bei X rechts außen) bzw. JOHANN
CARL (laut Waldau) bzw. JEAN DE WIMPFFEN IV. (lt. Aubert des Bois) genannt; Weiteres an späterer Stelle!
Über die drei jüngeren Söhne, die den Vater Johann Friedrich überlebt haben, wird im Rahmen der nachfolgenden Schilderung des schillernden Lebens desselben sowie danach im Zusammenhang mit der Darlegung deren Lebensganges noch zentral Wichtiges für das Verständnis des weiteren Werdens des Geschlechtes derer von Wimpffen (unter mannigfacher Korrektur der Angaben von Aubert des Bois, Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach) zu berichten sein.
Nun folgen die KINDER DES JÜNGEREN JOHANN DIETRICH:
Im Stammbaum von Stör sind nur die folgenden zwei Kinder aufgeführt:
MARIA MAGDALENA (9b) und JOHANN PAULUS (9c), von dem bereits die Rede als Verkäufer der angeblichen Rohooburg zusammen mit seinem Vater Johann Dietrich gewesen ist.
Waldau spricht zwar von „mehreren verstorbenen Kindern“, weiß aber nur – wie auch Sporhan-Krempel – eine länger am Leben gebliebene Tochter namens (3.) SUSANNA zu nennen, die 1694 den Nürnberger Ratskonsulenten Dr. FRIEDRICH ERNST FINCKLER geheiratet habe und 1696 verstorben sei. Da diese im Stammbaum Stör nicht zu finden, jedoch mit Sicherheit existent gewesen ist, wurde in diesen deren Name und daneben der des Ehegatten, bezeichnet mit 9g, ergänzend eingesetzt. Finckler habe, so Sporhan-Krempel, nach Susannas frühem Tod eine ENDTERIN geheiratet, die eine Tochter des bekannten Nürnberger Buchhändlers und Buchdruckers GEORG ANDREAS ENDTER gewesen sei. Der Sohn aus dieser Ehe, dessen Name nicht genannt ist, sei dann einziger Erbe des Vorgenannten gewesen und habe sowohl dessen Druckerei und Verlag als auch die beiden Papiermühlen zur Weidenmühle und zum Mühlhof in Nürnberg geerbt.
Aubert des Bois ordnet Hans Dietrich demgegenüber fünf Kinder zu; Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach nennen übereinstimmend sogar sechs Kinder, darunter drei Söhne und drei Töchter. Im Gegensatz zu den vier Söhnen des Johann Friedrich sind diese nicht auf Wurzbachs I., sondern auf dessen II. Stammtafel zu finden, die im Anschluss dieser Übersicht in Abb. 24 gezeigt ist. Diese vier Sölhne sind dort in der Generationsreihe X (markiert links) bzw. 9 (markiert rechts) hintereinander folgendermaßen aufgelistet, wozu in Klammer die Namensversion des Aubert des Bois hinzugegeben ist sowie dahinter noch evtl. weitere Angaben aufgeführt sind:
1. CÄSAR AUGUST (CÉSAR AUGUSTE), geb. 1618; laut Aubert des Bois „mort sans postérité“ (gest. ohne Nachk.);
2. JOHANN CHRISTOPH (JEAN CHRISTOPHE), geboren 1619, nach Aubert des Bois 1620 und zwar „tué au service de l’Empereur“ (getötet im Dienste des Kaisers) bzw. laut Cellarius-Goldtbeeg in kaiserlichen Kriegsdiensten auf dem Schlachtfelde geblieben;
3. JOHANN PAUL (JEAN IV.), geboren 1625; gestorben 1684; heiratete laut Aubert des Bois 1654 in Baden-Dourlach ELISABETH DE GRIEDERINE, laut Cellarius-Goldtbeeg im selben Jahr in Durlach, auch laut Wurzbach SALOME VON KREITER AUF DIETSCH; Weiteres an späterer Stelle!
4. MARIA LUDOVICA (MARIE LOUISE), geb.1626, verheiratet laut Aubert des Bois, Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach mit GRAF VON SAYN;
5. MARIA MAGDALENA (Name bei Aubert des Bois fehlt); sonst keinerlei Angaben vorliegend;
6. ANNA BARBARA (ANNE-BARBE), geb. 1929, „morte en bas-âge“ bzw. lt. Cellarius-Goldtbeeg gestorben als Kind.
Zwar erscheinen, wie oben aufgezeigt, die Namen des hier als Drittältester aufgeführten JOHANN PAUL sowie der als Fünftälteste erscheinenden MARIA MAGDALENA auch im Stammbaum von Stör (der Erstgenannte als JOHANN PAULUS). Doch können diese beiden wie alle sechs Kinder, so wie sie von Wurzbach mit ihren von 1618 bis 1629 reichenden Geburtsdaten ausgestattet sind, mit Sicherheit nicht als solche des zweifelsfrei erst 1616 geborenen JOHANN DIETRICH betrachtet werden. Und selbst wenn diese stimmig sein würden, müssten diese auch deshalb entfernt werden, weil – wie im letzten Textabschnitt der obigen linken Spalte bereits angedeutet – der auf der II. Stammtafel von Wurzbach ausgebreitete sog. Jüngere Hauptast derer von Wimpffen nicht von JOHANN DIETRICH, sondern vom jüngsten der vier Söhne dessen älteren Bruders JOHANN FRIEDRICH namens JOHANN CARL (laut Waldau) bzw. HANS KARL (laut Wurzbach) aus weggeführt werden muss. Somit erschien es zwingend notwendig, die in der nachstehend gezeigten II. Stammtafel von Wurzbach in der Generationsreihe X erscheinenden Namen und Daten der sechs angeblichen Kinder des Johann Dietrich auszuklammern und damit als ungültig sowie dazuhin als hier unpassend zu deklarieren. Was die anderen ins Auge springenden Änderungen in den Anfängen der II. Stammtafel bei den Generationen IX und XI betrifft, so werden diese an späterer Stelle zur Sprache kommen.
Hier nun die vorstehend angekündigte
Abb. 25: Die II. Stammtafel der Freiherrn und Grafen von Wimpffen. Jüngerer Hauptast; entnommen dem 1888 erschienenen genealogischen Standardwerk des Constantin von Wurzbach „Die Freiherren und Grafen von Wimpffen … Mit zwei Stammtafeln“; korrigiert durch die Ausklammerung der drei erstgenannten Generationen und dortiger Beigabe anderer auf Johann Friedrich und nicht mehr auf dessen Bruder Johann Dietrich bezogener Stammträger, dazuhin erweitert durch die Fortführung der in der I. Stammtafel (Abb. 14) beigefügten Generationenzählung, links in Bezugnahme auf Aubert des Bois sowie Wurzbach in römischen Ziffern (X – XVII), rechts auf Stör in arabischen Ziffern (9 – 15), mit Farbunterscheidung der späteren fünf sog. Zweige a – e, außerdem am Kopf links mit einer „Ergänzung“ bzw. rechts einer „Anmerkung“ sowie unten mit einer auf die Grafen von Wimpffen bezogenen Weiterführung versehen.
Generation 9:
Bevor Weiteres über die Kinder und Enkel des Brüderpaares JOHANN FRIEDRICH und JOHANN DIETRICH gesagt wird, gilt es, das b u n t e u n d t r a g i s c h e L e b e n d e s E r s t g e n a n n t e n bis zu dessen Ende in der Nürnberger Kerkerhaft zu schildern, dem Lore Sporhan-Krempel, befördert durch eine Reihe über diesen und die von Wimpffen allgemein vorliegender Quellentexte, in ihrem 11 ½ Seiten füllenden Vortragstext nicht weniger als 8 Seiten widmet. Demgegenüber ordnet sie dessen jüngerem Buder Johann Dietrich anschließend nicht mehr als nur eine Drittelseite umfassenden Exkurs zu. „Er muss ein Mann gewesen sein“, so ist einleitend die Psyche des Johann Friedrich charakterisiert, „der gern groß auftrat, sich als Mäzen feiern ließ und vor Allem ein ungewöhnliches Geltungsbedürfnis an den Tag legte.“ Was diese im Fortgang in größter Ausführlichkeit und Farbigkeit unter gelegentlicher Anführung ihrer Quellen über dessen in Nürnberg sich vollzogenen Aufstieg und Fall schildert, kann hier – leider – nur gerafft unter Hervorkehrung des chronologischen Ablaufs der Ereignisse wiedergegeben werden. Wir beginnen beim Jahr
1651: Damals ist JOHANN FRIEDRICH noch im Nürnberger Leihhaus (Pfandhaus) tätig, als der Rat seine (erste) Frau SUSANNA CATHARINA um 10 Gulden bestraft, weil sie beim Kirchgang eine ganz goldene Haube getragen habe. Hierzu muss man wissen, dass die Obrigkeit wie auch die Gesellschaft des patrizischen Stadtstaates Nürnberg in größter Strenge darauf achtete, dass die von der Standesordnung den einzelnen Ständen vor allem hinsichtlich der Bekleidung gesetzten Grenzen respektiert wurden und Übertretungen u. U. mit Strafgeldern belegte. Eine goldene Haube stand nur dem ersten Stand zu, aus dem weder Johann Friedrichs erste Gattin stammte, noch ihm eigentlich von seiner männlichen wie weiblichen Abstammung aus der Ehrbarkeit her zugestanden werden konnte. Nun setzte er alle Hebel in Bewegung, um nachzuweisen, dass seine Eltern und Voreltern stets dem ersten Stand gleich geachtet worden waren. Dazu besorgte er sich Unterlagen von dem mit ihm von der Frauenseite her als Nachkomme des Italienfahrers Hans weitläufig verwandten Augsburger Ratsherren und Stadtkämmerer Leonhard Weiß. (Siehe im Stammbaum Stör unter 7x: HANS GEORG WEIß, Ehemann von MAGDALENA HERMANN VON WIMPFFEN, vielleicht der Vater des Angegangenen.) In einer ausführlichen Eingabe verwies er auf WILHELM (siehe 5d), der ins Augsburger Patriziat aufgestiegen und auf seinen GROßONKEL NICLAS (siehe 6f), der an 40 (es waren aber nur 27) Jahre beim Bauerngericht Assessor gewesen sei. Seine Mutter, die SEMLERIN (siehe 8a), sei zwar nur aus dem „andern (gemeint dem zweiten) Stand“, habe aber durch ihre Heirat sich dem ersten Stand zugesellt und bei ihrer Hochzeit unangefochten ihre goldenen Armbänder, Halsketten und das damals gebräuchliche goldene Barettlein sowie dem vordersten Stand zugehörige Kleider getragen u. a. m. Er selbst habe seinen „Ehrentag“ mit der FÜRLEGERIN, deren Familie nun über 300 Jahre in Nürnberg und dem derzeit ältesten unter dem andern (gemeint zweiten) Stand sei, „in der Enge“ im Haus begangen und nur deshalb kein aufwändiges Fest gefeiert, weil Krieg und viel fremdes Volk in der Stadt gewesen sei und ihm die einflussreichen Herren aus dem ersten Stand Niklas Albrecht Rieter, Johann Jakob Tetzel und Lucas Friedrich Beheim zu einer stilleren Hochzeitsfeier geraten hätten. Trotzdem habe seine Frau damals unverhindert die goldenen Armbänder etc. und eine dreifacher Kette mit einem daran hängenden Kleinod getragen. Der um Erlass der Strafe gebetene Rat erklärt im Bescheid vom 2. Dezember 1651 nach seinerseits vorgenommenen Nachforschungen, dass man es zwar geschehen lassen wolle, dass gedachter von Wimpffen und die Seinen sich dem ersten Stand gemäß kleiden und denjenigen im ersten Stand gleich geachtet werde. In einem vom Rat eingeholten Bescheid wird jedoch ausdrücklich die Einschränkung ausgedrückt, dass die Wimpffen zwar gerichtsfähig, aber nicht ratsfähig (im Sinne des Engeren Rates; Johann Friedrich ist ja bereits 1646 Genannter des Größeren Rats) seien.
1654: Von diesem Jahr an (bis 1667) nehmen Bürgermeister und Rat teils von der ersten Frau des Johann Friedrich und nach deren Tod von den Erben insgesamt 15 600 Gulden auf.
1657: Johann Friedrich hat es also schon weit gebracht und stiftet, nachdem er zwei Jahre zuvor zum Losungsamtmann (wohlgemerkt nicht zu einem der zwei bis drei sog. Losunger, die unabdingbar dem Ersten Stand angehören mussten) aufgestiegen ist, für Sankt Egidien gut dotierte Fastenmessen. Und er lässt auch das schöne Geländer um den Hauptaltar von Sankt Sebald im Preis von 800 Gulden machen. Auf dem dortigen Engelschörlein lässt er Fenster einsetzen, die oben ein Wimpffen-Wappen mit der Jahreszahl 1515 enthalten. Auch beabsichtigt er sogar, die sieben Kirchentüren von Sankt Sebald neu machen zu lassen, wenn er dort seine Wappen anbringen dürfe. Er geriert sich damit ganz so wie die als Stifter für Kirchenkunst und kirchliche Einrichtungen führend tätigen Nürnberger Familien des ersten Standes. Das wird ihm aber abgeschlagen und so lässt er nur zwei Türen, die sog. Ehetür und die Leichanschreibtür, auf seine Kosten erneuern. Im selben Jahr erwirbt er von der Witwe des Nürnberger Patriziers Hans Clemens Ebner um 10 000 Gulden das bei Hersbruck 40 Kilometer nördlich Nürnberg gelegene stattliche Dorf mit Herrensitz Eschenbach.
1658: Jetzt findet Johann Dietrich es sogar gegeben, in Wien beim Kaiser die Bitte um Aufnahme in die Ritterschaft des Kantons Altmühl für sich und auch für seinen Bruder Johann Dietrich zu beantragen; und er hat Erfolg: Eine Urkunde, datiert vom 13. November 1658, bestätigt feierlich, dass Kaiser Leopold I. dem „Johan Friedrich und Hans Dietrich von Wimpffen genant Herman gebrüdern“ ein Wappen verleiht und bestimmt, dass die Empfänger „für und für in ewig Zeitt recht geborne Lehens Turniersgenoß und Rittermessige Edelleuth sein“. Erfreulicherweise konnte ich im November 2014, der hier anstehende Textteil erschien bereits abgeschlossen, von Dr. Hans H. von Wimpffen dreierlei auf dieses Adelsdiplom mit Wappenerweiterung bezogene Texte übernehmen: Eine vollständige Kopie der 11 Seiten umfassenden originalen gedruckten Verleihungsurkunde, dazu Bruchstücke (die ersten sowie vier weitere Seiten) einer späteren mit dem Stempel „REICHS AKTEN“ bezeichneten Transkription nicht ermittelbaren Datums, außerdem Bruchstücke (die ersten drei Seiten) einer mit „Traduit de l’allemand“ überschriebenen Übersetzung dersellben ins Französische ebenfalls nicht ermittelbaren Datums. Die erstgenannte dieser drei Kopienfolgen, in der sich auch das verliehene erweiterte Wappen eingebettet findet, sei hier wenigstens auszugweise wiedergegeben in den
Abb. 26a – 26c: Die Kopien der Seiten 5, 7 (mit Wappendarstellung), 10 und der Schlusseite 11 des Briefes über die von Kaiser Leopold I. „Johann Friderich und Johann Dietrich von Wimpfen genant Herman gebrüdern“ verliehene Adelseigenschaft mit Wappenerweiterung vom 13. September 1658.
Der Text dieses Wappenbriefs sei nachfolgend ungekürzt wiedergegeben, wobei die in Klammer stehenden Partien in Aufrechtschrift Anmerkungen des Autors darstellen und infolge eingeschränkter Druckqualität insbesondere Satz- und Trennungszeichen, sofern diese sich überhaupt eingebracht finden, vielfach nicht ausmachbar sowie auch gewisse, wenngleich geringfügige, Teile des Wortgutes nicht zweifelsfrei entzifferbar sind. Da und dort haben jedoch die Rudiment-Texte der deutschen wie auch der französischen Transkription Hilfestellung geleistet, obgleich diese im Detail nicht immer der Urvorlage genau entsprechen. Um die Lesbarkeit und Sinnaufnahme zu erleichtern, wurden hier Worttrennung und Kommasetzung nach heutiger Regelsetzung, unabhängig davon, wie diese sich in der (diesbezüglich nur unzureichend ablesbaren) Originalfassung darbieten, eingebracht. Der im Original häufig zu findende Doppelpunkt stellt in der Regel eine Wortabkürzung, manchmal auch die Auslassung einer Endsilbe vor einer nachher auftretenden Endsilbenwiederholung dar. „Z“ erscheint kaum je einmal klein geschrieben als „z“ und ist hier grundsätzlich in der vorgegebenen Weise wiedergegeben:
1. Seite:
Wir Leopoldt von Gottes gnaden Erwöl-
ter Römischer Kaißer, Zu Allen Zeit-
ten Mehrer des Reichs in Germa-
nien, Zu Hungarn, Böheimb, Dalma-
tien, Croatien vnd Sclavonien, König,
ErtzHertzog Zu Österrreich, Hertzog Zue
Burgund, Zu Braband, Zu Steyer, Zu Kärn-
den, Zu Cnein, Zu Lutzenburg, Zu Würt-
temberg, Ober: vnd NiederSchlesien, Fürst
Zu Schwaben, Marggrave des Hey: Rö-
mischen Reichs, Zu Burgaw, Zu Mähren,
Ober: vnd Nieder Laußnitz, gefürste: Gra-
ve Zu Nablburg, Zu Tyrol, Zu Pfierd, Zu Ky-
Burg vnd Zu Görtz, Landgrave in Elsas,
Herr auff der Windischen Marckh, Zu Por-
tenaw vnd Zu Salins etc.
2. Seite:
Bekhennen für Unß
vnd Unßere Nachkomen am Reich
vnd andern Unsern Erblichen Königreichen, Fürsten-
thumben vnd Landen öffentlich mit diesem Brieff, vnd
thuen Kundt allermenniglich: Wiewohl Wir auß
Römischer Kayserlicher Höhe vnd Würdigkeitt, darein
Uns der Allmechtige nach seinem Göttlichen willen
gesetzt hat, auch angeborner güette und mildigkeitt,
alle Zeitt geneigt sein, aller vnd ieder Unserer und deß
Hen: Röm: Reichs, auch Unserer ErbKönigreich Fürsten-
thumb vnd Lande Underthanen vnd getreuen, Ehr
Nutz auffnehmen vnd bestes Zu betrachten vndt Zu
befördern. So würd doch Unser Kayserlich Gemüeth
allZeitt mehrers bewegt vnd begierlicher denen Unser
Kay: Gnad vnd Sanfftmüetigkeitt mit Zutheilen,
vnd Sie mit sondern gnaden vnd Freyheitten Zu für-
sehen vnd Zubegaben, deren VorEltern vnd Sie selbsten
von altem Geschlecht vnd Standt herkhomen, deß-
gleichen sich adelicher guetter Sitten,Tugend, Wan-
del vnd Wesens befleissen vnd Unnß dem Hey: Röm:
3. Seite:
Reich vnd Unserm löblichen Hauß Österreich mit
stehter vndertheniger getreuer dienstbarkeitt vor andern
allZeit gehorsamb anhängig vnd verwandt seind. Wan
Wir nun gnediglich angesehen wargenohmen vndt be-
trachtet, das alte Geschlecht, Standt und Herkommen, auch
adeliche guete Sitten, Dapferkeit, Tugend, Wandel, Thaten
vnd Vernunfft damit vor Unserer Kayserl: Mett: Unsere
vnd des Reichs liebe getreue Johann Friderich
vnd Johann Dietrich von Wimpfen
gnand Herman gebrüdere sonderbar be-
rüembt worden, insonderheit aber, die angenehme treue
gehorsambste dienst, so Sie und Ihre VorEltern des Ge-
schlechts von Wimpfen, gnand Hermanner. Unnsern
löblichen Vorfahren, dem Heyl: Röm: Reich und Unserm
Hochlöblichen Erbhauß Österreich, zu Kriegs: vndt
Fridens Zeitten ie: vnd alleZeitt in vile weeg, nutz: vnd hoch-
erßbrieslich erzaigt vnd bewiesen, vnd das Ihr Geschlecht
und Herkommen von unerdenckhlichen Jahren in Unser
und des Hey: Reichs Stätten zu AugßBurg, anietso
aber in Nürnberg bey hundert fünftZig Jahr vnder den
4. Seite:
vorderisten Standt geachtet, in die Rathsfähige Geschlechten
geheyrathet: vnd Ihme Johann Friderichen von
obbmelter Unserer vnd des Reichs Statt Nürnberg innern
geheimben Rath dero LosungAbtmans Charge, welche
jederZeitt mit alten Geschlechts fähigen Subiectis ver-
tretten würdt, anvertrauet worden. Und Er Johan
Dietrich in Unsers in Gott Allerseeligst ruhenden
herrn vnd Vatters Kaysers Ferdinanden des Dritten
höchstseeligsten andenckhens lang vor dem zu Münster
vnd Osnabruckh geschlossenen friden: Nach demselben
aber in Unsers freündlich geliebten Vettern des Königs
von Hißpanien 4den* Kriegsdiensten vile Jahr alls
Leütenandt vnd in wehrender solcher Zeitt in vielfältigen
bluedigen occasionen, Scharmützeln, Treffen, belager:,
erober: vnd einnehmung vornehmer Vestungen, sein
herzhaffte großmüetigkeitt, ungescheret einiger Leib-
vnd Lebensgefahr, wohlverhalten, welches Zu seinem
ruhmb vnd allen ritterlichen Siegliebenden Soldaten
zu einem Exempel der nachfolg vorgesetzt werden kan,
in welcher bestendigen Devotion gegen Unß dem Hey:
(*„4“ dargestellt durch eine unten offene „8“, gemeint ist
der spanische König von 1621 – 1665 Philipp IV.)
5. Seite (siehe Abb. 25a):
Röm: Reich vnd Unserm löblichen Hauß Österreich
Sie beede gebrüdere Zu verharren des vnderthenigsten
erbietens seind, auch wohl thuen können, mögen vndt
sollen. So haben Wir demnach in gnedigster
erkändnuß solcher angesagener treue geleister dienst
vnd alten Geschlechts besagten Johan Friderich
vnd Johan Dietrichen von Wimpfen
genand Herman gebrüderen diese beson-
dere Kayserliche Gnad gethan, vnd Sie sambt allen Ihren
ehelichen LeibsErben vnd derselben ErbensErben Manns:
vnd Weibspersohnen ietzigen vnd Künfftigen in ewige
Zeitt in den Stand vnd Grad des Adels Unserer vnd des
Hey: Reichs, auch Unserer ErbKönigreich, Fürstenthumb
vnd Lande recht gebornen Lehens Turniersgenoß vnd Ritter-
messigen Edelleuthen erhebt, darzue gewürdiget, geschborßt,
geadelt vnd Sie der Schw: Gesellschafft Gemeinschafft
des Adels zuegesellet vnd vergleichet, allermaßen vnd ge-
stalt, alls ob Sie von Ihren Vier Ahnen Vatter: und Müt-
terlichen Geschlechts beederseiths rechtgeborne Lehens Tur-
niers genoß vnd Rittermessige Edelleuth weren. Undt
6. Seite:
Zu mehrer geZeügnus vnd gedechtnus solcher erhebung
in den Stand vnd Grad des Adels haben Wir Ihnen
Johan Friderich vnd Johan Dietrich
von Wimpfen genant Hermann gebrü-
dern, Ihren ehelichen LeibsErben vnd derselben Erbens
Erben, Manns: und Weibspersohnen Ihres Geschlechts
bishero geführters uhraltes von Weyland Kaiser Ferdi-
nando Primo Christseeligen andenckens ertheiltes wap-
pen vnd Cleinod folgender gestalt vermehrt vnd und verbessert,
vnd hinfüro in ewige Zeitt alls zu führen vnd Zu gebrauchen gnedig-
lich erlaubt vnd gegönnet. Also mit nahmen ein roth: oder
rubinfarben Schild, in demselben aufrecht vnd fürnewerds zum
Sprung geschickt erscheinend eines weissen oder silberfarben Her-
man oder Widergestalt mir gelben Khlaun (?) und gelben ein-
werts gekrümmten Hörnern vnd rother außgeschlagener
Zungen, auff dem Schildt ein freyer offener adelicher Tur-
niers Helmb mit weiß: oder silber: vnd roth oder rubinfarben
Helmdeckhen vnd darob einer goldfarben Königlichen Cron
geziert, auß welcher Zwischen Zweyen rothen Püffels Hörnern
so ihre mundtlöcher von einander kehrend vnd in iedlichem
7. Seite (siehe Abb. 25b):
mundloch ein gelbes Lindenplätel und bey seiths an iedem der-
(Hier ist die auf S. 6 – 8 beschriebene Wappendarstellung eingeschoben.)
selben Püffelshörnern vornen nacheinander stehend ein ab-
8. Seite:
gestimmelte gelbe Linden astel, das undere mit dreyen, die Zwey
mittern iedes mit zweyen vnd das ober ästel mit einem under-
lich hangenden gelben Lindenblädel entspringend, auffrecht
vnd fürwerts ein vordertheil eines weißen Herman oder
Widergestalt mit gelben Klaun (?) vnd Hörnern wie im Schild.
Ehnun und geben Ihnen solche Gnad und Freyheitt, gönnen
vnd erlauben Ihnen solches auch hiemit auß Römischer Kay-
serlicher macht volkommenheit wissentlich in crafft dieses
Brieffs und mainen, setzen und wollen das vorgedachte
Johan Friderich vnd Johan Dietrich
von Wimpfen genant Herman gebrüder,
Ihre eheliche LeibsErben vnd derselben ErbensErben, Manß:
vnd Weibspersohnen für und für in ewig Zeitt recht geborne
Lehens Turniersgenoß und Rittermessige Edelleüth sein ge-
heissen, vnd von menniglich aller orthen vnd enden in allen
vnd ieden Händten, geschefften und sachen, Geistlichen
vnd Welttlichen, also geehrt, genent, gehalten vnd geschrift
werden, darzue alle vnd jede Gnad, Ehr, Würde, Freyheitt,
?????, Recht, Gerechtigkeitt, alt Herkommen vndt guete
gewonheit haben, sich auch solcher in allen und ieden ehr-
9. Seite:
lichen redlichen adelichen vnd Ritterlichen Sachen vnd Ge-
schefften zu Schimpf vnd Ernst, in Stürmen, Streitten,
Kempfen, Turniern, Gestechen, Gefechten, Ritterspilen, Veld-
Zügen, Panniren, Gezelten auffschlagen, Insiglen, Pett-
schafften, Cleinoden, Begrebnussen, Gemählten, und sonst
an allen enden vnd orthen, nach ihren Ehren, Notturfften,
willen vnd wohlgefallen, freuen, gebrauchen vnd geniessen,
alls andere Unsere vnd des Hey: Reichs, auch Unserer Erb-
Königreich, Fürstenthumb vnd Lande rechtgeborne Lehens-
Turniersgenoß vnd Rittermessige Edelleuth von recht
oder gewonheit von allermenniglichen unverhindert.
Und gebietten darauf allen vnd Je-
den, Churfürsten, Fürsten, Geistlichen und Welttlichen,
Praelaten, Graven, Freyen Hei:n*, Rittern, Knechten,
Landmarschalckhen, LandsHaubtleuthen, Landvögten,
Haubtleuthen, Vitsdomben, Vögten, Pflegern, Verwesern,
Ambtleuthen, Landrichtern, Schultheißen, Bürger-
meistern, Richtern, Räthen, Bürgern, Gemeindten vnd
sonst allen andern Unsern vnd des Reichs, auch Unsern
* gemeint wohl: Freien Reichsstädten
Seite 10:
ErbKönigreich, Fürstenthumb vnd Lande underthanen
und getreuen, was Würden Stand oder Wesens die
sein, ernst: vnd bestiglich mit diesem Brieff vnd wollen,
daß Sie mehrgedachte Johan Friderich vnd
Johan Dietrich von Wimpfen genant
Herman gebrüdere, Ihre eheliche leibsErben
vnd derselben ErbensErben, Mans: vnd Weibspersoh-
nen für und für in ewig Zeitt, also andere Unsere vndt
des Heyligen Reichs, auch Unserer ErbKönigreich,
Fürstenthumb vnd Lande rechtgeborne Lehens Turniers-
genoß vnd Rittermessige Edelleuth, in allen Geistlichen
vnd Welttlichen Ständen, Stifften vnd Sachen, wie vor-
stehet, alle annehmen, halten, Zuelassen, würdigen, ehren vnd
ahn deren obgeschribenen Unsern Kayserlichen Gaben,
Gnaden, Freyheiten, Ehren, Würden, Vortheilen, Rech-
ten, Gerechtigkeitten, Gesellschafften vnd Gemeinschaf-
ten des Adels wie auch an dem adelichen Wappen vnd
Cleinod weder hindern noch irren, sondern Sie deren
in allen adelichen vnd Ritterlichern sachen vnd geschef-
ten gernhiglich vnd ohne irrung gebrauchen, ge-
Seite 11 (siehe Abb. 25c):
niessen vnd gentslich darbey bleiben lassen, hierniden nicht
anfechten, belaidigen oder beschweren, noch das jemants
andern Zuthuen gestatten, in kein weiß noch weeg alls
lieb einem jeden seye Unser vnd des Reichs schwere Ungnad
vnd Straff und darzu ein Poen, nemblich Sechzig Mark
lötigs Golds Zu vermeiden, die ein ieder, so offt er frevendlich
hierwider thette, Unß halb in Unser vnd des Reichs Cam-
mer vnd den andern halben theil offtgedachten gebrüdern
Johan friderich vnd Johan Dietrich
von Wimpfen genant Herman, Ihren ehe-
lichen LeibsErben vnd Nachkommen so hierwider beleidiget vnd
den unnachsessig Zu beZahlen verfallen sein solle. Mit vrkund
diß Brieffs, besigelt mit Unserm Kayserlichen anhangen-
den Insiegel, der Geben ist in Unserer Statt Wienn den
Dreyzehenden Monatstag Novembris nach Christi Un-
sers lieben Heren vnd Seeligmachers Gnadenreichen Ge-
burth im Sechszehnhundert Acht vndFünffzigisten Unserer
Reiche des Römischen im Ersten, des Hungarischen im Vierten
Leopoldt vnd des Beheimbischen im Dritten Jahre.
Ad mandatum Sac: Cas:
Majestatis proprium
(= Im Auftrag der Heiligen kaiserlichen Majestät persönlich)
Unterschrift von: Wilhelmb Schröder
Ganz wichtig zu sagen: In dieser Verleihungsurkunde ist auf Seite 6 unten zuerst die Wappenerweiterung in Gestalt von einem jetzt „freien offenen adeligen Turnierhelm mit weißer oder silberner und rot- oder rubinfarbener Helmdecke und darüber einer goldfarbigen königlichen Krone geziert“ (statt bisher dem einfachen geschlossenen „Stechhelm“ des Wappens von 1555) ausgesprochen. Doch ist dem Widder noch nicht das erst ausgangs des folgenden Jahrhunderts (1781) als weitere Wappenvermehrung zugestandene goldene Kreuz in die Vorderbeine gegeben. Dann folgt die Verleihung der Adelseigenschaft, indem vor den Urnamen H e r m a n der nunmehrige Adelsname v o n W i m p f e n tritt, entgegen späterer allgemeiner Schreibweise mit nur einem „f“ statt mit „ff“ geschrieben. Aufschlussreich ist die Angabe der Gründe der Verleihung (siehe Seite 3 und 4!), die mit dem Hinweis beginnt, dass dieses Geschlecht seit undenklichen Zeiten in den Reichstädten Augsburg und jetzt seit etwa 150 Jahren in Nürnberg „unter den vorderisten Stand geachtet“ sei. Gemeint ist damit, diese seien dort zum Ersten Stand (der Patrizier) gehörig betrachtet, eine Formulierung, die wohlgemerkt gleichzeitig diskret andeutet, dass sie diesem jedoch letztlich denn doch als nicht angehörig betrachtet gewesen sind. Der Satz dieser Einordnung in die Standesordnung Nürnbergs, die eine Aufnahme in den Vordersten der Stände nur über die Geburt zuließ, fügt als weiteren Grund der Zuerkennung des Adelsranges den Hinweis auf deren Einheiraten in die ratsfähigen Geschlechter Nürnbergs an. Damit sind insbesondere jene Heiraten der Hermann von Wimpf(f)en gemeint, die Frauen aus dem Ersten Stand und damit solchen gegolten hatten, deren Vätern und männlichen Geschwistern die Ratsfähigkeit im Sinne des Kleineren (Engeren) Rats zustand. Dann folgt, bezogen auf Johann Friedrich, der Hinweis auf dessen erreichte „Charge“ des Losungsamtmannes, die „jederzeit“, gemeint ausschließlich, mit „alten geschlechtsfähigen Subjekten vertreten“ werde. Schließlich erfolgt der auf Johann Dietrich bezogene Hinweis auf dessen vor dem Frieden von Münster und Osnabrück, d. h. im diesem vorausgegangenen Dreißigjährigen Krieg, unter dem spanischen König als Leutnant geleisteten tapferen Kriegsdienste mit Aufzählung dessen Beteiligung an zahlreichen Arten von Kriegshandlungen.
Mit der Adelsverleihung und Wappenerweiterung haben die Gebrüder von Wimpf(f)en das erreicht, was die ersten Nürnberger Geschlechter ebenfalls und – wie die oben immer wieder eingestreuten Nachrichten über diese zeigen – meist ebenfalls mit Erfolg anstreben. Obgleich jedoch diese in ihren zahlreichen Herrensitzen des Umlandes mehrere tausend bäuerliche Hintersassen besitzen, spricht der in der Reichsritterschaft vereinte Ritteradel den mit dem Adelsprädikat ausgezeichneten Nürnberger Patrizieren die Ebenbürtigkeit und insbesondere die Turnierfähigkeit ab, die den Von Wimpf(f)en-Gebrüdern, wie der Text von Seite 10 zeigt, als nunmehrige Angehörige des Landadels der Adelsgesellschaft Schwaben zugesprochen ist. Somit kann sich Hans Friedrich und sein Bruder Dietrich diesbezüglich nunmehr sogar über das Nürnberger Patriziat gestellt betrachten. Das „von Wimpf(f)en“ ist nunmehr ein Adelsname, der jetzt nicht mehr, wie das z. B. bei Heinrich Hermann von Wimpffen oder seinem Sohn Dominicus Hermann von Wimpffen der Fall gewesen ist, dem Urnamen „Herman(n)“ als bloße Bezeichnung der Herkunft nachgestellt ist, sondern er ist jetzt vorangestellter Hauptname. Und der Urname wird zum nachgestellten Beinamen, der nach und nach abstirbt. Peter Fleischmann folgend, ist festzuhalten, dass die von Wimpffen „trotz Adelsprädikats (seit 1658) als Juristen und Beamte den Geschlechtern Nicht-Ebenbürtige“ geblieben sind, ein Grund, warum diese in dessen fast 2000 Seiten umfassenden neuen Standardwerk nicht zusammenhängend, sondern nur sporadisch und relativ selten auftauchen.
Nunmehr sei die Chronologie des Lebensganges von Johann Dietrich fortgesetzt:
1659: Jetzt lässt er das schöne Geländer um den Hauptaltar in Sankt Sebald aufführen, welches ihn 800 Gulden kostet. Dies alles kann er nur finanzieren, weil seine Frau SUSANNA CATHARINA, die Tochter des reichen ANDREAS FÜRLEGER, wie Waldau berichtet, über das angebliche in die Ehe gebrachte Vermögen von 60 – 70 000 Gulden hinaus beträchtliche auf etliche zwanzigtausend Gulden sich belaufende Lehengüter besitzt und außer denselben jährlich eine Einnahme von großen Mengen Getreide an Gült und Zehenden hat.
1660: Diese stirbt jedoch und durch die Heirat mit der aus einem der ersten Nürnberger Geschlechter stammenden schwerreichen Witwe SUSANNA KRESSIN am 4. Juni des vorgenannten Jahres wird der Erwerb weiterer Besitztümer im Nürnberger Land befördert. Denn in diesem Jahr erkauft er von dem dem ersten Stand zugehörigen Christoph Waldstromer und seinen Söhnen den 6 Stunden nordöstlich von Nürnberg gelegenen Herrensitz Ober- und Unterhirschbach. Außerdem gehören ihm schon die Herrensitze Finstermühl und Rothenbruck bei Neuhaus an der Pegnitz, wo im Vorjahr das aus Schloss, Hammer und Mühle bestehende, doch im Dreißigjährigen Krieg zerstörte, sog. Hammergut durch die mit ihm verwandten Nürnberger Patrizier Löffelholtz, Kress und Tetzel wieder aufgebaut wurde. Außerdem nennt er auch das kleine mittelfränkische Grünreuth und im ostwärtig an das Gebiet der Freien Reichsstadt Nürnberg angrenzenden Fürstentum und Landgericht Sulzbach einen ansehnlichen hohen und niederen Wildbann sein Eigen.
1661: Wieder, 10 Jahre nach dem an seine erste Gattin ergangenen Straferlass, erregen der Aufwand und Prunk sowie das allzu hochgestochene Auftreten Hans Friedrichs abermals den Unwillen des Rates. Zwar belässt der von Bürgermeister G. S. Führer unterzeichnete diesbezügliche Ratsbescheid vom 21. August die frühere Erlaubnis, dass sich die Wimpfen wie die vom ersten Stand kleiden und halten dürfen; doch habe Hans Friedrich durch seine bisher übermächtige Pracht, seine Hoffart und seinen Übermut sich den ratsfähigen Geschlechtern nicht nur gleichhalten, sondern diesen noch etwas bevortun wollen. Dazuhin habe er noch sonderbare Monumenta und Gedächtnisse mit seinen beigefügten Wappen in die beiden Pfarrkirchen ohne Vorbewilligung der Herren Älteren und des Kirchenpflegers „eingeschlichen“. Dadurch und die gegenüber dem Kirchenpfleger und Anderen gebrauchten Anmaßungen und Anordnungen habe er nicht allein seinem anvertrauten Amt, sondern auch sich selbst böse Nachrede verschafft. Unter dem Ausdruck des Missfallens wird er ermahnt, sich seines Stands und Amts besser zu erinnern und zu fernerer Ahndung nicht weitere Ursache zu geben. An etwaige amtliche Unredlichkeiten denkt damals aber noch keiner.
1662: Ungeachtet dieser Ermahnung, stiftet er im folgenden Jahr auf den hohen Altar von Sankt Sebald ein schweres silbernes Kruzifix und der Spitalkirche ein hölzernes solches. Sporhan-Krempel stellt mit Recht die Frage, ob dies alles wirklich allein zur höhern Ehre Gottes – oder vielleicht doch nur zum eigenen Ruhm – geschehen sei. Und Waldau urteilt: „Man hielt ihn also billig für einen angesehenen Mann; er affectirte aber auch den rechtschaffenen, und wusste sich den Schein der liberalen Frömmigkeit zu geben.“
1664 – 1666: Als der Patrizier Jakob Christoph Waldstromer und seine Ehefrau Susanna etliche Rechte auf ihrem Hirschbacher Gut verkaufen, tritt Johann Friedrich als Käufer auf und erwirbt schließlich den dortigen sog. Herrensitz Hammerschloss um 2000 Gulden. Ein anschauliches Bild dieser bedeutsamen Liegenschaft vermittelt der Text der Kopie des Kaufvertrages, der von „Schloß oder Herrensitz im obern Hirschbach, mit Hammerwerk, Papier-, Schlag- und Mahlmühle, mit Mauern, Türmen“ spricht; hierzu die nachfolgende zeitgenössischen Darstellung:
Abb. 27: Ansicht von Hammerwerk und Herrensitz Oberhirschbach, Anonymer Kupferstich aus dem frühen 17. Jahrhundert.
1665: Nunmehr wird ihm vom Rat nahegelegt, in Geldsachen behutsam zu sein und für sich selbst ohne Zutun und Wissen und Befehl der Herren Losunger nichts zu unternehmen, was darauf hinweist, dass man Misstrauen ob der ehrlichen Wahrnehmung seiner Amtsgeschäfte hegt.
1668: Trotz dieser Bemisstrauung entleihen die Stadtoberen bei ihm wieder Geld, nämlich 1400 Gulden. In Anbetracht seiner den Nürnbergern vor Augen geführten finanziellen und gesellschaftlichen Potenz kann es nicht verwunderrn, dass gerade von ihm ein in der Österreichischen Nationalbibliothek vorhandene Bilddarstellung erhalten geblieben ist. Siehe diese in
Abb. 28: Bildnis des Johann Friedrich Hermann von Wimpffen, Bürger und Losungsamtmann in Nürnberg, Kupferstich, bezeichnet mit „J. F. L. f. 1772“ = Johann Friedrich Leonhard (Kupferstecher in Nürnberg, geb. 1633, gest. 1680), gefertigt 1672, Erstdruck von spätestens dem Todesjahr 1868
Die Kommentierung dieses Stiches bei Waldau dürfte vorhandene Zweifel ob der Richtigkeit der Identität des Dargestellten mit dem Vorgenannten beseitigen, wobei zu beachten ist, dass das hier vorgestellte Exemplar die Beschriftung „Wimpfen“ trägt, das der Beschreibung von Waldau zugrunde liegende solche diese jedoch nicht aufwies: „Man hat von dem J. F. Wimpfen ein in Kupfer gestochenes Bild, nämlich ein links gekehrtes Profil mit eigenen Haaren, mit einer Halskrause, in einem vermutlich langen Kleid mit Pelzumschlag; in einer achteckigen Einfassung. Eine Unterschrift hat es nicht, wohl aber den Platz dazu, welcher also leer ist, sondern blos die kleinen Buchstaben I. F. L. f. 1670, die den Kupferstecher Joh. Friedr. Leonhard bedeuten. Ob dieß Portrait wirklich den verunglückten Wimpfen vorstelle, daran ist öfters gezweifelt worden. Allein, es existiert ein anderer Abdruck der nämlichen Platte, wo der zur Unterschrift gehörige und in den meisten Exemplaren leer gebliebene Raum mit den in einander gezogenen Buchstaben I F H V W (welche Johann Friedrich Hörmann von Wimpfen bedeuten) und Nat…+ 1668 ausgefüllet ist. Und nun wird die Sache nicht mehr zweifelhaft seyn.“
Doch erfüllt sich im selben Jahr für diesen in prächtiger Robe Dargestellten sein trauriges Schicksal, das von Waldau kurzgefasst erklärend und wertend so geschildert wird: „Allein alle diese Stiftungen und andere Frömmeleien konnten seine Untreue und Schalkungen nicht bedecken, die endlich an das Tageslicht kamen, und ihm Gefängniß und Inquisition (verschärfte Gefängnishaft) zuzogen. Er hatte sich bisher vor andern, die höheren Standes gewesen, sehr hervorgethan und noch kostbarer, als dieselben, oder ihnen doch gleich, gelebet, womit er sich, wie es unter Menschen zu geschehen pflegt, wenig Freunde gemacht, sondern vielmehr verlasset, desto genauer auf ihn zu sehen und keine Gelegenheit zu versäumen, bei welcher er möchte erniedriget und gedemüthiget werden können. Und so geschah es denn, daß er 1668. Freitags den 12. Jun. Abends ganz ongefähr durch den 4. Provisoner (Gehilfen) von der obern Losungstube hinabgeführet und bei dem Rathausvogt in Verwahrung gesetzet, den 23. Jul. aber zu Nachts auf den Wasserthurn in ein enges Gefängniß gebracht wurde. Die Inqusitions-Acta sind mir nicht zu Händen gekommen; aber aus andern guten Nachrichten ergiebt sich, daß durch viele wider Pflicht und Eid von ihm begangene schwere Verbrechen er dem Aerarium (Stadtkasse) einen beträchtlichen Schaden zugefüget habe, weswegen denn auch die Obrigkeit sich aller seiner Habe und Güter bemächtiget … Während der Inquisition (gemeint des verschärften Arrestes) wurde er krank, und befand sich laut eines Originalbriefs seines ältern Sohnes, Georg Abrahams, den 7. Sept. schon, wie die eigenen Worte lauten, in miserablen Zustand, und ist auch noch vor Endigung der Inquisition ausser allem Zweifel natürlichen Todes im Gefängniß gestorben, den 13. Dec. 1668.“ – Die Aufdeckung seiner Verfehlungen begann damit, dass er – entgegen dem Ratserlass – sich der Familie Nusch in Rothenburg o.T., als diese auf Rückzahlung mehrerer tausend beim Nürnberger Losungsamt stehender Taler drängte, über ein persönliches Schreiben seine geheim zu haltende Vermittlung mit der Zusicherung der Erledigung der Angelegenheit anbot. Der Abgeordnete solle sich zuerst bei ihm in seinem Logament, also seinem Zuhause anmelden, „deme er dann dergestalt an die hand zu gehen erbötig, dass sie, interessenten, sein zu dienen begieriges gemüt zur genüge abzunehmen haben würden, nicht zweifelnd, es werde diese sache zu einem gewünschten end gelangen“. Wie die offenbar jedoch darüber ins Bild gesetzten und in Schock versetzten Herren des Inneren Rates in einem Erlass vom 11. Juni reagierten, das schildert Sporhan-Krempel in allen Einzelheiten in etwa so: Man ersehe aus diesem Schreiben Wimpffens böses ungetreues Gemüt gegen das hochbedrängte Aerarium und gegen den ganzen Stadtstaat Nürnberg sowie seine Arroganz, seinen Hochmut und Eigennutz. Man glaube, dass dieser zweifellos solche Geschäfte mit den Losungsgeldern schon lange Zeit und oftmals praktiziert habe; nur dadurch sei er imstande gewesen, so viele liegende Güter und kostbare Mobilien nach und nach an sich zu bringen, ein sehr prächtiges Hauswesen zu führen und sich über seinen Stand und kundbares Vermögen hervorzutun. Andere aber neben sich, wohl gar die Herren Losunger und Herren Älteren und einen gesamten Rat, verachte er und rede schimpflich von ihnen bei jeder Gelegenheit; die Bedienten in der Losungsstube traktiere er wie Sklaven und führe sich im Amt und daheim so auf, dass man unter der ganzen Bürgerschaft, vor allem auf dem Marktpatz und bei ehrlichen Zusammenkünften, seit einer geraumen Zeit große Klagen und gar nachdenkliche und gefährliche Reden seinetwegen hören konnte. Vornehme, doch unschuldige Personen müssten darunter leiden. Pflicht und Gewissen ließen es nicht mehr zu, dass man zu all dem stillschweige und noch länger zusehe. Man sei also gewissermaßen verpflichtet, gegen Wimpffen einen Prozess anzustrengen und sofort damit zu beginnen, indem man ihn, der ohnehin im Rathaus sei, festhalte.- Wegen seiner Kränklichkeit wurde der am Abend des 12. Juni in Haft Gesetzte noch verhältnismäßig mild gehalten, durfte z. B. zusätzliche Kost und Besuch von Zuhause empfangen. Der aus Ratsmitgliedern gebildete Sonderausschuss tat sich mit seinen Verhören sehr schwer, nicht nur, weil der Inhaftierte hartnäckige Verstocktheit an den Tag legte und nur einen Teil seiner Verfehlungen zugab, sondern auch, weil dieser mit so vielen amtierenden Ratsmitgliedern und auch herangezogenen Juristen verschwägert war und diese sich befangen erklärten. Und zu Hause kämpfte seine zweite Frau, Susanna, geb. Kress von Kressenstein, um die Widerlage ihrer Mitgift und die Freigabe des von ihr eingebrachten Gutes. Durch die Verstocktheit Johann Friedrichs sah sich der Rat schließlich gezwungen, ihn strenger zu behandeln. Und so ließ dieser ihn nach Ablauf von sechs Wochen milderer Haft am 23. Juli in den sog. Wasserturm Männereisen bringen – in die Inquisition, wie Waldau es ausdrückt. Das war ein Gefängnisturm an den Wassern der Pegnitz, bei dem sich auch die Wohnung des Scharfrichters befand. Die Verlegung geschah bei Nacht, wohl als Zugeständnis an sein früheres hohes Amt und seine Familie, um ihn vor Schimpf und Schande der Öffentlichkeit zu bewahren. Dort bekam er nur die gewöhnliche Gefangenenkost und jetzt durften ihn nur noch seine Ärzte und sein Beichtvater sprechen und war ein Wärter abgeordnet, der ständig um ihn bleiben musste. Auch nahm man ihm seinen Stab mit eingesteckten Degenklinge sowie Messer und Gabel ab, wohl um einem Selbstmordversuch vorzubauen. Als Wimpffen immer noch nicht mit der vollen Wahrheit herausrückte, wurde ihm sogar mit dem Lochgefängnis gedroht, was auch die Anwendung der Folter bedeutet hätte. Was schon im Sommer nach seiner Inhaftsetzung befürchtet worden war, nämlich dass er vor Abschluss der Untersuchung sterben könnte und so die Untersuchungssache noch viel schlimmer werden würde, wurde am 13. Dezember mit der Meldung des Wärters, dass der Gefangene in der Nacht gestorben sei, zur Wahrheit. Die vorsorglich sofort eingeleitete Untersuchung und Obduktion stellte zwar klar heraus, dass weder Mord noch Selbstmord vorliege. Dennoch konnte dieser Befund nicht verhindern, dass anschließend in Nürnberg die „Volkssage geisterte“, wie Waldau bzw. Sporhan-Krempel sagen, der Rat habe seinen Gefangenen heimlich töten lassen. Schon während seiner Gefängniszeit am 4. August war in der Stadt das Geschrei umgegangen, man wolle diesen vor Tags aus dem Lochgefängnis zum Galgen führen und hängen, weswegen viele Leute damals in der Nacht sich aus der Stadt zum Hochgerichte begeben und dort – natürlich vergebens und zum nachmaligen Gespött der daheim Gebliebenen – auf die Hinrichtung gewartet hatten. Als dann einige Tage nach der Bekanntgabe des Todes des Johann Friedrich die Nachricht umging, dass der Leichnam zur Nachtzeit nach Hirschbach abgeführt worden sei, da hieß es, man habe diesen, weil auf dem Turmgefängnis kein Platz zum Köpfen vorhanden sei, erwürgt und dann von Schützen auf einem Karren fortfahren und in eine Schiefergrube werfen lassen. Wie in sehr viel späterer Zeit derlei Mär auch in die Literatur eingegangen ist, das erfahren wir aus dem 12 Jahrzehnte nach dem traurigen Ereignis geschriebenen Beitrag des G. E. Waldau des Jahres 1787: Dieser will die „Volkssage“ von dessen heimlicher Hinrichtung, die „sich in die bekannten nürnbergischen Chroniken eingeschlichen“ und neuerlich in das „Journal von und für Deutschland …1784“ und in „Herrn Hofrat Meusels Historisch-literarisches Magazin“ aufgenommen worden sei, aus der Welt schaffen. Und so versucht Waldau auf der Basis ihm zur Verfügung gestandener Familienakten und sonstiger Unterlagen in 9 großteils umfänglichen Abschnitten den akribischen Nachweis zu führen, dass Johann Friedrich von Wimpffen nicht getötet worden sein kann, sondern diesen „kranken, gedemüthigten und beschimpften Mann ohne Zweifel ein heftiger Schlag getroffen und ihn sogleich getödtet“ habe. Dr. Hans H. von Wimpffen lässt sich allerdings durch die Masse der von Waldau als Beweis für einen natürlichen Tod Johann Friedrichs aufgeführtern Argumente nicht von seiner Meinung abbringen, dass dabei Gewalt im Spiel gewesen sei. Zumindest muss man einräumen, dass schon bei der Einschätzung der Strafwürdigkeit seiner Amtsführung sowie der Inhaftierung und der Verschärfung der Haft, schließlich auch bei der späteren Urteilsfindung Missgunst und Neid gegenüber dem Aufsteiger Johann Friedrich von Wimpffen keine geringe Rolle gespielt haben.- Die weitere Wahrheit ist: Vier Tage nach dem Tod von Hans Friedrich am 17. Dezember wurde auf Bitten der Angehörigen der Leichnam freigegeben. Durch ein früher als gewöhnlich geöffnetes Stadttor wurde die Leiche heimlich im Wagen vor Einbruch des Tages hinaus und nach dem Wimpffen’schen Herrensitz Eschenbach (nicht, wie im Umlauf, nach Hirschbach) gebracht und diese dort ohne Sang und Klang außerhalb von Kirche und Friedhof begraben. – Die Untersuchung brachte zu Tage, dass Johann Friedrich Losungsgelder veruntreut, Dokumente gefälscht, Bestechungsgelder nicht nur genommen, sondern auch erzwungen hatte. Seine amtlichen sowie seine privaten Korrespondenzen wurden beschlagnahmt, sein mobiles und immoblies Vermögen inventarisiert, seine Güter eingezogen und der öffentlichen Hand zugeschlagen. Auch wurden seine Rüstungen kassiert, seine und seiner Vorfahren Wappen und Gedächtnisse aus den Kirchen und allen sonstigen Orten entfernt. All dies zog sich natürlich weit bis in das folgende Jahr 1669 hinein, so dass wir nunmehr ganz bei den Nachkommen angekommen sind und der Fortgang der besitzrechtlichen Auseinandersetzungen auf dem Hintergrund des weiteren Schicksals der zuvor bereits in die Betrachtungen hereingenommenen Nachfolgegeneration zu Ende geführt werden soll.
Fortsetzung der Behandlung der Generation 9
mit punktueller Weiterführung zu Generation 10:
Von den 4 Kindern, die laut Sporhan-Krempel alle aus der ersten Ehe des Johann Friedrich mit der verstorbenen Fürlegerin stammten und in Nürnberg geboren und getauft worden waren, soll der Älteste JOHANN JACOB (9d), geb. 1646, zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters bereits gestorben gewesen sein. Der nächstältere GEORG ABRAHAM (9a), geb. 1648, war 20 Jahre alt. Die beiden Jüngeren HANß CHRISTOFF (9e), geb. 1652, und HANß CARL (9f), geb. 1654, die erst 16 bzw. 14 Jahre alt waren, bekamen Curatoren (Pfleger) und Vormünder gesetzt. Auf flehendes Ansuchen und Bitten derselben und der Kinder (und sicher nicht zuletzt auch mit Unterstützung der einflussreichen hohen Nürnberger Verwandtschaft) wurde gnade- und rechtwaltend das mütterliche Erbe an die Kinder herausgegeben. Diese „Wimpfensche Sach“ wurde durch einen am 20. Oktober 1669 getroffenen Vergleich zwischen dem Engeren Rat der Stadt Nürnberg einerseits, vertreten durch die vier Räte Georg Seyfried Kohler, Max Christoph Kreß von Kressenstein, Christoph Bühler und Leonhard Stöberlein und den Nürnberger Stadtarzt Paul Rosenhardt, genannt Glockengießer, andererseits dem Onkel väterlicherseits Johann Dietrich von Wimpffen und mütterlicherseits Tobias Fürleger als Curatoren und Vormünder der Söhne Georg Abraham und Johann Jacob von Wimpfen sowie dem Stadtadvokaten Dr. Magnus Fetzer dem Jüngeren als juristischer Beistand beurkundet. Danach betrug der Johann Friedrich von seiner ersten Ehewirtin zugefallene und jetzt an die Kinder herauszugebene Kindsteil 40 595 Gulden 13 Kreuzer und 1 Heller. Ebenso wurden die von Johann Friedrich neu erkauften Lehen freigegeben, doch unter der Bedingung, dass die Erben einige tausend Gulden Passivschulden des Verstorbenen bezahlen und die Gläubiger zufriedenstellen. Die Brüder lehnten deren Bezahlung aber ab und wollten lieber am mütterlichen Erbteil 3000 Gulden hingeben, was der Rat schließlich auch genehmigte. Gegen den gesamten Vergleich strengten die Wimpffenschen Erben jedoch später beim Reichskammergericht einen langwierigen Prozess mit der Begründung an, dass sie damals minderjährig gewesen seien, der jüngste der Brüder diesen gar nicht unterschrieben habe und ihrem Vater und ihnen mit der Einziehung des Vermögens und sonst auf mehrere Weise Gewalt und Unrecht geschehen sei. Über den Ausgang dieses Prozesses ist nichts bekannt. Da die DREI GEBRÜDER von vorneherein das Hammergut Hirschbach behielten und dieses erst nach mehrfachem Scheitern von Verkaufsabsichten 1699 durch Verkauf zurück in die früheren Hände der Familie von Ebner-Eschenbach gaben, lässt sich insbesondere durch den zwischen den von Wimpffen und dem Nürnberger Rat diesbezüglich vonstatten gegangenen Briefwechsel die weitere Lebensgeschichte der drei den Tod des Vaters überlebten von Wimpffen-Söhne, wenngleich lückenhaft, doch zweifelsfrei ablesen. Als weitere wichtige (bereits vielfach im Rahmen der Lebensbeschreibung des Johann Friedrich zu Rate gezogene) Quelle dient hierbei wieder auch die Abhandlung von Georg Ernst Waldau des Jahres 1787.
Alles Weitere über das Tun und Schicksal der oben genannten drei Söhne des Johann Friedrich einschließlich deren Nachkommen sei nunmehr der Klarheit halber nachfolgend in einer weiteren Übersicht zusammengefasst dargestellt. Als Anschauungs- und Verständnishilfe wird nachstehend gezeigt:
Abb. 29: Vergrößerter Ausschnitt des Stammbaumes von J. W. Stör (ca. 1750/60), beschränkt auf die mittlere Oberzone, mit Kennzeichnung insbesondere des Brüderpaares Johann Friedrich und Johann Dietrich und deren Gattinnen (Generation 8), beigegeben deren Kinder und deren Ehepartner – so weit bekannt – (Generation 9), dazuhin auch deren Kinder (Generation 10).
GENEALOGISCHE ÜBERSICHT II:
Die drei den Vater überlebten
SÖHNE DES JOHANN FRIEDRICH HERMANN VON WIMPFFEN
sowie – so weit ermittelbar – die
NAMEN VON DEREN KINDERN
1. GEORG ABRAHAM VON WIMPFFEN (siehe 9a bei Stör bzw. X bei Wurzbach auf Platz 2), geboren und getauft laut Sporhan-Krempel 1648 in Nürnberg.
—–
Demgegenüber, dass Stör den Wappenschild für eine evtl. Ehefrau des Stammhalters Georg Abraham (9a) – wie auch die von dessen zwei jüngeren Brüdern Hanß Christoff und Hanß Carl – leer lässt, wissen wir von Wal-dau, dass dieser ANNA KATHARINA VIATIS, Tochter von ANNA MARIA GEB. GUTTHÄTERIN UND BARTHOLOMÄUS VIATIS (dem Jüngeren) geheiratet hat. Somit wurde im Stammbaum Stör in den vorge-nannten leeren Schild deren Name eingetragen. Bei deren Vater handelte es sich um den Sohn aus der 1569 geschlossenen ersten Ehe des BARTHOLOMÄUS VIA-TIS DES ÄLTEREN (1538 – 1624) mit ANNA SCHEFFER(IN), der reichen Witwe eines Nürnberger Gewandschneiders und Mutter von 8 Kindern. Dieser war in Venedig als Sohn eines einfachen Krämers geboren und mit 12 Jahren vom Federmacher Hans Wollandt als Lehrling mit nach Nürnberg genommen und nach 7-jähriger dortiger Lehre von diesem nach Lyon geschickt worden. Dort hatte dieser Kontakte mit den Nürnberger Handelshäusern Tucher und Imhoff geknüpft und dann durch seine Heirat mit der Schefferin das Nürnberger Bürgerrecht erlangt. Nach Gründung einer eigenen Handelsgesellschaft mit den Nürnbergern Georg Forst und Melchior Lang im Jahr 1570 und Berufung in das Ge-nanntenkollegium 1576 war er als Handelsherr und Großunternehmer (Fernkaufmann) für Leinen, Gewürze, Montan- und Metallwaren rasch zu hohem Reichtum gelangt, so dass er 1589 den Herrensitz Schoppershof hatte kaufen und zu einem der charakteristischsten solchen in Nürnberg hatte ausbauen können. Seine Tochter aus der zweiten Ehe ANNA hatte 1590 seinen patrizischen Geschäftspartner MARTIN PELLER geheiratet, der mit ihm zusammen am Egidienberg das sog. Pellerhaus, das prunkvollste aller Nürnberger Häuser, erbaut hatte. Bartholomäus Viatis der Ältere gilt als der hochbewunderte Erfinder des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, dessen 1621 im Rathausgewölbe eingerichtete „Banco Publico“ bis 1827 in Betrieb blieb. Sein Streben nach Ansehen etwa durch Ausbau des durch Größe und Dekor beeindruckenden sog. Viatishauses sowie die Zurschaustellung seines Reichtums durch das unstandesgemäße Tragen auserlesenster patrizischer Kleidung trotz ihm auferlegter hoher Strafgelder hatten es nicht ändern können, dass die politische Macht des nicht ratsfähigen aus der Fremde gekommenen Emporkömmlings begrenzt geblieben war. Seine Kinder aus erster Ehe MARIA und BARTHOLOMÄUS hatten nach seinem 1624 erfolgten Tod sein riesiges Vermögen und sein Schwiegersohn Martin Peller den Schoppershof geerbt.- Aus der Ehe des GEORG ABRAHAM mit ANNA KATHARINA VIATIS ging laut Waldau die Tochter MARIA HELENA (siehe den Nachtrag bei 9a rechter-hand des Generationenbandes) hervor. Als Ältester übernahm dieser laut Sporhan-Krempel zunächst das Gut Hammerhof in Hirschbach und zog mit seiner Familie dorthin. Doch verkaufte er dieses im Mai 1679 mit allen Rechten und Gerechtigkeiten an seine Brüder Johann Christoph und Johann Karl um 6100 Gulden in bar. Er wurde zwar 1681 in Nürnberg noch Genannter des Größeren Rats, zog aber bald danach ganz weg, weil, wie er später erklärte, in Hirschbach für seine Kinder kein guter Präzeptor zu bekommen gewesen sei. Er wurde Fürstlich Oettingischer Rat und Amtmann im am Rand vom Nördlinger Ries gelegenen Christgarten, dessen Kartäuserklösterlein in den Besitz der vorgenannten Hochadelsfamilie gekommen und aufgelöst worden war. Seine Frau Anna Katharina geb. Viatis starb bereits 1684 in ihrem neuen Wohnsitz. Die obige Formulierung „für seine Kinder“ lässt erwarten, dass er noch weitere Kinder gehabt hat. Laut Cellarius-Goldtbeeg und Wurzbach dagegen ist Georg Abraham (von der Viatis-Ehe ist bei diesen nichts gesagt) mit ANNA VON TRAUTTENBERG (siehe I. Stammtafel Gen. X) verheiratet gewesen und aus dieser Ehe sollen vier Söhne hervorgegangen sein: KARL BERNHARD, HANS (JOHANN) CHRISTOPH, JOHANN CHRISTIAN und FRIEDRICH FERDINAND (siehe Generation XI). Nach Cellarius-Goldtbeeg soll sich der Stamm des zweitgenannten Sohnes Johann Christoph in Sachsen, Schlesien und Bayern ausgebreitet haben. Mehr darüber ist in der dieser GENEALOGISCHEN ÜBERSICHT II angefügten Einschiebung über das Werden und Sein des „Dänischen Zweiges“ ausgesagt. 2. HANß CHRISTOFF VON WIMPFFEN bzw. bei Waldau JOHANN CHRISTOPH VON WIMPFEN, bei Wurzbach HANS CHRISTOPH VON WIMPFFEN (siehe 9e bei Stör bzw. X bei Wurzbach auf Platz 3); geboren und getauft laut Sporhan-Krermpel 1652 in Nürnberg.
—–
3. HANß CARL (bzw. JOH. CARL od. HANS KARL) VON WIMPFFEN (siehe 9f bei Stör bzw. X bei Wurzbach auf Platz 3), geb. und getauft lt. Sporhan-Krempel 1654 in Nürnberg, lt. Waldau aber geboren am 30. 10. 1656 in Nürnberg, lt. Aubert des Bois (gen. JEAN IV. DE WIMPFFEN) 1626.
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Die o. a. drei Brüder hatten laut Sporhan-Krempel in der Zeit des vorbenannten Verkaufs des Hammergutes Hirschbach des Jahres 1679 an die beiden obengenannten jüngeren Brüder auch die im Nürnbergisch-Veldenschen Gebiet gehabten Güter Eschenbach, Rothenbruck und Finstermühl verkauft. Dem Verkauf von Hirschbach wollte der Nürnberger Rat nicht zustimmen mit der Begründung, die beiden Brüder würden das Nürnberger Bürgerrecht nicht mehr besitzen. Offenbar waren diese inzwischen ebenfalls für immer aus Nürnberg weggezogen. Der Verkauf konnte im Folgejahr 1680 jedoch durchgesetzt werden, nachdem die beiden jüngeren Brüder die vom Rat verlangte Erklärung abgegeben hatten, dass dieses im Falle eines Verkaufs an Nürnberger Bürger gegeben werde und sie die nach Nürnberg zur Offenhaltung ihres dortigen Sitzes notwendigen Steuern zahlen würden. HANS CHRISTOPH und HANS KARL waren – wie ihr Bruder GEORG ABRAHAM (wir schöpfen immer noch aus Sporhan-Krempel) – in die Dienste des Hochadels getreten und zwar in die des Markgrafen von Baden-Durlach, in dessen Regierungssitz Karlsruhe sie zunächst lebten. Von dort aus versuchten sie im Spätsommer 1685, ihr Gut zu Hirschbach zu verkaufen und boten es ordnungsgemäß dem Nürnberger Rat zum Kauf an. Warum die nunmehr geführten Verhandlungen und Ermittlungen der Beauftragten des Rates zu keinem Ergebnis führten, ist unklar. Bekannt ist, dass die Brüder von Wimpffen dort den Betreiber der dortigen Papiermühle namens Hans Georg Schäg als Verwalter eingesetzt hatten. Als dieser damals in einen heftigen Streit mit dem Hirten zu Hirschbach geraten war, setzte sich Hans Christoph von Durlach aus für diesen ein. Und 1688 befasst sich der Nürnberger Rat wiederum mit dem Hirschbacher Gut, wobei es jetzt um die Frage geht, ob der Verwalter dort als Vertreter der nicht mehr in Nürnberg ansässigen von Wimpffen die Gemeinrechte ausüben darf. Anfang des Jahres 1691 schreibt Hans Christoph in dieser Sache an den Rat vom Kurort Badenweiler aus, wo er sich zur Kur oder Erholung oder im Dienste seines Dienstherren MARKGRAF FRIEDRICH VII. VON BADEN-DURLACH (1677 – 1709) befindet, der dort ein Schlösschen besitzt, wo er sich häufig aufhält. Was den Besitz des Hammergutes Hirschbach anbelangt, so findet sich dieses 1699 immer noch im Besitz der beiden jüngeren Wimpffen-Brüder. Doch treten im März 1703 wieder die dortigen früheren Herren, nämlich die Ebner von Eschenbach, als Eigentümer auf. Damit verschwinden die beiden Brüder HANS CHRISTOPH und HANS KARL aus dem Nürnberger Gesichts- und Urkundenkreis. Glücklicher¬weise weiß Waldau über die beiden Brüder noch den folgenden aufschlussreichen und auch von Sporhan-Krempel dargebotenen Tatbestand zu berichten: Im 17. März 1678, demnach bereits schon ein Jahrzehnt nach dem Tod ihres Vaters, als der oben angeführte Kammergerichtsprozess läuft, schreiben beide an ihren ONKEL JOHANN DIETRICH vom niederländischen Nimwegen aus, dass sie morgen die Reise nach Engeland mit einem Empfehlungsschreiben Ihrer Durchlaucht des Kurprinzen von der Pfalz antreten und von dort nach Frankreich gehen wollen und hoffen, es möchte das harte Verfahren gegen sie und das Ihrige sich glücklich ändern und das Kaiserliche Kammergericht einsehen, wie in ihrer Sache und der ihres seligen Vaters gehandelt worden sei und so von diesem und ihrem künftigen Fürsten Hilfe zu erlangen. Ob diese Reise getätigt wurde, ist nicht zu ersehen. Während Waldau über das weitere Leben des
– JOHANN CHRISTOPH und ob er sich in männlichen Erben fortgepflanzt hat, nichts mehr zu berichten weiß, kann er über dasjenige des Jüngsten in voller Übereinstimmung mit Sporhan-Krempel, wiederum Beweis der trotz ihrer Lückenhaftigkeit gegebenen Zuverlässigkeit der Angaben beider Autoren, Folgendes über dessen Lebensumstände sagen:
– JOHANN CARL (b. Stör HANß CARL): Dieser kam auch wirklich in Pfälzische Dienste und wurde Herzoglich Zwei-brückischer Geheimer Rat und Oberamtmann von Gutten¬berg. Er war zuerst mit KATHARINA VON WEIDMANN, dann mit EVA VON ZOLLERN (siehe dazu die vorgenommenen Ergänzungen in Abb. 28!) vermählt und pflanzte sein Geschlecht in der Pfalz fort. Mehr über diesen später!
L. Wie aus dem ältesten am Leben gebliebenen Sohn des Johann Friedrich namens GEORG ABRAHAM VON WIMPFFEN (geb. 1648) der Generation 9 (bei Wurzbach X) über seinen Urenkel TOBIAS PETER (1767 – 1813) der Generation 12 (bei Wurzbach XIII) der sog. Dänische Zweig derer Von Wimpffen herauswächst.
Generationen 9 bzw. X bis 14 bzw. XV:
Bevor wir nun das weitere Schicksal des Letztgenannten unter sukzessiver Ausschöpfung der II. Stammtafel des C. von Wurzbach aufzuzeigen suchen, erscheint es angebracht, vorrangig dessen I. Stammtafel in ihrer Gänze dadurch abzuhandeln, dass die in ihrer unteren Hälfte dargestellte Fortentwicklung des sog. Aelteren Hauptastes mit dem Werden und Wirken des in der Generation XIII aus diesem herausgewachsenen sog. Dänischen Zweiges derer Von Wimpffen aufgezeigt wird. Es erscheint ausnehmend wichtig, dabei sich vor Augen zu halten, dass die ab der Generation X aufgeführten Namen sowie Zeitdaten der männlichen wie der weiblichen Abkömmlinge derer Von Wimpffen einschließlich derjenigen der von diesen Erheirateten – ganz im Unterschied zu den Angaben über die Generationen II – IX – als stimmig anzusehen sind. Das erklärt sich natürlich aus dem mit zunehmender Zeitnähe gegebenem Vorhandensein zuverlässiger Quellen.
Wenngleich Waldau, was GEORG ABRAHAM betrifft, nur von dessen Ehe mit ANNA KATHARINA VIATIS und deren Tochter MARIA HELENA zu berichten weiß und dazuhin feststellt, er wisse nicht, ob die beiden älteren Brüder GEORG ABRAHAM und JOHANN CHRISTOPH sich auch in der männlichen Linie fortgepflanzt hätten, weiß er die folgende aufschlussreiche Angabe über eventuelle spätere Nachkommen der Generationen XII und XIII derselben zu machen, indem er der Äußerung seiner Unkenntnis solcher Folgendes anfügt: „In unserer Nachbarschaft, dem Sulzbachischen Städtgen oder Marktflecken Königstein, lebt noch ein Herr von Wimpffen von dieser Familie, der eine geborne Altin zur Gattin, einen Sohn in Dänischen Kriegsdiensten und eine Tochter hat; ich kann aber nicht sagen, ob er von der Johann Carlischen Branche (gemeint ist der Jüngste der Geschwister Johannes Carl) ist, oder ob er von einem der älteren Brüder (gemeint: Johann Christoph und Georg Abraham) herkommt.“ Dieser in Königstein lebende „Herr von Wimpffen“ ist mit Sicherheit identisch mit dem im I. Stammbaum von Wurzbach in der fünfteiligen Generationsreihe XII an dritter Stelle zu findenden CHRISTOPH WILHELM VON WIMPFFEN, was aus der Tatsache hervorgeht, dass dieser mit CLARA VON ALT verheiratet war und deren an mittlerer Stelle der genannten drei Söhne (siehe Generation XIII) zu findende TOBIAS PETER tatsächlich in dänische Kriegsdienste getreten ist. Letzteres geht aus der diesem geltenden Lebensbeschreibung Wurzbachs Nr. 40 hervor, die folgendermaßen lautet (die Wiedergabe der Namen in Großbuchstaben wurde vom Verfasser zum Zwecke der Hervorhebung vorgenommen): „TOBIAS PETER (geb. zu Königstein in Franken 7. Jänner 1767, gest. 10. November 1813), vom älteren (Johann Friedrich’schen) Hauptaste. Ein Sohn CHRISTOPH WILHELMS aus erster Ehe mit CLARA VON ALT, ist der Stifter des dänischen noch heute in Dänemark blühenden Zweiges der Wimpffen. Glaubensrücksichten (gemeint ist wohl sein ausgeprägt protestantischer Glaube) veranlaßten ihn, mit seiner Familie sein fränkisches Stammland zu verlassen und nach Dänemark zu übersiedeln, wo er königlicher Major und Oberlandweginspector im Herzogthume Holstein wurde, aber im schönsten Mannesalter von erst 46 Jahren starb. Aus seiner NICOLINE, TOCHTER DES BISCHOFS BLOCH, hatte er zwei Söhne und zwei Töchter, die alle aus der I. Stammtafel ersichtlich sind. Von den Söhnen pflanzte nur der ältere, FERDINAND FRANZ, königlich dänischer Kämmerer und Oberforstmeister des Herzogthums Jütland, diesen dänischen Zweig fort.“ Die Bedeutung dieses TOBIAS PETER als Stifter des sog. Dänischen Zweiges derer von Wimpffen wurde in der I. Stammtafel durch die Aufschrift „Begründer des Dänisches Zweiges“ kenntlich gemacht. Zu vermissen in der aufgeführten Geschwisterreihe von 3 Söhnen ist allerdings die von Waldau noch konstatierte Tochter, was sich wohl daraus erklärt, dass Wurzbachs präsentierte Kinderreihe unvollständig bist. Allerdings starb dieser sog. Dänische Zweig, wie aus der I. Stammtafel zu ersehen, in der männlichen Nachfolge aus. Denn der andere etwas ältere der beiden Söhne von TOBIAS PETER namens KARL WILHELM TÖNNE = JOHANN, geb. am 27. Dezember 1802 und gest. am 4. April 1839 (siehe Generation XIV), starb schon mit 36 Jahren.
Was über dessen zwar kurzes, aber erfülltes Leben Dr. Hans H. von Wimpffen in seiner Homepage, nachzulesen an vierter Stelle der Rubrik „biographien“ unter dem Titel „Carl Wilhelm Anton Freiherr von Wimpffen“, mannigfach Beeindruckendes zu berichten weiß, verdient es, hier wenigstens stichwortmäßig wiedergegeben zu werden: Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Kiel und vor allem Göttingen wird dieser Amtssekrertär in der dänischen Amtsstadt Hadersleben (Schleswig) und 4 ½ Jahre vor seinem frühen Tod durch Lungenentzündung in die Tätigkeit als Hardesvogt (Amtmann einer Harde, des Leiters von Gerichtsverfahren unter Beiziehung von Schöffen und Beisitzern bei Beteiligung der Gemeinde meist unter freiem Himmel); Autor zahlreicher juristischer Abhandlungen, darunter historischen Büchern über die staatsrechtlichen Verhältnisse der Herzogtümer Schleswig und Holstein; wichtiger Förderer eines Kinderheims für verwaiste und verwahrloste Kinder. Sein Name findet sich auf dem 1863 an der höchsten Stelle Schleswigs auf Skamlingsbanken errichteten und nach der Sprengung 1864 im preußisch-österreichischen Krieg wiedererrichteten 16 m hohen Gedenksäule aus 25 Granitblöcken eingemeißelt, die 18 verdienten Persönlichkeiten gewidmet und zur Touristenattraktion geworden ist.
Und die zwei Töchter des TOBIAS PETER SUSANNE LUISE CHRISTINE, geb. am 20. Juli 1807 und gest. 1872, und CLARA WILHELMINE MARGARETHE, geb. am 7. Juni 1809, wurden Kanonissinnen zu Roeskilde. Von den aus der ersten Ehe des Sohnes FRIEDRICH FERDINAND FRANZ, geb. am 31. März 1805, gest. am 31. Januar 1892, mit JELA (IDA) SOPHIA FRIDERICA JOHANNSEN aus Hadersleben, gest. 1850, hervorgegangenen sechs Kindern (siehe Generation XV) wurden die zwei ältesten Töchter LUISE WILHELMINE ELISABETH, geb. am 30. Januar 1842, und FANNI CHARLOTTE, geb. am 22. September 1843, Conventualinnen zu Roeskilde, und von den vier der jüngeren Kindern dürften drei früh gestorben sein. Das aus dessen zweiter Ehe mit KATHARINA LUISE SANDHOLT aus Kopenhagen, gest. 1853, hervorgegangene siebte Kind war eine Tochter (siehe Generation XV ganz rechts) namens MARIE („MIMMI“), geboren am 24. Dezember 1852; diese heiratete ANDREAS COSMOS BRAESTRUP, der Polizeimeister und Stadtvogt in Helsingör war. Diese führten den Namen WIMPFFEN BRAESTRUP (ohne das Adelsprädikat „von“) und pflanzten sich bis in die Gegenwart zu MIKAEL WIMPFFEN BRAESTRUP weiter, der mit seiner Frau BIRTHE ELENA, die Kinder LUISE und JAKOB hat.
Mit dem vorstehenden Exkurs zum Dänischen Zweig ist die Erschließung der I. Stammtafel des C. von Wurzbach abgeschlossen. Daraus sowie aus dem in der nachfolgenden Rubrik erfolgenden Abschluss der Ausschöpfung des Stammbaumes von C. W. Stör ist zu folgern, dass von nun ab die oben in Abb. 25 präsentierte nachberarbeitete II. Stammtafel des Constantin von Wurzbach sodann alleiniger zentraler Wegweiser durch die wachsend komplexer werdende Genealogie des Geschlechtes derer Von Wimpffen sein wird. Dort wird die bisherige Zählung der Generationen in die Weise fortgeführt, dass jetzt die als zuverlässig gegenüber jener des C. von Wurzbach anzusehende Zählung (in arabischen Ziffern) nach J. W. Stör weitergeführt und in den Textüberschriften nach vorne gesetzt, diejenige (in römischen Ziffern) nach Wurzbach hintenan gestellt wird. Was die bislang nur angedeuteten Gründe der bei den Generationen IX und X vorgenommenen Veränderung der I. Stammtafel von Wurzbach (Verlegung des Ausgangspunktes vom sog. Alteren und Jüngeren Stammast zu Personen der Folgegeneration) anbelangt, so können diese in der anschließenden Rubrik vollends einsichtig gemacht werden.
M. Wie JOHANN DIETRICH VON WIMPFFEN Nürnberg und Umgebung verlässt, ebenso die der 9. Generation zugehörenden Söhne des Johann Friedrich JOHANN CHRISTOPH VOIN WIMPFFEN (geb. 1652) und JOHANN KARL VON WIMPFFEN (geb. 1654) sich umorientieren, indem sie die Dienste des Markgrafen von Baden-Durlach treten und schließlich sich der Letztgenannte in den Dienst des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken begibt und dort als Oberamtmann und schließlich Adeliger Geheimer Rat der Herrschaft Guttenberg-Lützelstein waltet, die von dem im Grenzgebiet der Pfalz zum Elsass hin gelegenen Schlossort Minfeld aus verwaltet wird.
Diese Gründe werden bei der nunmehr anstehenden abschließenden Betrachtung des Lebens des JOHANN CARL (HANß CARL, HANS KARL) VON WIMPFFEN evident. Dessen Name mit seinen bereits bekannt gemachten Personalien findet sich unter die am Kopf der II. Stammtafel von Wurzbach stehende Klassifizierung „Jüngerer Hauptast“ mit der Generationen-Kennzeichnung X bzw. 9 an die Stelle dessen dort von Wurzbach falscherweise aufgeführten Onkels JOHANN DIETRICH gesetzt. Die Fehlerhaftigkeit der vorgenannten Deklarierung des Letztgenannten durch Wurzbach als Haupt des sog. Jüngeren Hauptastes ergibt sich daraus, dass die diesem zugeschriebenen 6 Kinder (siehe Generationsreihe X bzw. 9) als sachwidrig befunden und somit ausgeklammert werden mussten. Logischerweise muss nach dieser Umsetzung des Beginns des sog. Jüngeren Hauptastes hin zur nächsten Generation auch eine Umsetzung des Beginns des sog. Älteren Hauptastes in der Weise erfolgen, dass dieser weg von JOHANN FRIEDRICH der IX. bzw. 8. Generation hin zu dessen zweitältestem Sohn GEORG ABRAHAM (geboren 1548 gegenüber dem jüngsten solchen JOHANN CARL, geboren 1554 oder 1556) der X. bzw. 9. Generation erfolgen muss. Wie bereits dargelegt, trat der somit nunmehr als der Begründer vom „Jüngeren Hauptast“ anzusehende Letztgenannte in Pfälzische Dienste und wurde Herzoglich Zweibrückischer Geheimer Rat und Oberamtmann von Guttenberg. Zu dessen neuem Ort der Tätigkeit nach derjenigen zusammen mit seinen Brüdern GEORG ABRAHAM und JOHANN CHRISTOPH im Nürnberger Raum sei die folgende vorläufige Erläuterung gegeben: Die im Wasgau nördlich von Weißenburg gelegene Herrschaft Guttenberg bildete damals aus der Zeit der Grafen von Veldenz her in der Südpfalz und im Nordelsaß zusammen mit Lützelstein (deshalb: Guttenberg-Lützelstein; letzteres französisch: La Petite-Pierre) eine Verwaltungseinheit, die ursprünglich vom Schlosse des ca. 15 Kilometer nordnordwestlich von Weißenburg in der Südpfalz gelegenen Minfeld (manchmal auch Minfelden) aus verwaltet wurde, worüber bald noch viel Konkretes zu erzählen sein wird. Da Johann Carl hier sesshaft wird und auch, wie sich an späteter Stelle zeigen wird, dessen Vater hier bleibt und auch noch nicht wenige von dessen Kindern dort bzw. an anderen Plätzen des nahen Elsass tätig wurden, hat Wurzbach wie auch andere damalige Genealogen diesen Vertretern des Wimpffen-Geschlechts die Bezeichnung „Elsässicher Ast“ zugeordnet. Somit wurde in der II. Stammtafel damit die Personalien des Johannes Carl überschrieben, der als Kontrastbegriff zu „Dänischer Ast“ zu sehen ist. Die Richtigkeit der bereits dargelegten Angaben von Waldau über die von diesem geschlossenen zwei Ehen des Johann Carl, zuerst die mit KATHARINA VON WEIDMANN, dann die mit EVA VON ZOLLERN, findet durch die deckungsgleichen Angaben von Sporhan-Krempel (am Kopf der GENEALOGISCHEN ÜBERSICHT II) Bestätigung. Dass die Angaben der beiden letztgenannten Autoren über das Geburtsjahr etwas voneinander abweichen (Sporhan-Krempel: 1554 in Nürnberg; Waldau: 30. Oktober 1556 in Nürnberg) erscheint unerheblich. Was aber zunächst irritiert, das ist der Umstand, dass in der II. Stammtafel von Wurzbach dem an dritter Stelle der angeblichen 6 Kinder des JOHANN DIETRICH aufgeführten JOHANNES PAUL ein Sohn namens JOHANN GEORG I. (siehe diese dort in Generation X bzw. XI) entwachsen sein soll, dessen dort angegebenes Geburtsdatum (30. Oktober 1556) sowie die Namen der genannten Ehefrauen (1. KATHARINA WEIDMANN VON EHRENFELS, 2. EVA VON ZOLLERN), dazu dessen Angaben über die ausgeübte letzte Tätigkeit desselben mit den Angaben von Waldau, abgesehen vom Namenszusatz VON EHRENFELS, identisch sind.
Unbezweifelbar hat Wurzbach (wie auch sonst) diese Angaben von Aubert des Bois und Cellarius-Goldtbeeg übernommen, bei denen Folgendes übereinstimmend zu lesen steht:
-Bei Aubert des Bois (1770/78): „XI. JEAN-GEORGES DE WIMPFFEN, né le 30 Octobre 1556, Chambellan des Princes Palatins des Deux-Ponts, Grand-Bailli de Guttenberg, & Stattemester de Haguenau, épousa, 1. en 1682, Cathérine de Widemann, & 2. en 1699 Eléonore de Zoller. Du premier lit il eut. 1. JEAN GEORGES, qui suit – 2. FRANÇOIS JOSEPH, né en 1693, mort sans postérité – & plusieurs filles; & du second lit: GUSTAVE-LÉOPOLD, né en 1700, dont il ne reste que des filles.“
-Bei Cellarius-Goldtbeeg (1853): „Johann Georg I. …, geb. 30. Oct. 1656, kurpfälz. Adel. GRath, Kämmerer und Oberamtmann zu Guttenberg und Lützelstein, auch Stadtmeister zu Hagenau, verm. I) 1682 mit Katharina geb. Weidmann von Ehrenfels, II) 1699 mit Eva Eleonora geb. von Zollern auf Iggelsheim und Kandel. Er erhielt aus 1r Ehe die Söhne Johann Georg II, Franz Ludwig, geb. 1695, und mehrere Töchter, aus 2r Ehe nur den Sohn Gustav Leopold, geb. 1700, der das Stademeisterthum zu Hagenau ererbte, und keine männlichen Nachkommen hinterließ.“
Zweifelsfrei liegt mit der Namensnennung JOHANN GEORG I. eine falsche Namens- sowie Abstammungs-Zuordnung zu JOHANN DIETRICH statt zu JOHANN FRIEDRICH VON WIMPFFEN hin bei Verwechslung mit JOHANN CARL und damit eine Doppelnennung vor. Das hat zur Folge, dass dessen Person in dieser Form als nicht existent betrachtet und somit ebenfalls ausgeklammert werden muss. Daraus ergibt sich, dass fortab zwischen der Zählung nach Wurzbach in römischen Ziffern und jener auf der Grundlage von Stör in arabischen Ziffern eine Differenz von minus 2 besteht. Entscheidend für die Richtigkeit der Ausscheidung dieser Nennung Wurzbachs erscheint, dass Waldau und Sporhan-Krempel übereinstimmend mit Stör auf der Basis der Nürnberger Urkundenlage JOHANN CARL bzw. HANß CARL als jüngsten Sohn des JOHANN FRIEDRICH darstellen und auch hinsichtlich der von diesem zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Herzoglich Zweibrückenscher Rat und Oberamtmann der Herrschaft Guttenberg-Lützelstein voll übereinstimmen. Was die bei Aubert des Bois und Cellarius-Goldtbeeg den Titeln Geheimer Rat und Oberamtmann beigegebene Bezeichnung „Stadtmeister zu Haguenau“ betrifft, so ist dieser von diesen bereits dem angeblichen Vater namens JEAN DE WIMPFFEN IV. bzw. JOHANN PAUL (genannt am Ende der GENEALOGISCHEN ÜBERSICHT I, siehe in der II. Stammtafel von Wurzbach in der Mitte der eliminierten Generationsreihe X) beigegeben, der sich ja nach dem angeblichen Verkauf der unauffindbaren mysteriösen Rohooburg in der Ortenau in Haguenau niedergelassen, dort das erbliche Stadtmeisteramt erworben haben und ein Nachkomme des dort nachweislich ansässig gewesenen HANS I. (geboren angeblich 1418 in Nürnberg, gestorben nachweislich 1491 in Haguenau) gewesen sein soll. Cellarius-Goldtbeeg reichen diese neben der Amtmannschaft der Herrschaft Guttenberg-Lützelstein merkwürdigerweise ausgeübte weitere – an die Stadt Haguenau geknüpfte – zweite Funktion des sog. Stademeisters (bei Aubert des Bois: Stattmester) in ihrer Aufzählung der Kinder des angeblichen Hans Georg I. an den jüngeren der diesem zubenannten Söhne namens GUSTAV LEOPOLD weiter, womit diese an drei Folgegenerationen haftend ausgewiesen ist. Wie bereits unter Generation 4 angesprochen, sollen laut Cellarius-Goldtbeeg im Elsaß seit den Tagen des HANS (I.) VON WIMPFFEN überhaupt Zweige der Wimpffen-Familie im Elsaß bis zur französischen Besitznahme verblieben sein. Wenn diese Zuordnung des sog. Stademeisteramtes von Haguenau – was zu bezweifeln – richtig wäre, so handelte es sich in diesem Fall jedoch um Abkömmlinge einer dorthin zugewanderten Wimpffen-Familie. Auch hieraus zeigt sich, dass, wie bereits festgestellt, ein hoher Bedarf besteht, in Haguenau (wie in den anderen elsässischen Städten Weißenburg und Schlettstadt) auf die zahlreichen diesbezüglichen Angaben von Aubert des Bois und Cellarius-Goldtbeeg gerichtete archivalische Nachforschungen anzustellen.
Mit dem vorstehend geschehenen Abschluss der Betrachtung der Generation 9 bzw. XI ist auch die Ausschöpfung des als unschätzbar wertvoll anzusehenden Stammbaumes von J. W. Stör zu Ende gebracht, der die Grundlagen der Entstehung und des Werdens der Familie Hermann von Wimpffen über mehr als 3 ½ Jahrhunderte hinweg verlässlich aufzeigt.
N. Wie der Sohn des Johann Karl namens JOHANN GEORG VON WIMPFFEN (1689 – 1767) der 10. Generation durch die Erziehung seiner sieben Söhne im „Schloss der sieben Türme“ im pfalz-zweibrückenschen Minfeld zur Härte und Entbehrung den Grundstein für die vornehmliche künftige Hinwendung des Von Wimpffen-Geschlechts zum Waffendienst mit dem rasanten Aufstieg der beiden nachfolgenden Generationen in hohe bis höchste Ränge des Militärs zu legen versteht.
Generation 10 bzw. XII:
Von JOHANN CARL ausgehend, schreibt Waldau, dass dessen Sohn namens JOHANN GEORG VON WIMPFEN (Anmerkung: bei Waldau ist deren Adelsname generell nur mit einem f geschrieben) „auch (d. h. wie sein Vater) Zweibrückischer Geh. Rath, und seine noch lebende(n) Enkel in den ansehnlichsten Kriegsposten, als Haubtleute, Hof- und andern wichtigen Chargen, wovon das oben angeführte Albrechtinische genealogische Adelshandbuch S. 408 f. nachgesehen werden kan(n).“ Mit ähnlich hochschätzender Wertung, wenngleich in abstrakterer Form und die Kinder des Johann Carl in diese einbeziehend, äußert sich Sporhan-Krempel wie folgt: „Seine Kinder und Enkel bekleideten hohe Posten an fürstlichen Höfen.“ Dass die hochschauende Einschätzung der Nachfahren des Johann Carl dieser beiden Autoren angemessen ist, das wird vor allem die Behandlung der Generation 11 bzw. XIII zeigen. Überraschenderweise taucht dessen Name in der Stammtafel II von Wurzbach in Generation XII als JOHANN GEORG II. auf. Die Beifügung II. geht auf den in der vorhergehendern Generation XI aufgeführten gleichnamigen angeblichen Vater JOHANN GEORG I. zurück und ist nach dessen Ausscheidung hinfällig und findet sich somit in der II. Stammtafel eingeklammert. Dort springt ins Auge, dass Wurzbach dem aufgeführten Namen sowie Lebens- und Heiratsdaten unter der Nummer 30 eine umfängliche Lebensbeschreibung beifügt. Diese geht natürlich – wie immer – großteils mit Aubert des Bois und Cellarius-Goldtbeeg zusammen, was die anschließende Zitierung derselben (bei Korrektur der bei Wurzbach enthaltenen gröbsten der Fehler in Klammer) zeigt:
-Aubert des Bois: „XII. Jean Georges de Wimpffen, né en 1688, Chambellan du Roi de Pologne, Grand-Bailli de Guttenberg, épousa, en 1719, Dorothée de Fouquerolle … .“
-Cellarius-Goldtbeeg: „Der Stammhalter Johann Georg II., geb. 2. Juli 1689 zu Mollberg, war bis 1714 des Pfalzgrafen Gustav Samuel, dann bis 1719 des Königs von Polen Hofjunker, worauf er die Ober-Amtmannschaft von Guttenberg und Lützelstein ererbte und gleichfalls pfalzzweibrück’scher adel. GRath ward. Vermählt mit Dorothea geb. Freiin von Fouquerolles starb er am 3. Dec. 1767 zu Weissenburg.“
-Wurzbach: „JOHANN GEORG II. (II. zu streichen) (geb. zu Mollberg 2. Juli 1689, gest. zu Weißenburg 2. December 1767), vom jüngeren (J o h a n n D i e t r i c h’schen) Hauptaste (müsste heißen: Johann Carl’schen Hauptaste). Der älteste Sohn J o h a n n G e o r g s I. (müsste heißen: Johann Carls) aus dessen erster Ehe mit K a t h a r i n a W e i d m a n n v o n E h r e n f e l s. Nach dem Besitzthume Mollberg, auf welchem er geboren worden, nahm die spätere ungarische Linie der Freiherren von W i m p f f e n das Prädicat M o l l b e r g an. Er stand bis 1714 als Hofjunker in Diensten des Pfalzgrafen G u s t a v S a m u e l , darauf bis 1719 in jenen des Königs von Polen; dann trat er nach seinem Vater die Oberamtmannschaft zu Guttenberg und Lützelstein an und wurde zuletzt pfalzzweibrücken’scher adeliger Geheimrath. Seine Gemahlin Antoinette Dorothea Mazille de Fouquerolles, mit welcher er sich im Jahre 1719 vermält hatte, schenkte ihm eine zahlreiche Nachkommenschaft, nämlich 12 Kinder, deren mehrere wesentlich zum späteren Glanze des Hauses W i m p f f e n in den verschiedenen Ländern des Continents beitrugen.“
Wie der Blick in die II. Stammtafel zeigt, haben wir mit JOHANN GEORG VON WIMPFFEN (Generation 10 bzw. XII) den Urgroßvater des „Sedangenerals“ EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN wie auch des im Wimpfen der 1870er Jahre zugezogenen und verstorbenen ehemaligen württembergischen Kammerherren und Rittmeisters FREIHERR WILHELM VON WIMPFFEN, der natürlich zusammen mit seinen Anverwandten und Nachkommen noch ganz besondere Zuwendung in Kapitel S und T erfahren wird, erreicht. Wir finden die beiden, die – wie schon gesagt – gegenseitig Vettern und somit eng verwandt gewesen sind, in den zwei rechtsseitigen grünen Generationsbändern XVc bzw.13c mit einem grünen Stern gekennzeichnet! Dass die obigen – vergleichend und korrigierend aus den zur Verfügung stehenden zahlreichen Quellen entnommenen – Daten über deren beider Urgroßvater JOHANN GEORG VON WIMPFFEN, in den Grundkomponenten stimmig sind, das zeigt der Umstand, dass diese im Großern und Ganzen im Einklang mit der als authentisch und deshalb als zuverlässig anzusehenden umfänglichen 1788 in Paris erschienenen Selbstiografie des fünftältesten Sohnes desselben namens FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (1732 – 1800) stehen; siehe diesen in Generation XIII bzw. 11 in der Mitte unter c) grün unterstrichen aufgeführt! Über diesen sowie auch sein vorgenanntes Werk wird an späterer Stelle noch ausführlichst berichtet werden. Wenn wir nunmehr alle greifbaren übereinstimmenden sowie glaubhaft stimmig erscheinenden Fakten über Johann Georg zusammenfassen, so ergibt sich (unter Beseitigung weiterer in den obigen Angaben der drei Hauptautoren enthaltenen Fehler) das folgende unbezweifelbar richtige Gesamtbild: JOHANN (HANS) GEORG (JEAN-GEORGES DE) VON WIMPFFEN ist am 2. Juli 1689 geboren, und zwar nicht im niederbayrischen Mollberg (nächst Höchstätt an der Donau), nach dem sich richtigerweise der spätere ungarische Zweig derer Von Wimpffen-Mollberg genannt hat, sondern im südpfälzischen – vier Kilometer westlich von Kandel gelegenen – Ort Minfeld, in dessen „steinernem Haus“ oder auch „Schloss der sieben Türme“, wie es wechselnd heißt, wo ja bereits dessen Vater JOHANN CARL in gleicher Funktion als Herzoglich Zweibrückischer Oberamtmann und Geheimer Rat geamtet und gewohnt hat. In jungen Jahren Kavalier (Hofjunker) am Hof des 1709 seines Thrones enthobenen und ins Exil nach Zweibrücken gegangenen Königs von Polen STANISLAUS I. LESZCZYŃSKI, dann ab 1719 Kammerherr beim nachgefolgten PFALZGRAFEN GUSTAV SAMUEL LEOPOLD (der sog. schwedischen Seitenlinie Pfalz-Kleeburg) in Zweibrücken, wird er schließlich wie sein Vater erblicher Oberamtmann der Herrschaft Guttenberg und Lützelstein und führt zuletzt dort den Titel Pfalzzweibrückischer Adliger Geheimrat. Sein Amts- und Wohnsitz befindet sich wie in den Zeiten seines Vaters im mit Gräben umgebenen burgartigen Wasserschloss Minfeld, das mit seinem Alter von damals an die 400 Jahren schon von manchem der Amtmänner vor ihm als unkomfortabel und den Wohnansprüchen des 17./18. Jahrhunderts nicht mehr entsprechend empfunden worden war, weshalb diese teilweise in der rund 15 Kilometer westsüdwestwärtig gelegenen elsässischen Stadt Weißenburg gewohnt hatten. Aus der 1719 geschlossenen Ehe mit der einer alten französischen Adelsfamilie (angeblich der Picardie) entstammenden ANTOINETTE DOROTHE MAZILLE DE FOUQUEROLLE (Tochter des SEBASTIAN MAZILLE DE FOUQUEROLLE und der JULIANE VON MERINGEN; weitere Lebensdaten von dieser liegen leider nicht vor; wir schreiben deren Namen – entgegen der von fast allen Autoren erfolgenden Schreibweise „Fouquerolles“ – ohne End-s nach dem Muster der Schreibweise in der Selbstbiografie ihres Sohnes Franz Ludwig) gehen nicht weniger als 14 (oder gar, wie Cellarius-Goldtbeeg feststellt, 15) am Leben gebliebene Kinder hervor, darunter 10 Söhne und 4 Töchter, von den Erst- und Zweitgenannten ist je eines früh verstorben (Anton und Marie); siehe diese oben in der II. Stammtafel auf der zwischen Nr. XIII bzw. 11 ersten völlig durchlaufenden Querlinie – die Söhne in chronologischer Geburtsfolge von 1721 (STANISLAUS GUSTAV LUDWIG) bis am Schluss 1744 (Felix LUDWIG) aufgereiht! Der Genannte beendet seine dienstliche Karriere erst mit 77 Jahren und stirbt am 2. Dezember 1767 im Alter von 78 Jahren in Weißenburg, wo er wie auch seine Gattin dort in der protestantischen Pfarrkirche Saint Jean begraben wird.
Ganz wichtig zu wissen ist in Bezug auf die Erziehung von dessen 9 am Leben gebliebenen Söhnen das, was der fünftälteste namens FRANZ LUDWIG (FRANÇOIS LOUIS), der Gründer des Franzens-Zweiges, in seiner Selbstbiografie des Titels „MÉMOIRES DU GÉNÉRAL BARON DE WIMPFFEN, ÉCRITS PAR LUI MÊME, TOME PREMIER, Contenant so vie privée et militaire“ (Paris 1788) im Eröffnungs-Kapitel „SECTION PREMIERE. Ma naissance, mon éducation, celle des mes freres, notre avancement rapide dans la carriere des armes.“ (= Erster Abschnitt. Meine Erziehung, die meiner Brüder; unser schnelles Vorankommen in der Militärlaufbahn.) schreibt. Denn daraus entsteht ein anschaulicher Eindruck der offenbar im türmereichen Schlosse Minfeld(en) durch den Vater JOHANN (HANS) GEORG (JEAN GEORGES) ganz gezielt zur Vorbereitung seiner Söhne auf eine herausragend erfolgreiche Karriere im Militärwesen Frankreichs mit dem Nächstziel der Öffnung des Zugangs zu den oben aufgeführten „deutschen Regimentern“ sowie dem Fernziel der Vermehrung der pekuniären Grundlagen wie auch des Ansehens seines Adelsgeschlechtes erfolgte spartanische Erziehung in des Wortes bester Bedeutung. Daraus aneinandergereiht die informativsten Ausschnitte in Übersetzung ins Deutsche: „Mit fünf meiner Brüder für den Waffendienst bestimmt, wurde unsere Erziehung von Konsequenz beherrscht, und ohne uns in das Wasser des Styx (A. d. V.: Fluss in der Unterwelt, Wasser des Grauens) zu tauchen, um uns unverwundbar zu machen, mussten wir vor all den Übeln bewahrt werden, die einer zu sanften Erziehung folgen.“ – „Während der Winterzeit ähnelte das Schloss, das mein Vater bewohnte, einem Kriegsschauplatz. Wir machten dort unsere militärischen Übungen; wir legten uns zum Schlafen auf die bloße Erde in einem vom Wohnbereich getrennten Haus, in den vier Winden gelegen, in einem Zimmer, wo es nichts gab, keinen Ofen, keinen Kamin, ohne Felle, ohne Pelzwerk, nichts als eine leichte Decke, und wir wälzten uns beim Verlassen des Bettes oft im Schnee.“ – „Wir waren so gesund und robust, unsere jungen Körper waren derart auf die Strapazen vorbereitet, dass wir für gar nichts anderes zugänglich waren als für diese Entbehrungen. Mit dieser körperlichen Ausstattung allein, befördert durch die Ermahnungen der Autoren unserer Tage, deren Vorschriften wir anbeteten, haben wir die jungen Leute und unsere Kameraden weit hinter uns gelassen, selbst jene, deren Erziehung wie die unsrige ebenfalls einfach und entbehrend gewesen ist.“
Somit treten von den auf diese Weise in strengster militärmäßiger Disziplin erzogenen und so ganz gezielt auf eine erfolgreiche militärische Laufbahn vorbereiteten Söhne der 3. Generation dieses sog. Elsässischen Astes mit Ausnahme eines solchen in den Militärdienst ein, und zwar in den Frankreichs, da dieses seit 1680 Souverän in diesem Landstrich der Pfalz ist. Letzteres hat zur Folge, dass die Schultheißen der Orte der Herrschaft Guttenberg-Lützelstein immer wieder, so z. B. 1735, in das steinerne Haus nach Minfeld kommen müssen, um dort dem König von Frankreich zu huldigen. Somit hat JOHANN CARL die 1778 in seinem und des Bruders HANS CHRISTOPH von Nimwegen aus geschickten Brief geäußerte Absicht, dass sie nach Frankreich gehen wollten, in die Tat umgesetzt. Da die Muttersprache des Wimpffen-Geschlechts deutsch ist, wählen die Söhne ausnahmslos die bestehenden sog. deutschen Regimenter als Einrichtungen ihrer Ausbildung aus, in denen ihre deutsche Muttersprache Kommandosprache ist und vornehmlich Menschen deutscher Zunge aus den Frankreich im Westfälischen Frieden zugesprochenen österreichischen Teilen sowie später annektierten Gebieten des Elsass’ und der Rheinpfalz sowie den deutschen Landen überhaupt angeworben werden. Die Namen dieser „Fremdenregimenter“ lauten:
Das Régiment de la Marck, gegründet 1680 vom Grafen von Königsmarck,
das Régiment d’Alsace (Elsass), gegr. 1746,
das Régiment d’Infanterie de Royal Deux-Ponts (Zweibrücken) und
das Régiment de Bouillon, die letztgenannten beiden aufgestellt 1757.
Eine Ausnahme bildet der drittälteste, 1727 geborene, Sohn KARL HERMANN (CHARLES ARMAND DE) VON WIMPFFEN, der Kanoniker (Chorherr) zu Weißenburg wird. Damit ist jetzt der sog. Jüngere oder Elsässische Ast des Wimpffen-Geschlechts faktisch französisch geworden und fühlt sich auch dem französischen KÖNIG LUDWIG XV. (1715 – 1774) bzw. LUDWIG XVI. (1774 – 1792) untertan. Bei den Nachfahren der nächsten bis übernächsten Generation finden sich ebenfalls noch Angehörige derer von Wimpfen in diesen „deutschen“ Regimentern. Und fast alle Söhne können mehr oder minder die Erwartungen des Vaters erfüllen, in ihrer von ihm planvoll angestrebten „carriere militaire“ (Militärlaufbahn) „haute faîte de grandeur et d’illustration“ (Gipfelhöhe der Größe und Berühmtheit), wie FRANZ LUDWIG in seiner Selbstbiografie sagt, zu erlangen. Schon ein kurzer Blick auf deren Namensreihe in der II. Stammtafel (Nr. XIII bzw. 11), die links mit dem Ältesten namens STANISLAUS VON WIMPFEN (geb. 1721) beginnt und rechts mit FÉLIX LUDWIG VON WIMPFEN (geb. 1744) endet, sowie auf die darunter stehenden jeweils von ihren Trägern erreichten militärischen Höchstgrade (Maréchal de Camp = Feldmarschall, General, k. k. Feldmarschall-Lieutenant, französischer Generallieutenant) kann dies belegen. Beim Ältesten der Söhne Stanislaus, der zwar durch den Eintritt in das Regiment Royal Deux-Ponts die Militärlaufbahn aufnimmt und auch in den Kriegsdienst gelangt, ist der erreichte militärische Dienstgrad nicht aufgeführt, weil dieser später denn doch in die Fußstapfen des Großvater und Vaters tritt und wie diese adeliger Geheimrat und Oberamtmann der Herrschaft Guttenberg und Lützelstein (demnach in der 3. Generation) wird. Auch nach der Einschätzung von Wurzbach trugen von diesen Söhnen „mehrere wesentlich zum späteren Glanze des Hauses W i m p f f e n in den Ländern des Continents“ bei. Jetzt wird es auch verständlich, warum ein Jahrhundert zuvor E. G. Waldau, wie bereits gesagt, bewundernd feststellt, die Enkelsöhne des JOHANN CARL VON WIMPFFEN, um es zu wiederholen, befänden sich „in den ansehnlichsten Kriegsposten, als Haubtleute, Obersten, Generale, Hof- und anderen wichtigen Chargen“. Und ebenso wird jetzt klar, dass L. Sporhan-Krempel anerkennend feststellt: „Seine Kinder und Enkel bekleideten hohe Posten an fürstlichen Höfen“. Mit „seine Kinder“ meint er vor allem den Vater all dieser im Hof- und Militärwesen arrivierten Söhne, eben den Initiator deren Aufstieges, JOHANN GEORG, der ja immerhin bereits den imponierenden Titel Pfalzzweibrückenscher Adeliger Hofrat erlangt hat. Was FRANZ LUDWIG in seiner Selbstbiografie des Jahres 1888 über die damals am weitesten gekommenern drei Brüder berichtet, kann als weiterer Beleg für den Aufstiegswillen wie den Aufstiegserfolg der Brüderreihe gelten und verdient es, hier in Übersetzung wiedergegeben zu werden:
– „Mein älterer verstorbener Bruder (gemeint der Zweitälteste CHRISTIAN PETER, geb. 1725, gest. bereits 1781), zuletzt Feldmarschall und Träger des Ordensbandes in Rot im Dienste Frankreichs, verließ das Regiment D’Alsace als einer der letzten Unterleutnants, kehrte zehn Jahre später im Rang eines Hauptmannes zurück und traf dort auf mehrere der früheren Leutnants, die sich noch in derselben Rangstufe befanden.“
– „Ein anderer meiner Brüder (gemeint der Siebtälteste namens GEORG SIEGMUND, geb. 1735, gest. 1816), mit 24 Jahren Rittmeister über 1000 Pferde (gemeint Kavalleristen) im Dienste ihrer Majestät des Kaisers, ist jetzt Feldmarschall-Leutnant.“
– „Félix (gemeint der Jüngere der Brüder FELIX LUDWIG, geb. 1744, gest. 1814) erlangte im Dienste Frankreichs das Leutnantsdiplom in sehr jungen Jahren und ist jetzt Brigadegeneral in der kaiserlichen Armee und Kommandeur des Regiments De Bouillon.“
Und von den in den Militärdienst getretenen Söhnen des Obengenannten haben alle (die Ausnahme bildet der früh gestorbene Zweitälteste CHRISTIAN PETER) eine mehr oder minder umfängliche Nachkommenschaft. Und so werden diese zu Gründern der folgenden fünf jeweils nach ihrem Vornamen benannten sog. Zweige (siehe wieder in der II. Stammtafel auf der ersten durchgehenden Linie von links nach rechts):
a) vom Stanislaus’-Zweig (durch blaue Lineatur gekennzeichnet),
b) vom in der Nachfolgegeneration aussterbenden Josephs-Zweig (durch gelbe Lineatur gekennzeichnet),
c) vom ganz besonders umfänglichen Franzens-Zweig (durch grüne Lineatur gekennzeichnet),
d) vom Georgs-Zweig (durch braune Lineatur gekennzeichnet),
e) vom Felix’-Zweig (durch orangene Lineatur gekennzeichnet).
Am 19. Oktober 1781, glänzendster Beweis des Erreichens des Zweckes der ungewöhnlich harten Erziehung, wird den Begründern der Zweige a – d von Kaiser JOSEF II. durch Diplom der ihnen von ihren Ahnen JOHANN FRIEDRICH und JOHANN DIETRICH überkommene Reichsfreiherrenstand bestätigt. Mit der Bestätigung war eine Wappenerweiterung verbunden, und zwar dergestalt, dass dem Widder in die Vorderfüße ein goldenen Kreuz gegeben wurde. Damit sah das Wappen so aus, wie es in der Abb. 5 (allerdings nur in nicht farbiger Form) gezeigt und darunter unter Einbeziehung der Wappenfarben beschrieben ist. Letztere sind: in Rot der Schildgrund, die beidseits aus der Krone wachsenden Büffelhörner und die Helmdecken; in Grün die drei Berge unter den Füßen des Widders (diese in der Wappendarstelllung der Abb. 5 fehlend), in Silber der Widder sowie die Unterlegung der Helmdecken, in Gold das Kreuz sowie die beidseitig aus den Büffelhörnern tretenden vier Stäbe und die beidseits daran hängenden 7 Lindenblätter.
Die vier Zweige a, c, d und e verbreiten sich ab der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jahrhundert in ihrer Gesamtheit und in mehreren Generationen über zahlreiche Länder Europas (Frankreich, Württemberg, Österreich, Ungarn, Bayern, Preußen, Italien, Russland, Spanien), wo sie insbesondere – der alten Tradition ihres Geschlechts folgend und nicht selten zwischen Ländern und Sprachräumen wechselnd – sich als hohe bis höchste Militärs, wichtige Funktionsträger an Höfen wie Kammerherren, Oberstkammerherren, Hofmeister, Gesandte oder Diplomaten, auch als Großgrundbesitzer und nicht selten nebenbei als Militärschriftsteller oder sonstige Schriftsteller, in einigen Fällen auch als Reisende, betätigen und vielfach Titulierungen, Ruhm, Ehre und Auszeichnungen aller Art in Empfang nehmen können. Der Blick in die in Abbildung 6 gezeigten zwei Seiten der Berufs- und Tätigkeitszusammenstellung derer Von Wimpffen dürfte ein Beleg für diesen vielfältigen Aufstieg sein. Nicht wenige der dem im Militärdienst Stehenden opfern in den Kriegen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (insbesondere in den napoleonischen Kriegen, im Preußisch-österreichischen Krieg 1866, im Ersten Weltkrieg) unter der Fahne Österreichs bzw. Österreich-Ungarns, Frankreichs und auch Russlands ihr Leben. Dieses findet sich, ohne Vollständigkeit erheben zu wollen, in der Homepage des Dr. Hans. von Wimpfen in einer besonderen Rubrik folgendermaßen zusammengestellt:
Sie starben für
Simon von Wimpffen gefallen für Österreich-Ungarn 1918
Philipp von Wimpffen gefallen für Österreich-Ungarn 1916
Maximilian von Wimpffen gefallen für Österreich-Ungarn 1915
Grigorij von Wimpffen gefallen für Russland 1806 (zu korrigieren: 1807)
Georg von Wimpffen gefallen für Österreich bei Aspern 1809
Charles de Wimpffen gefallen für Frankreich 1912
Clemens August von Wimpffen gefallen für Österreich-Ungarn 1866
Jean de Wimpffen gefallen für Frankreich 1918
Charles Louis de Wimpffen gefallen für Frankreich bei Borodino 1812
Edouard de Wimpffen gefallen für Frankreich 1809
Hinzuzufügen ist noch:
Alphons von Wimpffen, gefallen für Österreich-Ungarn 1866
Heinrich Christian, tödlich verwundet in den Kämpfen mit Insurgenten in Dalmatien 1869
Aus dem von FREIHERR FRANZ LUDWIG VON WIMPFEN (1732 – 1800) und MARIE KUNIGUNDE VON GOY (1743 – 1820) begründeten Franzens-Zweig (siehe diese in der Mitte der vorbenannten Linie, grün unterstrichen unter c), der sich in der 1. Generation gebildet hat, wird aus deren großen Schar von je sechs Söhnen und Töchtern der drittälteste Sohn namens FRANZ KARL EDUARD VON WIMPFEN (1776 – 1842) im Jahr 1797 von Kaiser Franz II. sogar in den Reichsgrafenstand erhoben (siehe in der II. Stammtafel den durch Rot hervorgehobenen Verlauf der „Gräflichen Linie“). Dessen Linie ist das anschließende Kapitel P gewidmet. Die GRAFEN VON WIMPFFEN erlangen 1799 das Inkolat (Heimatrecht) in Böhmen, 1811 in Österreich, 1819 die steiermärkische und 1840 die tirolische Landsmannschaft, dazu ausgedehnten Grund- sowie Burgen- und Schlösserbesitz vor allem in Kärnten und in der Steiermark sowie den Zugang zum Hochadel und durch Heiraten die Ausbreitung in demselben und dazuhin in den österreich-ungarischen Geldadel. Und der Begründer des Georgs-Zweiges (siehe das über diesen Zweig berichtende Kapitel U), der königlich-kaiserliche Feldmarschall-Leutnant FRANZ GEORG VON WIMPFEN (1735 – 1816) erlangt das Indigenat (Staatsbürgerschaft) von Ungarn und dessen zweitältester Sohn DAGOBERT VON WIMPFFEN (1765 – 1836) und seine Gemahlin ANTONIE VON ERÖS pflanzen dessen Zweig über die von DAGOBERT, K. K. OBERST (1765 – 1836) ausgehende Nebenlinie der WIMPFFEN-MOLLBERG fort. Diese gelangt durch Heiratsverbindungen in das Inkolat in Ungarn und tritt in die Verwandtschaft mit der zu hohem Reichtum durch Betätigung im Bankenwesen und in der Industrie der k. u. k. Monarchie gekommenen Adelsfamilie der neureichen „Ringbarone“ von TODESCO, den einstigen aus der Walachei gekommenen TODESCU.
Mit dem vorstehend erfolgten Vorandringen in der Wimpffen-Genealogie sind wir nunmehr fast bis hin zu jenen beiden Gliedern zurückgegekommen, die am Anfang in Kapitel A besonders hervorgehoben worden sind: nämlich zu FELDMARSCHALL MAXIMILIAN VON WIMPFFEN (1770 – 1854) sowie dem sog. Sedangeneral EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN (1811 – 1884). Während jener, wie der Blick in die II. Stammtafel zeigt, als einer der drei Söhne des Begründers des Georgs-Zweiges auszumachen ist, findet sich dieser sehr viel weiter unten in der zweiten Nachfolgegeneration vom Franzens-Zweig als einziger Sohn des FÉLIX (VICTOR EMMANUEL CHARLES) DE WIMPFFEN (1778 – 1814) und Enkel des oben schon erwähnten Begründers desselben namens FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (1732 – 1800) verzeichnet.
O. Wie der fünftälteste der sieben Söhne des Johann Georg namens FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN bzw. FRANÇOIS LOUIS DE WIMPFFEN/ (1732 – 1800), der von seiner Kindheit bis zu seinem Tod in wechselnden französischen und deutschen Herrscherdiensten, Regionen und Positionen im Militär- und Kriegsdienst u. a. als langjähriger Kriegsratspräsident unter Herzog Karl Eugen bis zuletzt als General und Präsident des Revisionsgerichts in Mainz unter Napoleon steht, über seine sechs Söhne, von denen fünf sich dem Waffendienst zuwenden, zum Begründer des in vier Staaten Europas (Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland, Deutschland) und innerhalb des letztgenannten in zahlreiche Länder weitzerstreuten sog. Franzens-Zweiges derer Von Wimpffen wird.
Mit dem vorstehend geübten Vorandringen in der Wimpffen-Genealogie sind wir nunmehr fast bis hin zu jenen beiden Gliedern gekommen, die am Anfang in Kapitel A als wichtige Zielpersonen besonders hervorgehoben worden sind: nämlich zu FELDMARSCHALL MAXIMILIAN VON WIMPFFEN (1770 – 1854) sowie dem sog. Sedangeneral EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN (1811 – 1884). Während jener, wie der Blick in die II. Stammtafel zeigt, als einer der drei Söhne des Begründers des Georgs-Zweiges auszumachen ist, findet sich dieser sehr viel weiter unten in der zweiten Nachfolgegeneration vom Franzens-Zweig als einziger Sohn des FÉLIX (VICTOR EMMANUEL CHARLES) DE WIMPFFEN (1778 – 1814) und Enkel des oben schon erwähnten Begründers desselben namens FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (1732 – 1800) verzeichnet. Was die Abkunft des besagten „Sedangenerals“ betrifft, so ist diese oben bis zu dessen U r g r o ß e l t e r n (väterlicherseits), nämlich JOHANN GEORG VON WIMPFFEN und dessen Gattin ANTOINETTE DOROTHEA MAZILLE DE FOUQUEROLLE, bereits aufgezeigt und der Lebensgang des Urgroßvaters dabei bereits dargelegt worden.
Im Weitergang kommen wir nunmehr eingehender zu den oben schon erwähnten G r o ß e l t e r n desselben, nämlich:
– FREIHERR FRANZ LUDWIG VON WIMPFEN (bei Aubert: FRANÇOIS DE WIMPFFEN; bei Barbier: LOUIS-FRANÇOIS DE WIMPFFEN-BORNEBOURG)
– * 02. 04. 1732 im „Schlosse der sieben Thürme“ Minfelden in der Pfalz, + 24. 05. 1800 in Mainz;
– MARIE MAGDALENA KUNIGUNDE VON GOY, * 31. 07, 1743, + Frankfurt a. M. 24. 01. 1820, Heirat in Jesberg am 17. 09. 1759; Tochter des Christian Friedrich Goy, Hessen-Darmstädtischer Hofrat und der Maria Margaretha geb. Heister.
Das Leben des Vorgenannten soll nunmehr ganz speziell ausführlich dargestellt werden. Dies geschieht nicht allein im Blick auf seinen Status des Großvaters des angezielten Sedangenerals sowie gleichzeitig des Freiherren Wilhelm von Wimpffen, sondern auch, weil dieser der Begründer des Franzens-Zweiges, des wohl bedeutendsten unter den Zweigen derer von Wimpffen, ist. Hierbei können wir vor allem aus dessen schon mehrfach zitierter Selbstbiografie schöpfen, die 8 + 215 = 223 Seiten umfasst und eine höchst aufschlussreiche Quelle seines Lebensganges bis hin in die Zeit vor der Französischen Revolution von 1789 – 1799 darstellt. Aus dieser lässt sich die obige Feststellung, dass er im „Schlosse der sieben Thürme“ Minfeld(en) geboren sei, aus der folgenden Passage der „Section première“ belegen: „Je suis né en 1732, dans un château appartenant á la Maison palatine, situé á deux lieues de la petite ville de Bergzabern, au duché des Deux-Ponts.“ (= „Ich bin 1732 in einem dem Herrschaftshause Pfalz gehörenden und zehn Meilen entfernt von der Stadt Bergzabern im Herzogtum Zweibrücken gelegenen Schlosse geboren.“) Danach befasst er sich dort zunächst interessanterweise mit der Herkunft seines Geschlechts und will dort u. a. wissen, dass dieses bereits Anfang des 10. Jahrhunderts „les villes, aujourd’hui libres et impériales, de Wimpffen, sur le Necker“ (die Städte, heute Freie Reichsstädte, Wimpfen am Neckar) besessen habe. Wir werden auf seine diesbezüglichen Thesen und darauf, dass diese von den Genealogen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vielfach übernommen worden sind, noch ausführlich und kritisch im zweitletzten Kapitel V zurückkommen.
Die Beschreibung dessen militärischer Laufbahn beginnt sowohl laut Brockhaus- sowie laut Meyers Konversations-Lexikon als auch bei Hans H. von Wimpffen mit der Feststellung, dass dieser am Österreichischen Erbfolgekrieg (1740/41 – 1748) – und zwar laut dem Vorgenannten am Rhein und in den Niederlanden – teilgenommen habe. Im Blick darauf, dass dieser beim Ausbruch dieses nur wenige Staaten Europas verschonenden langen Krieges erst 8 Jahre und an dessen Ende nicht mehr als 16 Jahre alt gewesen ist, möchte man annehmen, dass diese Angabe falsch ist. Doch gefehlt! Denn im ersten Abschnitt der bereits schon mehrfach zitierten Selbstbiografie steht erschreckenderweise u. v. a. noch Folgendes zu lesen: „Kaum konnten wir deutsch schreiben und lesen … als wir in die Armee gegeben wurden, die einen im Alter von 10 und 11, die anderen von 12 und 15 Jahren, inmitten des Krieges, der sich alsdann in Bayern abspielte und uns alle Kraft abverlangte.“ Zweifelsfrei hebt der Schreiber mit dem Hinweis der sich in Bayern abspielenden mittleren Kriegsphase auf die Jahre 1743/44 ab, wo zunächst eine französische Armee vom Elsass her der Armee der Bayern gegen die vom Main her anrückenden britisch-hannoversche Armee zu Hilfe eilte, aber nach den verlorenen Schlachten bei Dettingen an der Iller und Simbach am Inn beider Rückzug hinter den Rhein in Winterquartiere und im Folgejahr ein Gegenstoß mit dem Erfolg der Rückeroberung der vorderösterreichischen Lande um den Breisgau sowie Bayerns erfolgte. Spätestens an der zweitgenannten Phase des Jahres 1744 müssen zumindest drei der Wimpffen-Söhne, darunter der damals 12-jährige Franz-Ludwig, als mehr oder minder Kinder-Soldaten, wie man heute sagen würde, im Régiment D’Alsace teilgenommen haben. Dies geht aus der folgenden von diesem in seiner Biografie breit erzählten damaligen Begebenheit hervor, die hier natürlich nur gestreift werden kann: Ein Soldat dieses Regiments berichtete damals am Tag der Wiederüberschreitung des Rheins durch die französische Armee (wie es sich später herausstellte, fälschlicher- oder irrtümlicherweise) seiner Mutter (Dorothée de Wimpffen), dass dabei ihre drei Söhne umgekommen seien, der eine sei getötet worden, die zwei anderen seien ertrunken. Die Teilnahme Franz Ludwigs und drei seiner Brüder in den französischen „deutschen“ Regimentern D’Alsace und De la Marck auch in den restlichen Jahren 1745 – 1748 des vorgenannten Krieges – und dies in der Tat nach derjenigen geschilderten am Rhein, u. a. jetzt auch in den Niederlanden – ist dadurch belegt, dass dieser schließlich die Kampf- und Schlachten-Orte aufführt, wo er und seine Brüder im Weitergang dieses Krieges, wie er zum Schluss sagt, tagtäglich neuen Gefahren aussetzt gewesen sind, nämlich von:
-der Schlacht bei Pfaffenhof(f)en in Bayern (1745),
-der Schlacht bei Roucoux (Roucourt ) bei Lüttich (Oktober 1746),
-der Schlacht bei Lawfeld (Lauffeldt) in Flandern (Anfang Juli 1747),
-der Belagerung von Maëstricht (Maastricht) in den Niederlanden (Frühjahr 1748).
Leider reißt hier, d. h. am Ende des ersten Abschnitts der Biografie, der Erzählfaden ab und beginnt „Section II“ erst 8 Jahre später im Jahr 1756 damit, dass er jetzt das deutsche Régiment d’Alsace (nicht das deutsch-pfälzische Régiment Royal Deux Ponts, wo er, wie Andere meinen, seine Offiziersausbildung absolviert haben soll), als „capitaine en second“ (Sekondehauptmann) im Alter von 24 Jahren verlässt, um das Kommando einer Grenadierkompanie des Regiments der Infanterie Royal Deux Ponts zu übernehmen, das im Blick auf den damals beginnenden Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) durch den namengebenden Herzog von Zweibrücken in seinen Landen für den Dienst für das die Oberherrschaft führende Frankreich aufgestellt wird. Er nimmt in diesem von Österreich im Bündnis mit den meisten Staaten Europas gegen das mit Großbritannien und auch Portugal verbündete Preußen vergeblich insbesondere um die Wiedergewinnung Schlesiens sowie auch um Kolonialgebiete geführten Krieg an Feldzügen der Jahre 1757 – 1760 teil. Voll Stolz berichtet er diesbezüglich in seiner Biografie weiter, dass er, gewöhnt durch die harte und entbehrungsreiche Kindheit, fast immer an der Spitze seiner zu drei Vierteln aus einst unter den Fürsten jedweder Staaten Europas gedienten Männern, teilweise einstigen Deserteuren, bestandenen Kompanie marschiert sei und niemals andere Nahrung an Brot und frischen oder getrockneten Früchten als im Beisein seiner Soldaten zu sich genommen habe. Seine Pferde hätten meist die weniger jungen und weniger kräftigen Grenadiere besteigen dürfen. Auf diese Weise habe er auf seine Leute „pour la vie et la mort“ (= „auf Leben und Tod“) zählen können. In großer Breite schildert er sein Handeln und Erleben in der von Frankreich gegen Preußen verlorenen Schlacht bei Roßbach in Sachsen (November 1757) sowie im Gefecht bei Sandershausen bei Kassel (Juli 1758), in das er bereits als Regimentsmajor eingetreten ist und in dem sein linkes Auge durch einen Schuss zertrümmert wird. Der auf Lebenszeit durch seine Verwundungen am Kopf Entstellte erhält den von König Ludwig XIV. zur Belohnung der verdienstvollsten Offiziere 1693 gestifteten Orden des Heiligen Ludwig (Ludwigskreuz) ersten (= untersten) Grades verliehen, womit der klingende Titel „Chevalier de l’Ordre royale et militaire de Saint Louis“ verbunden ist. Im in Frankfurt am Main 1758/59 verbrachten Winterquartier des Regiments ist er bei MARIA MARGARETHA GOY GEB. HEISTER (1722 – 1793) untergebracht, der Witwe des am 20. 12. 1692 in Marburg geborenen und am 24. 10. 1748 in Frankfurt a. M. verstorbenen hessen-darmstädtischen HOFRATES DR. JUR. CHRISTIAN FRIEDRICH GOY. Dieser soll laut Biografie Sohn eines französischen Réfugié (hugenottischen Glaubensflüchtlings) des als solcher am französischen Hof bekannten Namens DE GOY oder GOUX gewesen sein. Dort kann er seine Wunde ausheilen. Als am Morgen des 13. April 1759 der Befehl zum Aufbruch eintrifft verspricht die einzige 16 Jahre alte Tochter seiner Gastgeberin namens MARIA MAGDALENA KUNIGUNDE VON GOY, geb. am 31. 07. 1743 in Frankfurt a. M und auch dort gest. am 24. 01. 1820, dem scheidenden Gast FRANÇOIS LOUIS DE WIMPFFEN ihre Hand. Und diese löst ihr Versprechen 5 Monate später auch ein; denn am 17. September 1759 heiraten die beiden im Feldlager von Jesberg (Nordhessen) „im Beisein des Regimentsgeistlichen und von 60 000 Franzosen als Trauzeugen“. „Cette femme“, so schließt der Genannte stolz seinen diesbezüglichen Bericht, „est la mère de mes douze enfants, parmi lesquels se trouvent six fils dont cinq sont destinés pour le metier des armes.“ (= „Diese Frau ist die Mutter meiner zwölf Kinder, unter denen sich sechs Söhne befinden, von denen fünf für das Waffenhandwerk bestimmt sind.“) Nach Kämpfen der Jahre 1759 und 1760 insbesondere bei Bergen (Landgrafschaft Hessen-Kassel), Frankenberg (Eder) und dem erfolgreichen Gefecht bei Korbach (am Südrand vom Sauerland) ist dieser Feldzugabschnitt beendet. Das erste Kind, das ihnen geboren wird, ist der am 12. Oktober 1760 zu Frankfurt am Main geborene und nach seiem Großvater väterlicherseits JOHANN GEORG benannte Sohn GEORG.
Jetzt versucht François-Louis de Wimpffen, die im Hinblick auf seine streng protestantische Gattin im Ehevertrag enthaltene Auflage zu erfüllen, sich in einem protestantischen Gebiet des französischen Königreiches niederzulassen. Somit ersucht er seinen König um die Erlaubnis, künftig in jenen württembergischen Truppenteilen dienen zu dürfen, die als französische Hilfstruppen im Fortgang des Siebenjährigen Krieges eingesetzt sind. Dieses hat Erfolg und auch „seine durchlauchtigste Hoheit“ (gemeint: Herzog Carl Eugen von Württemberg) pflichtet seinem Plan bei, das Kommando von 6 000 Mann württembergischer Infanterie übernehmen zu dürfen, die dieser der Krone Frankreichs gestellt hat. Als dieser Plan aber durch den Ablauf des Subsidienvertrages sich als hinfällig erweist, wird Wimpffen nach Spanien geschickt, um dort jene Hiilfstruppen unterzubringen, die der württembergische Herzog dem spanischen König (Karl III. aus dem Hause Bourbon) für den Kampf gegen das im Siebenjährigen Krieg auf der Seite Großbritanniens und Preußens stehende Portugal zur Verfügung zu stellen gedenkt. Doch zerschlägt ein unerwarteter Waffenstillstand auch diesen Plan. Im Gefolge der Empfehlungen des herzoglich-württembergischen Kriegsministers hat er jetzt dafür die Ehre, am spanischen Hof den König begleiten zu dürfen. Unverrichteter Dinge nach Stuttgart im Jahr 1763, d. h. um die Zeit des endgültigen Friedensschlusses und der Verlegung der Residenz von Stuttgart nach Ludwigsburg sowie des Baubeginns von Schloss Solitude, zurückgekehrt, beginnt für ihn ein langer Zeitabschnitt, während dem er als württembergischer Kammerherr eingebunden ist „in den Strudel der unaufhörlichen Vergnügungen und Feste des herzoglichen Hofes“. Fast 9 Seiten seiner Lebensbeschreibung sind gefüllt mit der Lobpreisung der großen Qualitäten des Herrschers (KARL EUGEN, Herzog von 1744 – 1793), dessen Hofes mit seinen Festen und Lustbarkeiten aller Art, vergnüglichen Reisen sowie der Einmaligkeit, Vielfalt, Elite des Theaters, der Oper, der Orchester und des Balletts in Europa, der Jagden und der Pferdezucht etc., dazu der dem Herzog zu Diensten stehenden Truppe von 15 000 Mann sowie der Schar von 200 Kavalieren und bis zu 20 Fürsten und Reichsgrafen (bei nur wenig mehr als 600 000 Menschen im Land!), der auch er angehört. Zwar stellt die Schilderung dieses Hofglanzes ein Zeitzeugnis aus dem Zenit des württembergischen Absolutismus’ unter Herzog Carl Eugen dar; doch übergeht der zum Höfling und Günstling gewordene Militär de Wimpffen die schlimmen Schattenseiten, die da sind: Verschwendung und Zerfall der Moral, Ämterkauf, Ausbeutung und Unterdrückung der Menschen sowie, was das eigentliche Ressort des Schreibers betrifft, gewaltsame Aushebung zum Militär und Verkauf von Soldaten an fremde Länder u. v. a. m. 1770 wird er vom Herrscher zum Generalmajor erhoben und wenig später begibt er sich in dieser Funktion an die Höfe von Dresden, Wien und München.
In dem nunmehr vergangenen fast anderthalb Dutzend Jahren seiner Tätigkeit in Württemberg von ca. 1861 – 1776 sind zu dem schon genannten ältesten noch am 12. 10. 1860 in Frankfurt geborenen ersten Sohn GEORG (SIGISMUND HERMANN) ein zweiter Sohn und dann 5 Töchter gekommen, die alle in den württembergischen Residenzen Ludwigsburg bzw. Stuttgart zur Welt gekommen sind. Diese sind: zuerst der Zweitälteste FRANZ, der in Verbeugung vor dem württembergischen Herzog die Beinamen KARL EUGEN erhält, geb. am 21. 02. 1762 in Ludwigsburg oder Stuttgart; dann die Töchter LUISE (geb. am 01. oder 02. 08. 1764 in Ludwigsburg), HENRIETTE (geb. am 24. 04. 1866 in Ludwigsburg), JOSEPHINE (geb. am 24. 01. 1769 oder 1770 in Ludwigsburg), ADELHEID (geb. am 05. 11. 1772 in Stuttgart), AMALIE (geb. am 08. 10. 1774 in Stuttgart); schließlich kommt noch der dritte Sohn FRANZ KARL EDUARD hinzu, der am 08. 10. 1776 ebenfalls in Stuttgart geboren wird. Der Herzog erweist 1774 seinem General de Wimpffen auch die besondere Gnade, die vorgenannten beiden ältesten Söhne in die 1770 auf der Solitude eingerichtete „Militärakademie“, die spätere hochgerühmte „Hohe Carlsschule“, geben zu dürfen. 1774 empfängt er die größte Gnade für Angehörige des militärischen Dienstes in Württemberg, nämlich die Zuweisung eines mit seinem Namen benannten und aus zwei Bataillonen bestehenden 6. Infanterie-Regiments („Füsilier-Regiment Wimpffen“), außerdem die Leitung des sog. Kriegsdepartements (Kriegsministerium, Fachbereich Militär) – und dies alles bei doppeltem Gehalt in Höhe von 4 000 Gulden pro Jahr. Somit wird dieser im Stuttgarter Familienregister der Jahre 1700 – 1820 mit „K. Kammerherr, Kriegsratspräsident“ tituliert. Als solcher legt er dem Herzog einen Plan vor, welcher der von den Landständen im sog. Erbvergleich des Jahres 1770 u. a. geforderten Beschränkung des Militärs auf das Notwendigste sowie der Verminderung der hohen Ausgaben für dasselbe Rechnung tragen, andererseits jedoch eine neu struktuierte Truppenmacht ermöglichen soll, die im Bedarfsfalle leicht auf eine doppelte Stärke von 20 000 Mann gebracht werden kann. Zwar wird dieser Plan vom Herzog zunächst gebilligt, doch ändert dieser seinen Sinn und befiehlt Wimpffen, einen anderen Plan zu entwerfen, der ihn, da seine Vorliebe für den Soldatenstand sonstigen Liebhabereien Platz gemacht hat, in den Stand setzen soll, auf Kosten des Militärhaushaltes für jene größere Summen aufzuwenden. Auch dieser Plan kommt nicht zur Ausführung. Schließlich wird im Herbst 1776 ein weiterer vom Herzog selbst erarbeiteter Plan ins Werk gesetzt, durch den u. a. sogar Wimpffens eigenes Regiment wie auch die Regimenter der beiden PRINZEN FRIEDRICH und LUDWIG aufgelöst werden. Als Wimpffen diesen herzoglichen Plan nicht billigt, teilt ihm der Herzog mit, er habe bei seiner letzten Verbindung mit ihm erkannt, dass er es als eine Gnade empfinde, nicht mehr mit der Führung des Militärdepartements belastet zu sein und er ihn deshalb davon befreie, dagegen seine Stellung und Besoldung als General erhalten bleibe. Zuletzt sieht sich Wimpffen, der durch seinen rasanten Aufstieg in Württemberg manche Neider geweckt und durch sein unnachgiebiges Eintreten für die Erhaltung einer stattlichen schlagkräftigen Armee sich viele Feinde (sicherlich nicht zuletzt auch in den Reihen der widerstrebenden Landstände) geschaffen hat, „abscheulicher Intrige und Fallenstellerei in vielerlei Formen“ ausgesetzt und genötigt, die Entbindung auch von seinem Amt des Generals bei Erhaltung der Bezüge nach seinem Abgang für ein Jahr zu bewirken.
Er bringt seine große Familie zunächst in Frankfurt am Main unter, wo ja die Schwiegermutter lebt, und geht jetzt auf Reisen von Hof zu Hof, um anderswo sein Glück zu suchen und dabei vor allem seine heeresorganisatorischen Fähigkeiten zu verwerten. Zunächst wird ihm ausgangs 1776 vom spanischen Botschafter das Amt eines Feldmarschalls angeboten und er schlägt vor, „nach Amerika zu gehen und dort 200 Offiziere und 400 Unteroffiziere anzuführen“ oder „in Spanien ein seinen Namen führendes Regiment zu bilden und zu rekrutieren“ oder „in Deutschland zu bleiben, beauftragt dort Rekruten anzuwerben“. Demnach hat er keinerlei Skrupel, dass er sich zum Handlanger solcher Herrscher macht, die Landeskinder insbesondere zur Finanzierung ihres Prunklebens und der Bewältigung ihres Schuldenwesens willen an fremde Länder als Kanonenfutter zu verkaufen. Dass diese Beauftragung nicht zustande kommt, ist nicht zuletzt auf die von seiner streng protestantischen Gattin im Blick auf die 6 Töchter desselben Glaubens einerseits und das streng katholische Spanien andererseits geltend gemachten Bedenken zurückzuführen. Anschließend findet er nach Besuchen in Prag sowie in Wien, wo ihm im April 1780 die vor dem Ende des Lebens stehende Kaiserin (Maria Theresia) eine Audienz gewährt, weder in Österreich noch später in Bayern bzw. der Bayrischen Pfalz ein Unterkommen. Glücklicherweise lernt ihn während seines halbjährigen Aufenthaltes in Wien der in herausragender Staatsstellung befindliche GRAF DE FRIÈS kennen und schätzen, der ihm die Zeugenschaft bei der Schenkung von einer halben Million Gulden an seinen ältesten Sohn 20 000 Gulden als eine Art Lohn der Mitwirkung bei diesem Rechtsakt anbietet und deren Annahme de Wimpffen als „indiable pour le soutien physique de ma nombreuse famille“ (unerlässlich für die materielle Stützung meiner zahlreichen Familie) betrachtet und somit nicht verweigert. Zwar versetzten ihn seine sonstigen Misserfolge in tiefe Verzweiflung. Doch hat er wenigstens die Mittel, die im Norden von Frankfurt am Main gelegene ehemalige Bornburg, seit dem späteren Kauf im Jahr 1690 durch Johann Jakob Günther auch die „Günthersburg“ genannt, als Land- und Wohnsitz seiner Familie zu erwerben und somit als Burgenbesitzer stärkere Geltung im Sinne des dem Wimpffen-Geschlecht fehlenden Ranges des eingesessenen Land- und Besitzadels gewinnen zu können. François Louis des Wimpffen nennt diese an einer Stelle seiner Biografie mit Stolz überhöhend „mon château près de Francfort sur le Mein“ (mein Schloss bei Frankfurt am Main), sonst spricht er aber bescheidener von seinem „maison de campagne“ (Landhaus) bzw. noch einfacher von „ma campagne“ (mein Landsitz oder -besitz). Die Erwerbung und der Bezug dieser maroden und durch allerlei Hände gegangenen alten Burganlage ist wohl der Grund, dass dieser in französischen Lexikon-Werken des beginnenden 19. Jahrhunderts unter dem Namen FRANÇOIS-LOUIS DE WIMPFEN-BORNEBOURG geführt ist. Dass dieser in Meyers Großem Konversations-Lexikon von 1888/90 sowie 1909 als FRANZ LUDWIG HEROLD VON WIMPFFEN, FREIHERR VON WIMPFFEN-BERNEBURG erscheint und auch dessen jüngerer Bruder FELIX (* 1744) und seine Neffen MAX(IMILIAN) (* 1770) und FRANZ KARL EDUARD (* 1876) mit dieser falschen Namenserweiterung erscheinen, dürfte auf eine irrtümliche Übernahme aus dem Namen des Fürstenhauses ANHALT-BERNBURG-SCHAUMBURG zurückgehen, aus dessen Geschlecht die erste Gattin des späteren ersten GRAFEN FRANZ KARL EDUARD stammte.
Auf der Bornburg bzw. Günthersburg kommen sein 9., 10. und 11. Kind auf die Welt, nämlich: der vierte Sohn FÉLIX, geb. am 02. 11. 1778 auf der Bornburg, wie es heißt; dann die sechste und letzte Tochter SOPHIE, geb. am 15. 01. 1781 auf der Bornburg, wie auch hier gesagt ist; schließlich der fünfte Sohn DAGOBERT SIGISMUND, geb. am 07. 02. 1782 auf „Schloß Günthersburg“, wie dieses jetzt heißt. Zunächst „nach all diesen Katastrophen“ an nichts anderes denkend, als sich an einen einsamen Ort in den Wäldern und Bergen Hessens zurückzuziehen, um hier unerkannt zu leben und in Frieden zu sterben, lässt ihn die Aufnahme seiner ältesten Tochter (MARIE DOROTHEE) LUISE als Ehrendame (= Hofdame, des weiblichen Äquivalentes des Kammerherren) der FÜRSTIN JOHANNA VON SALM-KYRBURG (geborener FÜRSTIN VON HOHENZOLLERN-SIGMARINGEN), dazu die Liebenswürdigkeit und Adelshoheit des französischer Lebensart huldigenden und eng mit der Pariser Gesellschaft verbundenen FÜRSTEN FRIEDRICH III. JOHANN OTTO ZU SALM-KYRBURG, seinen Land- und Burgsitz an den PRINZEN FRIEDRICH VON NASSAU-USINGEN vermieten und das als liebenswürdig empfundene salm-kyrburg’sche Residenzstädtchen Kirn an der Nahe als den Ort seiner wohlverdienten Ruhe wählen. Dort kommt das letzte der 12 am Leben gebliebenen Kinder, sein sechster Sohn FRIEDRICH WILHELM (geb. am 27. oder nach Cellarius-Goldtbeeg 23. 08. 1784), zur Welt. Mit diesem und noch mehr mit dessen älterem Sohn WILHELM (1820 – 1879) mit Nachkommen sowie auch mit dessen jüngeren Sohn DAGOBERT (1821 – 1881) werden wir uns noch an späterer Stelle (siehe die Kapitel S und T) ausgiebigst zu befassen haben, insbesondere weil – wie schon gesagt – Wilhelm mit Famlie im beginnenden deutschen Kaiserreich seine letzten Lebensjahre in Wimpfen am Berg verbracht hat und dadurch die Stadt Wimpfen zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Ehre zuteil wurde, von einem Angehörigen des den Namen dieser Stadt tragenden Adelsgeschlechtes zum ständigen Wohnplatz auserkoren zu werden. Die Sorge um die Zukunft seiner großen Kinderschar nötigt François Louis de Wimpffen jedoch, seine Anstrengungen wieder aufzunehmen, um eine seiner Herkunft und früheren herausragenden Funktion im Militärwesen gemäße Tätigkeit zu finden. Und so bricht er ausgangs Mai 1785 nach Brandenburg auf, um im Hochsommer in Breslau und Potsdam bei den Manövern assistieren zu können. Unterwegs gelingt es ihm, in Wabern bei Fritzlar an der Seite des LANDGRAFEN FRIEDRICH II. VON HESSEN-KASSEL, der sich dort zur Falkenjagd befindet, am Diner teilnehmen zu dürfen. Dieser sagt ihm auf seine Bitte hin die Aufnahme seines 9 Jahre alten drittältesten (später in Österreich zum Grafen und Großgrundbesitzer aufsteigenden) Sohnes FRANÇOIS-CHARLES EDUARD in sein 60-köpfiges Kadettenkorps zu. Wimpffen kann sich nicht genug darin tun, in seiner Biografie die Vorzüge dieses Korps zu umreißen und dann über viele Seiten derselben hinweg den Landgrafen in höchsten Tönen zu loben und die Pracht seiner Schlossanlagen Wilhelmshöhe und Weißenstein bewundernd in allen Einzelheiten zu beschreiben, obgleich derselbe vor wenigen Jahren im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg an Großbritannien um die 16 000 seiner Soldaten als Söldner zum Zwecke der Finanzierung seines 20 000 Mann umfassenden stehenden Heeres sowie seiner Prunkbauten verkauft hat. Im August hält ihn ein starkes Augenleiden in den Gärten und Wassern von Hofgeismar bei Kassel fest. Und so gelangt er erst Ende September über Magdeburg nach Berlin. Der am Ende des Lebens stehende KÖNIG FRIEDRICH II. (DER GROSSE) VON PREUSSEN will ihn, wie ihm brieflich mehrfach versichert wird, kennenlernen und gründlich erforschen, um ihn an die Spitze eines umfänglichen Korps leichter Truppen zu stellen. Doch kommt der Empfang, hauptsächlich der nicht wiederhergestellten Gesundheit des Königs wegen, ebenso die Verwendung im preußischen Heeresdienst nicht zustande. Somit verlässt er Berlin Anfang November erfolglos und er tritt über Schlesien die Heimreise an. Wieder zu Hause bei den Seinigen macht er in der Weihnachts- und Nachweihnachtszeit des Jahres 1785 eine schwere körperliche und seelische Krisenzeit durch. Doch veranlassen ihn seine Gefühle für und die Sorge um die Kinder, am 4. Januar 1786 zur Feder zu greifen und mit großem erzieherischem Eifer einen 35 Seiten seiner Biografie füllenden Brief zu beginnen, den er mit „Lettre philosophique, morale et sentimentale que j’ècris à mes enfants“ (philosophischer, moralischer und gefühlsgetragener Brief, den ich an meine Kinder schreibe) betitelt. Von diesem soll hier nur ein kleiner Ausschnitt wiedergegeben werden, aus dem die Beweggründe für diese ungewöhnliche Briefschöpfung hervorgehen: „Puissent mes nouveaux et derniers malheurs vous servir d’exemple! Ils doivent vous apprendre que la félicité de la vie ne se trouve que dans la modération; et quoiqu’il soit impossible de former un plan de morale qui puisse convenier à tous les caracteres, j’aime cependant à me flatter que ce que j’ai à vous dire pourra contribuer à votre bonheur.“ (= „Mögen meine neuerlichen und letzten Unglücke Euch als Beispiel dienen! Sie sollten Euch lehren, dass das Lebensglück sich nur in der Mäßigung findet; und obwohl es unmöglich erscheint, einen Moralplan zu schaffen, der zu allen Charakteren passt, würde es mir gefallen, wenn das, was ich Euch sage, zu Eurem Glück beitragen könnte.“)
Nach der Rückkehr von seiner Reise nach Preußen schafft er mit dem gleichen – jetzt auf Militärreformen Frankreichs gerichteten – Eifer einen höchst umfänglichen Plan einer Umorganisation der Armee sowie der totalen Umbildung der Militärausgaben und legt diesen der Regierung, dem Kriegsrat und dem KÖNIG LUDWIG XVI. vor, wodurch dieser künftig eine furchteinflößende Fußtruppe von 300 000 Mann zur Verfügung haben und durch die trotz Heraufsetzung der Besoldung vom Marschall bis zum einfachen Füsilier eine jährliche Kosteneinsparung von 12 Millionen erzielt werden soll: „Réfonte de L’économie de l’armée française ou Extrait du développement d’un plan militaire, avec un grand tableau présenté par le Général, Baron de Wimpffen de Bornebourg au mois d’Octobre 1787“. Doch stößt dieser in allen öffentlich zirkulierenden Blättern Europas und der Hauptstadt Paris überall auf Ablehnung. Es wird ihm vor allem vorgeworfen, er habe seine Ideen den Memoiren seines (zweitältesten) Bruders CHRISTIAN PETER DE WIMPFFEN (1725 – 1781) entnommen, der 1881 als französischer Feldmarschall, Ritter des Ludwigordens und Kommandant des Regiments La Marck verstorben und von dem 1880 in London das folgende Werk erschienen war: „Commentaires des Mémoires du comte de Saint-Germain, ministre et secrétaire d’Ètat au département de la guerre“. Mit großer Entschiedenheit stellt der Beschuldigte den Vorwurf folgendermaßen in Abrede: „Ich erkläre, dass … ich kein Schriftstück meines Bruders, weder während seines Lebens noch nach seinem Tod, gesehen habe, ausgenommen einige brüderliche Briefe, in denen niemals die Frage des Projekts noch des Systems enthalten war.“ Und er fügt erhärtend hinzu, dass sein Bruder zwar ununterbrochen 38 Jahre im Militärdienst Frankreichs gestanden und zu allen Kriegsdingen und Kabinettsangelegenheiten befähigt gewesen sei, doch sei dieser weder in einem fremden Land gereist, noch habe er in einem solchen gedient oder praktische Erfahrungen im Bereich der Truppenstrategie und des Truppenunterhalts kennengelernt. Er dagegen habe die Grundlagen seines Planes hauptsächlich bei seinen Instruktionsreisen mit dortigen Offizieren in Österreich sowie insbesondere bei seiner letzten Reise in Preußen gefunden. Dort erfüllten die Offiziere ohne Ausnahme ihre Pflichten mit größter Treue und Pünktlichkeit, jedes Wort und jeder Schritt verrate Beseeltheit und große Passion für ihren Beruf, und das müsse zum Ausgleich der Überlegenheit auf die Soldaten der anderen Nationen übertragen werden. „Je voyois briller dans leurs yeux comme dans leur langage, la flamme dont ils brûlent sans cesse pour un métier qu’is font avec le même enthousiasme dans l’obscurité de la nuit qu’à la clarté du jour, …“ (Ich sah in ihren Augen wie in ihrer Rede die Flamme, die in ihnen ohne Zweifel für ihren Beruf brennt, den sie mit demselben Enthusiasmus in der Dunkelheit der Nacht wie in der Klarheit des Tages, im Frieden wie im Kriege ausüben.) Mit diesem Verlangen tritt François Louis de Wimpffen in die Fußstapfen des französischen Generals und Kriegsministers unter Ludwig XVI. von 1775 – 1777 CLAUDE LOUIS, COMTE DE SAINT-GERMAIN (1707 – 1778), der die französische Armee nach dem später auch von François Louis de Wimpffen gewählten preußischen Vorbild hatte reorganisieren wollen, aber auf großen Widerstand gestoßen war, in der französischen Armee die preußische Disziplin einzuführen, und deshalb hatte zurücktreten müssen. Wenn François Louis de Wimpffen sein Ideengut denn doch abgeschrieben haben sollte, so also nicht aus Memoiren des Bruders, sondern aus dessen Kommentierungen der Memoiren des Comte de Saint-Germain!
Immerhin gelingt es ihm, in den ausgehenden 1780er Jahren in der französischen Armee wieder Fuß zu fassen, wobei es unklar bleibt, zu welchem genauen Zeitpunkt dies geschehen ist. Wurzbachs diesbezügliche Zeitangabe „1706“ beruht offenkundig auf einem Druckfehler und die Angaben der Brockhaus-Enzyklopädie sowie von Meyers Großem Konversations-Lexikon „1770“ sind schlichtweg falsch. Es steht zu vermuten, dass sein Eintritt in den Militärdienst Frankreichs mit Hilfe der ihm, wie oben gezeigt, gewogenen Fürstenfamilie von Salm-Kyburg zustande gekommen ist. Denn 1787 war das am Quai d’Orsay unter dem Namen Hôtel de Salm errichtete Adelspalais des FÜRSTEN FRIEDRICH III. JOHANN OTTO ZU SALM-KYRBURG und seiner Gattin JOHANNA FRANZISKA, GEB. VON HOHENZOLLERN-SIGMARINGEN, als deren Pariser Wohnsitz vollendet worden, der bald ein Treffpunkt der hochadligen Oberschicht des vorrevolutionären Frankreich wurde. Die von François Louis de Wimpffen verfassten „Lettres á Messeigneurs les États Généraux du Royaume de France“ (Briefe an die Hochherrlichen Generalstände des Französischen Königreiches) des Jahres 1889 sind allerdings noch in Frankfurt verlegt. Die Anfangszeit der Französischen Revolution, die mit der Konstituierung des dritten Standes der vorgenannten von König Ludwig XVI. eröffneten Generalstände zur Nationalversammlung Mitte Juni 1889 beginnt, sieht den Briefverfasser 1890 nachweislich als französischen Generallieutenant. Und in den aus der Französischen Revolution 1791/92 erwachsenden Revolutions- bzw. Koalitionskriegen zwischen Frankreich und den europäischen Verbündeten ist er im November 1791 als Gouverneur der Grenzbefestigungsstadt Neuf-Brisach (Neu-Breisach) im Süd-Elsass eingesetzt. Als solcher weist er mit Entrüstung die Anträge eines Emissärs der ausgewanderten Prinzen ab, der von ihm nichts Geringeres verlangt, als die Übergabe der Stadt. Genau so verteidigt im Folgejahr 1792 sein jüngster Bruder FÉLIX LUDWIG DE WIMPFFEN (1744 – 1814) als Generallieutenant die französische Festungsstadt Thionville (Diedenhofen) in Nord-Lothringen 65 Tage lang mit größter Ausdauer und siegreicher Tapferkeit. Und zu gleicher Zeit verteidigt deren beider Neffe GERMAIN (HERMANN) DE WIMPFFEN (1749 – 1820; siehe unter links XIVa bzw. 12a), ein Sohn von STANISLAUS GUSTAV LUDWIG DE WIMPFFEN (dem Stammvater des Stanislaus-Zweiges), der sich in der Zeit von König Ludwig XVI. als Offizier in zahlreichen Feldzügen des Regiments Boullion sowie im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg unter General Lafayette besonders ausgezeichnet hatte, erfolgreich die Festungsstadt Philippeville (Philippsburg; heute, den erstgenannten Namen führend, gelegen in Südwestbelgien) gegen die vereinigten Armeen Preußens, Österreichs und der Emigranten. Man sieht: Die vorgenannten drei von Wimpffen-Abkömmlinge, die bislang der Krone verpflichtet und dieser treu dienende Militärs gewesen waren, haben sich in den Dienst der Revolution und der Verteidigung deren demokratischer Errungenschaften gegen deren Widersacher, die Emigranten sowie das Königreich Preußen und das Kaiserreich Österreich, gestellt.
Im Weitergang des zur Schreckensherrschaft eskalierenden Revolutionsgeschehens triften jedoch die politische Haltung und militärischen Wege der drei Vorgenannten auseinander, worüber zunächst über jene der beiden Letztgenannten zusammenfassend Folgendes einzuschieben ist:
– GERMAIN DE WIMPFFEN:
Dieser sieht sich durch den im August 1792 stattgefundenen Sturm auf die Tuilerien und die Absetzung des Königs Ludwig XIV. veranlasst, Frankreich zu verlassen und – nach Hans H. von Wimpffen – sich zunächst im Zentrum der französischen Emigranten Düsseldorf, dann vorübergehend sogar in Wimpfen, der Namengeberin seines Geschlechts, niederzulassen, was im Einzelnen allerdings noch abzuklären bleibt. Am 6. März 1896 finden wir ihn als einen der Trauzeugen bei der in Neu-Breisach stattgefundenen Eheschließung der (schon mehrfach genannten) Kusine MARIA DOROTHEE LOUISE mit LEON THEOPHILE DE LIEVREVILLE, dem Adjudanten ihres Vaters GENERAL FRANÇOIS DE WIMPFFEN, wie dieser in der Heiratsurkunde erscheint. Um die Jahrhundertwende tritt Germain de Wimpffen schließlich in den Dienst des Herzogs von Württemberg und ist dort als Militärorganisator und Offizier sowie zeitweise auch als Diplomat tätig. Von dort kehrt er auf Verlangen Napoleons 1812 wieder nach Frankreich zurück und lässt sich im elsässischen Neu-Breisach nieder, wo seine Schwester, die Stiftsdame Rosalie, und seine von dort stammende Gattin Therese geb. Kossmann leben. Dort kämpft er lange vergeblich um eine Pension für seine frühere Zugehörigkeit zur französischen Armee und seine vor und in der Revolution für Frankreich geleisteten militärischen Dienste und wird schließlich zum Maire (Bürgermeister) der Stadt ernannt. Zwei Jahre nach endlicher Pensionsgewährung stirbt er und wird auf dem Friedhof von Neuf-Brisach begraben. Über Germain wird an späterer Stelle (Kapitel S) in anderem Zusammenhang Weiteres zu sagen sein.
– FÉLIX LUDWIG DE WIMPFFEN:
Dieser hatte in den „deutschen“ Regimentern Des Deux Ponts, La Mark und Bouillon die Offiziersgrade des Capitaine (Hauptmanns), Lieutenant-Colonel (Oberstleutnants) und Colonel (Obersten) durchlaufen und nach Kriegsdiensten (so Führung eines Freikorps in Korsika; Auszeichnung bei der Belagerung von Gibraltar) nach dem Frieden von Versailles mit England 1783 seinen Abschied genommen und sich auf das Gut seiner Frau MARIE AIMÉE CHARLOTTE DE BAILLEUL-SAINT GERMAIN (1751 – 1810) in Saint-Martin-des-Entrées in der Normandie zurückgezogen. Dort wurde er beim Ausbruch der Revolution 1889 zum Abgeordneten des Adels der Ballei von Caen/Normandie in der nun zusammengetretenen Nationalversammlung gewählt und schloss sich dort zunächst dem dritten Stande an. Als 1792 die Revolutionskriege zwischen Frankreich und den europäischen Koalitionen sowie den Emigrantenkorps beginnen, tritt er wieder in die Armee als Generallieutenant ein. Wie oben schon gesagt, verteidigt er erfolgreich Thionville (Diedenhofen). Dabei lehnt er das über einen Unterhändler offerierte Angebot des Prinzen von Hohenlohe ab, die Öffnung der Befestigungstore mit einer Million Francs zu belohnen. Als ihm von dem nach der Absetzung des Königs nun regierenden Nationalkonvent das Amt des Kriegsministers angeboten wird, lehnt er dessen Annahme ab. Stattdessen übernimmt er 1793 den Oberbefehl über die konstitutionelle Armee der Küsten von Cherbourg in der Normandie. Als Ausgang Mai/Anfang Juni nach der Hinrichtung der führenden Girondisten deren geächtete Anhänger in die Städte des Départements des Calvados flüchten und die „Jakobinerherrschaft“ ausbricht, verweigert er dem Konvent die Auslieferung derselben, verhaftet dessen Deputierte und ruft die nördlichen Departements zum bewaffneten Widerstand gegen diesen auf. Doch wird sein Parteigängerkorps bei Vernon geschlagen und löst sich auf. Da ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt wird, muss er sich in ein Versteck in Caen begeben, das er erst wieder zu verlassen sich traut, nachdem die Terrorherrschaft Robespierres durch dessen und seiner Anhänger Hinrichtung im Sommer 1894 beseitigt ist. Er flüchtet nach England. Nachdem General Napoleon Bonaparte sich am 18. Brumaire VIII (9. 11. 1899) zum Ersten Konsul aufgeschwungen hat, kann er nach Frankreich zurückkehren. Er wird zum Divisionsgeneral (Generallieutenant) und wenig später zum Generalinspekteur der französischen Gestüte ernannt. Dieses nunmehr unkriegerische Amt hat er bis zu seinem Tod inne. Laut Wurzbach „hielt er treu zur Sache des Königs und nahm eifrigen Antheil an der Erhebung der Vendée (1803)“, was – abgesehen von der falschen Jahresangabe (die Erhebungen in der Vendée fanden 1793 – 1796 und 1799/1800 statt) – nicht heißt, dass er die absolute Monarchie wiederherstellen wollte, sondern er dürfte ein Anhänger der konstitutionellen Monarchie gewesen sein. Als Träger des Großkreuzes des Ludwigsordens und Gründer des seinen Namen tragenden Félix-Zweiges, stirbt er am 23. Februar 1814 in Bayeux.
– FRANÇOIS LOUIS DE WIMPFFEN:
Dieser setzt demgegenüber, um nunmehr mit der Schilderung dessen Lebens und Wirkens zu Ende zu kommen, den Dienst bleibend in der französischen Revolutionsarmee fort. 1892/93 führt er eine unter dem Befehl des Generals ALEXANDRE BEAUHARNAIS stehende Division der Rheinarmee. Allerdings wird er in der nun beginnenden Schreckensherrschaft der Jakobiner als Royalist und Aristokrat und damit als Feind der Republik betrachtet, von einem Mitglied des herrschenden Nationalkonvents beschuldigt, als Konterrevolutionär angeklagt und aus seiner militärischen Funktion entlassen sowie in Paris eingekerkert. Im Gegensatz zu ALEXANDRE BEAUHARNAIS sowie auch zu dem einen aufwendigen Lebensstil führenden und die Finanzen seines Landes in den Ruin treibenden FÜRSTEN FRIEDRICH III. VON SALM-KYRBURG, die beide 1894 hingerichtet werden, entkommt er dem Fallbeil. Und nach dem Sturz und der Hinrichtung Robbespierres und seiner Anhänger und der Übernahme der Herrschaft durch das Direktorium im Sommer 1794 kommt er frei und kann in die Dienste der französischen Armee zurückkehren. Denn unter der Realisierung der eingeführten allgemeinen Wehrpflicht (levée en masse) und der weiteren Bedrohung durch die Koalitionstruppen werden militärische Führer dringender denn je gebraucht. Er wird schließlich Divisionsgeneral und inzwischen im November/Dezember 1799, worauf schon hingewiesen, hat NAPOLEON BONAPARTE, der Beste unter den französischen Generälen, den Sturz des Direktoriums bewirkt und sich zum Ersten Konsul hinaufgeschwungen. Auch ist die Vollendung der besitzrechtlichen Übergabe aller linksrheinischen Gebiete des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation an Frankreich im Gange. Zum Schluss ist er Präsident des französischen Revisionsgerichts in Mainz, das 1897 zum vierten Mal französisch geworden ist. In dieser Eigenschaft stirbt er am 24. Mai 1800 und wird dort auf dem Friedhof der Peterskirche beerdigt.
Nachzutragen ist, dass François Louis de Wimpffen in den ausgehenden 1790er Jahren weiterhin eifrig und hauptsächlich als militärischer Schriftsteller tätig gewesen ist, dessen teilweise auch in Englisch und Deutsch erschienenen Schriften sich insbesondere mit der Erziehung der Jugend für den Heeresdienst und der Reform der Heeresorganisation und -finanzierung befassten. Die meist langen bis überlangen Titel derselben lauten:
– LES LOISIRS DU GÉNÉRAL DE DIVISION FRANÇOIS WIMPFFEN, depuis trente jours qu’il est à Paris; OU INDICES SUR L’EMPIRE D’ALLEMAGNE DIT L’EMPIRE GERMANIQUE: Avec un Aperçu des moyens qui peut employer le Congres de Rastadt, afin de parvenir promptement à des resultats très-heureux pour les Èlecteurs eccléastiques et pour les Princes et Comtes séculier, qui ont perdu leur souveraineté à la rive gauche du Rhin. GERMINAL AN VI. Avril 1798. In dieser in Paris veröffentlichten Schrift versucht er, Mittel aufzuzeigen, die den (1797 eröffneten) Rastatter Kongress befähigen, für jene geistlichen und weltlichen Herrscher, die ihre linksrheinischen Territorien an Frankreich verloren haben, zu einem raschen und glücklichen Ergebnis der Entschädigung zu kommen. Die in Rastatt tagende Reichsdeputation, welcher die schwierige Aufgabe obliegt zu beschließen, welche der betroffenen weltlichen Fürsten und mit welchen der in ihrer Gesamtheit der Säkularisation anheimfallenden rechtsrheinischen geistlichen Territorien entschädigt werden sollen, bricht ihre Tätigkeit 1799 jedoch durch den Ausbruch des Zweiten Koalitionskrieges ohne Beschlussfassung und damit ohne rechtskräftigen Friedensschluss ab. Es erstaunt, mit welcher Sachkenntnis er in den Abschnitten I – X die komplizierten unterschiedlichen weltlichen und kirchlichen Herrschaftsstukturen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu analysieren versteht, dann in Sect. XI. (Mon opinion sur les résultats du Congrès de Rastadt) seine Meinung über die dort ins Auge gefassten Maßnahmen darlegt und schließlich auf den Schlussseiten 83 und 84 (überschrieben mit Conclusion) seine Schulssfolgerungen zieht. – Die Titel der in den beiden Folgejahren erschienenen deutschen Ausgaben lauten:
– Muße des französischen Divisionsgenerals Franz Wimpffen, seit dreißig Tagen, daß er in Paris ist – oder Bemerkungen über das Deutsche Reich, Paris 1798
– Muße – oder Bemerkungen über das Deutsche Reich, Germanien 1799
– – Le militaire expérimenté ou instruction du Général de Division François Wimpffen à ses fils et à tout jeune homme destiné au métier des armes. Par cet instruction, le général Wimpffen conduit tout militaire depuis les plus petites expeditions guerrières jusq’aux grandes batailles, qui seules décident du destin des empires. Redigé en floreal de l’an VI. Paris chez Magimel, Libraire pour l’Art militaire, Quais des Augustines, no. 73, An VII (1799).- Die letztgenannte Arbeit basiert auf dem in seiner Biographie des Jahres 1788 an seine Kinder gerichteten „Lettre philosophique, morale et sentimentale“. Diese Veröffentlichung erschien auch in England:
– Macdonald, M.: L’officier expérimenté, London 1798 und 1804. Diese wurde auch ins Englische übertragen:
– Jonathan Barnet: The experienced soldiers (unveröffentlichtes Manuskript).
Die erschienene deutsche Ausgabe trägt den folgenden Titel:
– Des französischen Divisions-Generals Franz Wimpffen Unterricht für seine Söhne und alle jungen Leute, die sich den Kriegsdiensten widmen wollen. Aus dem Französischen übersetzt, Dresden 1799 in der Waltherschen Hofbuchhandlung.
Damit ist die intensive Betrachtung des Lebens des der nach der Zählung von Stör der Generation 11 bzw. XIII nach der von Wurzbach angehörenden Gründers des Franzens-Zweiges FRANÇOIS LOUIS DE WIMPFFEN/FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (1732 – 1800) mit gleichzeitig kürzeren sporadischen Blicken auf die Lebensgänge jener Brüder, die wie er in den Militärdienst getreten sind, abgeschlossen. Natürlich wird im Fortgang da und dort noch, wie es sich ergibt, über den einen oder anderen derselben schlaglichtartig Weiteres zu berichten sein.
P. Wie der älteste Sohn des Franz Ludwig von Wimpffen namens FREIHERR GEORG bzw. GRIGORIJ VON WIMPFFEN (1760 – 1807) vom französischen in den russischen Militärdienst übertritt und somit eine russisch-preußische Seitenlinie der Von Wimpffen entsteht und dessen Urenkel BARON WALDEMAR als späterer BISCHOF LEONTIJ VLADIMIR FJODOROVITSCH VON WIMPFFEN (1872 – 1919) in der russischen Revolution in Astrachan sein Leben unter den Kugeln eines Tscheka-Kommandos verliert und in einer Grube verscharrt wird.
Somit ist die Hinwendung der bereits mehrfach mit Namen, Geburtsort und Geburtsdatum angezeigten ein ganzes Dutzend umfassenden Schar Kinder des Vorgenannten (siehe diese alle in der II. Stammtafel von Wurzbach auf der grün markierten durchgehenden Generationslinie 12 bzw. XIV), und darunter insbesondere zu seinen sechs Söhnen angezeigt, die mit Ausnahme des zweiten namens FRANÇOIS CHARLES EUGÈNE DE WIMPFFEN/FRANZ KARL EUGEN VON WIMPFFEN (1762 – 1835) alle in den Militärdienst getreten sind und fast alle im Sinne der großväterlichen und väterlichen Intentionen hohe bis höchste Ränge erreichten. Natürlich wird es, wie bereits bezüglich der Vorgeneration 11 bzw. XIII so gehandhabt, nicht möglich sein, allen diesen hier eine ausführliche Lebensbetrachtung zuzuerkennen. Dies ist insofern auch nicht unbedingt notwendig, weil das Leben aller dieser mehr oder minder ausführlich, dazuhin jetzt zweifelsfrei sachgerecht durch die bislang herangezogenen Genealogen wie vor allem von Wurzbach oder auch teilweise durch Dr. Hans von Wimpffen bereits Würdigung erfahren hat und sich dort ergänzend nachlesen lässt.
Was den ältesten Sohn des Franz Ludwig von Wimpffen namens GEORGE DE WIMPFFEN/GEORG VON WIMPFFEN, geboren am 12. Oktober 1760 in Frankfurt am Main, gestorben am 27. Juni 1807 zu Lunéville, betrifft, so erscheint dessen Behandlung hier jedoch im Blick darauf, dass durch diesen sich die Von Wimpffen nach Russland hin ausgebreitet haben und dessen Leben wie das des Urenkels WALDEMAR ein ganz besonders tragisches Ende genommen hat. Wurzbach schreibt unter Nr. 19 nach Aufführung der vorgenannten Lebensadaten über den Erstgenannten Folgendes (die Textteile in Klammer in Aufrechtschrft stellen Ergänzungen des Verfassers dar): „ … Der älteste Sohn des Generals FRANZ LUDWIG (Nr. 16) aus dessen Ehe mit MARIE KUNIGUNDE VON GOY, widmete auch er, der Tradition der Familie folgend, sich dem Waffendienste, und zwar anfänglich in der französischen Armee, in welcher er bald Lieutnant im Regimente Elsaß wurde. Bei Ausbruch der Revolution verließ er, da er unter der Republik nicht dienen wollte, die Armee und trat in russische Dienste über, in welchen er eine überraschend schnelle Carrière machte, denn wenig mehr als 40 Jahre alt, bekleidete er bereits die Stelle eines kaiserlich russischen Generallieutnants. Doch in der Schlacht bei Austerlitz verwundet, gerieth er in französische Gefangenschaft und starb auch in derselben im Jahre (27. Juli) 1807 zu Luneville an den Folgen seiner Wunden. Freiherr Georg war mit einer Tochter des russischen STAATSRATES VON PALLAS (siehe diese in der II. Stammtafel von Wurzbach bezeichnet mit „N. VON PALLAS“), eines als Naturforscher und Reisender berühmten Gelehrten vermält, welcher Ehe nur ein Sohn WALDEMAR (russisch VLADIMIR) entstammt, der diese russisch-preußische Seitenlinie der WIMPFFEN fortpflanzte.“ Zu ergänzen ist, dass PETER SIMON PALLAS (1741 – 1811) deutscher Herkunft, stammend aus Berlin, gewesen ist, eine Professur in Russland angenommen und zahlreiche Expeditionen zur Erforschung des großen russischen Reiches unternommen hat. Von 1795 bis 1810 lebte er, von der Zarin Katharina II. mit Landgeschenken bedacht, auf der Krim. Laut Dr. Hans von Wimpffen hatte Georg von Wimpffen seinen Wohnsitz zunächst in Reval, später (wohl im Hinblick auf den dort angesiedelten Schwiegervater) in Simferopol, dem Hauptort der Krim.
Die Tragik liegt nicht allein in dessen frühem Lebensende im 47. Lebensjahr als Opfer im Kriegsdienst für sein neues Vaterland Russland, sondern diese wird dadurch verstärkt, dass er in der Gefangenschaft seines Heimatlandes Frankreich gelangt und dort seiner Verwundung erlegen ist. Zusammengefasst erbringen die Angaben der II. Stammtafel von Wurzbach und des Gothaischen Taschenbuches der freiherrlichen Häuser für das Jahr 1866 hinsichtlich der Generationsfolge der Nachkommen des Georg von Wimpffen bis hin zu seinen Urenkeln folgendes Bild:
Sohn (Generation XVc bzw. 13c): WALDEMAR FREIHERR VON WIMPFFEN, geb. 25. September zu Sympheropol in Taurien (der alte Name für die Halbinsel Krim); königlich preußischer Leutnant a. D., gest. 03. Dezember 1865; verheiratet mit 1) JOHANNA ROSENHOF, gest. 04. Februar 1841 zu Gräfenberg; 2) am 03. Januar 1843 mit LUISE WILHELMINE THERESE VON ERCK, geb. 23. Juli 1826 in Berlin.
Enkel = Kinder aus der 2. Ehe des Sohnes (Generation XVIc bzw. 14c):
1. LEBERECHT HEEREMANN FELIX, geb. 26. August 1844 zu Berlin, königlich preußischer Lieutnant im Garde-Kürassier-Regiment ; verh. mit EMMA bzw. LJUBOVA PETROVNA WOJKOW;
2. MAXIMILIAN, geb. 1845, gest. bereits 1851;
3. ANNA MARIA GABRIELE, geb. 30.Oktober 1850, verh. mit JOHANN HERWATH VON BITTENFELD;
4. OLGA MARTHA VERONICA, geb. 26. Oktober 1852, verh. mit EDMUND VON STEINWEHR;
Urenkel = Kinder des Leberecht (Generation XVIIc bzw. 15c):
1. PETER, geb. 1869 ;
2. WALDEMAR, geb. 1872.
Was den Lebensgang des auf noch tragischere Weise ums Leben gekommenen jüngeren der beiden vorgenannten Urenkel des Vorbeschriebenen namens, wie sein Großvater, WALDEMAR betrifft, so hat Dr. Hans von Wimpffen in der Rubrik „biographien“ seiner Homepage www.wimpffen.hu unter dem Titel „Leontij von Wimpffen“ diesem nicht weniger als 10 Seiten gewidmet, die nach russischen Quellen gestaltet sind. Deren Inhalt soll hier, da dort nachlesbar, stärkstens verkürzt dargestellt werden: Dessen Vater LEBERECHT HEEREMAN FELIX ließ sich um 1870 in Moskau nieder, wo Waldemar 1872 zur Welt kam. Da der Vater kurz nach der Geburt desselben zum russisch-orthodoxen Glauben konvertierte, wurde diesem der russische Name VLADIMIR FJODOROWITSCH (WALDEMAR LEBERECHT) gegeben. Nach dem Abitur begann er in Kasan (heute in der russischen Republik Tatarstan) ein theologisches Studium, wurde schon während diesem Novize und erhielt 1898 die Priesterweihe, dann Mönch unter dem Namen LEONTIJ und nahm gleichzeitig die russische Staatsbügerschaft an. Nach Abschluss des Studiums der Theologie 1900 übernahm er zunächst die Aufsicht in einem Priesterseminar, arbeitete dann als Missionar in Peking, dann wurde er 1904 mit der Aufsicht und einer Dozentur des Priesterseminars in Kursk betraut, 1906 wurde er zum Abt des dortigen Klosters und gleichzeitig Pfarrer der Kirche der griechischen Botschaft in Kursk und im Herbst dieses Jahres zum Bischof von Tscheboksarki und Vikar des Kirchenbezirks Kazan berufen. Wenig später kam er in gleicher Funktion nach Jewarkand (Georgien), schließlich finden wir ihn 1915, d. h. im zweiten Jahr des ausgebrochenen Weltkriegs, als Vikar des Kirchenbezirks Orenburg unweit der Grenze zu Kasachstan, ausgangs 1916 als Vikar des Kirchenbezirks Saratow am Unterlauf der Wolga. Aus dieser Zeit des außerordentlich schnellen Aufstiegs als Bischof stammt die bei Dr. Hans von Wimpffen zu findende und nachfolgend gezeigte Fotografie
Abb. 30: Bischof Leontij von Wimpfen.
Im Mai 1917 überträgt ihm die „Heilige Synode der Gesamtrussischen Kirche“ das Amt des Bischofs des Klosters Pokrovo-Boldini in Astrachan, der großen Hafenstadt vor der Mündung der Wolga ins Kaspische Meer, und im Herbst desselben Jahres das Bischofsamt des gesamten Kirchenbezirks Astrachan. In den wachsenden Unruhen nach der russischen Februar- und Oktoberrevolution und des Bürgerkrieges kümmert er sich um den Erhalt der Kirchen, der Priesterseminare und der Klöster. Doch beginnt mit der Machtübernahme des Bolschewismus der Vernichtungsfeldzug auch gegen die Kirche. Zwar übernimmt er sogar noch das Amt des nach Moskau gehenden Erzbischofs Mitrofan im Kirchenbezirk Krasnopol. Als im November 1918 nach dem gescheiterten Attentat gegen Lenin die Tscheka (Kommision gegen die Konterrevolution und Sabotage) die alleinige Macht übernommen hat und in der damaligen Phase einer zeitweiligen Niederlage der bolschewistischen Roten Armee gegen die gegenrevolutionäre Weiße Armee im Kaukasus sowohl verwundete Rotarmisten wie Weißarmisten in Astrachan untergebracht und laut Aufruf des Bischofs Leontij unterschiedslos versorgt werden sollen, beginnt sich der Ring der Verfolgung als Verschwörer um ihn zu schließen. Dieses alles und wie es dazu kommt, dass er ausgangs Mai 1819 unter dem Kommando des Tschekisten ZINOVIJ ATARBJEKOV festgenommen wird, das steht bei Dr. Hans H. von Wimpffen in größter Ausführlichkeit zu lesen. Daraus ist auch zu erfahren, dass dabei seine Neffenschaft und seine und seiner Eltern Kontakte zu dem damals als großer General der Weißen Armee geltenden ROBERT VON UNGERN-STERNBERG alias ROMAN UNGERN VON STERNBERG, Abkömmling der 1880 in Wimpfen am Berg geschlossenen Ehe zwischen der FREIFRAU SOPHIE VON WIMPFFEN und dem deutsch-baltischen FREIHERRN THEODOR VON UNGERN-STERNBERG, eine unterstützende Rolle gespielt haben. In Kapitel U und V wird über diese Eheverbindung sowie deren ältesten missratenen Sohn Robert bzw. Roman noch ausgiebigst zu berichten sein. In des Vorgenannten Abhandlung ist in gleicher Ausführlichkeit über die gegen Bischof Leontij angestrengten Beschuldigungen der Verschwörung und über die Verhöre im Tscheka-Gebäude in Astrachan und schließlich dessen dortige und des Erzbischofs Mitrofan Hinrichtung und Verscharrung in einer Grube.
Der ergreifende Text über Letzteres lautet folgendermaßen: „Am 6. Juli (1919) wurde Bischof Leontij zur Hinrichtungsstätte geführt; begleitet hat ihn nur sein Diener, Michail. Zur gleichen Zeit wurde auch Erzbischof Mitrofan zur Hinrichtungsstätte gebracht. Nach Erzählung des Dieners Michail umarmten sich die beiden Kirchenoberen, sie haben sich gegenseitig entschuldigt für ihre Kontroversen und verrichteten knieend ein gemeinsames Gebet. Als Bischof Leontij an die Wand gestellt wurde, schaute er zum Himmel und rief: ‚Schau, Michail, sehe unseren Herrn, den Allmächti…’ – Das letzte Wort ging unter in der Salve des Hinrichtungspeletons der Tscheka. Minuten später wurde auch der Ezbischof Mitrofan erschossen. Die beiden toten Erzbischöfe wurden, ohne Sarg in eine Grube geworfen und verscharrt. Das Anbringen eines Holzkreuzes wurde verboten. – In der Zeit von 1919 bis 1923 wurden über 12 000 orthodoxe Geistliche hingerichtet.“
Ergreifend ist vor allem auch die anschließende Schilderung der Aufzeichnungen der Augenzeugin NINA DIMITRIJEWNA KUZNEZOVA über das Schicksal des Bischofs Leontij von Wimpffen über die Zeit vor und nach dessen Hinrichtung sowie die an dessen und Erzbischofs Mitrofan Grab als Wunder betrachtete Heilung eines todkranken Mädchens sowie die Suchaktionn und Wiederentdeckung und Verehrung deren vermuteter Grabstätte in der Zeit der Perestroika durch regelmäßig an dieser und der Hinrichtungsstätte stattfindende Feldmessen, dazu über das auf Vorschlag der Gläubigen des Kirchenbezirks Astrachan einzuleiten versuchte Heiligsprechungsverfahren.
Q. Wie aus dem in den französischen Wasserbaudienst tretenden zweitältesten Sohn FRANÇOIS CHARLES EUGÈNE DE WIMPFFEN/FRANZ KARL EUGEN VON WIMPFFEN (1746 – 1835) über seine mit KARL FRIEDRICH GRAF REINHARD verheiratete mittlere der drei Töchter VIRGINIE (1801 – 1886) ein französischer Nebenzweig der Von Wimpffen herauswächst.
Was den in der langen Bruderreihe hinsichtlich der Berufswahl eine Ausnahme bildenden Zweitältesten Sohn des Franz Ludwig von Wimpffen namens FRANÇOIS CHARLES EUGÈNE DE WIMPFFEN bzw. FRANZ KARL EUGEN VON WIMPFFEN (1762 – 1835) betrifft, so ergriff dieser den Beruf eines kaiserlichen französischen Forst- und Wasserbauinspektors. Über dessen Leben ist aus dem Gotha des Jahres 1866 Folgendes überliefert:
K A R L FRANZ EUGEN, wie dort im Gegensatz zu Wurzbach geschrieben ist, wurde am 21. Februar 1762, wie schon gesagt, entweder in Stuttgart oder in Ludwigsburg geboren und ist am 19. Dezember 1835 in Boussonville (auch: Bouzonville, Lothringen, Departement Mosel) gestorben. Er hat am 10. März 1798 die am 10. April 1774 zu Gantenweiler geborene und am 15. März 1837 zu Saarburg gestorbene AMALIE, Tochter des CHRISTIAN RITTER LAATRES DE FEIGNIS (bei Wurzbach: LATRÉ DE FEIGNIS) und der FRIEDERIKE GEB. REICHSFREIIN VON GEMMINGEN ZU MASSENBACH geheiratet. Was die aus dieser Ehe laut der Stammtafel II von Wurzbach (siehe dort Generation XVc bzw.13c) hervorgegangenen 7 Kinder, 3 Söhne und 4 Töchter betrifft, so sind 4, 2 Söhne und 2 Töchter, früh gestorben: NECTORINE, geb. 1799, gest. 1819; DAMAS, geb. 1804, gest. 1820; FRIDOLINE, geb. 1809, gest. 1824; LUDWIG, geb. und gest. 1810. Über die am Leben gebliebenen beiden Töchter VIRGINIE und IRENE wird später berichtet. Der jüngste Sohn SIGISMUND GEORG FELIX, geb. am 02. Mai 1812 zu Cleve, gest. 06. März 1877, der laut Wurzbach in französischen Civil-Diensten stand, laut der Deutschen Biographie genauer kaiserlich französischer Forst- und Wasserbauinspektor wie der Vater wurde, heiratete am 10. Juli 1848 ANAĩS DE LATTERIÈRE, geb. 10. Juli 1816 zu Angoulême. Von deren 4 Kindern 1) MARIE CONSTANZE JOHANNA FRIDOLINE, geb. 17. oder 12. Oktober 1842 zu Joigny, 2) MARIE HENRICA MARCELLINE ERNESTINE, geb. 31. Januar 1844 zu Hagenau, 3) MARIE IRENE AMALIE, geb. 4 März 1845 ebenda und 4) VICTOR MARIA KARL HEINRICH, geb. 08. November 1848 zu Compiègne, führte der letztgenannte einzige Sohn den Namen weiter.
Von ganz besonderem Interesse dürfte das Schicksal der beiden am Leben gebliebenen Töchter des Franz Karl Eugen sein (siehe in der II. Stammtafel von Wurzbach unter Xc bzw.13c ausnahmsweise mit einem größeren Beitext versehen!):
– Die ältere der beiden Schwestern JOHANNA ANTOINETTE V I R G I N I E DE WIMPFFEN, geb. 25. März 1801 zu Birkenfeld (Nahe), heiratete am 13. April 1825 mit knapp 24 Jahren am 13. April 1825 zu Walldorf bei Meiningen (Thüringen) den damals 63 Jahre alten und damit um fast 40 Jahre älteren berühmten Literaten, französischen Diplomaten, seit 1809 französischer RITTER und seit 1815 französischer GRAF. KARL FRIEDRICH VON REINHARD, geb. 02. Oktober 1761 in Schorndorf als Sohn des Diakons (Zweiten evangelischen Stadtpfarrers), gest. 25. Dezember 1837 in Paris. Dieser amtierte damals (von 1815 – 1829) als Gesandter Frankreichs beim Deutschen Bundestag und bei der Freien Stadt Frankfurt. Seine erste Ehefrau CHRISTINE, geborene REIMARUS (1771 – 1815), Tochter des Hamburger Arztes ALBERT REIMARUS, war 1815 jung gestorben. Die Verbindung kam dadurch zustande, dass Virginie von Wimpffen war bei deren Tochter SOPHIE VON REINHARD Gesellschafterin war. Freundlich sei durch diese Verbindung Reinhards Lebensabend, so schreiben dessen Biografen, erhellt worden. Er habe mit seiner jungen Frau, so schreibt Karl Moersch in seiner Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen des Titels „Sueben, Württemberger und Franzosen. Historische Spurensuche im Westen“ (1991), mehrere große Reisen unternommen. 1826 führte Reinhard seine Frau nach der Schweiz und Oberitalien. Bei dem im Herbst 1827 stattgefundenen Hamburg-Besuch stellten die dortigen Freunde fest, dass der nie besonders umgänglich und kontaktfreudig gewesene gichtkranke Mann Reinhard, dadurch, dass er nur noch in seiner jungen Frau zu leben schien, umgänglich und zutraulich geworden war; und die dortigen Verwandten seiner verstorbenen Frau Christine beglückwünschten ihn zu seiner zweiten liebenswürdigen Frau, nachdem die ästhetische Koketterie und Kränklichkeit der ersten Frau ihm das Leben schwer gemacht hatten. Als Reinhard 1829 von Frankfurt abberufen wurde, besuchte er mit Virginie vor der Rückkehr nach Paris wiederum Weimar, wo die mit GEORG VON DIEMAR verheiratete Tochter SOPHIE KAROLINE VON REINHARD lebte. Und nach der Rückkehr nach Frankreich mieteten sie sich in Paris in der Rue Saint-Lazaire eine Stadtwohnung. Die Julirevolutioin des Jahres 1830 erlebten sie auf des Mannes Gut Ardenne-Hof bei Caen in der Normandie. Danach als französischer Vertreter zum sächsichen Hof in Dresden und zum Großherzog von Weimar entsandt, folgten noch zwei Jahre aktiven Dienstes. Im Juli 1832 mit 71 Jahren endgültig in den Ruhestand versetzt, ehrte ihn im Oktober der Bürgerkönig Louis Philippe durch die Verleihung der Würde eines Pairs von Frankreich mit Sitz in der Pairs-Kammer. Jetzt wurde deren Paiser Domizil zum Vereinigungspunkt von Schrifststellern und Gelehrten. Im Jahr 1837 unternahmen sie noch eine große Reise durch England und Holland und an deren Ende stand die Teilnahme an der Jubelfeier der Universität Göttingen. Über Belgien nach Paris zurückgekehrt, starb Karl Friedrich von Reinhard an Weihnachten desselben Jahres im Alter von 76 Jahren und wurde auf dem Friedhof Montmatre beigesetzt. Die erst 36 Jahre alte Gattin Virginie hat als Witwe ihren Mann um fast 5 Jahrzehnte überlebt. Sie starb erst am 18. Dezember 1886 im Alter von 85 Jahren.
– Die jüngere der beiden Schwestern IRENE DE WIMPFFEN, geb. am 25. März 1807, hat am 12. September 1796 JOHANN BAPTIST STEPHAN FRANÇOIS, geb. am am 12. September 1896, geheiratet. Aus dieser Ehe ging am 11. Januar 1835 der Sohn KARL FRANÇOIS hervor. Das Unglück wollte es, dass dessen Eltern hintereinander im Abstand von nur einem Jahr verstarben, die Mutter am 11. Februar 1846 im Alter von knapp 39 Jahren, der Vater, Schwager von Virginie, am 3. Februar 1847 im Alter von 50 1/2 Jahren, den Sohn mit 12 bzw. 13 Jahren zurücklassend. Dies veranlasste die kinderlose Tante VIRGINIE GRÄFIN REINHARD, geborene BARONNE DE WIMPFFEN, sich um diesen anzunehmen und diesen 1856, d. h. in dessen Alter von 21 Jahren und damit der erreichten Volljährigkeit, zu adoptieren. Dieser nahm dann, den französischen Gesetzen entsprechend, den Geschlechtsnamen und Adel der Mutter DE WIMPFFEN an und somit bildete sich einen Nebenzweig der französischen WIMPFFEN. Er vermählte sich im Alter von 32 Jahren am 6. Mai 1857, wie es in der II. Stammtafel heißt, mit seiner BASE MARIE GRÄFIN REINHARD, deren genauer Name MARIE MAXIMILIENNE ANTOINETTE LOUISE REINHARD lautete. Diese war die Enkelin des Karl Friedrich Reinhard aus der ersten Ehe mit Christine, und zwar die Tochter deren Sohnes namens KARL FRIEDRICH ALBERT (1802 – 1873) und seiner Ehefrau AMALIE., geb. VON LERCHENFELD (1808 – 1886). Dies ist ein Beispiel, wie im Adel Ehen oft im Bannkreise der Verwandtschaft (hier allerdings lag keine Blutsverwandtschaft vor) gestiftet wurden. KARL FRANÇOIS (jetzt) BARON KARL DE WIMPFFEN avancierte bis zum französischen Gesandten und bevollmächtigten Minister. Dieser und seine Frau Marie hatten eine Tochter und einen Sohn: JOHANNA DE WIMPFFEN, geb. am 22. Juli 1858, vermählt mit RENÉ DE MONCLIN, und LUDWIG (LOUIS) DE WIMPFFEN, geb. am 30. September 1859, französischer Infanterie-Offizier. Wir werden den vorgenannten männlichen Gliedern dieses französischen Nebenzweiges in Kapitel U im Zusammenhang mit der bereits angesprochenen Hochzeit der SOPHIE VON WIMPFFEN mit BARON VON UNGERN-STERNBERG des Jahres 1880 in Wimpfen wiederbegegnen. MARIE tat sich für die Reinhard-Familie dadurch hervor, dass sie die gesammelten Briefe ihrer Großmutter CHRISTINE an deren Mutter SOPHIE REIMARUS, geb. VON HENNINGS (1742 – 1815), in Übersetzung ins Französische unter dem folgenden Titel für die „Société d’histoire contemporaine“ (Gesellschaft für zeitgenössische Geschichte) herausgebracht hat: „Une femme de diplomate: Lettre de Madame Reinhard (Née Christine Reimarus) à sa mère, 1796 – 1815“.
R. Wie der drittälteste der sechs Söhne des Franz Ludwig von Wimpffen FRANZ KARL EDUARD VON WIMPFFEN (1762 – 1835) sich in Österreich-Ungarn niederlässt und 1797 in den Reichsgrafenstand gelangt, Schlossbesitzer im niederösterreichischen Kainberg wird, seine männlichen Nachkommen dort hohe bis höchste Ränge als Militärs bzw. auch der Diplomatenlaufbahn erreichen und durch Einheiraten in höchstvermögende neuadlige Magnatenfamilien des österreich-ungarischen Bankenwesens und Großgrundbesitzes zu erheblichem weitgestreutem Reichtum und Ansehen kommen, doch deren Nachkommen im Strudel der aus dem Ersten und schließlich dem Zweiten Weltkrieg herausgewachsenen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen ihrer erlangten weitverstreuten Besitztümer fast ganz verlustig gehen.
Im Weitergang der Betrachtung der Nachkommenreihe des Franz Ludwig von Wimpffen steht nunmehr die des drittältesten Sohnes namens FRANZ KARL EDUARD VON WIMPFFEN, geboren am 02. Januar 1776 in Stuttgart, gestorben am 08. Dezember 1842 in Graz, an. Damit ist jener aus der Söhne-Reihe erreicht, aus dem der Ast der adelsstandesmäßg höhergestellten GRAFEN VON WIMPFFEN herausgewachsen ist. Merkwürdigerweise wissen die Brockhaus-Enzyklopädie 1908 und Meyers Großes Konversationslexikon 1909 über diesen nicht mehr als die bloßen Geburts- und Todesdaten sowie den Umstand zu berichten, dass er württembergischer Generalmajor geworden und von Kaiser Franz II. am 8. April 1797 in den Grafenstand erhoben worden sei. Und selbst C. von Wurzbach kann in seiner Biographie Nr. 15 über das von den beiden Lexika Gesagte, dazu die Nennung seiner Eltern sowie die Tatsache, dass dieser „der Stifter der heutigen gräflichen Linie“ sei, hinaus nur Folgendes, dazuhin bezüglich der Anfänge von Franz Karl Eduards Offizierszeit Anderslautendes, zu sagen: „Ueber diesen merkwürdigen Edelmann, der den österreichischen Zweig der Familie WIMPFFEN begründete, fehlen uns leider alle näheren Daten. Bruder des FELIX und DAGOBERT SIGISMUND … , diente anfänglich als Officier in der landgräflich hessen-cassel’schen Schweizergarde, quittierte aber später den Dienst und übersiedelte nach Oesterreich, wo er sich in Schlesien, dann in Böhmen mit Groß-Kuntschütz, in Niederösterreich mit Wallsee und zuletzt in Steiermark mit Brunnsee und Kainberg ansässig machte, das Incolat (Heimatrecht) in den genannten Ländern, sowie in Ungarn und mit Diplom ddo. 8. April 1797 auch den GRAFENSTAND erlangte. Er hat sich zweimal vermält, zuerst in Wien am 16. October 1796 mit VICTORIA AMALIE ERNESTINE (geb. 11. Februar 1772, gest. 17. October 1817) PRINZESSIN VON ANHALT-BERNBURG-SCHAUMBURG, Witwe des ERBPRINZEN KARL VON HESSEN PHILIPPSTHAL, dann mit PAULINE (geb. 23 .Mai 1787, +) FREIIN VON MARSCHALL. Aus beiden Ehen stammen Kinder (siehe dazu in der II. Stammtafel die oberste der roten Generationslinie XVc bzw. 13c) aus erster sechs Söhne, zwei Töchter, aus letzter ein Sohn, eine Tochter; unter den Söhnen aus erster Ehe finden wir den berühmten FELDZEUGMEISTER FRANZ EMIL LORENZ, Grafen von WIMPFFEN.“
Da aus der Selbstbiografie des Vaters (siehe Kapitel O) bekannt geworden ist, dass dieser dritte Sohn Franz Karl Eduard mit 9 Jahren in das Kadettenkorps des Landgrafen von Hessen-Kassel aufgenommen wurde, liegt es sehr viel näher, dass die Angabe von Wurzbach, dieser sei zuerst Offzier in der hessen-kassel’schen Schweizergarde gewesen, stimmig ist und nicht jene Auskunft der Lexika, wonach dieser in württembergischen Diensten den Rang eines Generalmajors erreicht habe. Die Erhebung zum Grafen kam ihm erstaunlicherweise also bereits mit 21 Jahren zu, was sich wohl nur dadurch erklären lässt, dass die hohen erbprinzlichen Häuser derer von Anhalt-Bernburg-Schaumburg und von Hessen-Philippsthal, mit denen er sich durch die Heirat der o. a. Erbprinzen-Witwe verwandtschaftlich verbunden hatte, hier tüchtig mitgeholfen haben. Die Erhebung in der Rang eines Reichsgrafen hatte zur Folge, dass, wie die nachstehende Abb. 31 zeigt, in das Wappen mit dem kreuztragenden Widder zwischen Helm und Schild eine Grafenkrone mit dementsprechend 9 Perlen eingefügt wurde. Danach wird eine Variante gezeigt, bei der die Grafenkrone in mächtiger Größe über das Wappen in seiner Gesamtheit gesetzt und der einstige Reichsfreiherren-Rang durch die über dem Schild sitzende (nur siebenperlige) kleinere frühere Freiherrenkrone aufgezeigt ist. Schließlich ist noch eine weitere spätere Version angefügt, die sich die (notwendigerweise zum Zwecke des Vorankommens) zum katholischen Glauben konvertierten österreich-ungarischen Grafen von Wimpffen später zugelegt haben, in welcher der kreuztragende Widder nicht mehr nach rechts, sondern nach links schreitet und damit quasi der Konfessionswechsel angezeigt ist:
Abb. 31: Wappen der Reichsgrafen von Wimpffen mit der in das Freiherren-Wappen eingefügten Grafenkrone;
Abb. 32: Variante des Wappens der Reichsgrafen von Wimpffen mit darüber gesetztem österreich-ungarischem Doppeladler sowie den Abschluss bildender mächtiger Grafenkrone;
Abb. 33: Die dem Werk über die deutschen Grafenhäuser von 1853 des E. H. Kneschke entnommene Wappendarstellung, die sich auf die katholisch-österreichischen, später in „Kainberg und Radegund, Reitenau und Eichberg in der Steiermark, Battaglia im Venzianischen etc.“ ansässigen, Reichsgrafen von Wimpffen bezieht.
Indem bei Kneschke (1870) die bei Wurzbach angeführten Wohnplätze und Besitztümer mit der Betitelung „Herr auf“ aneinandergereiht sind, könnte der falsche Eindruck entstehen, dass Franz Karl Eduard diese allesamt gleichzeitig besessen habe. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Nacheinander wechselnder Besitzerschaft. So befand sich das 1810 von ihm gekaufte – herrlich in Niederösterreich über der Donau gelegene – Schloss Wallsee nur 7 Jahre in seinem Besitz. Und 1821 erwarb er das südöstlich von Graz im Grenzgebiet der Steiermark gelegene Renaissance-Schloss mit hohem Mittelturm und Mitellrisalit der Portalseite Brunnsee mit dazugehöriger Herrschaft, was er 1837 an Marie Caroline Herzogin von Berry veräußerte. Dann folgte 1841 der Erwerb des ebenfalls in der Steiermark unweit von Graz nördlich von Kumberg auf einer steilen waldumschlossenen Anhöhe gelegenen und einen dreistockigen Innenhof einschließenden repräsentativen Schlosses Kainberg mit dazugehörigem Gut. Nach seinem bald danach am 3. Dezember 1842 im nahen Graz mit 66 Jahren erfolgten Tod blieb dieses bis heute im Besitz von dessen Nachfahren. Siehe dieses in der
Abb. 34: Ansicht des nahe der Hauptstadt Graz in der Südwest-Steiermark gelegenen und 1841 in den Besitz des Reichsgrafen Franz Karl Eduard von Wimpffen gelangten Schlosses Kainberg von Südwesten her.
Im Hinblick auf die nunmehr rund 1 ¾ Jahrhundert gräflich-wimpffensche Besitzerschaftsei hier eine Wikipedia entnommene kurze Beschreibung des zwischen 1570 und 1575 aus einem Wehrbau des 13. Jahrhunderts entwickelten beeindruckenden Renaissance-Anlage gegeben: Das dreigeschossige Gebäude bildet ein regelmäßiges Viereck, das einen rechteckigen dreigeschossigen Arkadenhof umschließt. Die im 19. Jahrhundert größtenteils verglasten Arkaden umgeben diesen von drei Seiten. An den vier Gebäudeecken befinden sich quadratische Ecktürme mit Pyramidendächern. Im mittleren Teil des westlichen Flügels, der Schauseite, ragt ein mächtiger Uhr- und Glockenturm mit einem von einer Laterne gekrönten Dach in die Höhe. Darin befindet sich eine den Heiligen drei Königen geweihte Kapelle. Der Zugang, ein rundbogiges Einfahrtstor, liegt im Mittelbereich des Südflügels. Der noch aus dem 15. Jahrhundert stammende Nordflügel stellt den ältesten Teil der Schlossanlage dar, wo in den obersten Stockwerken sich noch große Teile der ursprünglichen Innenausstattung finden. Ein Eckzimmer besitzt eine Kasettendecke mit gemalter Maserung aus der Renaissance und einen Ofen aus dem 18. Jahrhundert. Der große Saal birgt einen um 1800 aufgestellten Empireofen und ist mit Laub-Bandelwerk-Stuck aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts geschmückt.
Wie in der II. Stammtafel (siehe rote Generationslinie XVc bzw. 13ac) zu ersehen, starben von Franz Karl Eduards acht + zwei = zehn Kindern fünf aus der ersten Ehe sehr früh und die zwei am Leben gebliebenen Töchter hießen MARIE (aus erster Ehe), geb. am 12. Mai 1802, vermählt mit EGYD GRAF TARIS-BORDAGNA, und MATHILDE HENRIETTE (aus zweiter Ehe), geb. am 29. Januar 1819, verheiratet mit JOSEPH FREIHERR VON REICHLIN-MELDEGG. Während diese beiden im Text bei Wurzbach keinerlei Beschreibung mehr finden, sind dem ältesten der am Leben gebliebenen Söhne FRANZ EMIL LORENZ, geb. 1797, drei ganze Seiten (S. 18 – 20) und ist dem jüngsten FELIX FRIEDRICH WENZEL, geb. 1827, eine starke Seite (S.16/17) gewidmet, während der dem mittleren GUSTAV ADOLF FELIX, geb. 1803, geltende Text Nr. 21 der alphabtischen Darstellung der besonders denkwürigen Sprossen immerhin eine ganze Halbspalte füllt. Die ausführliche Darstellung deren Lebens geht darauf zurück, dass über alle – wie auch jetzt über die Glieder der anderen Zweige – eine reiche Überlieferung vorliegt. Außerdem wird die eingehende Betrachtung der Lebensgänge derselben auch durch den Umstand befördert, dass die beiden ältereren Söhne in hohe bis höchste Militärämter Österreich-Ungarns einrückten und der jüngste sich als Diplomat vielfältig auszeichnete und darüber hinaus alle drei vom Kaise vielfältig mit Orden und anderen Ehrungen bedacht worden sind. Dazuhin verbanden sich der Erst- und der Letztgenannte genau wie schon der Vater mit bestgebildet-hochkultivierten Frauen aus reichen Geschlechtern des österreich-ungarischen Neuadels, die gänzendste Salons unterhielten und den Besitz und das gesellschaftliche Ansehen ihrer Gatten aus dem im rasanten Aufstieg begriffenen Grafengeschlecht derer von Wimpffen erheblich mehrten. Während der mittlere der drei Söhne aufgrund seiner Eheverbindung mit der württembergischen Nebenlinie im späteren Kapitel W gesondert Erwähnung finden wird, soll über die anderen beiden sowie ihre Ehefrauen in ziemlicher Raffung der aus zahlreichen Quellen vorhandenen vielen Fakten hier nun Folgendes berichtet werden:
– FRANZ EMIL LORENZ REICHSGRAF VON WIMPFFEN, geb. am 2. April 1797 in Prag, gest. am 26. November 1870 in Görz; begraben in der Familiengruft Eichberg; vermählt am 3. Oktober 1825 zu Hietzing bei Wien mit MARIA ANNA (auch: MARIANNE) CÄCILIE FREIIN VON ESKLELES, geb. am 2. März 1802 in Wien, gest. laut Wurzbach auf dem Wege nach Karlsbad am 11. August 1862 in München; ebenfalls begraben in der Familiengruft Eichberg: Getrieben von der in der Famile vorherrschenden Neigung zum Waffendienste und vom Gedanken der Befreiung vom Joch Napoleons beseelt, tritt er 1813 als Unterleutnant in die k. u. k. Armee ein und bewährt sich in den Kämpfen zur Befreiung der verbündeten Armeen der Jahre 1813 und 1814 sowie 1815 in Italien. In ziemlich rascher Weise die unteren Offiziersränge durchlaufend, ist er 1833 bereits Oberst und Kommandant eines Infanterieregimentes, 1839 schon Generalmajor und Brigadekommandant in Triest und 1846 Feldmarschall-Leutnant und Divisionskommandeur. Als solcher nimmt er 1848 und 1849 an den Feldzügen in Italien teil und erringt durch zahlreiche Waffentaten Ruhm, z. B. als Befehlshaber der zur Intervention im Kirchenstaate bestimmten Truppen, erhält das Ritterkreuz des Maria-Theresia-Ordens und wird ihm nach erfolgreichem Abschluss der Feldzüge das Gouvernement von Triest, die Statthalterschaft der dortigen Küstenlande, das Präsidium der dort geschaffenen Seebehörde und die Finanzdirektion, außerdem provisorisch das Marine-Oberkommando übertragen. In diesen Tätigkeiten erwirbt er sich große Beliebtheit bei der Bevölkerung und nicht geringe Verdienste um den Aufschwung der jungen österreichischen Kriegs- und Handelsmarine. Somit wird ihm 1850 das Kommandeurkreuz des Maria-Theresien-Ordens und das Großkreuz des Leopoldordens verliehen. 1851 wird er Inhaber des vormaligen Infanterie-Regiments Prinz Leopold beider Sizilien Nr. 22; auch wird er Ehrenritter des Johanniterordens sowie Ehrenbürger der Stadt Triest. 1854 erfolgt als Krönung seiner Laufbahn die Verleihung der Würde eines Geheimen Rates und Ernennung zum k. k. General-Feldzeugmeister und erhält er den Oberbefehl über die erste Armee in Wien als kommandierender General in Nieder-, Ober-, und Innerösterreich, Böhmen, Mähren und Schlesien. Im Juni dieses Jahres beschreibt und preist die „Oesterreichische Illustrierte Zeitung“ in einer zweiteiligen Folge des Titels „Franz Graf Wimpffen k. k. Feldmarschall-Lieutenant“ vor allem seine Beharrlichkeit und Entschlossenheit sowie sein Geschick in der Kriegsführung. In dieser hohen Rangstellung und Funktion leitet er 1857 im Krieg zwischen Österreich einerseits und Frankreich unter Napoleon III. und piemontesisch-sardinischen Truppen andererseits in der mit einer schweren Niederlage Österreichs endenden Schlacht bei Solferino (24. Juni) die Operationen auf dem linken Flügel. 1860 im Alter von 63 Jahren darf er in Disponibilität, d. h. in der vorläufigen Ruhestand bei Möglichkeit die Wiedereinsatzes bei sich erweisender Notwendigkeit, treten.
Von diesem ist eine ganze Reihe von Portraits unterschiedlichster Darstellungstechniken erhalten, woraus gezeigt sei in
Abb. 35: Franz Emil Lorenz Reichsgraf von Wimpffen im Alter von 55 Jahren als Feldmarschall-Lieutenant mit dem Kommandeurkreuz des Maria Theresia-Ordens und dem russischen Georgsorden, Farblithographie von Josef Kriehuber 1852.
Nach der Zurruhesetzung lebt er auf seinen Gütern, nämlich auf dem vorbeschriebenen vom Vater überkommenen Schloss Kainberg sowie dem in der Nordoststeiermark an der ungarischen Grenze zum Burgenland hin gelegenen Schloss beim gleichnamigen Ort Eichberg an der Lafnitz (auch: Aichberg) und dem nahegelegenen Schloss Reitenau. Siehe dazu
Abb. 36a, 36b, 36c: Schloss Aichberg (Eichberg) im 17. Jahrhundert nach einem Stich von Georg Matthäus Vischer und heute sowie Schloss (ehemalige Wassserburg) Reitenau heute, beide nach Fotos der Gegenwart
Die beiden letztgenannten Besitztümer hatte seine o. a. Gattin MARIA ANNA CÄCILIE 1842/43 für 197 000 Gulden, Geld aus dem Erbe ihres Vaters, dem steinreichen jüdischen und als Finanzgenius geltenden Mitbegründer und Direktor der österreichischen Nationalbank sowie Berater der Kaiser Joseph II. und Franz II. BERNHARD FREIHERR VON ESKLELES (1753 – 1839), erworben. Sie lässt die 1842 geweihte Lorettokapelle beim Schloss Eichberg in neugotischen Stil zu einer Gruftkapelle umbauen. Das griechische Kreuz auf deren Turm zeigt, dass die Eskeles, die aromunischer (mazedorumänischer) Herkunft sind, dem griechisch-orthodoxen Glauben huldigen. Und das Schloss selbst wird durchgreifend renoviert. Außerdem besaß Maria Anna noch einen der größten und prächtigsten Palazzi von Venedig, den Palazzo Fini am Canal Grande, dazuhin das herrliche Schloss und den Saal des kleinen Heilbadeortes Battaglia am Fuße der Euganeischen Hügel bei Padua nebst einigen Häusern in Wien und dort eine beachtenswerrte Sammlung von Bildern und Skulpturen sowie eine berühmte Autographensammlung, deren einer Teil (Musikalienblätter) von ihr der Gesellschaft der Musikfrerunde in Wien vermacht wurde.0 Ihre Mutter, CÄCILIE FREIIN VON ESKELES, geborene ITZIG, stammte aus einer sehr kultivierten jüdischen Berliner Familie. Und so hatte Maria Anna eine ausgezeichnete Erziehung und vielseitige Bildung genossen, die – laut Wurzbach gepaart mit Herzensgüte, Klugheit, Mildtätigkeit, Schönheitssinn – sie zu einer großen Literatur- und Kunstkennerin sowie Sammlerin werden ließ, deren Salon in Venedig, wo sie sich viel aufhielt, Einheimischen und Fremden von Bildung ohne Unterschied und Nationalität, des Standes und Ranges gastlich geöffnet war und den Mittelpunkt für den geselligen Verkehr aller bedeutenden Persönlichkeiten bildete, welche die Lagunenstadt bewohnten oder besuchten. Siehe dazu die
Abb. 37: Palazzo Fini am Canal Grande in Venedig.
Im Palazzo Fini befand sich eine von ihr erworbene Gemäldesammlung, die zu den Sehenswürdigkeiten Venedigs zählte und europäische Berühmtheit besaß. In ihrem dortigen Salon hatte sie schon in den 1830er Jahren ein Album eröffnet, in das sich alle Heroen des Geistes, welche sie besuchten mit ihrem Namen und einer Spende ihres Geistes eintrugen, so: Heinrich Heine, Nikolaus Lenau, Alexander und Wilhelm von Humboldt, Friedrich Rückert u. v. a. m., darunter auch viele Italiener, Franzosen und Engländer. Ihre einzige – nach ihr benannte – Tochter MARIA ANNA CÄCILIA, geb. am 13. Mai 1842, die am 12. Januar 1867 den hoch angesehenen Kammerherren und Abgeordneten der bayrischen Ständekammer sowie des Deutschen Reichstages FRIEDRICH BALDUIN FREIHERRN VON GAGERN (1842 – 1910) geheiratet hat und auf dem Gute ihres Gatten Neuenbürg bei Erlangen lebte, hat nach dem Tode ihrer Mutter dieses Album übernommen und die kunstsinnigen Töchter führten dieses im Sinne der Großmutter mit Erfolg fort. Auch schuf diese 1841 und 1854 eine Soldatenstiftung zu je 2000 Gulden. Sie ging ihrem Gatten im Tode acht Jahre voraus. Die letzten Lebensjahre desselben vor seinem 1870 erfolgten Tod waren vom schweren Kummer darüber getrübt, dass sein zweitältester mit allen Gaben des Herzens und Geistes ausgestatteter Sohn ALPHONS (1828 – 1866), dessen dienstliche Laufbahn in der k. u. k. Armee rasch bis zum Oberst und Kommandant des Regiments Kronprinz von Preußen Nr. 20 gegangen war, im preußisch-österreichischen Krieg am 27. Juni 1866 seiner bei Skalitz empfangenen schweren Wunde in preußischer Gefangenschaft im Schlosse von Nachod unweit von Königgrätz am 22. Juli 1866 erlegen ist. Auf einem Blatt, dass einer Reihe prominenter Opfer des Krieges im österreichischen Heere gedenkt, hat sich das nachfolgend gezeigte Portrait erhalten:
Abb. 38: Der im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 im Alter von 38 Jahren seiner schweren Verletzung erlegene Oberst Graf Alphons von Wimpffen (1828 – 1866).
– FELIX WENZEL REICHSGRAF VON WIMPFFEN, geb. am 16. März 1827 zu Brunnsee, geendet am 30. Dezember 1882 durch Selbstmord in Paris; vermählt am 27. August 1867 zu Dresden mit der Hofdame der Königin und nachmaligen Kaiserin Augusta GRÄFIN MARGARETHE ISABELLA LEONORE LYNAR, geboren am 4. März 1837: Dieser jüngste der drei Söhne des Grafen Franz Karl Eduard von Wimpffen, hervorgegangen aus dessen zweiter Ehe, Stiefbruder von Franz Emil Lorenz, schlug nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Prag und Teilnahme an der Feldzügen der Jahre 1848 und 1849 die diplomatische Laufbahn ein, wurde Attaché in Rom, dann Sekretär und später Botschaftsrat in London, 1804 Gesandter in Kopenhagen und 1866 in Berlin, wo er seine o. a. Gattin kennenlernte. Durch Schönheit, Anmut und Bildung ausgezeichnet, führte diese an den Höfen Berlin, Rom und Paris, wohin sie ihrem Gatten folgte, einen glänzenden Salon und zählte dort zu den fesselndsten Erscheinungen. In zweifelhaft-unglückselige Geldgeschäfte verwickelt, erschoss sich Felix Wenzel in Paris in einer Bedürfnisstelle. Die der Ehe entsprossenen beiden Töchter lassen sich der II. Stammtafel entnehmen.
Wie die Einsicht in diese zeigt, setzte sich das reichsgräfliche Haus derer von Wimpffen fort über den dritten Sohn des Franz Emil Lorenz namens
– VICTOR ÄGIDIUS REICHSGRAF VON WIMPFFEN, geboren am 24. Juli 1834 in Hietzing bei Wien, gestorben am 22. Mai 1897 in Bad Battaglia in Oberitailien; bestattet in der Familiengruft Eichberg; vermählt am 11. Januar 1860 in Vevey am Genfer See mit ANASTASIA FREIIN VON SINA ZU HODOS UND KIZDIA, geboren am 8. Oktober 1838 im Palais Sina in Wien, gestorben am 24. Februar 1889 ebenda und beigesetzt in der Familiengruft Fahrafeld. Diese war Enkelin des GEORG SIMON FREIHERREN VON SINA ZU HODOS UND KIZDIA (1783 – 1856), eines griechischen Unternehmers und Großbankiers mazedorumänischer Abstammung, der einer der reichsten Männer der österreich-ungarischen Monarchie auf Augenhöhe mit den Rothschilds gewesen ist und als Menschenfreund Teile seines Vermögens für öffentliche und kulturelle Zwecke eingesetzt und z. B. die Universität in Athen, in Budapest die Kettenbrücke und das Nationalmuseum, in Wien das Haus des Musikvereins, das Künstlerhaus und die orthodoxe Kirche errichten ließ. Und dessen Sohn und Vater der Anastasia SIMON GEORG FREIHERR VON SINA (1810 – 1876) war vor allem der Wissenschaft und der Philosophie zugewandt und wirkte als königlich griechischer Gesandter am kaiserlichen Hof, führte nachmalig den Titel eines Wirklichen Geheimen Rates und war Begründer der Sinaischen Akademie in Athen. Ihre 1835 mit diesem in Wien verheiratete Mutter IPHIGÉNIE (geb. 1815) war eine geborene PRINZESSIN GHYKA DE DEZSANFALVA.
Wurzbach betitelt Victor Ägidius von Wimpffen in seiner 1 1/3 Seiten umfassenden Lebensbeschreibung als „Hofrat und Corvettenkapitain“, was aber nur einen Bruchteil seiner Tätigkeiten umreißt. 1850 als Seekadett in die österreichische Marine getreten und als solcher mit dem Kreuze der Ehrenlegion ausgezeichnet, weil er ein französisches Kaufffahrteischiff vor dem Untergange rettet, verlässt er nach belobend anerkannter Teilnahme an der Schlacht bei Solferino 1859 und an der Seeschlacht von Lissa 1866 als Kommandeur des Dampfschiffes „Stadium“ die Marine als Korvettenkapitän. Nach zeitweiliger Rückkehr dorthin wird er Präsident des Verwaltungsrates der niederösterreichischen Südwestbahnen und 1876 als Hofrat und Generalinspekteur der österreichischen Staatstelegraphen ins Handelsministerium berufen. Als solcher führt er ersprießliche technische und sozialpersonale Neuerungen ein. 1880 mit 46 Jahren zieht er sich ins Privatleben zurück und wird in mehreren Funktionen des Bereiches Bildende Kunst tätig, so z. B. als Verwaltungsrat des Österreichischen Kunstvereins oder als förderndes Mitglied der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst (insbesondere Fotografie). Über zwei Jahrzehnte wirkt er als Administrator der ersten k. k. privaten Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Und er ist auch als Landwirt mit der Bewirtschaftung der vom Vater ererbten Güter Kainberg, Reitenau und Eichberg in der Steiermark und Battaglia in Oberitalien beschäftigt und er wirkt als eifriger Förderer der Fischzucht und der Wiederbevölkerung der steirischen Gewässer. Mit der Heirat der Anastasia von Sina hatte er sich mit einer der reichsten Töchter der österreich-ungarischen Monarchie verbunden. Denn deren aus einer Baumwollhändlerfamilie stammender o. a. Großvater hatte außer vielem Geld große Ländereien in Ungarn, Böhmen, Mähren und Niederösterreich besessen und im letztgenannten Bereich 1830 für 341000 Gulden das Gut Neuhaus, dazu die nächstgelegenen Orte Arnstein sowie 1833 Fahrafeld (mit Gut von 5 000 ha und Schloss) bei Pottenstein im Wienerwald erworben, alles Besitzungen, die an seine Enkelin Anastasia vererbt wurden. In der im letztgenannten Ort geschaffenen Familiengruft ist diese ja denn auch beigesetzt worden. Und in Wien hatte deren Vater Simon von Sina am Hohen Markt 8 durch den Architekten Theophil Hansen, den er für seine Projekte von Athen nach Wien holte und der dort vor allem durch den Entwurf für das österreichische Parlament Weltruhm erlangte, ab 1859 durch Umbau des Palais Fellner das fünfgeschossige Palais Sina schaffen lassen. Dieser erste Typus des Wiener Palastes im Stil der gräzisierten Neorenaissance wurde richtungweisend für viele Neubauten der Stadt des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Großvater Georg Simon von Sina hatte vor allem in die Gründung moderner Verkehrsprojekte (Flussschifffahrt, Eisenbahnen, Brücken), investiert, was auch die Tätigkeiten des Grafen Victor im Telegrafen-, Eisenbahn- und Donauschifffahrtswesen erklärt. Durch den Reichtum seiner Frau kann sich Victor Graf von Wimpffen leisten, in Wien in der Türkenstraße 15 das 1856 im Stil des Historismus erbaute stattliche Wohnpalais zu erwerben, das nun Palais Wimpffen heißt und an dem er 1878 Umbauten vornehmen lässt. Siehe dazu:
Abb. 39: Victor Ägidius von Wimpffen in jüngeren Jahren als Marinefähnrich;
Abb. 40a und 40b: Victor Ägidius von Wimpffen und seine Gemahlin Anastasia, geb. Freiin von Sina zu Hodos und Kizdia; 1860 im Atelier in Vevey am Genfer See aufgenomme Fotografien;
Abb. 41: Anastasia von Wimpffen, geborene Freiin von Sina zu Hodos und Kidzia; in der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrte Fotografie.
Ganz unten mittig in der endenden II. Stammtafel von Wurzbach in der Generation XVIIc bzw. 15c sind die drei Nachkommen der Vorgenannten zu finden: Zunächst die Tochter namens HEDWIG ANASTASIA IPHIGENIA, geb. am 4. August 1861, vermählt mit AUGUST GRAF ZICHY, dann noch zwei Söhne, über die eine ganze Reihe von Lebensbeschreibungen vorliegt, so dass es an Stoff nicht mangelt. Die nachstehend diesen beiden geltenden Lebensbeschreibungen mit teilweiser Einbeziehung von deren Nachkommen fußen vornehmlich auf jenen solchen, die sich in www.wimpffen.hu des Dr. Hans H. von Wimpffen, außerdem in der vor zwei Jahren erschienenen Untersuchung von Roman Sandgruber „Traumzeit für Millionäre. Die 929 reichsten Wienerinnen und Wiener im Jahr 1910“ (Wien.Granz.Klagenfurt 2013), dazuhin in Wikipedia sowie in einer Betrachtung im Internet des Wiener Kunsthändlers Cajetan Gril, dem heutigen Besitzer des Schlosses Aichberg, des Titels „familie wimpffen in eichberg (1842 – 1953) sowie „Neuhaus (Gemeinde Weissenbach an der Triesting“ finden:
Der ältere der zwei Söhne von Victor Ägidius namens S I E G F R I E D SIMON FRANZ REICHSGRAF VON WIMPFFEN, geb. am 6. September 1865 in Wien, gestorben am 26. November 1929 in Ercsi/ im mittleren Nordungarn (deutsch Ertsching), dort auch bestattet in der Familiengruft der Patronatskirche; vermählt am 11. Juni 1892 mit FRANZISKA GRÄFIN VON STOCKAU, geboren am 9. April 1873 in Wien, gest. am 7. Dezember 1933 in Ercsi, die aus einem morganatischen Stamm des Hauses Thurn und Taxis stammte:
Vom Großvater Baron Georg Simon von Sina her über dessen Enkelin (d. h. seine Mutter Anastasia) kam diesem ein gewaltiges Erbe zu, das ihn zu einem der reichsten Großgrundbesitzer der Donaumonarchie machte: So besaß er die Ortsherrschaften Hodos, Kizdia, Maslak, Fibis und Battaglia (Italien), Ercsi, Simontornya, Szazhalombatta und Erd (Ungarn) sowie O-Béba und Kainberg (Österreich), dazu je einen Palast in Budapest, Venedig (Palais Fini) und in Wien (Palais Sina). Da der Großteil der Besitzungen außerhalb Österreichs lag, war er von dessen Besteuerung nur wenig erfasst. Er studierte an verschiedenen Universitäten Rechtswissenschaften und Nationalökonomie. Insgesamt entstanden in seinen Gutsherrschaftsorten zahlreiche Kirchen, Kapellen, Wegkreuze, Schlösser, Schulen, Kindergärten. So gründete er zusammen mit seiner Gattin im ungarischen Ort der Grablege des Hauses Ercsi 1899 eine Klosterschule und 1912 eine Zuckerfabrik, die erste Industrieansiedlung in dieser Gegend, die Siegfried von Wimpffen zu einem der sog. Zuckerbarone machte.-
1892 erhielt er, der Millionär, als erster Automoblilist Österreichs in Wien eine Genehmigung zur Fahrerlaubnis nach Prüfung durch die dortige Polizei. Sein legendär gewordenes Vehikel war ein aus Paris importiertes Dampf-Automobil der Marke Serpollet, das 1800 Kilogramm wog, mit Koks befeuert wurde und das er erstmals zusammen mit Graf Wilczek im September des vorgenannten Jahres durch die Straßen von Wien lenkte. Da es eisenbeschlagene Räder hatte, die einen höllischen Lärm erzeugten, wurde angeordnet, es weitgehend nur in ländlichen Gegenden zu benutzen. Um Jahrhundertwende, wo das Auto das Spielzeug allein der Superreichen war, betätigte er sich im Österreichischen Automobilclub. Anfang der 1920er Jahre besaß er neben einem Rolls Royce etliche Daimler-Autos und galt als ein begeisterter Autonarr und Technik-Freak.-
1902 bekam er das ungarische Indigenat und den Titel eines ungarischen Grafen. 1905 wurde er auf der Grundlage seines Großgrundbesitzes, der vor dem Ersten Weltkrieg allein im zentralungarischen Komitat Féjer 21 000 Morgen betrug, erbliches Mitglied des ungarischen Oberhauses. Aus der aus der Ehe des Siegfried und der Franziska hervorgegangenen Schar von 9 Kindern, 6 Söhnen und 3 Töchtern, soll zunächst auf den zweitältesten Sohn S I M O N FRANZ MARIA, geb. am 5. Dezember 1897 auf Kainberg, hingewiesen werden, dem Dr. Hans H. von Wimpffen eine genaue Beschreibung des Lebensganges gewidmet hat und der als junger Leutnant im Ersten Weltkrieg an der italienischen Front 1918 gefallen ist.-
Diesen hatte sein kinderloser Onkel Simon Alphons, über den im nachfolgenden Hauptabschnitt berichtet ist, als Erbe seiner umfänglichen Besitztümer einzusetzen geplant. Somit trat an dessen Stelle sein etwas älterer Bruder des Namens G E O R G VICTOR SIEGFRIED, geb. am 21. August 1896 auf Kainberg im Schloss seiner Vorfahren, gest. am 12. Mai 1968 in Chikago, der am 24. Juli 1926 in Budapest JAQUELINE GRÄFIN ZICHY VON ZICH UND VASONYKEÖ, geb. am 25. Juni 1903 in Boldogkoeváralja (Ungarn), gest. am 17. Juni 1991 in Golden (Colorado/USA), geheiratet hat. Aus deren Ehe gingen 10 Kinder, 2 Söhne und 8 Töchter, hervor. Über dessen wirtschaftlich glücklose Weiterführung des von seinem Onkel ererbten mondänen Kurortes Neuhaus im Wienerwald, dazuhin über dessen allgemeinen vermögensmäßigen Niedergang mit dem Zerschmelzen der ererbten großen Besitztümer ist weiter unten am Ende der Schilderung seines Lebensganges und seiner großen Familie Schicksal berichtet.-
Dadurch, dass, wie schon gesagt, Georg Victor Siegfried, der älteste Sohn des Siegfried Simon Franz, seinen reichen Onkel Simon Alphons beerbt und der zweitälteste Sohn des Vorgenannten Simon Franz Maria am Ende des Zweiten Weltkrieges gefallen ist, fiel deren nächstjüngerem Bruder F R A N Z XAVER SIMON REICHSGRAF VON WIMPFFEN, geb. am 19. August 1899 in Kainberg, verheiratet in erster Ehe mit KATHARINA SCHIFFER (1907 – 1961), in zweiter Ehe mit VERA VON WAHL (1901 – 1973), die Bewohnung des wichtigsten der vielen Güter, nämlich des ungarischen Stammsitzes Ercsi (Ertsching) in Mittetransdanubien, dazuhin die landwirtschaftliche Nutzung der dazugehörigen Bodenflächen sowie die Aufsicht über die Bewirtschaftung der anderen vielen Güter zu. Vom Ersten Weltkrieg heimgekehrt, widmete dieser sich ganz dieser Aufgabe. Laut Dr. Hans H. von Wimpffen wurde nach dem (1929 erfolgten) Tod des Vaters Siegfried Simon Franz dessen mächtiger Besitz unter die Erben und somit in sieben einzelne landwirtschaftliche Güter mit eigenen Verwaltungen aufgeteilt. Mit dieser Erbteilung habe der Untergang der ehemals blühenden Wimpffen’schen Landwirtschaft begonnen. Immerhin blieb Franz Xaver Simon laut Dr. Hans H. von Wimpffen noch ein Grundbesitz von rund 20 000 Morgen (5 000 ha), was ihn immer noch zu den reichen Großgrundbesitzern und zur herrschendeh Elite des ungarischen Lebens gehören ließ. Dies veranlasste ihn Anfang der 1930er Jahre, sich in der Politik zu versuchen und 1935/36 sich um einen Sitz im ungarischen Parlament zu bewerben. Welche unguten Formen in dieser Zeit der in Ungarn mehr und mehr aufkommenden nationalsozialischen sog. Pfeilkreuzler die politische Auseinandersetzung zwischen dem zum konservativ-katholisch-großbürgerlichen Lager gehörigen von Wimpffen und seinem dem reformgerichteten-evangelisch-agrarproletarischen Kurs vertretenden Gegenkandidaten annahm und wie der Gang in die politische Arena des Franz Xaver Simon schließlich in einer Niederlage endete, lässt sich in www.wimpffen.hu (Rubrik biographien; dort: Franz Graf von Wimpffen) im Einzelnen nachlesen. Somit wandte sich dieser wieder ganz der Landwirtschaft zu. Neben der im Gefolge der Erbteilung aufgetretenen hemmenden Bürokratie trugen vor allem Unwetter, Hagel, Schweinepest, soziale Unruhen, Arbeitslosigkeit, Radikalisierung des politischen Lebens und der Zweite Weltkrieg dazu bei, dass bei Kriegsende alle 7 Betriebe, die mit Hilfe ausländischer Kredite vergeblich einen Aufschwung hatten erreichen wollen, gänzlich überschuldet waren und vor dem Ruin standen. Schließlich wurde 1945 mit der Besetzung Ungarns durch die Rote Armee deren Schicksal vollends besiegelt: das Schloss Ercsi wurde ausgeraubt und wurden Teile dem Erdboden gleichgemacht, der Park gerodet, Häuser angezündet und im Zuge der Bodenreform die Güter aller derer von Wimpffen in ganz Ungarn enteignet. Franz Xaver Simon von Wimpffen sah sich nach der kommunistischen Machtübernahme zur Emigration nach Österreich gezwungen und lebte fortab in Wien. Er wurde nach seinem Tod am 3. September 1973 am 7. September in der Familiengruft Graz beerdigt.-
Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft wurde dessen Sohn S I E G F R I E D Otto Maria, geb. am 11. März 1928 in Budapest, verheiratet am 26. April 1958 in Graz mit BARONESSE ANTOINETTE ADAMOVICH DE CSEPIN, geb. am 30. Dezember 1932 in Budapest, mit 400 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche entschädigt. Was vom Schloss Ercsi übrig geblieben war, verblieb in der Hand der Gemeinde und das kleine weitere im Besitz der von Wimpffen gewesene Schloss Erd wurde in ein Museum umgewandelt.-
Was den Vorgenannten betrifft, so erscheint es notwendig, diesen unter allen Umständen herauszustellen, war er doch der Stammhalter, über den die gräfliche Linie derer von Wimpffen über den Zweig des FRANZ EMIL LORENZ (1797 – 1870) bis in die Gegenwart weitergeführt worden ist, während, wie später aus dem Kapitel T zu erfahren sein wird, der über dessen jüngeren Bruder G U S T A V ADOLF FELIX (1805 – 1880) laufende andere gräfliche Zweig mit dessen kinderlosem Sohn FRANZ DEMETRIUS EDUARD (1850 – 1879) ausgestorben ist. Denn Graf Siegfried Otto Maria und Gräfin Antoinette von Wimpffen hatten zwei Kinder:
– den Sohn F R A N Z MICHAEL (HUBERTUS SIEGFRIED MARIA) GRAF VON WIMPFFEN, geb. 18. März 1959 in Wien, verheiratet am 7. Juli 1991 in Wachendorf mit MARIE-VERONIKA FREIIN VON OW-WACHENDORF, geb. am 2. September 1958 in Ebingen/Württemberg, Tochter von FREIHERR SIGURD VON OW-WACHENDORF (geb. 1925 und gest. 2012 in Tübingen) und MARIE-AGNES VON OW-WACHENDORF GEB. GRÄFIN VON WESTERHOLD UND GYSENBERG (geb. 1928), und
– die Tochter ALEXANDRA UNA MARIA GRÄFIN VON WIMPFFEN, geb. 16. April 1960 in Wien, verheiratet mit dem Internisten HARALD CHRISTIAN SALZMANN in Wien, geb. 1. Oktober 1956.
Wir sind damit in der Gegenwart angekommen und können, bezugnehmend auf die im II. Stammbaum von Wurzbach ganz unten zum Zwecke der Orientierung vorgenommenen Nachtragungen, konstatieren, dass F R A N Z MICHAEL GFRAF VON WIMPFFEN der Generation XX (nach der Zählung von Wurzbach) bzw. 18 (in Weiterführung der Zählung von Stör) angehört und der Urururururenkel des Begründers des c) Franzens-Zweiges FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (der XIII. bzw. 11. Generation) ist. Somit ist der Letztgenannte dessen Urururururgroßvater. Wie dem auch sei, ob nun reiner Zufall oder ob Ergebnis nicht allein seiner Verheiratung zum württembergischen Neckar-Albvorland hin, wo im Ortsteil Wachendorf von Starzach (Landkreis Tübingen) das Schloss der Ow-Wachendorf liegt, sondern wegen gewisser familiärer Gegebenheiten wie etwa in Württemberg vorhandener Reste von Grundbesitz, Tatsachen ist, dass Franz von Wimpffen in Ditzingen im Landkreis Ludwigsburg wohnt. Der heute 55-Jährige hat an der Hochschule Sankt Gallen (Ostschweiz) Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften studiert, zum Dr. oec. promoviert und war dort 1883/84 Assistent von Prof. Dr. H. C. Binswanger, von 1984 – 86 Leiter des St. Gallener Management Symposium ISC, von Juli 1996 Kaufmännischer (ab Oktober 1998 Vorsitzender der Geschäftsführung) Geschäftsführer der LTG Mailländer GmbH, von November 2000 – September 2004 Director von Business Development bei LTG Technologies PLC (London, Newcastle, Kirkby in Ashfield, Großbritannien), ab 2004 Geschäftsführer bei der LTD Metal Decorating GmbH, Maschinen- und Anlagenbau, Innovationsunternehmen für Raumluft- und Prozesstechnik, Stuttgart. Er ist Mitglied der Vereinigung der katholischen und seit einiger Zeit auch deer evangelischen Edelleute Schlesiens und großteils Maltester und Johanniter, die sich seit 1952 im Rahmen des Schlesierstreffens zum Palmsonntag in der ehemaligen Ritterstiftskirche in Bad Wimpfen im Tal zu einer Wochenendtagung treffen und über den Kreuzgang in ihren Ordensgewändern dort zur Eucharistiefeier und zum Hochamt einziehen und bei der er in der Regel dabei ist und auch seine Gattin nach dorthin kommt. Das Ehepaar hat zwei Töchter und einen Sohn:
– OLYMPIA ALEXANDRA, geb. am 29. September 1992;
– MARIE-AMELIE, geb. 29. August 1994;
– EMANUEL (Geburtsdatum nicht bekannt), der, so steht zu hoffen, das Geschlecht weiterführen wird.
Wie ich von Dr. Hans H. von Wimpffen erfahren konnte, ist Dr. Franz Michael Graf von Wimpffen noch im Besitz des Schlosses Kainberg, das ihm über seinen Vater Siegfried Graf von Wimpffen zugekommen ist. Dieser Umstand erscheint von besonderer Bedeutung; denn dieses Schloss erscheint in unseren heutigen Tagen als das letzte dingliche Relikt des so mächtigen Aufstieges der Grafen von Wimpffen zu Guts- und Schloss- sowie Großgrundbesitzern, die bis in die Spitzen der österreich-ungarischen Gesellschaft hinein gegangen ist. Der Umstand, dass die von Wimpffen aller ihrer anderen erworbenen Schlösser wieder verlustig gegangen sind, weist aber auch deren wieder genau so rasch erfolgten Fall aus, der – in der 3. Nachfolgegeneration begonnen und in der 5. solchen vollends vollzogen gewesen ist und sich – lakonisch gesagt – sich ähnlich dem Muster des sog. Buddenbrook-Syndroms vollzogen hat. Alles dies manifestiert sich auch am Beispiel des Bruders des vorbeschriebenen Siegfried Simon Franz und dessen Nachfolgegenerationen. Gemeint ist:
Der jüngere Sohn von Victor Ägidius namens S I M O N ALPHONS VICTOR REICHSGRAF VON WIMPFFEN, geb. am 21. August 1867 in Vöslan bei Wien, gestorben am 11. April 1925 in Wien, ruhend in der Gruft der Stockau auf dem Friedhof Wien-Hietzing; verehelicht am 30. Mai 1890 mit KAROLINE GRÄFIN SZÉCHENYI, geb. am 8. März 1869 in Budapest, k. u. k. Palastdame, gest. am 27. April 1932 in Perchtoldsdorf, begraben in der Szécheny-Gruft in Czinkendorf in Ungarn; Tochter des GYULA GRAF SZÉCHENYI VON SARVAR UND FELSÖVIDEK und der KAROLINE GRÄFIN VON ZYCHY-FERRARIS. Deren vaterseitige Vorfahren, die Széchenyi, die im 16. Jahrhundert noch als einfache ungarische Bauern lebten, hatten sich zu einer Magnatenfamilie entwickelt, während die mütterseitigen solchen der Grafen Zychi mit den vornehmsten Würdenträgern des alten ungarischen Reiches verschwägert gewesen sind:
Aus dem Erbe seiner Eltern fallen ihm große Güterkomplexe in Ungarn zu. Und er wird Besitzer der Herrschaft Eichberg mit Schlossgut und Lorettokapelle mit Gruft sowie von Reitenau bei Graz und von im Wienerwald (Niederösterreich) gelegenen kleinen Neuhaus im Triestingtal, Arnstein und Fahrafeld mit dem dortigen Schloss, das in der Zeit von Maria Theresia als Jagdschloss erbaut und später im Tudorstil umgebaut worden ist. Simon Alphons Victor entwickelt sich mit seinem großartigen Vermögenshintergrund zum Typus eines aristokratischen Lebemannes, der das heute zu Weißenbach an der Triesting gehörende Örtchen Neuhaus in eine mondäne Sommerfrische mit elegantem Kurbetrieb in großem Stile verwandeln will. Dazu kauft er 1886 den im Zentrum stehenden Gutshof und baut diesen zum sog. Herrenhaus um, wo er die obere Etage bewohnt, so er nicht auf Schloss Fahrafeld weilt. 1889 beginnt er mit dem großzügigem Ausbau des Ortes. In zwei Bauphasen werden geschaffen: Ein großer Teich und ein Freibad sowie 3 Hotels (1895/97: Kurhotel Stefanie; 1910: Hotel Neuhaus, das durch Umwandlung des sog. Herrenhauses entsteht; 1911/13: Kurhotel d’Orange), mehrere Villenanlagen (1895/97: 26 sog. Alte Villen; 1911/12: 20 sog. Lufthütten zur Beherbergung insbes. von Wochenendgästen; 1911/13: 11 sog. Neue Villen). Zur Versorgung mit Wasser und elektrischem Strom, dem Statussymbol der neuen Zeit, werden ein Wasserhochbehälter am Karnerfeld und ein Pumpenhaus im Tal sowie im nahen Fahrafeld ein Wasserkraftwerk errichtet. Hinzu treten 1911/13 eine Heilanstalt zur Verabreichung von Medizinalbädern, die mit dem Kurhotel Stefanie durch einen gedeckten Gang verbunden ist. Und es entstehen am Ort im Laufe der Zeit ein k. u. k. Postamt, eine Apotheke, eine Frisierstube, drei elegante Parkanlagen, zu den Nachbarorten hin ein ausgedehnter Tiergarten, eine Kegelbahn, eine Pferdestallung, eine Reihe Garagen, in Richtung Fahrafeld ein Bahnhofshotel, ein Musikpavillon; 1913/14 wird schließlich sogar ein mit dem Hotel Neuhaus verbundener großer Saal für Festlichkeiten erstellt, der sog. Glassalon; außerdem ein Kaffeehaus, eine Rollschuhhalle, 2 Tennisplätze, 1916 noch eine vom Peilstein hinunterführende Rodelbahn. Hinter dem Schloss in Fahrafeld werden 1913, dem Grafen zu Eigen, ein Gestüt, angeblich die größte der damaligen Monarchie, und eine Pferderennbahn angelegt. Die Wettrennen sollen sich sogar von dort nach Wien, und zwar zwischen Pferden und Autos, ausgedehnt haben, die meist von den Pferdern gewonnen worden sein sollen.-
Im so großzügig ausgebauten modernen Kurort Neuhaus im Wienerwald wird das Kurhotel d’Orange zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens des Fin de siècle. Dort weilen manchmal sogar Kaiser Franz Joseph und einige der Erzherzöge sowie der kaiserliche Hof sowie Gesandte des Kaiserhauses als Gast und sind oft auch Gäste des Grafen Siegfried von Wimpffen im Herrenhaus Neuhaus oder im Schloss Fahrafeld. Graf Simons Ziel ist, dem berühmten Hotel Semmering in der Steiermark Konkurrenz zu machen. Was das Hotel Neuhaus betrifft, so wird dieses zum bekanntesten Gastbetrieb der Umgebung, zu dem zahlreiche Pferdegespanne die Sonntags- und Wochenendausflügler vom Bahnhof Weißenbach-Neuhaus zum Hotel bringen. Dessen Küche und Keller gelten als gut und billig und für die Unterhaltung der Gäste sorgt ein musizierendes Zigeuner-Emsemble.-
Zur Realisierung seiner hochfliegende Pläne hat er 1903 den ihm von seiner Großmutter Anna Maria geb. von Eskeles überkommenen zweiten Teil deren Autographensammlung und 1905/06 den Großteil der Grundherrschaften Reitenau und Eichberg, doch mit Ausnahme des dortigen Schlosses und aus Pietät einiger Wiesen, welche die Familiengrablege bergen, gegen Leibrente an seinen Vetter PRINZ THEODOR YPSILANTI (1881 – 1936), Oberstallmeister am griechischen Hof und Mitgründer des österreichischen Olympischen Komitees sowie erfolgreicher Züchter von Rennpferden, verkauft. Bereits 1923 gibt dieser die gesamte Erwerbung an Dr. Oskar Hamedinger weiter.-
Nachdem die Ehe mit Gräfin Karoline kinderlos bleibt und und später auch getrennt wird, bleibt Simon Alphons fortab alleinstehend. Er verliert nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg von 1914/18 mit Auflösung der Donaumonarchie als Folge alle seine größeren Besitzungen in Ungarn. Um 1920 verlässt er den Bereich seines intensiven Wirkens, nachdem 1917 der Glassalon abgebrannt, doch sofort wieder aufgebaut worden ist. Und er lebt fortan teils im Palais Sina in Wien, teils in seiner Villa in Mauer bei Wien, wo er hochbeleibt und 150 kg schwer sowie bevorzugt in Pepita und Großkariertem gekleidet in Erscheinung tritt und stets extravagant sich auf Rennbahnen, im Jockeyclub, auf Bällen und in den besten Restaurants aufhält. Seit langem zuckerkrank und ab 1912 von seinem Leibarzt Dr. Geza Lanyi betreut, stirbt er 1925 im Alter von 57 ¾ Jahren. Das Mausoleum im Friedhof Wien-Hietzing trägt die folgende Inschrift: „Hier ruht in Frieden / Simon / Reichsgraf / von Wimpffen / geb. am 21. August 1867 / gest. am 11. April 1925 / Obltn. d. K. u. K. Husarenregiments, / erbl. Mitglied des ungar. Magnaten- / hauses, Ritter des Großkreuzes / vom Franz-Josefs-Orden“.-
Hier sei zur Veranschaulichung des oben Berichteten angefügt:
Abb. 42: Sammelbild mit einer Fotografie von Simon Alphons Reichsgraf von Wimpffen von um 1910, darunter einer solchen dessen Schlosses Fahrafeld von ca. 1900; rechts Fotos von Bauobjekten desselben im Kurort Neuhaus: oben das Hotel Stefanie (heute), darunter das Kurhotel d’Orange (heute als repräsentative Wohnanlage dienend), dann Foto von 1913 mit der Rollschuhhalle im Vordergrund und dem Kurhotel d’Orange im Hintergrund; unten ein neues Foto der Villa Adria, das ist eine der 11 Neuen Villen, errichtet vom Vorgenannten im zweiten Bauboom 1911.
Dass sein Neffe S I M O N FRANZ MARIA als sein Erbe vorgesehen gewesen, jedoch im Ersten Weltkrieg gefallen, und an dessen Stelle dessen jüngerer Bruder namens G E O R G VICTOR SIEGFRIED getreten ist, auch über dessen Gattin sowie deren zehnköpfige Kinderschar, darüber wurde oben bereits Grundlegendes berichtet sowie angedeutet, dass die Weiterführung des sich wachsend zu einem schweren Verlustbringer entwickelnden Neuhaus als mondäner Kurort unter dessen Hand vollends ins Abwärts geraten ist. War schon das Management seines Onkels Simon, der ja mehr als Lebermann denn als Betriebswirt in Erscheinung getreten war, nicht das beste gewesen, so taten zunächst der unglückselige Ausgang des Ersten Weltkrieges und in den nachfolgendern 1820er und beginnenden 1930er Jahren die Inflation und die Weltwirtschaftskrise das ihre, um den Niedergang zu vollenden. Im April 1932 gerät er schließlich in ein ökonomisches Desaster. Zu diesem Zeitpunkt besitzt er mit Neuhaus und Fahrafeld und seinem dortigen Schloss sowie dem Schloss Eichberg, den drei Hotels, Kaffeehäusern etc. noch insgesamt 3 636 ha Grundbesitz, davon 2 800 ha Forst und 770 ha, also nur stark 20 Prozent, landwirtschaftliche Nutzfläche. Da teilt die Presse mit, dass die dortigen gräflichen Besitzungen alle unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Er habe 1930 über sein Vermögen ein Ausgleichsverfahren eröffnen lassen, weil er hochverschuldet sei. Somit muss er seine Fahrafelder Großschlächterei, Selcherei und Wurstfabrik liquidierten und kann seine Situation nur durch große Grundverkäufe sowie „freiwillige“ Versteigerung des Familiensilbers stabilisieren, so dass ihm schließlich nur noch 430 ha, d. h. nicht mehr als ein starkes Achtel der ursprünglichen Fläche, bleiben. Dennoch kann die zwölf Köpfe (darüber siehe oben) umfassende Familie, wechselnd zwischen Fahrafeld und Ungarn, noch ein herausgehobenes Leben führen. Als jedoch zum Ende des Zweiten Weltkrieges sich die russischen Truppen der ungarisch-österreichischen Grenze nähern und sich anschicken, das ostwärtige Österreich und damit auch Fahrafeld zu besetzen, sieht sich Georg von Wimpffen mit seiner Familie zur Flucht gezwungen und sie finden nach langem Umherirren schließlich auf Schloss Kainberg in der Steiermark bei den Verwandten für einige Jahre notdürftige Unterkunft und erleben dort entbehrungsreiche Jahre. Da das Schloss Fahrafeld am Kriegsende geplündert und großteils und das Schloss Aichberg teilweise abgebrannt und danach das Gut Fahrafeld wie auch die ungarischen Restbesitzungen enteignet worden sind, sieht Georg von Wimpffen in Ungarn wie auch in Österreich keine Zukufunftsperspektive mehr, so dass er 1951 mit dem Großteil seiner Familie in die USA übersiedelt.-
Zwar wird gegen Mitte der 1950er Jahre im Zuge des Abzugs der russischen Truppen und der neuen Staatswerdung Österreichs das eingezogene Fahrafelder Gut wieder an die Familie zurückgegeben. Doch steht das dortige Schloss als niedergebrannte und geplünderte Ruine da und befindet sich das Schloss Aichberg in völlig devastiertem Zustand. So sieht sich die in Fahrafeld zurückgebliebene älteste Tochter MARIA FRANZISKA REICHSGRÄFIN VON WIMPFFEN (geb. am 18. Mai 1927 in Fahrafeld, gest. am 11. Mai 2001 in Graz, begraben auf dem Friedhof Weißenbach im Triestingtal) gezwungen, am 21. Mai 1953 im Auftrag ihres Vaters die letzten Reste der einst so ansehnlichen Herrschaft Aichberg, nämlich die 1905 von Simon Alphons nicht verkauften Wiesen und das devastierte Schloss, an die Gemeinde Kleinschlag zu verkaufen. Maria Franziska schlägt sich auf dem Gut Fahrafeld notdürftig durch und betätigt sich auf Hotel Neuhaus, nachdem der Pächter 1959 aufgehört hat, sogar als Wirtin, lässt sich aber bald gesundheitshalber durch Bedienstete vertreten. Ihr folgt dort ihre nächstjüngere Schwester MARIA ANNA REICHSGRÄFIN VON WIMPFFEN, geb. am 17. April 1928 in Fahrafeld, die 1947 mit 19 Jahren als Au-Pair-Mädchen nach England gegangen, dort 15 Jahre bei der Familie des Außenministers Eden aufgenommen ist und die englische Staatsbürgerschaft angenommen hat, aber nach 15-jähriger die Tätigkeit in den beginnenden 1960er Jahren wieder heimkehrt, um ihrer erkrankten älteren Schwester Hilfe zu leisten. Doch gibt Maria Anna 1966 den Betrieb Hotel Neuhaus schließlich auf, der 1970 käuflich mit dem Glassalon an die Firma Horvath gelangt und bald danach schnell durch mehrere Hände geht. Diese bewirtschaftet, ohne Ahnung von einer richtigen Betriebsführung zu haben, wohnend Schloßstraße 2 in den umgebauten und umfunktionierten ehemaligen Stallungen des Schlosses, das noch 200 ha Grund umfassende Gut Fahrafeld. Dessen Baulichkeiten bestehen aus zwei langgestreckten parallelen Trakten, an dessen kürzeren inneren sich der Wohntrakt anschließt. Von dem dort über der Triesting gelegenen Schloss Fahrahfeld, das in den 1950er Jahren auf behördliche Anordnung aus Gründen des Hochwasserschutzes gesprengt und abgeräumt worden ist, finden sich nur noch wenige Spuren. Sie, die Sternkreuzordensdame, deren Jugend- und Schulzeit sich immer noch in gehobenen Verhältnissen und wechselnd in Ungarn (Budapest) und Österreich (Berndorf) vollzogen hat, stirbt am 2. Januar 2014 im 86. Lebensjahr nach einem ab dem Erreichen des Erwachsenenalters begonnenen Leben voll ständiger Entbehrung, Sorgen und Existenzkämpfen.-
Ein ergreifender Nachruf der Gemeinde Pottenstein-Fahrafeld spricht davon, dass sie nach Rückkunft aus England in ihre Heimat unverheiratet ihren Sohn ARNO VON WIMPFFEN (geb. am 7. März 1963 in Wien) zur Welt gebracht und Zeit ihres Lebens mit dem Rücken zur Wand gestanden habe. Immer habe sie ihre eigene Bedürfnisse hintenan gestellt, sich nichts gegönnt, kein gesellschaftliches Leben gepflegt, nur damit sie die Schulden abbezahlen und ihrem Sohn eine gute Ausbildung ermöglichen konnte. Durch ihre von ständigen Sorgen geprägten Lebensumstände sei sie sich sebst wie auch anderen gegenüber mit einer gewissen Härte begegnet. Sie sei eine unglaublich gerade Person gewesen, die man nicht verbiegen konnte, die aber auch ein großes Herz gehabt habe und die Bedürfnisse anderer unter ihre eigenen stellte. Ihre Tüchtigeit, Genauigkeit und Disziplin brachten ihr die Achtung all jener, die mit ihr zu tun hatten oder mit ihr arbeiteten. Die am Kopf der Todesanzeige aufgeführten Namen spiegeln die folgenden familiären Gegebenheiten des beginnenden Jahres 2014 wider:
Der Sohn:
ARNO VON WIMPFFEN;
dessen Gemahlin:
KATINKA VON WIMPFFEN, GEB. KÉKESSY VON DER HEIDE;
deren drei Kinder:
MAXIMILIAN, GEORG und PHILIPP VON WIMPFFEN;
die vier Tanten (d. h. die noch lebenden Schwestern der Verstorbenen):
MARIA THERESIA DRESSEL VON DROSSEL, GEB. GRÄFIN VON WIMPFFEN;
MARIA ELISABETH CSUKÅSY-GARTNER VON CSUKÅS, GEB. GRÄFIN VON WIMPFFEN;
MARIA NOTBURGA GRÄFIN VON WIMPFFEN;
MARIA AGNES CHATTERJEE, GEB. GRÄFIN VON WIMPFFEN.
Von diesen vorbeschriebenen beiden ältesten in Fahrafeld gebliebenen Schwestern sowie deren in die USA ausgewanderten und dort verstorbenen Eltern konnte je eine nachstehend gezeigte Fotografie gefunden werden:
Abb. 43a, 43b, 43 c: Fotografie (mittig) von GEORG VICTOR SIEGFRIED (1896 – 1968) und seiner Gattin JAQUELINE VON WIMPFFEN (1903 – 1991) von 1926 sowie (seitwärts) von ihren zwei ältesten Töchtern (links) MARIA FRANZISKA (1927 – 2001) in jugendlichem und (rechts) MARIA ANNA (1928 – 2014) in fortgeschrittenem Alter.
Was die Person des am 13. März 1963 in Wien geborenen und jetzt in besten Alter von 52 Jahren stehenden ARNO GRAF VON WIMPFFEN anbelangt, so besuchte dieser dank der Obsorge seiner Mutter das traditionsreiche Römisch-katholische Private Elite-Gymnasium mit Internat Kalksburg im Wiener Gemeindebezirk Liesing am Rande des Wienerwaldes, wo er 1981 die Matura ablegte. Anschließend studierte er Forstwirtschaft und arbeitete nach Erlangung des entsprechenden Diploms zunächst in Luxemburg und Brüssel für den Verband der europäischen Papierindustrie und für die SCA (Svenska Cellulosa Aktiebolaget). 2003 heiratete er KATINKA KÉKESSY VON DER HEYDE, Tochter eines ungarischen Botschafters. Er gab jedoch seine internationale Karriere auf, um in Fahrafeld seinen Hauptwohnsitz haben und die Reste des Besitzes in Gestalt von 200 ha Grund bearbeiten und für die drei Söhne erhalten zu können. Seit 2007 betreibt das Ehepaar noch ein an sie von den KÉKESSY übergegangenes Weingut im Erzeugungsgebiet bester Lage des edlen Tokajer Weines mit an traditionstreichem Ort errichtetem Presshaus. Die 120 000 Flaschen im Topsegment werden unter der Marke Patricius bis Brasilien und Japan verkauft.
Hierzu seien abschließend drei Fotos gezeigt:
45a: Arno Graf von Wimpffen im Hof seines Gutes Fahrafeld;
45b: Arno Graf und Katinka Gräfin von Wimpffen präsentieren sich mit einigen Flaschen des auf ihrem Weingut erzeugten Tokajerweines;
45c: Das Weingut Patricius im berühmten ungarischen Weinbaugebiet Tokaj im Nordosten Ungarns.
Der Blick ans mittlere Ende der II. Stammtafel, wo diese ergänzend, bezogen auf die Gräfliche Linie derer von Wimpffen, bis zur Generation XXc bzw. 19c der Gegenwart, weitergeführt ist und der Sohn EMANUEL des FRANZ MICHAEL VON WIMPFFEN sowie die drei Söhne MAXIMILIAN, GEORG und PHILIPP des ARNO VON WIMPFFEN erscheinen, lässt erwarten, dass diese Linie in zwei Zweigen weiterbestehen wird.
S. Wie zwei der vielen Enkel des Zweiggründers Franz Ludwig namens FRANZ LUDWIG (1752 – 1823) und GERMAIN bzw. HERMANN VON WIMPFFEN (1749 – 1820), der eine bleibend, der andere vorübergehend, in Württemberg Fuß fassen und deren Vetter Freiherr FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN (1784 – 1845), Jüngster der sechs Söhne des Erstgenannten, im Dienste von König Wilhelm I. von Württemberg es bis zum Generalmajor und dessen Generaladjudanten bringt und durch diesen sich in der Residenz Stuttgart eine Württembergische Nebenlinie der Freiherren von Wimpffen bildet, deren Angehörige dort über 5 ½ Jahrzehnte hinweg bis Mitte der 1860er Jahre dort im Militär- , Adjudanten-, Kammerfrauen- und Kammerherrendienst stehen.
Nunmehr wieder zu den Freiherren von Wimpffen zurückkehrend, jedoch die Beschreibung der Nachkommen des in Kapitel O ausgiebigst behandelten Begründers des Franzens-Zweiges FRANÇOIS LOUIS (FRANZ LUDWIG) DE (VON) WIMPFFEN unterbrechend, seien zunächst kurzgefasst die in das Herzogtum bzw. ab 1806 Königreich Württemberg, im ersten Fall dauerhaft, im zweiten Fall vorübergehend geführten Lebenswege der zwei ältesten der drei am Leben gebliebenen Söhne dessen ältesten Bruders namens STANISLAUS GUSTAV LUDWIG (1721 – 1793) geschildert. Diese finden sich in der II. Stammtafel in der blauen Generationsreihe XIVa bzw. 12a folgendermaßen verzeichnet: FRANZ LUDWIG, geb. 16. Februar 1752; HERMANN, geb. 8. August 1854, gest. 11. März 1818. Diese Abschweifung macht deshalb Sinn, weil dieses Bruderpaar quasi als Vorläufer der Einwanderung der französischen de Wimpffen in das Herzogtum bzw. ab 1806 Königreich Württemberg sowie Wegbereiter des dortigen Aufstiegs ihres nunmehr eigentlich vorrangig zur Behandlung anstehenden und um mehr als drei Jahrzehnte jüngeren Vetters und ältesten der sechs Söhne des Vorgenannten namens FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFEN (1884 – 1845), des Begründers der Württembergischen Nebenlinie derer Von Wimpffen (siehe diesen am Ende der durchgehenden grünen Generatioinslinie IVXc bzw. 12c), gelten können.
Was deren aller Tätigkeit in Württemberg und ganz speziell in Stuttgart betrifft, so wurden von mir, um bestehende Unklarheiten sowie die lückenhafte Überlieferung aufzuhellen, im August und Oktober 2013 im Archiv der Stadt Stuttgart diesbezüglich umfängliche Quellen-Recherchen durchgeführt. Während FRANZ LUWIG VON WIMPFFEN, wie bereits dargelegt, nach rund zweieinhalb Jahrzehnten der Tättigkeit als Militär wieder nach Frankreich zurückgekehrt und dann in die Strudel der Französischen Revolution und der nachgefolgten Koalitionskriege hineingeraten war, kehrte der nunmehr zur Behandlung kommende Erstgenannte der beiden Brüder bzw. seinen Namen tragende Enkel des Vorgenannten nicht mehr nach Frankreich zurück und fand sein Grab in Stuttgart:
FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (geb. – hier gegenüber der II. Stammtafel verändert – am 10. Februar 1752, gest. am 17. Januar 1823 in Stuttgart): Folgen wir Wurzbach (dort: Lebensbeschreibung Nr. 17), so diente dieser „vorerst als königlich französischer Hauptmann im deutschen Regimente La Mark (1775 – 1785), wurde noch General in französischen Diensten und kam dann als wirklicher geheimer Rath und erster Kammerherr der Königin Witwe von Württemberg nach Stuttgart, wo er als Minister und Obersthofmeister des Königs starb.“ Mit der Vorgenannten ist die englische Königstochter CHARLOTTE MATHILDE VON GROSSBRITANNIEN (1766 – 1828) gemeint, die im Mai 1897 mit FRIEDRICH VON WÜRTTEMBERG (1754 – 1816) die Ehe schloss, der im Jahr der Eheschließung Herzog, 1803 Kurfürst und 1806 König von Württemberg (von Napoleons Gnaden) wurde und dem 1816 im Herrscheramt sein oben bereits aufgeführter Sohn KÖNIG WILHELM I. VON WÜRTTEMBERG gefolgt ist. Meine ausführliche Spurensuche im Stadtarchiv Stuttgart erbrachte bezüglich der Diensttätigkeiten und Dienstränge dieses Franz Ludwig (wohlgemerkt: des Vetters von Friedrich Wilhelm von Wimpfffen, nicht zu verwechseln mit dessen gleichnamigem Vater!) Fakten, durch welche die vorstehenden Angaben von Wurzbach gewisse Korrekturen erfahren müssen. Hier nun die gefundenen Tatsachen in chronologischer Folge (wichtige Örtlichkeiten durch Unterstreichung herausgehoben):
-1799: Erstmalig lässt dieser sich, bezogen auf das vorgenannte Jahr, in den sog. Seelbeschreibungen der Stadt Stuttgart als Haushaltsvorstand Nr. 321 des Namens und Berufs „von Wimpfin, Kammerherr“ nachweisen, dessen Wohnplatz sich in der „Reichen Vorstadt“ befand. Das war die ausgedehnte nordwärtige Vorstadt, die sich um das damalige Bürger-Hospital (mit Spitalkirche) erstreckte. Diese hatte das Prädikat „reich“ deshalb erhalten, weil sie im Gegensatz zum alten unregelmäßig, engstens bebauten und somit als hässlich, schmutzig und ungesund empfundenen alten Stadtkern regelmäßig und weiträumiger bebaut sowie höher gelegen war, folglich als gesünder und damit als das „bessere Viertel“ galt. Der Genannte wohnte dort zur Miete. Laut „Seelbeschreibung“ der Jahre 1794 und 1800 befand sich Haus Nr. 321 im Besitz des dieses ebenfalls bewohnenden Buchhändlers Franz Christian Löfflund. Da „Kammerherr von Wimpfin“ sich dort im letztgenannten Jahr nicht mehr als Mitbewohner, stattdessen „Frau Petif Wittib“ aufgeführt findet, ist zu schließen, dass er die Wohnung um diese Zeit gewechselt hat. In seiner Eigenschaft als herzoglich-württembergischer Kammerherr dürfte diesem die Bedienung, Handreichung und insbesondere Begleitung beim Ausfahren, Ausreiten und Außerhausgehen des Herrschers und/oder seiner Gemahlin sowie anderer im Schlosse anwesender hoher bis höchster Herrschaften sowie auch das Überbringen von Botschaften und Leistung von notwendigen Diensten inner- und außerhalb der Hofhaltung der verschiedensten Art, außerdem die Organisation der herrschaftlichen Reisen und deren Begleitung auf diesen als eine Art Gesellschafter oblegen haben. In dieser herrschernahen Tätigkeit war er freilich nicht allein, sondern es übten diese Tätigkeit am Hofe immer mehrere solche aus, über denen ein Oberstkammerherr stand.
-1804: Im Adress-Verzeichnis des vorgenannten Jahres finden wir diesen dann als „von Wimpfen, Kammerherr“ verzeichnet, der in einer der vielen von höchsten bis niedersten adligen wie nichtadligen Hofbediensteten und Militärs und deren Familien bewohnten sog. Logiren der „ehemaligen Akademie“ wohnt. Mit dieser war der hinter dem Königlichen Residenz-Schloss sich anfügende mächtige Baukomplex gemeint, der einst die 1770 von Herzog Karl Eugen als „Militärakademie“ auf der Solitude begründete und hernach von 1775 – 1793 in Stuttgart bestandene berühmte „(Hohe) Carlsschule“ beherbergt hatte. Hier gilt es, noch einmal zu erinnern, dass in den Anfängen dieser in militärischer Strenge geführten Elite-Bildungs- und Erziehungeinrichtung die beiden ältesten Söhne des FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (1732 – 1800) namens GEORG (1760 – 1807) und FRANZ KARL EUGEN VON WIMPFFEN (1762 – 1835) als Zöglinge aufgenommen gewesen sind. In welch illustrer Wohnnachbarschaft sich der aus seinen von Frankreich okkupierten Stammlanden nach Württemberg eingewanderte von Wimpffen-Abkömmling Franz Ludwig befand, geht hervor aus
Abb. 46: Die im Adressbuch der Stadt Stuttgart verzeichnete (auf die Familienvorstände beschränkte) Bewohnerschaft der sog. ehemaligen Akademie des Jahres 1804,
wo der Gesuchte in der 5. Zeile zu finden ist. Von besonderer Bedeutung erscheint vorwegnehmend, dass unter den vielen Adelsnamen auch die Nachnamen „von Moltke“ (Ober-Lieutenant) und „von Lüzow“ (Ober-Jägermeister) und damit jene solchen erscheinen, welche die Herkunft der an späterer Stelle im Zusammenhang mit FRIEDRICH WILHELM zu umreißenden ELISABETH (auch: ELISE) VON MOLTKE aufzeigen, deren Mutter FRIEDERIKE VON LÜTZOW gewesen ist und durch deren Heirat des Jahres 1817 mit FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN dessen Adelsgeschlecht sich insbesondere mit dem der VON MOLTKE und letztlich auch mit dem der VON LÜTZOW verband.
-1811: In diesem Jahr lässt sich FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN an zwei Stellen fassen: Zum einem im Personen-Register des Stuttgarter Adressbuches durch den folgenden Eintrag: „Friedrichstraße 2 … Wimpffen, Frhr., Major, Kammerherr und Adjutant Seiner Majestät d. Königs (a. D.)“. Das Haus Friedrichstraße 2 lag schräg gegenüber der Innenfront des im Nordwesten des Stadtberings gelegenen sog. Friedrichs-Thores. Zum andern erscheint er im alphabetischen Namensverzeichnis dieses Adressbuches in der folgenden anderen Form: „im Königlichen alten Schlosse … Königliches Schloß-Nebengebäude“ v. Wimpfen, Major, erster Kammerherr ihrer Maj. der Königin“. Also dürfte sich damals dessen Funktion am württembergischen Hofe in der Weise verändert haben, dass er als Kammerherr jetzt nicht mehr König Friedrich, sondern der Königin Charlotte Mathilde, und zwar aufgestiegen zum ersten solchen, zugeordnet war, womit vermutlich auch der angeführte Wohnungswechsel zusammenhängt. Höchst aufschlussreich ist es, aus dem Personenregister die vielen dortigen adligen und nichtadligen Mitbewohner des Nebengebäudes des Alten Schlosses sowie deren großteils hohen bis höchsten militärischen und (meist gleichzeitigen) hofdienstmäßigen Funktionen zu erfahren und somit wahrzunehmen, in welch ranghoher Umgebung Franz Ludwig von Wimpffen zu wohnen für würdig befunden worden ist:
Fürst Hohenl.-Schillingsfürst, Capitaine des Gardes, Generallieutenant von Späth, Rittmeister, Königlicher Flügeladjudant
Freiherr von Dillen, General-Ober-Intendant, General-lieutenant von Bernhausen, Kammerherr
von Collignon, Hauptmann, Cadetten-Institut
Graf von Jenison, Oberst-Kammerherr von Dillmann, Hauptmann, Cadetten-Institut
von Lüzow, Oberstjägermeister Hahn, Aufseher, Cadetten-Institut
von Münchhausen, Hofmarschall Reichert, Aufseher, Cadetten-Institut
von Scheeler, General-Lieutenant, Generaladjudant Mann, Aufseher, Cadetten-Institut
von Vellnagel, Staats-Sekretär Schwilg, Aufseher, Cadetten-Institut
von Wimpffen, erster Kammerherr Ihro Majestät der Königin Reichert, Aufseher, Cadetten-Institut
Reinhard, Hauptmann, Trabanten-Wachtmeister
von Geismar, Reichs-General-Ober-Post-Direktor von Düvernoy, Leibmedicus
Frau von Königseck von Bernard, Geheimer Hofrat
von Beulwitz, Obrist, Direktor der geheimen Kriegs-kanzlei Lehr, Hofrat, Privat-Bibliothekar
Schinz, Hofprediger
von Moltke, Obrist Holland, Jagd-Sekretär
Graf von Beroldingen, Obrist Pfau, Bibliothekar
von Breuning, Oberst-Lieutenant Hirsch, Hof-Fourier
Prinz von Hohenlohe Kirchberg, Oberst-Lieutenant, Kö-niglicher Flügeladjudant Barmann, Bereiter
von Lüzow, Rittmeister, Königlicher Flügeladjudant Beck, Kammerdiener
-1823: Schließlich ist im Kirchenregister der Stadt Stuttgart dessen Tod wie folgt vermerkt: „1823 am 17. Januar: Franz Freiherr v. Wimpfin 1. Geheimer=Rath und 1. Kammerherr der Königin Majestät Witwe, ledig, alt 72 Jahr – Entkräftung.“ Die dort angegebenen Funktionen seiner letzten Lebenszeit am Hofe vertragen sich mit jenen von Wurzbach (siehe oben) angegebenen solchen als „Minister und Obersthofmeister des Königs“ nicht und sind dahingehend zu korrigieren, dass dieser, wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, zunächst bis ca. 1811 die Ämter des Wirklichen Geheimen Rates und Kammerherrn von KÖNIG FRIEDRICH VON WÜRTTEMBERG und danach, d. h. zuletzt, die des ersten Kammerherrn der KÖNIGIN bzw. (ab 1816) KÖNIGINWITWE CHARLOTTE MATHILDE VON WÜRTTEMBERG GEB. PRINZESSIN VON GROSSBRITANNIEN innegehabt hat. Als Obersthofmeister und erster Kammerherr war er laut dem neuen Rangreglement der Königlichen Hofbediensteten, Beamten und Offiziere des Jahres 1811 immerhin in die zweitoberste der damaligen 10 Klassen eingestuft und stand z. B. einem Generalleutnant gleich. Unverrückbar fest steht Karl Ludwig von Wimpffens Nähe zur vorgenannten u. a. mit dem französischen Sprache bestens vertrauten, hoch gebildeten, sehr vermögenden sowie vom Volke bestens geschätzten Königin (ab 1806) bzw. Königin-Witwe (ab 1816) Charlotte Mathilde. Ganz sicher hat diese ihren ersten Kammerherrn auch wegen seiner in jüngeren Jahren unternommenen großen Reisen und daraus schöpfenden schriftstellerischen Tätigkeit geschätzt. Wie Wurzbach schreibt, wurde dieser bekannt „durch seine Reisen in Amerika und im Innern Africas, die er von 1788 – 1791 unternahm“. Diese und andere Reisen desselben (u. a. auch nach England, dem Heimatland der Königin) sind durch die folgenden beiden Schriften dokumentiert:
-a. Voyage à Saint-Domingue, pendant les années 1788, 1789 et 1790; par le Baron de Wimpffen, Tome premier. A Paris 1797. Chez Cocheris Imprimeur-Libraire, cloître Saint-Benoit, n. 352, Sections des Thermes, Au cinquième de la Republique; Tome second, Paris 1798. Deutsche Ausgabe: Des Freyherrn von Wimpffen neueste Reisen nach San Domingo oder Nachrichten über die geographischen, physischen, statistischen, moralischen und politischen Verhältnisse dieser Insel aus dem Französischen nach einer ungedruckten Handschrift des Verfassers, Erster Teil Erfurt 1798, Zweiter Teil Erfurt 1799; gewidmet Seiner herzoglichen Durchlaucht dem Erbprinzen von Wirtemberg und Teck. Neu unter anderem Titel präsentierte und mit Anmerkungen versehene gekürzte französische Ausgabe: Haïti au XVIIIème siècle, Richesse et esclavage dans une colonie française. Edition présentée et annotée par Pierre Pluchon, erschienen bei: Karthala Editions, Paris 1993, 320 Seiten. Eine aktuelle 594-seitige Taschenbuch-Ausgabe des Originals ist unter dem folgenden unrichtigen Verfassernamen und identischem Titel erschienen: Alexander Stanislas de Wimpffen. Des Freiherrn von Wimpfen neueste Reisen nach Saint Domingo oder Nachrichten über die geographischen, physischen, statistischen, moralischen und politischen Verhältnisse dieser Insel aus dem Französischen nach einer ungedruckten Handschrift des Verfassers (Reprint of the Original from 1799); EOD Reprint provided by University Library of Greifswald 2012.
-b. Briefe eines Reisenden, geschrieben aus England und Frankreich, einem Theil von Africa und aus Nord-America, von dem Freyherrn, wirklichem geheimen Rath und ersten Kammerherrn Ihro Majestät des Königs von Würtemberg, aus der französischen Handschrift übersetzt und herausgegeben von P. J. Rehfues, Hofrath und Bibliothekar Seiner königlichen Hoheit des Kronprinzen von Würtemberg und korrespondierendem Mitglied der italienischen Akademie zu Florenz, Darmstadt 1814.
Wenn nunmehr die Beschreibung des Lebens des ebenfalls aus dem Militärdienst Frankreichs in den von Württemberg, wenngleich nur vorübergehend, gewechselten Bruders des Vorbeschriebenen namens HERMANN VON WIMPFFEN, ursprünglich GERMAIN DE WIMPFFEN, laut Wurzbach geb. am 3. August 1754, gest. am 11. März 1818, laut Dr. Hans H. von Wimpffen (sicher richtigerweise) am 8. Oktober 1749 in Neuwiller/Elsass, gest. am 3. Februar 1820 in Neuf-Brisach/Elsass, ansteht, so ist darauf hinzuweisen, dass dieses bereits in Kapitel O im Zusammenhang mit dessen erfolgreicher Verteidigung der Festungsstadt Philippeville des Jahres 1792 im Koalitionskrieg sowie der Festungsstädte Thionville und Neuf Brisach durch dessen Oheime FÉLIX DE WIMPFFEN und FRANÇOIS DE WIMPFFEN umrissen worden ist. Da vom vorgenannten Autor unter www.wimpffen.hu, Rubrik biographien, eine drei Seiten umfassende und somit ausführliche Lebensbeschreibung des Titels „Germain (Hermann) de Wimpffen“ vorliegt, soll hier auf Nennung von Weiterem verzichtet werden, ausgenommen die resumierende Feststellung, dass dieser von ca. 1800 bis 1812 im Königreich Württemberg zuerst als Militärorganisator und später als Gesandter Württembergs in Berlin sowie schließlich als Teilnehmer an den Kriegen Württembergs im Dienste Napoleons tätig gewesen ist, bis dieser ihn wieder in die direkten solchen nach Frankreich zurückgerufen hat. Dass bei meinen Recherchen im Stadtarchiv Stuttgart keinerlei Spur des Hermann von bzw. Germain de Wimpffen zu finden war, dürfte wohl weniger auf die große Lückenhaftigkeit der Stuttgarter Adressbücher dieses Zeitraumes als sehr viel mehr auf den Umstand zurückzuführen sein, dass dieser nicht in der Residenz Stuttgart sondern in den württembergischen Landen allgemein, dazuhin kriegsbedingt außerhalb derselben Dienste geleistet hat.
Wenn wir uns nunmehr, die Lebensläufe des Viert- und des Fünftältesten der Söhne des FRANÇOIS DE WIMPFFEN namens FÉLIX (1778 – 1814) bzw. DAGOBERT SIGISMUND (1782 – 1862) überspringend, dem sechsten und jüngsten Sohn desselben namens FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN, geb. – wie wir schon wissen – am 27. August 1784 in Khirn an der Nahe, gestorben am 16. März 1845 in Stuttgart, zuwenden, soll zunächst das aufgeführt werden, was Wurzbach in Nr. 18 seiner Lebensbeschreibungen über diesen zu berichten weiß: „Ein Sohn des Freiherren F r a n z L u d w i g und der M a r i e K u n i g u n d e von G o y … trat er früh in württembergische Kriegsdienste, in welchen er zuletzt Generalmajor und Generaladjudant des Königs (Wilhelm I.) war. 1817 vermählte er sich mit Elise geborene Freiin von Moltke (geb. 27. Mai 1793, gest. 8. August 1832). Die Kinder aus dieser Ehe: zwei Söhne W i l h e l m und D a g o b e r t , welche Beide ihre Zweige fortpflanzten, und zwei Töchter, deren jüngste, P a u l i n e , sich mit ihrem Vetter G u s t a v A d o l f F e l i x , einem jüngeren Bruder des k. k. Feldzeugmeisters verheiratete, sind aus der Stammtafel ersichtlich (siehe die grüne Generationslinie XVc bzw. 13c).“ Ob es der Zufall so gewollt hat oder ob die vorbeschriebenen damals in der württembergischen Residenz Stuttgart bzw. in Württemberg tätigen beiden älteren Vettern Franz Ludwig und Germain hier mitgewirkt haben, Tatsache ist, dass alle diese drei zunächst in den Militärdiensten ihres französischen Heimatlandes gestandenen De Wimpffen-Abkömmlinge um 1810 sich gleichzeitig in den Diensten des Königreiches Württemberg finden. Dieses wird besonders darin evident, dass die nunmehr ebenfalls in chronologischer Folge dargelegten Ergebnisse der auf Friedrich Wilhelm bezogenen ergiebigen Recherchen im Stadtarchiv Stuttgart, was die Jahresangeben betrifft, zunächst mit den vorhergehenden auf Franz Ludwig und Germain bezogeneh solchen korrespondieren:
-1811: Frühestens lässt sich FRIEDFRICH WILHELM VON WIMPFFEN (damals also 27 Jahre alt) in Stuttgart im Adressbuch des genannten Jahres in der (wenig südwärtig des Hospital-Komplexes verlaufenden) „Rothe Straße Nr. 197“ und damit – wie früher sein Vetter Franz Ludwig, der zu dieser Zeit in einem Nebengebäude des Alten Schlosses wohnt – in der „Reichen Vorstadt wohnend – als „v. Wimpfen, Major beim Generalstaab“ vermerkt finden. Als Hausbesitzer ist die Kammerherren-Witwe von Palm vermerkt; die übrigen Hausbewohner sind: die Obristen-Witwe von Gemmingen und die ledige Dame von Poulanger, die Unterricht im Stricken und in der französischen Sprache erteilt.
-1817: Dessen nachfolgend immer wieder angesprochene Heirat mit der Hofdame der Königin (Pauline) namens ELISABETH (auch: ELISE) VON MOLTKE am 6. Dezember 1817 ist im gedruckten chronologischen Kirchenregister wie folgt dokumentiert (Passagen in Aufrechtschrift = Anmerkungen des Verfassers; diese Anmerkung gilt auch für die nachfolgenden Zitierungen): „December. Schl. (gemeint: registriert im Bezirk der Schlosskirche) 6. (Dezember) Herr Friedrich Wilhelm Heinrich Freih. v. Wimpfen, Cammerherr, Obrist (also jetzt befördert) u. Adjutant S. Majestät des Königs (Wilhelm), Command. des Militär=Verdienst=Ordens 2ter Classe, Ritter des Kaiserl. Russ. St. Annen=Ordens 2ter Classe und des Oesterr. Leopolds=Ordens, auch Offizier der Kön. Franzöß. Ehren Legion, led.- Fräul. Elisabethe Marie Louise v. Moltke, Herzogl, Mecklenburgischen Gereral=Majors Fräulein Tochter.“ Aus dem damit übereinstimmenden alphabetischen Familienregister von Paul Nägele lassen sich, mit den anderen bereits zitierten Quellen korrespondierend, die folgenden ergänzenden Fakten entnehmen: Der vollständige Name des Vaters und der Vor- und Mädchenname der Mutter der Braut lauten „Adolf von Moltke“ bzw. „Friederike geb. von Lützow“. Die durch diese Heirat entstandene verwandtschaftliche Verbindung zwischen dem französisch-württembergischen Hause derer VON WIMPFFEN und dem dänisch-mecklenburgischen Hause derer VON MOLTKE dürfte in Anbetracht der den beiden Adelsgeschlechtern zu eigenen Freiherrenwürde sowie des von den Vätern in beiden Fällen erreichten militärischen Ranges des Generalmajors als in vollem Maße standesgerecht gegolten haben.
-1818: Unter den aus dieser Ehe hervorgegangenen 4 Kindern, je 2 Jungen und Mädchen, war die am 10. 11. 1818 in Stuttgart geborene KATHARINA (auch: KATHARINE; benannt nach Katharina Großfürstin von Russland, 1788 – 1819, der zweiten Gattin von König Wilhem I. von Württemberg) die Älteste. Diese blieb, wie es in adligen Familien und auch bei den von Wimpffen immer wieder geschah, ledig und wurde Mitglied (Stiftsdame, später Ehrenstiftsdame) des 1667 für unversorgte Mitglieder des bayerischen Landadels gegründeten Damenstifts St. Anna in München an der Damenstiftstraße, einer in der Säkularisationszeit nach und nach mehr oder minder insbesondere durch die Abschaffung des gemeinsamen Lebens verweltlichten und jetzt auch für Protestantinnen und nichtadlige Damen offenen Versorgungsanstalt. Dass diese nach München ging, ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass eine dort lebende (an späteren Stellen noch in Erscheinung tretende) Tante (Schwester der früh verstorbenen Mutter), FRAU VON SÉVÉRIN, GEB. FREIIN VON MOLTKE, Gattin des KK. Russischen Gesandten in München, Einfluss nahm.
-1820: Es folgte am 21. Juni 1820 die Geburt des ersten Sohnes WILHELM (erwähnt als wichtige Zielperson bereits i9n den Kaspiteln A, L, N, O), so genannt nach dem damals regierenden württembergischen König. Während die Geburt dessen älterer Schwester Katharina nicht einzusehen versucht wurde, ergab die diesbezügliche Nachschau im Stuttgarter Kirchenreghister im Falle von Wilhelm die folgende ungekürzt wiedergegebene instruktive umfängliche Eintragung von dessen Geburt sowie der vier Tage danach vollzogenen Taufe:
-„Kind, Kirche, Geb. u. Get. (geboren und getauft): 21. und 25. Juni. Marie Paul Wilhelm – (offenbar in Erweiterung der Vornamengebung) 29. Aug. u. 30. Sept. Friedrich Wilhelm Paul Dagobert Carl Julius
-Vater: Herr Friedrich Wilhelm v. Wimpfen, wirklicher Kammerherr Oberst und Adjutant S. M. des Königs – (bezogen auf den 29. u. 30. Sept.) Herr Friedrich Wilhelm Heinrich Freiherr v. Wimpfen, wirklicher Kammerherr, Obrist u. Adjutant des Königs Majestät
-Mutter: Frau Elisabethe Marianne Louise von Moltke, Hofdame bei I. M. d. regier. Königin – (bezogen auf den 29. u. 30. Sept.) Freifrau Elisabeth Marianne Louise, geb. Freiin von Moltke, Hofdame der Königin Majestät
-Tauf-Pathen: Se. Majestät der König (Wilhelm) – Ihre Majestät die Königin (Pauline) – Ihre kaiserliche Hoheit die Frau Großfürstin Marie von Russland, Erbgroßherzogin von Weimar (1786 – 1859; jüngste Schwester der verstorbenen württembergischen Königin Katharina; verheiratet mit Erbgroßherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar) – (bezogen auf den 29. u. 30. Sept.) Se. Maj. der König – Ihre Majestät die Königin – Hr. Baron (Karl) von Seckendorf, Obrist-Hofmeister des Königs – (dessen) Fr. (Melanie) von Seckendorff (geb. von Spiegel aus Weimar), Staatsdame Ihrer Maj. der Königin – Frau Generalin von Moltke (Mutter bzw. Schwiegermutter der Eheleute von Wimpfen) – Abw. (abwesend) Hr. Obrist Dagobert von Wimpfen (gemeint: Dagobert Sigismund von Wimpffen, der nächstältere Bruder des Vaters, 1782 – 1862, verheiratet mit Anatolie von Cauvigny; Offizier der französische Armee, der an den napoleonischen Feldzügen gegen Preußen, Österreich und Russland teilgenommen hatte und mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet worden war; damals Oberst im 7. französischen Chausseur-Regiment; erscheint 1834 als Brigadegeneral und Commandant des Departements de l’Orne) – Hr. v. Moltke, Russischer Legationsrat (vermutlich ein Onkel oder Bruder der Braut).“
Das an der Spitze der üblicherweise langen Liste der Paten stehende königliche Paar sowie diesem folgend die aus dem russischen Kaiserhaus der Romanow stammende Anverwandte und danach schließlich der höchstgestellte Würdenträger der Hofbeamtenschaft lässt die damalige hohe gesellschaftliche Rangstellung der Von-Wimpffen-Familie innerhalb der Stuttgarter Hofgesellschaft spüren, welche daraus erwachsen sein dürfte, dass damals gleich zwei ihrer Repräsentanten in hohe württembergische Offiziers- und Hofbedienstetenämter aufgestiegen waren und diese jeweils wohl gut versahen. Von den bei Wurzbach in der II. Stammtafel angegebenen drei Vornamen WILHELM MAX. (MAXIMILIAN) PAUL ist der mittlere im Hinblick auf die Taufakten als falsch anzusehen.
-1821 und 1822: Am 29. August 1821 folgte die Geburt des zweiten Sohnes DAGOBERT und am 13. Juni 1822 die der zweiten Tochter bzw. des vierten und letzten Kindes, die nach dem Vorbild der Königin der Vorname PAULINE gegeben wurde. Die kurzgefasste Eintragung der Geburt und Taufe der Letztgenannten im Stuttgarter Kirchenregister des vorgenannten Jahres, wo wiederum König Wilhelm und Königin Pauline als Paten genannt sind, lautet:
-„Kind: Hofk. (Hofkirche) 13. Juli und 11. Aug. Pauline Wilhelmine
-Vater: Hr. Friedrich Wilhelm Heinrich Freiherr von Wimpffen (der Nachname ist jetzt also mit ff geschrieben!), wirklicher Kammerherr Obrist, Adjutant Sr. Mäjestät des Königs
-Mutter: Fr. Elisabethe Marianne Louise, geb. Freiin von Moltke, Hofdame d. Königin Majestät
-Taufpaten: Se. Majestät der König, Ihre Majestät die Königin.“
-1829, d. h. 7 Jahre danach bzw. 6 Jahre nach dem Tod des Vetters Franz Ludwig, findet sich FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN im Personenverzeichnis des Stuttgarter Adressbuches als im „Königlichen Schloßbau“, d. h. im Neuen Schloss, wohnend und mit „v. Wimpfen, Generalmajor“ verzeichnet. Somit war dieser in der Offiziers-Stufenleiter noch weiter hochgestiegen. Seinem Namen beigefügt ist „v. Wimpfen, Fräulein“, was sich, wie an späterer Stelle zu ersehen, auf dessen bei ihm und seiner Familie wohnende ledig gebliebene zweitjüngste seiner 6 Schwestern AMALIE VON WIMPFFEN (geb. am 8. November 1774 in Stuttgart) bezieht. Dieselbe Eintragung, doch mit der erweiterten Titulierung „General-Major, Adjutant des Königs“, findet sich in der nachfolgend gezeigten
Abb. 47: Alphabetische Auflistung (oben) jener Hofbediensteten sowie Militärs im „Stuttgarter Adress-Buch u. Wegweiser …“ des Jahres 1829, die damals ihren Wohnsitz im Stuttgarter „Königlichen Schloßbau“ hatten.
-1832: Überraschenderweise blieb die intensive Suche im Stuttgarter Kirchenregister nach dem durch andere Quellen belegten frühen Tod der Gattin und Mutter ELISABETH (ELISE) VON WIMPFFEN, GEB. VON MOLTKE, im Alter von nur 37 Jahren am 8. August 1832 erfolglos, so dass angenommen werden muss, dass diese anderswo, vielleicht am Ort einer auswärtigen Behandlung oder Kur, verstorben ist.
Durch die hohe militärische Rangstellung sowie die Nähe zur Person von KÖNIG WILHELM I. VON WÜRTTEMBERG infolge der Zuordnung des Vaters zu diesem als Adjudant sowie das gesellschaftliche hohe Ansehen der Wimpffen-Familie war den beiden Söhnen WILHELM VON WIMPFFEN und DAGOBERT VON WIMPFFEN die Gunst beschieden, Spielkameraden und Jugendfreunde des knapp 3 bzw. 2 Jahre jüngeren KRONPRINZEN KARL VON WÜRTTEMBERG (geb. am 06. März 1823) sein zu dürfen. Wie aus den nachfolgend aufgeführten und mit den bisherigen genealogischen Angaben übereinstimmenden weiteren greifbaren Adressbuch-Eintragungen der nachfolgenden anderthalb Jahrzehnte hervorgeht, hatte die zusammen mit der bereits genannten Schwester bzw. Tante Amalie von Wimpffen nach dem Tod der Mutter Elisabeth (Elise) von Wimpffen 6 Personen umfassende Wimpffen-Familie ihren Wohnsitz jetzt nicht mehr im Neuen Schloss, sondern jetzt in der nordwärtig an den Schlossgarrten grenzenden Neckarstraße Nr. 16.
-1833: Die in
Abb. 48: Der auf den Wohnplatz Neckarstraße 16 bezogene Auszug des Wohnungsverzeichnisses des Stuttgarter Adressbuches 1833
gezeigte Eintragung nennt nicht allein den Namen des Haushaltsvorstandes (Friedrich Wilhelm) „v. Wimpffen“ und dessen Titel, militärischen Rang und Hofdienst-Funktionen „Freiherr, General-Major, K. Kammerherr, Adjutant des Königs Majestät“, sondern führt auch die diesem verliehenen nicht wenigen Verdienstorden auf. Außerdem ist unten die bei ihm und seinen hier üblicherweise nicht angeführten vier Kindern wohnende Schwester jetzt mit vollem Namen aufgeführt: „v. Wimpffen, Amalie, Freifräulein“. Sicherlich hat diese den jetzt verwitweten Bruder sowie die zwei Neffen und zwei Nichten in der Haushaltsführung, so weit sie es mit ihren jetzt 58/59 Jahren konnte, unterstützt. Interessanterweise wohnte damals im selben Gebäude außer dem Hausbesitzer Generalmajor a. D. Freiherr von Jett die über 30 Jahre (um 1830 bis zu dessen Tod 1864) mit König Wilhelm I. als Geliebte verbunden gewesene attraktive Königliche HOFSCHAUSPIELERIN AMALIE VON STUBENRAUCH, und zwar zusammen mit ihrer Mutter, der Witwe WALBURGA VON STUBENRAUCH, ehe sie in ihr in der Nachbarschaft des Königlichen Schlosses liegendes eigenes Haus Neckarstraße 3 zog. Allerdings ist hier merkwürdigerweise vor deren Namen das „von“ zu vermissen. Wir dürfen wohl annehmen, dass Friedrich Wilhelm von Wimpffen in seiner Funktion als Kammerherr und Adjudant von König Wilhelm der Pflicht mancherlei diesbezüglicher diskreter Dienste schweigend nachzukommen hatte.
-1839 und 1840: Bezüglich der Wimpffen-Familie (Personen, Hoffunktionen und Dienstgrad des Friedrich Wilhelm von Wimpffen) finden sich in diesen beiden Jahren zwar unverändert die Eintragungen des vorbeschriebenen Jahres 1833. Als Wohnsitz ist jedoch 1839 – und dies bis 1847 – die Friedrichstraße 2 aufgeführt. Somit wohnt die Familie jetzt genau dort, wo 1811 auch der Vetter Franz Ludwig von Wimpffen gewohnt hatte. Während 1840 als Besitzer dieses Hauses der Privatkaufmann namens Wergo genannt ist, findet sich ab 1841 Friedrich Wilhelm von Wimpffen selbst als solcher aufgeführt. Die Wimpffen besitzen somit nunmehr in der württembergischen Residenzstadt Stuttgart eine eigene Heimstatt. Dass die beiden nunmehr 19 – 21 bzw. 18 – 20 Jahre alten Söhne Wilhelm und Dagobert sich aber inzwischen, der Haustradition folgend, vom Elternhaus gelöst hatten und mit der Ziel, die Offizierslaufbahn in der württembergischen Armee einzuschlagen, Kriegsschul-Kadetten der Kavallerie in der Garnison Ludwigsburg geworden waren, das geht aus einem 19-seitigen Brief des Jahres 1840 hervor, aus dem auch der bereits mehrfach beschriebene verwandtschaftliche Konnex von Wimpffen – von Moltke evident wird. Denn geschrieben hat diesen der damalige 40-jährige Hauptmann im Generalstab des (IV.) sächsischen Armeekorps und spätere Generalfeldmarschall HELMUTH KARL BERNHARD VON MOLTKE (1800 – 1891) unter der Datierung „Mangadino am Lago Maggiore dem 2ten Novmbr“ an seinen Vater FRIEDRICH PHILIPP VICTOR VON MOLTKE (1768 – 1845). In diesem berichtet er über seine nach einer Badekur in Ilmenau (Thüringen) angetretene lange Reise von dort über Stuttgart, Tübingen, Basel und den Rheinfall bei Schaffhausen ins Tessin, bei der er Gelegenheit nimmt, nach seiner Ankunft in Stuttgart am Sonntag, dem 25. Oktober 1840, im Rahmen eines eintägigen Aufenthalts dort die Familie seiner vor 8 Jahren (wie bereits dargestellt) im Alter von nur 37 Jahren verstorbenen Kusine ELISABETH (ELISE) VON WIMPFFEN GEB. VON MOLTKE zu besuchen. Nachdem er in seinem Brief – und zwar mit dem Auge des genialen Militärstrategen und in bewundernswert treffsicherer Sprache – die Neckarlandschaft und den Rebenbewuchs des Stuttgarter Talkessels, dann den Blick des Vormittags vom Turm der Stiftskirche über die Stadt und schließlich seine Eindrücke vom Besuch im Alten Schloss geschildert hat, setzt er seinen Brief folgendermaßen fort (Unterstreichungen = Hervorhebungen des Verfassers): „Vormittag fuhr ich noch nach Cannstatt wo ich ein köstliches Bad in einem Sauerbrunnen nahm. Dieser sprudelt Mannesstark und zwei Fuß hoch in einer großen Marmorschale empor. Er hat einen höchst angenehmen Geschmack. Nach der Parade besah ich noch die königl. Ställe mit 250 Landbeschälern. Im Reitstall bewunderte ich einige ächte Araber, kleine Schimmel, die kaum 4’ 10’’ maßen und von denen man auf englischen Stuten die größten Pferde im Stall gezogen hatte. Der König (Wilhelm I.) kam drüber zu. Er geht öfters in seine Ställe, der Zutritt ist auch eigentlich untersagt. Indeß grüßte er freundlich. Nachmitags besuchte ich Wimpfens, welche mich sehr freundlich aufnahmen. Die beiden Vettern sind jetzt Lieutenants bei dem Cavallerie Regmt. in Ludwigsburg, der General wollte sie gleich am folgenden Tage herein citiren, aber ein Platz auf der Post war schon auf Morgens 5 Uhr gelöset.“ Die damals 20 bzw. 19 Jahre alten beiden „Vettern“ (2. Grades) Wilhelm und Dagobert scheinen also damals die erste Sprosse der Offiziers-Stufenleiter erreicht zu haben. Mit „der General“ ist der 56 Jahre alte Vater (und Gatte der verstorbenen Kusine) Generalmajor Friedrich Wilhelm von Wimpffen gemeint.
-1841: Der im zitierten Moltke-Brief des Jahres 1840 mit „Lieutenants“ angegebene Dienstgrad der beiden Wimpffen-Söhne ist insofern etwas zu korrgieren, als im Adressbuch des vorgenannten Jahres im Abschnitt „Militäretat“ in der „Rubrik VI. Reiterei“ die folgenden anderslautenden Eintragungen ins Auge springen:
S. 28: „I. Regiment (Garnison Ludwigsburg) Unter Lieutnant Wilhelm von Wimpffen (aggreditiert)“, gemeint: bestätigt;
S. 30: „IV. Regiment (Garnison Ludwigsburg) Unter Lieutnant Dagobert von Wimpffen (zugeteilt)“, gemeint: unbestätigt.
Demnach hatten diese zur Zeit des Moltke-Besuches im Jahr 1840 wie auch noch 1841 erst die Vorstufe der Offizierslaufbahn erreicht.
-1844: Jetzt ist (S. 116) deren Vater Friedrich Wilhelm von Wimpffen mit „Freiherr, Generalmajor (a. D.)“ betitelt; das bedeutet, dass sich dieser (nun 60/61 Jahre alt) jetzt im Ruhestand befindet.
-1845: Das Adressbuch enthält zwar wieder auf S. 270 die vorgenannte Betitelung, doch hält das Stuttgarter Kirchenregister kurzgefasst dessen Ableben in Stuttgart unter dem „16. März 1845 … im Alter von 61 Jahren und 7 Monaten“ fest und gibt als Todesursache „Entkräftung“ an. Hier sowie rückschauend auf den ebenfalls in Stuttgart erfolgten Tod des Jahres 1823 von Karl Ludwig von Wimpffen, dazu vorausschauend auf den an späterer Stelle zu konstatierenden Tod der Schwester des Friedrich Wilhelm Amalie wahrscheinlich des Jahres 1855, ist die bislang nicht verfolgte und somit nicht beantwortbare Frage zu stellen, ob sich unter den rund 1700 erhalten gebliebenen Grabstellen des Stuttgarter Hoppenlaufriedhofs nicht auch die des einen oder anderen oder gar der drei Vorgenannten zu finden sind.
-1847: Nunmehr sind auf S. 264 als Bewohner der Friedrichstraße 2 außer wieder „Wimpffen v., Amalie Fräulein“ jetzt erstmalig „Wimpffen v. (gemeint: Wilhelm), Lieutnant bei d. k. (königlichen) Garde“ und „Wimpffen v., (gemeint: Dagobert), Lieutnant im k. (königlichen IV.) Reiterregiment“ aufgeführt. Demnach haben die nunmehr bereits 27 bzw. 26 Jahre alten Söhne jetzt – und dies wohl schon seit einigen Jahren – die Einstiegsstufe der Offizierslaufbahn erreicht. Und zwar ist der Ältere Angehöriger der aus 170 Mann in schönstem Uniformschmuck bestehenden vielbewunderten Königlichen Leibgarde zu Pferd geworden, die insbesondere den Ehrenwachdienst im Schlossgelände im Umfeld des Königs und seiner Familie sowie auch repräsentative Aufgaben wahrzunehmen hatte. Währenddem ist der Jüngere immer noch dem „4. Reiterregiment“ zugeordnet, das 1845 von der Reiterkaserne Ludwigsburg jedoch in die Reiterkaserne Stuttgart gewechselt war und 1847 zur Niederhaltung der Maikrawalle in Stuttgart sowie darüber hinaus in den beiden Folgejahren 1848/49 der Unterdrückung der revolutionären Bewegungen auch in württembergischen Landen eingesetzt gewesen ist. Der Umstand, dass die beiden Brüder jetzt neben dem Vater als Bewohner des Gebäudes Friedrichstraße 2 aufgeführt sind, lässt den Schluss zu, dass diese nunmehr die Freiheit genießen, außerhalb des Standplatzes ihrer Truppe wohnen zu dürfen. Im vorgenannten Jahr ist erstmalig, und zwar als im Neuen Schloss wohnend, deren jüngere jetzt 25 Jahre alte Schwester PAULINE VON WIMPFFEN aufgeführt, die im Einwohnerverzeichnis des vorgenannten Jahres sowie auch in den beiden Folgejahren 1848 und 1849 als „Wimpffen v., Fräulein, Hofdame“, dem weiblichen Pendant des Kammerherren, erscheint und außer der im Schlosse in derselben Funktion noch „Frl. Auguste von Seckendorff“ tätig gewesen ist. Bei der Letztgenannten handelt es sich um die Tochter von OBRIST-HOFMEISTER BARON KARL und BARONIN MELANIE VON SECKENDORFF, die sich 1820 unter den zahlreichen Taufpaten des Wilhelm von Wimpffen verzeichnet finden.
-1848: In diesen Jahren erscheinen die beiden Wimpffen-Brüder jetzt nicht mehr als in der Friedrichstraße 2, sondern in der von Norden her auf die Königsstraße und das Marstallgebäude und damit auf den Ostbereich des Schlossgartens hinlaufenden Kronenstraße Nr. 30 wohnend. Außerdem zeigt sich Dagobert von Wimpffen bei seiner Einheit zum „Oberlieutnant“ befördert.
-1849 – 1852: Im Folgejahr 1850 hat Wilhelm von Wimpffen bei seiner Einheit ebenfalls den Rang eines Oberleutnants erreicht und ist ab 1851 zusammen mit der Tante Amalie wieder als in der Friedrichstraße 2 wohnend angegeben, während Dagobert von Wimpfen in den vorgenannten vier Jahren im Einwohnerverzeichnis aus nicht ersichtlichen Gründen (wahrscheinlich anderwärtige Verwendung) nicht mehr aufgeführt ist. Dies gilt auch ab 1850 für deren jüngere Schwester, die bisherige im Neuen Schloss wohnende HOFDAME PAULINE VON WIMPFFEN. Letzteres erklärt sich daraus, dass diese am 17. 02. 1850, d. h. mit 27 ½ Jahren, denn doch – anders als ihre ledig gebliebene und Stiftsdame gewordene Tante KATHARINA VON WIMPFFEN – geheiratet hat; und zwar in Triest einen ihrer zahlreichen in Europa verstreuten Vettern, nämlich den um 16 ½ Jahren älteren GRAFEN GUSTAV ADOLF FELIX VON WIMPFFEN (geb. am 28. 12. 1805 zu Troppau – gest. am 25. 04. 1880 zu Meran). Über diesen sowie über diese für den württembergischen Freiherrenzweig bedeutsame Eheschließung und die daraus hervorgegangenen zwei Kinder wird gesondert in Kapitel V berichtet werden. Pauline von Wimpffen ist übereinstimmend 1866 im Gotha als „k. bayer. Theresien-Ordens-Dame“, in der an späterer Stelle in Abb. F 9a erscheinenden Traueranzeige für ihre 1875 verstorbene Tante Katharina als „Theresien-Ordensdame“ sowie bei Wurzbach (1888) als „königlich bayrische Theresien-Ordensdame“ bezeichnet. Da diese Betitelung bereits 1866 und 1875, d. h. vor dem Tod ihres 1880 verstorbenen Gatten auftaucht, kann angenommen werden, dass diese nicht Insassin, sondern lediglich Wohltäterin des Münchener Theresienstifts vermutlich mit Anwartschaft der Aufnahme bei eingetretener Witwenschaft gewesen ist. Um dies hier vorwegzunehmen: Durch diese Heirat der Pauline von Wimpffen erfuhr die gering vermögende freiherrliche württembergisch-bayrische Nebenlinie derer von Wimpffen zweifellos eine Aufwertung ihres Ansehens und eine Beförderung ihrer Selbsteinschätzung. Der Glanz, den die gräfliche Linie auszustrahlen begann, spiegelt sich in der zweitfrühesten auf die von Wimpffen bezogenen Tagebucheintragung der Eveline von Massenbach des Jahres 1852 wider. Nach dieser unternimmt im November des genannten Jahres das württembergische Thronfolgerpaar eine ganz besonders lange und mit vielen Begegnungen mit höchsten Herrschern Europas und weltlichen Würdenträgern sowie Besichtigungen und Vergnügungen verbundene Reise über den Splügenpass nach Oberitalien und durch dieses bis Venedig, von dort nach Triest, schließlich nach Wien und München und wieder zurück nach Stuttgart. Die Überquerung der Adria wird so beschrieben: „Triest: Überfahrt auf der Santa Lucia, Admiral Graf Wimpffen. Völlige Windstille, Triest und seine Flotte waren mit bengalischem Feuer erleuchtet.“ Der angegebene Admirals-Titel und Name bezieht sich auf den in Kapitel R ausführlich beschriebenen ältesten der drei Söhne des GRAFEN FRANZ KARL EDUARD VON WIMPFFEN, nämlich auf den 1849 zum Gouverneur von Triest und Statthalter der dortigen k. und k. Küstenlande ernannten sowie provisorisch das Kommando über die österreichische Kriegs- und Handelsmarine führenden und später als Generalfeldzeugmeister amtierenden GRAFEN FRANZ EMIL LORENZ VON WIMPFFEN, der 02. 04. 1797 in Prag geboren und am 26. 11. 1870 in Görz gestorben ist und dessen außerordentlichen Glanz ausstrahlendes Leben ebenfalls im vorgenannten Kapitel Würdigung findet.
Zweifellos gehörten die Stuttgarter Von Wimpffen damals, auch ohne diese Versippung mit zu Grafen erhobenen Wimpffen-Linie, zu den Spitzenpersonen der damaligen Stuttgarter Hofgesellschaft. Dies geht vor allem auch aus dem 1987 im Druck erschienenen und die Jahre 1851 – 1866 umspannenden Tagebuch der BARONIN EVELINE VON MASSENBACH (1830 – 1904), der Tochter des FREIHERREN HERMANN VON MASSENBACH (1799 – 1847), dem Oberstleutnant und Flügeladjudanten, später (1829) Generalmajor und erster Adjudant von KÖNIG WILHELM I. VON WÜRTTEMBERG, hervor, aus dem bereits mehrfach Stellen, die sich auf Angehörige des Adelsgeschlechts derer von Wimpffen beziehen, zitiert worden sind. Wie die Genannte in ihrem Tagebuch berichtet, war sie nach dem Tod ihres Vaters 1847 von der KRONPRINZESSIN (seit 1846 bzw. KÖNIGIN ab 1864) OLGA VON WÜRTTEMBERG (1822 – 1892), der Tochter von ZAR NILOLAUS I. VON RUSSLAND und ALEXANDRA FJODOROWNA, GEB. CHARLOTTE PRINZESSIN VON PREUSSEN, zur Probe als Hoffräulein eingestellt und 1851 von dieser endgültig zu ihrer speziellen Hofdame, dem weiblichen Pendant des Kammerherren, erwählt worden und hat dann später bis zum Tod der Königin Olga im Jahr 1892 die Funktion der dem gesamten württembergischen Hofstaat vorstehenden Staatsdame ausgeübt. Eveline von Massenbach war in Stuttgart im (oben bereits beschriebenen) sog. Akademie-Gebäude unter den dort wohnenden vielen Familien des Stuttgarter Hofes aufgewachsen. Bald zur – mit der Kronprinzessin Olga bestvertrauten – Hofdame, aufgestiegen, hatte sie diese auf ihren vielen Reisen nach Russland, Frankreich, England, Italien und der Schweiz etc. sowie bei deren häufigen sommerlichen Badekuren in internationalen Bädern des süd- und gesamtdeutschen Raumes etc. zu begleiten. Durch all das lernte diese die Stuttgarter und darüber hinaus die internationale Hofgesellschaft aufs Beste kennen. Zur erstgenannten gehörten, was die Männlichkeiten anbelangt und wie Eveline von Massenbach in der auf die Zeit um 1850 bezogenen „Einleitung über Stuttgarter Verhältnisse“ ihres Tagebuches schreibt (Unterstreichungen = Heraushebungen des Verfassers), „drei Prinzen zu Hohenlohe-Öhringen: Hugo, Fritz und Felix, die beiden Herren von Hügel, Karl und Julius, ersterer mit einer Russin … vermählt … , Julius, der schöne königliche Stallmeister, eine Zeitlang Hofmarschall des Kronprinzen, mit dem Hause Neipperg eng befreundet; ferner der Kanzler der Universität Tübingen, Dr. von Wächter, früherer Lehrer des Kronprinzen, der Präsident der Kammer, Fürst Konstantin Zeil … beide Barone von Wimpffen, Wilhelm und Dagobert, (einstige!) Spielkameraden des Kronprinzen, und mehrere Offiziere, die er in seine musikalischen Unternehmungen heranzog.“ Sicherlich hat nicht allein der Umstand, dass die damals um die dreißig Jahre zählenden beiden Barone Spielgefährten des 2 ¾ bzw, 1 ½ Jahre jüngeren Konprinzen Karl (geb. am 21. März 1823) gewesen sind, zu ihrer hochgestellte Position in der Stuttgarter Gesellschaft geführt; sondern es dürften auch die hohen militärischen und hofdienstmäßigen Positionen ihres vor rund fünf 5 Jahren verstorbenen Vaters zu dieser vordersten gesellschaftlichen Stellung beigetragen haben. Als Beleg der Fortdauer dieser Rangstellung kann, chronologisch um einige Jahre vorausgreifend, ein Tagebucheintrag der Eveline von Massenbach vom 25. Juni 1856 (Wilhelm war jetzt 36, Dagobert knapp 35 Jahre alt) gelten: „Kaiser Alexander (gemeint: Zar – ab 1855 – Alexander II., Bruder der Kronprinzessin Olga) überraschte seine Mutter (gemeint: Zarin Alexandra Fjodorowna) mehrere Male von Kissingen aus mit seinem Besuch. Dann wurden in dem großen Saal des Hotels Bellevue unter dem Dache der wohlwollenden, freigebigen, immer gerne mit der Jugend sich freuenden Fürstin thé dansants improvisiert. Man ließ die Blüte der jungen Herrn aus Stuttgart kommen, u. a. beide Wimpffen, Baron Otto Walterskirchen, den neuen österreichischen Sekretär o. A.“
-1854: Jetzt tauchen beide Brüder in Stuttgart wieder zusammen auf, und zwar laut S. 152 und 434 des Einwohnerverzeichnisses (zusammengefasst): WILHELM nach wie vor als Oberleutnant der Königlichen Leibgarde zu Pferd, DAGOBERT jedoch jetzt als Oberleutnant und Kommandant der Königlichen Feldjägerschwadron, einer militärischen Sondereinheit, die beim Volke besonders beliebt, in der Feldjägerkaserne (spätere Infanterie- bzw. Rotebühlkaserne) stationiert, nach preußischem Vorbild insbesondere mit Erkundungs- und Kurierdiensten im Bereich um den König und seine Familie, den Hof und die Regierung betraut gewesen ist. Über diese Funktion wuchs Dagobert auch in die eines der Adjudanten des seit 1853 den Rang eines Generalleutnants führenden KRONPRINZEN KARL hinein, wobei er dem Adjudanten und Leiter der kronprinzlichen Hofhaltung FREIHERR KARL VON BERLICHINGEN unterstellt war. Die Brüder haben jetzt vorübergehend zusammen mit Tante Amalie einen gemeinsamen Wohnsitz im 1. Stock vom zur Feldjägerkaserne gehörenden „herrschaftlichen Gebäude“ Gartenstraße 11, wo parterre noch der Trompeter der Königlichen Feldjägerschwadron namens Mößner wohnt.
-1855: Die Angaben dieses Jahres sind identisch mit denen des Vorjahres, doch mit dem Unterschied, dass Wilhelm jetzt wieder in der Friedrichstraße 2 wohnt.
-1856: Diese Gegebenheiten setzen sich in diesem Jahr fort, doch mit dem Unterschied, dass Tante Amalie jetzt und auch später nicht mehr erscheint. Daraus ist mit Sicherheit zu schließen, dass diese im Vorjahr im hohen Alter von 80 oder 81 Jahren verstorben ist. Am 23. September 1856 schließt der wie sein Bruder bislang ledig gebliebene 36 Jahre alte WILHELM VON WIMPFFEN in Stuttgart die Ehe mit der erst 19-jährigen AMALIE (auch AMELIE) AUGUSTE VON ROUX-DAMIANI, geb. am 02. 03. 1837 in München als Tochter des kaiserrlich-russischen Staatsrates BARON PHILIPP VON ROUX-DAMIANI. Über die Angetraute trifft die Tagebuchschreiberin Eveline von Massenbach anlässlich ihrer Schilderung eines im September 1856 stattgefundenen Aufenthaltes des württembergischen Hofes in Zürich im Hotel Baur mit Promenaden zu Wasser und zu Land zusammen mit den verschiedensten hinzukommenden Gästen und anschließendem Aufenthalt im immer wieder besuchten Friedrichshafen u. a. die folgende recht günstig wertende Feststellung: „Auch Wilhelm von Wimpffen brachte seine sympathische junge Frau, geb. Bona von Damiani. Herr von Neurath, Titoff, Basarow (Fußnote: Russischer Probst in Stuttgart), Kanzler Wächter [Fußnote: Karl Georg Wächter (1797 – 1880, Prof. in Tübingen, Kanzler und Kammerpräsident, seit 1852 in Leipzig)] kamen abwechselnd als Touristen.“ Und aus demselben Tagebuch ist, datiert mit „August 1856“, zu erfahren, dass Dagobert von Wimpffen als Adjudant des Kronprinzen – genau wie auch der ihm vorgesetzte andere Adjudant und Leiter der kronprinzlichen Hofhaltung Karl von Berlichingen – entlassen worden ist. Eveline von Massenbachs diesbezügliches (zweifellos sicheres) kritisches Urteil lautet: „Er (gemeint: Dagobert) war ein rechtschaffener Mann, aber sehr rechthaberisch und pedantisch, man hatte viel Geduld mit ihm.“
-1857: Dass die Entlassung aber nur eine vorübergehende gewesen ist und offenbar der Jugendfreund Kronprinz Karl und auch König Wilhelm letztlich die Hand über ihn gehalten haben, das geht zum einen aus der Tatsache hervor, dass Dagobert im Einwohner- und Bewohnerverzeichnis des vorgenannten Jahres, S. 71 und 284, nach wie vor als „Rittmeister, Adj. Sr. K. H. d. Kronprinzen“, doch nunmehr sogar im neu erbauten und ausgangs 1854 eingeweihten Kronprinzenpalais beim Schlossplatz (an der Stelle des heutigen Kunstmuseums und der Buchhandlung Wittwer sowie ostwärtig des 1859 fertiggestellten Königsbaus) Königsstraße 32 wohnend registriert ist. Zum anderen begleitet er im vorgenannten Jahr in seiner Adjudanten-Eigenschaft das kronprinzliche Paar auf zwei Reisen, die im Tagebuch der Eveline von Massenbach folgendermaßen festgehalten sind:
-28. Februar 1857: Teilweise per Bahn ist das kronprinzliche Paar mit Gefolge über Karlsruhe bis Marseille und dann per Schiff nach Nizza zum Treffen mit der ZARIN-WITWE ALEXANDRA FEODOROWNA, der Muttter der KRONPRINZESSIN OLGA, gereist und wohnt dort bestens in der Villa Orestis: „Ihr Gefolge: Zeppelin (gemeint: Fritz Graf Zeppelin, damaliger Adjudant und Leiter der kronprinzlichen Hofhaltung), (Dagobert) Wimpffen und ich, ist im Erdgeschoss nicht weniger gut untergebracht.“
-04. Juli 1857 während eines Sommeraufenthalts in Wildbad: „Die Kaiserin (gemeint die vorgenannte Zarinwitwe) läßt mich weiterhin rufen, ihr vorzulesen … – Ich bin zwei- oder dreimal mit (Dagobert) Wimpffen und Muchanow (Fußnote: Russischer Staatsrat und Kammerherr) zu Pferd ausgeritten.“
Und aus den Jugenderinnerungen („Was ich als Kind erlebt“, Stuttgart 1901) der Erfolgs-Schriftstellerin TONY SCHUMACHER (geb. 1848 und gest. 1931 in Ludwigsburg) erfahren wir aus dem Jahr des in Stuttgart stattgefundenen spektakulären und groß gefeierten sog. Zweikaisertreffens zwischen dem ZAREN ALEXANDER II. und dem KAISER NAPOLEON III. des Jahres 1857 die folgende Dagobert von Wimpffen berührende Begebenheit, welche die vorgenannte Autorin den Tagebucheintragungen ihres Vaters, dem württembergischen GENERAL FIDEL VON BAUR-BREITENFELD, entnommen hat:
-24. September 1857: „Am 24. erwartete ich nachmittags auf dem Bahnhof in Ludwigsburg als Gouverneur (dieser Stadt) die Ankunft des Kaisers von Rußland, mit mir waren General von Donop und Regierungsdirektor Freiherr von Linden. Um drei Uhr kamen der Kronprinz (Karl) und die Kronprinzessin (Olga) an, begleitet von der Hofdame Baronin Cecile von Kahlden und dem Major Dagobert von Wimpfen. Man wartete fast drei Viertelstunden, in welcher Zeit die kronprinzlichen Herrschaften freundlich und gesprächig waren. Endlich kam der kaiserliche Zug an. Alexander stieg aus, umarmte seine Schwester und seinen Schwager, richtete einige freundliche Worte an uns, und nun stiegen die kronprinzlichen Herrschaften mit ihm ein, worauf der Zug eilend weiter ging. In Feuerbach erwartete der König (WILHELM I. von Württemberg) den Kaiser und führte ihn auf die kronprinzliche Villa (Villa Berg), wo derselbe Wohnung nahm.“
Demgegenüber erscheint Wilhelm von Wimpffen im angesprochenen Jahr nicht mehr als „Rittmeißter b. d. k. Garde“, sondern als „Rittmeister b. den Feldjägern“ und hat demnach jene Schwadron Kavallerie übernommen, die drei Jahre zuvor noch als seinem Bruder Dagobert unterstellt vermerkt ist. Dazuhin wohnt Wilhelm jetzt mit seiner jungen Frau in der unweit der Ostflanke des Katharinenhospitals auslaufenden Seestraße Nr. 7. Als Hausbesitzer des Gebäudes ist angegeben: Böhme, G., der jedoch Alleenplatz Nr. 4 wohnt. Mitbewohner sind: Fauntleroi, k. u. k. Rentière; v. Holtzschuer, Regier.-Präsident a. D.; Sattler, Marktmeister; Sattler, k. Stadtrathsw(it)we.
-1858: Da die Rittmeister-Dienstgrade der nunmehr immerhin jetzt 39 bzw. 38 Jahre alten von Wimpffen-Brüder im Einwohnerverzeichnis (S. 93 und 259 bzw. 95 und 267) geblieben sind, ist anzunehmen, dass Dagobert von Wimpffen – entgegen der vorstehenden Klassifizierung – damals den Majors-Rang noch nicht erreicht hatte. Wilhelm mit Gattin haben ihren Wohnplatz abermals gewechselt und wohnen jetzt in der Neckarstraße Nr. 34a und damit nunmehr auf der Gegenseits (Südseite) des Schloss- und Schlossgarten-Zentrums. Mitbewohner sind: eine Witwe namens Dinar und der Baron von Luck. In einem im Winter 1858 von Eveline von Massenbach vorgenommenen Tagebucheintrag werden die offensichtlich bestehenden menschlichen wie beruflichen Grenzen der beiden Wimpffen-Brüder im Zusammenhang mit einer Notiz der zweifelsfrei höchst urteilsfähigen Schreiberin über die Interessen und Aktivitäten des Kronprinzen Karl folgendermaßen aufgezeigt, wobei natürlich die in der Vorliebe für Männerfreundschaften sich spiegelnden starken homoerotischen Neigungen desselben unausgesprochen bleiben: „Der Kronprinz liebte ernste Lektüre, vor allem die klassische, war aber trotz allem desoevriert (Fußnote: Untätig, beschäftigungslos), hatte auch wenig passende Umgebung. Baron Dagobert von Wimpffen, sein jetziger Adjudant, ein phlegmatischer Biedermann, Wilhelm Wimpffen (Fußnote: Königlicher Kammerherr), der andere Jugendfreund, eine sympathische Natur, aber mehr enfant terrible als fördernd, jetzt neu verheiratet.“ Die Betitelung des älteren der beiden Brüder in der Fußnote zeigt, dass dieser – ganz nach dem Vorbild seines verstorbenen Vaters wie auch Großvetters – parallel zu seinem militärischen Rang noch in das hochgestellte Hofdienstamt des Kammerherrn, dessen Funktionen und Pflichten bereits an früherer Stelle beschrieben worden sind, eingerückt war. Dies gilt jedoch auch für den Jüngeren Dagobert, obgleich sich der Kammerherrn-Titel diesem wie auch Wilhelm in den aufgefundenen Stuttgarter Quellen kein einziges Mal zugeordnet findet. Über den obigen Tagebucheintrag hinaus kommt die konstatierte Begrenzung der Geistigkeit Dagoberts auch zum Ausdruck in zweien der nunmehr wiedergegebenen vier weiteren Tagebucheintragungen, die sich auf die von Mai bis September 1858 gegangene lange Reise der Kronprinzessin (in Begleitung des Kronprinzen) in ihr Heimatland Russland beziehen. Hierbei hatte Dagobert sich bei dieser Reise in und durch das ferne Zarenreich mit vielerlei Kontakten zu zahlreichen hohen und höchsten Herrschern und Persönlichkeiten des kulturellen, politischen und hofmäßigen Lebens als Reisebegleiter („Reisemarschall“, wie man am Hof auch sagte) zu betätigen und zu bewähren. Ins Blickfeld kommen in den Eintragungen natürlich nur wenige Splitter über die von den Genannten besuchten hochgerühmten Aufenthaltsorte der Zarenfamilie und russischen Aristokratie wie die Residenzen Petersburg und Zarskoje Selo oder die Sommerresidenz Peterhof (Geburts- und Heiratsort der Kronprinzessin), der Sommersitz Oranienbaum, die Klosterinsel Wallam im Ladogasee u. v. a. m.:
-25. Juni in Peterhof: „Der gute Dagobert Wimpffen besucht mich jedenTag – ein guter Junge, aber ohne Horizont.“
-07. Juli in Petersburg: „Ich verbrachte den Tag in der Stadt, war in der Festung … – dann ging ich zu Fräulein Nelidow, die sich zu freuen schien, mich wiederzusehen.- Wimpffen schloß sich mir an, wir aßen mit Lobstein (Fußnote: Württ. Geheimer Legationsrat a. D., königlicher Kammerherr) zu Mittag … .“
-13. September in Petersburg: „Am Abend kommen Wimpffen und Slepzow (Fußnote: Russischer Staatsrat), als Adjudanten dem Prinzen zugeteilt, die mit Zufriedenheit von der Reise (nach Nischny Nowgorod) erzählen.“
-19. September auf der Rückfahrt über Swinemünde: „Alle wurden herausgetrommelt. Man machte Wimpffen glauben, die Komtesse Lakonska (Vorspeise zum Frühstück) würde ihm sehr gefallen. Er glaubte wirklich, es handle sich um eine Dame und beeilte sich!“ Offenbar wurde der Genannte, obgleich Kammerherr, Reisemarschall und Rittmeister, nicht ganz für voll genommen.
-1859: Die Personenangaben und die Wohnplätze haben sich zwar nicht verändert. Doch ist in diesem Jahr als Mitbewohner des Rittmeisters und Kammerherren Wilhelm von Wimpffen im Gebäude Neckarstraße 34a über die an früherer Stelle Genannten hinaus noch angegeben: „Roux de Damiani, Baron“. Es dürfte sich bei diesem um den Vater oder einen Bruder der Amalie von Wimpffen gehandelt haben, der damals sich offenbar länger in Stuttgart – aus welchen Gründen auch immer – aufgehalten und im selben Hause gewohnt hat. Als in der Stuttgarter Hofgesellschaft jetzt Schwätzereien im Umlauf sind, Amalie von Wimpffen habe ein Verhältnis mit dem geistreichen Sekretär der russischen Gesandtschaft BARON FELIX VON MEYENDORFF, nimmt die Hofdame Evline von Massenbach im beginnenden Jahr 1859 diese mit den folgenden aufschlussreichen Zeilen in Schutz, wobei ihr Gatte Wilhelm abermals eine abwertige Beurteilung findet: „Seiner geistig bedeutenden, rechtschaffenen aber reizlosen Frau (Schwester der Frau von Staal) gab er wohl Anlaß zur Eifersucht, doch habe ich nie an ein wirkliches Verhältnis zu A. W. geglaubt. Frauen, die unbedeutende Männer haben, sind so leicht der Verleumdung ausgesetzt.“ Und kurz dahinter trifft Eveline von Massenbach über die junge Gemahlin des Wilhelm von Wimpffen die folgende höchst positive Wertung: „Außer Amelie Wimpffen gehören Edith Fleischmann geb. Gräfin Metfort, Louise Beroldingen geb. Gräfin Lodron, Pauline Gräfin Salm-Hoogstraten zu den gefeiertsten Damen der Stuttgarter Aristokratie.“ Da sich die Tagebuchschreiberin mit „Amelie“ von Wimpffen, wie diese von ihr genannt wird, bestens versteht, bildet sich, was aus späteren Eintragungen hervorgeht, zwischen beiden wie auch zu Wilhelm von Wimpffen ein zu gegenseitigen Besuchen führendes Freundschaftsverhältnis.
-1860: Änderungen der Wohnplätze beider gibt es nicht. Doch trägt Dagobert von Wimpffen im Gegensatz zum immer noch mit Rittmeister bezeichneten älteren Bruder Wilhelm jetzt den Majors-Titel. Dies geht hervor aus:
Abb. 49: Die im Stuttgarter Einwohnerverzeichnis des Jahres 1860 (S. 71) aufgeführten Namen und Titel bzw. Dienstbezeichnungen jener am württembergischen Königshof tätigen Haushaltsvorstände, die damals im Kronprinzenpalais, Königsstraße 32, ihren Wohnsitz hatten.
Dort ist Dagobert von Wimpffen also unmittelbar nach dem Kronprinzen (Karl) mit „Major, Adjut. S. K. H. d. Kronprinzen“ verzeichnet. Diesem folgt das oben bereits im Zusammenhang mit der geschilderten Szene des sog. Zweikaisertreffens 1857 neben Dagobert in Erscheinung getretende Hoffräulein (Cecile) von Kahlden sowie das Hoffräulein (Eveline) von Massenbach. Dann folgen zwölf Hofbedienstete niederer bis niederster Charge, nämlich drei Kammerfrauen, je eine Weißzeug-Verwalterin, Garderobe-Jungfrau, Jungfrau, Nähterin, Köchin, schließlich drei Hofknechte und ein Portier. Um eine Vorstellung des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäudes zu geben, sei hier beigegeben die
Abb. 50: Das kurz vor Weihnachten 1854 mit einem großen Ball eingeweihte Kronprinzenpalais, Haupt-Wohnplatz nicht nur von Kronprinz Karl und Kronprinzessin Olga von Württemberg, sondern auch Wohnsitz (im Parterre bzw. 2. Stock) einer Reihe Hofbediensteter, darunter dem Major und kronprinzlichen Adjudanten Dagobert von Wimpffen in den Jahren 1857 – 1863.
Im Sommer 1860 begibt sich das Thronfolgerpaar über Ostende zu einem Badeaufenthalt auf die Isle of Wigth. Und von dort aus wird u. a. auch London besucht. Darüber heißt es in einer Eintragung der Vorgenannten vom 16. August: „Montags waren Ihre Königlichen Hoheiten meist unter sich. (Dagobert) Wimpffen und ich wollten über die Hauptbrücken Londons in die City gelangen, was eine charakteristische Fahrt abgab.“
-1861: Wieder erbringt die Sichtung des Einwohnerverzeichnisses weder Wohnplatz- noch Statusänderungen. Im Laufe dieses Jahres macht Eveline von Massenbach gleich drei die Von Wimpffen berührende Einträge, deren erster die obige Feststellung der bestandenen Freundschaft zwischen dieser und dem Von-Wimpffen-Ehepaar bestätigt. Und zwar steht dort, bezogen auf den Juni, zu lesen: „Ich gehe oft zu den Wimpffen (gemeint ist das seit 1858 in der Neckarstraße 34a wohnende Ehepaar Wilhelm und Amelie von Wimpffen) in ihren hübschen Garten.“ Unter dem 14. September 1861 heißt es: „Ausflug zu Pferd zum Lager von Köngen, Wiedersehen mit dem General Miller [Fußnote: Moritz von Miller, Kriegsminister, General der Infanterie (1792 – 1866)]., Mittagessen in Boihingen bei den Thumb.- Die Kronprinzessin ist solch eine elegante Reiterin, ich folge mit (Dagobert) Wimpffen auf einem Pferd des Grafen Beroldingen …“ Im Oktober 1861, geschrieben in der „Villa“, das ist die 1845 – 1853 für das Thronfolgerpaar im Stil der Neoreniassance erbaute „Villa Berg“, heißt es: „Der König leidet sehr an Schwindelanfällen, er schickt seinen Sohn, ihn bei der Krönung in Königsberg (Fußnote: Krönung König Wilhelms I. von Preußen am 18. Oktober 1861) zu vertreten. General Hardegg, Graf C. von Beroldingen, (Dagobert) Wimpffen begleiten ihn.“
In dieses Jahr fällt auch die Geburt des ersten Kindes des Wilhelm und der Amalie von Wimpfen, einer Tochter namens SOPHIE CHARLOTTE (auch: SOPHIA CHARLOTTA), geb. am 25. 07. 1861 in Stuttgart. Hierzu sei
Abb. 51: Der Geburts- und Taufschein der Sophie Charlotte von Wimpffen
gezeigt. Aus diesem ist zu ersehen ist, dass „S. K. Hoheit der Kronprinz (Karl) von Württemberg“ neben der Tante mütterlicherseits „Frau von Severin, Gattin des KK. russ. Gesandten in München“ bei der am 31. August 1861 in der Stuttgarter Hofkirche stattgefundenen Taufe als Zeugen fungierten. Die Zeugenschaft des Kronprinzen wirft ein Licht auf das zwischen diesem und in frühen Jugendzeiten entstandene freundschafliche Verhältnis, das ganz offenkundig auch in deren Erwachsenen-Alter erhalten geblieben ist.
-1862: Immer noch bestehen laut Einwohnerverzeichnis wohnplatz- sowie titel- und tätigkeitssmäßig die Gegebenheiten der beiden Vorjahre. Was die Bewohner des Gebäudes Neckarstraße 34a betrifft, so heißen diese jetzt wie folgt: Wimpffen von, Wilhelm, Rittmeister; von Fleischmann, Legationssekretär; Stolz, Direktors-Witwe; Wilhelmi, Hofschauspielerin. Am 28. Dezember des genannten Jahres erfolgt die folgende aufschlussreiche weitere Tagebuch-Eintragung: „Dagobert von Wimpffen verläßt den Hof wegen einer törichten Heirat – Pauline Salm ist sehr aufrichtig über Fragen des Hofes.“ DAGOBERT VON WIMPFFEN hat also im vorgenannten Jahr (siehe in der II. Stammtafel) die am 02. Mai 1842 (in Starnberg) geborene LUISE LANG geheiratet. Dass Eveline von Massenbach diese Heirat „töricht“ nennt, hat nicht allein den Grund darin, dass diese erst 20 Jahre alt und Dagobert somit 21 Jahre älter als diese gewesen ist, sondern weil es sich um eine nichtadlige Dame gehandelt hat. Die Heirat eines Angehörigen des Adels und gar des Hofadels mit einer Bürgerlichen verstieß ganz eindeutig gegen den Sittenkodex des Adels und dürfte somit von der Stuttgarter Hofgesellschaft als Mesalliance gegeißelt worden sein. Zweifellos stellt der von der Tagebuchschreiberin ihrer Nachricht vom Abgang Dagoberts angefügte lakonische Satz, Pauline Salm – damit ist die zur höchsten Stuttgarter Aristokratie gerechnete GRÄFIN PAULINE SALM-HOOGSTRATEN gemeint – sei „sehr aufrichtig über Fragen des Hofes“, nichts anderes als die versteckte Andeutung dar, dass die Hofkreise der Liaison in abwertender Schärfe begegnet sind. Somit dürfte der Abschied des Kammerherrn, Majors und Adjudanten des Kronprinzen Dagobert von Wimpffen vom württembergischen Hof unvermeidlich gewesen sein. Darüber hinaus zog dieser es sogar vor, sich raschestens ganz aus dem Blickfeld desselben zu begeben, indem er in die königlich-bayrische Residenzstadt München und damit in das Herkunftsland seiner Frau sowie Wohnort sowohl seiner Tante mütterlicherseits VON SEVERINE als auch seiner älteren Schwester KATHARINA übersiedelte.
-1863: Wieder finden sich in diesem Jahr zwei Tagebuch-Einträge: Zunächst unter dem 7. Januar 1863: „Schokolade bei H. Toll, A(melie). Wimpffen – Edith Fleischmann.“ . Dann folgt unter dem 12. Mai 1863: „Übersiedlung in die Villa. – W. Spitzemberg ersetzt D. Wimpfen.“ Der vom württembergischen Hof geschiedene Dagobert von Wimpffern wurde demnach in seiner Funktion als Adjudant und Reisemarschall durch den Onkel der Eveline von Massenbach OBRISTKAMMERHERR, GENERALLEUTNANT UND GENERALADJUDANT VON KÖNIG WILHELM I. VON WÜRTTEMBERG FREIHERR WILHELM VON SPITZEMBERG (1825 – 1888) ersetzt, zu dem KRONPRINZ bzw. (ab 1864 nach dem Tod seines Vaters) KÖNIG KARL eine tiefe Freundschaft und langes intimes, sprich homophiles, Verhältnis pflegte. Dieses hinderte diesen anscheinend nicht und ergab sich vielleicht gerade wegen der anrüchigen Beziehung, gegen diesen auch Groll zu empfinden und diesen hofamtsmäßig (nur auf begrenzte Zeit natürlich) herabzustufen. Die angeführten Tagebuch-Einträge stellen verständlicherweise die Dagobert von Wimpffen geltenden letzten solchen dar. Im Blick darauf, dass sich dessen Name und Titel im Stuttgarter Einwohnerverzeichnis des o. g. Jahres (S. 73) immer noch, wenngleich letztmalig, findet, ist anzunehmen, dass dieser erst im Laufe des Jahres 1863 weggezogen ist. Im Vergleich zu 1860 (siehe Abb. F 8d) zeigen sich von den niedrigen Chargen des Hofes sechs verschwunden. Dafür finden sich im Parterre jetzt außer der Kanzlei des kronprinzlichen Hofmarschallamtes und der Ökonomieverwaltung noch die Russische Kapelle verzeichnet, die für die dem russisch-orthodoxen Glauben angehörige Kronprinzessin Olga sowie für eine Reihe von in Stuttgart wohnenden niederen bis hohen russischen Funktionsträgern des Hofes elementar wichtig gewesen ist:
Königsstraße 32, herrschaftliches Gebäude: Palais Sr. K. Hoh. des Kronprinzen:
Canzlei des kronprinzlichen Hofmarschall-Amtes p. (gemeint: parterre)
Oeconomieverwaltung p.
v. Wimpffen, Dagobert, Major und Adjutant des Kronprinzen p.
Russische Kapelle p.
v. Kahlden, Cäcilie, Fräul. 2. (gemeint: 2. Stock)
v. Maßenbach, Evel., Fräul. 2.
v. Rokoff, Kammerfrau 2.
v. Köstlin, Kammerfrau 2.
v. Lingen, Kammerfrau 2.
Opitz, Weißzeugverwalterin
Springer, Näherin
Scharpf, G. A., Portier p.
Da Wilhelm von Wimpffen in seinem militärischen Amt als Rittmeister und Kommandant der Feldjägerschwadron schon im Laufe des Vorjahres durch FREIHERR JOSEPH VON ELLRICHSHAUSEN ZU ASSUMSTADT (1832 – 1906) abgelöst worden war, findet sich dieser im Einwohner-Verzeichnis (S. 79 und S. 133) jetzt wie folgt verzeichnet: „Kepplerstraße 24“ (also nicht mehr Neckarstraße 34a wohnend); „v. Wimpffen, Wilh., Frhr., Rittmeister bei d. K. Leibgarde.“ Demnach ist dieser in sein frühere Einheit zurückbeordert worden; doch dürfte er, da jetzt die frühere weitere Bezeichnung „und Commandant“ fehlt, dort wahrscheinlich nicht mehr in die ehemalige Leitungs-Funktion eingerückt sein. Am 26. 07. 1863 kommt in Stuttgart dessen zweites und letztes Kind, der Sohn MAX(IMILIAN) PAUL, auf die Welt, über dessen Leben wie auch über das der Tochter SOPHIE und (ganz besonders) deren ältesten Sohn ROBERT bzw. ROMAN an späterer Stelle noch eingehend zu berichten sein wird.
-1864: Jetzt nach dem Wegzug Dagoberts erscheint im Einwohnerverzeichnis (S. 87) nun nur noch sein Bruder – und weiter in Kepplerstraße 24 wohnend – zusammen mit den Mitbewohnern so: „v. Wimpffen, Wilhelm, Freiherr, Rittmeister a. D. p.; Ford, Fr. Cl., engl. Gesandtschafts-Secretär, p. u. 1; Spingler, A., Traiteurs We., 3; Watkin, J. S., engl. Oberst, 2“. Wilhelm von Wimpffen ist demnach jetzt in den Ruhestand getreten, was insofern wundernimmt, als dieser erst 44 Jahre alt ist. Da dieser im Einwohner-Verzeichnis des nachfolgenden Jahres sowie in den Verzeichnissen der zweiten Hälfte der 1860er sowie der ersten Hälfte der 1870er Jahre ebenfalls nicht mehr auffindbar ist, erscheint es sicher, dass dieser 1864 nach seiner Pensionierung mit seiner Frau und seinen noch im Kleinkindalter stehenden beiden Kindern ebenfalls aus Stuttgart weggezogen ist. Leider bleibt es offen, sowohl warum dies geschehen ist, als auch, wo die vierköpfige Familie in der Zeit von ca. 1864 bis ca. 1875, bevor sie dann zum letztgenannten Zeitpunkt, wie bereits gesagt, Wimpfen am Berg zum Wohnort wählte, gewohnt hat. Vielleicht im Nahbereich von Stuttgart, wie etwa in der Garnisonsstadt Ludwigsburg, oder vielleicht eher in München, dem Wohnort der älteren Schwester und jetzt auch des Bruders Dagobert und seiner Familie? Letzeres nimmt Dr. Hans H. von Wimpffen an. Steht der Wegzug vielleicht mit dem unrühmlichen Abgang des Bruders Dagobert in der Weise in Zusammenhang, dass die durch die Mesalliance desselben erfolgte Rufschädigung mehr oder minder sich auch auf Wilhelm und seine Familie übertragen hatte? Aus all diesen offenen Fragen ergibt sich das Bestehen noch mannigfachen Klärungsbedarfs. Aus der vorbeschriebenen Ehe des Bruders Dagobert von Wimpffen geht in diesem Jahr das erste Kind hervor, nämlich K A T H A R I N A FRIEDERIKA, geb. am 05. 06. 1864 in Starnberg – gest. bereits am 14. 02. 1895 in München.
-1865: Es folgt als zweites Kind ein Junge: W I L H E L M FRIEDRICH, geb. am 26. 04. 1865 ebenfalls in Starnberg – gest. am 23. 10. 1911 ebenfalls in München. Wie schon gesagt, ist Wilhelm von Wimpffen ab jetzt in den Einwohnerverzeichnissen Stuttgarts nicht mehr aufzufinden.
-1866: In dem Ende 1866 aufgegebenen Tagebuch der Eveline von Massenbach ist Amalie von Wimpffen unter dem 29. Oktober letztmalig – und zwar wieder höchst positiv sowie zusammen ihrem Gatten Wilhelm von Wimpffen, folgendermaßen erwähnt: „A. Wimpffen kommt mit Mann und Kind.- Ich finde sie so behaglich.“ Da die Familie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Stuttgart wohnt, muss man sich dem Kurzsatz entweder „gefahren“ oder „angereist“ hinzugefügt denken. Offen bleibt nicht nur, von woher diese nach Stuttgart gekommen sind, sondern auch, welches der beiden Kinder, die damals knapp 5 1/2 Jahre alte Sophie oder der erst knapp 3 ½ Jahre alte Ma(ximilian), bei diesem Besuch mitgenommen worden ist.
-1869: Dem in diesem Jahr geborenen dritten und letzten Kind des Dagobert und der Luise von Wimpffen namens PAULA SOPHIA ADOLFA, geb. am 08. 09. 1869, und zwar nicht wie die beiden Geschwister in Starnberg, sondern (warum wohl?) in Ludwigsburg, ist nur ein kurzes Leben beschieden.
-1870: Denn es stirbt bereits im Alter von nur 9 Monaten am 11. 06. 1870 in München.
Auf welche Weise WILHELM VON WIMPFFEN mit Familie zur Mitte der 1870er Jahre dem Ursprungsort seiner Ahnen Wimpfen am Neckar die Ehre antut, nach dorthin zu ziehen, dort seinen Lebensabend zu verbringen und was sich denn dort in den wenigen Jahren bis seinem frühen Tod und wenig danach bezüglich seinhes und seiner Angehörigen Leben ereignet, wird im übernächsten Kapitel U zu schildern sein.
T. Wie dem in der Kolonisierung und Verwaltung Algeriens hohe Verdienste und Auszeichnungen erlangten ältesten der französische Generäle EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN (1811 – 1884), dem einzigen Sohn des viertältesten Sohnes des Franz Ludwig von Wimpffen namens FÉLIX DE WIMPFFEN (1778 – 1814), im Deutsch-französischen Krieg von 1870/71 in der letzten Phase der unabänderlich verloren gehenden Umfassungsschlacht bei Sedan der Oberbefehl und im Zuge der von ihm mit Fürst Otto von Bismarck und seinem Verwandten Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke in der Nacht vom 1. zum 2. September 1870 in Donchery ausgehandelten und am Morgen danach unterzeichneten Kapitulation der Spottname „Sedangeneral“ zufällt
a. Emmanuel Félix wächst mutter- und vaterlos auf und besucht, der Familientradition folgend, ab dem 10. Lebensjahr die Militärvorschule und ab dem 18. Lebensjahr die berühmte Offiziersschule Saint-Cyr, die er 1833 als Unterleutnant verlässt
Bevor nun die vorstehend zu beschreiben begonnene Württembergische Linie der Von Wimpffen weiterverfolgt wird, erscheint es notwendig, zunächst vorrangig sich dem bislang übergangenen viertältesten der Söhne des Zweiggründers Franz Ludwig von Wimpffen, nämlich FÉLIX DE WIMPFFEN (1778 – 1813) zuzuwenden und dann in einer unausweichlich höchst umfänglichen Lebensbeschreibung sich dessen einzigem Sohn EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN (1811 – 1884) zu widmen, der, wie der Blick in die II. Stammtafel zeigt, ein Vetter des am Ende des vorangehenden Kapitels aufgeführten WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1879) gewesen ist. Dass diesem extrem viel Platz eingeräumt wird, hat mannigfache Gründe. Nicht nur, dass dessen damals im Generalsrang stehende Person im Deutsch-französischen Krieg von 1870/1 urplötzlich den Menschen in Europa und darüber hinaus in aller Welt sowie nicht zuletzt auch der Einwohnerschaft Wimpfens – ganz im Gegensatz zu den bisherigen militärischen Ruhmestaten seiner Vorfahren – unrühmlich als Verlierer der spektakulären Umfassungs- und Artillerieschlacht bei Sedan des 31. August und 1. September 1870 sowie als erfolgloser Verhandelnder und Unterzeichner der Kapitulation seiner Armee in die Geschichte eingegangen und ihm dadurch bleibend der Spottname „Sedangeneral“ zugekommen ist! Sondern es erscheint auch, will man der Einschätzung seinaer Persönlichkeit gerecht werden, notwendig, dass seine erfolgreiche Karriere und seine großen Verdienste in den vorausgegahgenen fast vier Jahrzehnten davor, so vor allem bei der Kolonisation, Entwicklung und Verwaltung von Algerien für sein französisches Vaterland, herausgestellt werden.
Zunächst sei berichtet über dessen Eltern, den Vater
-FÉLIX (VICTOR EMMANUEL CHARLES) DE WIMPFFEN, geb. laut Wurzbach am 02. 11. 1778 auf der Bornburg (Günthersburg) nächst Frankfurt a. M; gest. am 24. Februar 1814 zu Frankfurt am Main; doch richtigerweise laut J. P. Allart am 21. 07. 1813 in Paris, der, wenn wir GeneAll.net folgen, der einzigen Quelle, welche diesbezüglich eine Angabe macht, verheiratet gewesen ist mit:
-MARIA ENGELTHAL VON EHRENHORST; Angaben über deren Geburt, Herkunft und Tod fehlen.
Über dessen Lebensgang ist aus Wurzbach nicht mehr zu erfahren, als dass er in die französische Armee eingetreten und bereits am 24. Februar 1814 als Oberst des 2. Linien-Infanterie-Regiments in Paris gestorben sei. Dazuhin berichtet Wurzbach übereinstimmend mit Dr. Hans H. von Wimpffen, dass Félix de Wimpffen die folgende (nach dem Erstgenannten angeblich in nur 100 Exemplaren gedruckte und als Geschenk verteilte) Schrift verfasst habe: „Le Manuel de Xéfolius (Au grand Orient)“, 1788, deren Verfasser im Titel nicht genannt ist. Wohl aus dem Umstand, dass der „Grand Orient de France“ die größte und älteste der verschiedenen Freimaurer-Großlogen Frankreichs gewesen ist (gegründet 1773), vermutet der Erstgenannte, dass Félix Freimaurer gewesen sein könnte. Diese Vermutung wird jedoch hinfällig, weil die Zuordnung dieser nachweislich zum ersten Male 1788 erschienenen Schrift nicht mit dessen Geburtsjahr 1778 zusammengeht. Der angegebene Autorenname „General Félix Baron von Wimpffen“ bezieht sich mit Sicherheit auf den gleichnamigen jüngsten Onkel desselben (GEORGES LOUIS) FÉLIX (1744 – 1814), den in Kapitel O bereits umschriebenen Gründer des sog. Georgs-Zweiges. Dieser hat nämlich in den Jahren der Französischen Revolution eine große Anzahl militärischer Reformschriften verfasst, wozu mit Sicherheit auch „Le Manuel …“ gehört. 1862 (und sogar laut Dr. Hans H. von Wimpffen noch einmal 1997) ist in Paris ein Nachdruck desselben erschienen, wo in der Anmerkung des Herausgebers die Zahl von 60 (und nicht 100) an die Freunde verteilten Druckexemplaren genannt ist. Dem Vorgenannten ist auch ganz zweifelsfrei die von Wurzbach und Dr. Hans H. von Wimpffen, dem Vater des Sedangenerals ebenfalls irrtümlicherweise zugeordnete Schrift „Project de loi sur les délits et les peines militaires’, Paris Imp. National 1791, 25 p.“ zuzuschreiben. Gewisse weitere Aufschlüsse über das Leben des Vaters des Sedangenerals könnte denn doch vielleicht die von Wurzbach aufgeführte und als auf diesen bezogen bezeichnete Biografiie „Le Général F. de Wimpffen“, Paris ohne Datum, geben.
Das Dunkel um dessen Leben hat sich, vor allem auch was die Umstände der Geburt seines einzigen Sohnes EMMANUEL FÉLIX und dessen Werden zum französischen Offizier betrifft, neuerdings nun doch dadurch etwas gelichtet, dass ich Anfang Dezember 2013 während der Schaffung des den Freiherren und Grafen von Wimpffen geltenden Textes von Dr. Hans H. von Wimpffen freundlicherweise die erst im Vorjahr 2012 veröffentlichte Abhandlung von Jean-Pierre Allart „Le général de Wimpffen (1811 – 1884). L’autre homme de Sedan“ erhielt. Deren mit „Les années d’apprentissage (1811 – 1832)“ überschriebenes erstes Kapitel zeigt, dass die Mutter des Emmanuel Félix nicht die o. a. Gattin seines Vaters namens MARIA ENGELTHAL VON EHRENHORST, sondern eine junges 19 Jahre altes Mädchen namens CORNÉLIE BRÉDA aus Leeuwarden, dem damaligen Haupt- und Garnisonsort des Départements de la Frise in den Niederlanden, gewesen ist. Der Colonel (Oberst) FÉLIX (VICTOR EMMANUEL CHARLES) DE WIMPFFEN hatte dieses, als er sich dort in Garnison befand, im Dezember 1810 kennengelernt. Als diese von ihm ein Kind erwartete, zögerte dieser zunächst zwar, unter den gegebenen Umständen dieses als das seine anzuerkennen, trug jedoch nach seiner Rückkehr nach Frankreich Sorge, Cornélie in Laon bei einem Waisenhaus-Arzt niederkommen zu lassen, der in nächster Nähe seiner Schwester ADÉLAÏDE CUNÉGONDE DOROTHÉE (benannt in der Stammtafel II mit ADELHEID, geb. am 5. November 1772 in Stuttgart) – siehe diese in Kapitel O sowie in der II. Stammtafel von Wurzbach in der in der Mitte durchgehenden Geschwisterreihe XIV c bzw. 12c an sechster Stelle aufgeführt – und seines Schwagers, dem stellvertretenden Richter am Schwurgerichtshof des Départements de l’Aisne FRANÇOIS GUILLAUME MARQUETTE DE LA VIÉVILLE, wohnte. Dort gebar, wie dieser Arzt am Folgetag der Behörde meldete, am 13. September 1811 um 10 Uhr abends Cornélie Bréda, gebürtig zu Leeuwarden, einen Sohn, dem diese die Vornamen EMMANUEL FÉLIX gab. Als der leibliche Vater am 25. Juni des Folgejahres 1812 als Oberst des zweiten französischen Linieninfanterie-Regiments im Begriff ist, in russisches Feindgebiet einzudringen, will er seine privaten Angelegenheiten in Ordnung bringen und verfasst ein Testament, in dem er für den Fall, dass er zu Tode kommt, dem von „Mademoiselle Breda“ geborenen und von ihm anerkannten Sohn Emmanuel alles überlässt, was er besitzt. In der Tat erleidet der Vater am 18. August bei einem Feuerüberfall vor Polotsk am linken Fuß eine Verwundung, die zwar nicht tödlich ist, ihn aber ganz erheblich einschränkt. Er darf nach Besançon, dem Standort seines Regiments, heimkehren und erhält am 2. April 1813 die Erlaubnis, in den Ruhestand treten zu dürfen. Dann zieht er nach Paris, wo er bereits am 21. Juli 1813 im Alter von nur knapp 35 Jahren stirbt. Letzteres lässt Allart die folgende – die Peinlichkeit der Herkunft überspielende – Feststellung treffen: „Voici Cornélie veuve, avant d’être mariée, et Emmanuel Félix, orphelin.“ Frei übersetzt: So ist also Cornélie Witwe, ehe sie überhaupt verheiratet ist, und Emmanuel Fèlix Waise.
Hier sei nun der weitere Lebensgang des Sedangenerals unter Voranstellung der Lebens- und Heiratsdaten dargestellt:
-EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN, der am 13. 09. 1811 in Laon (Département Aisne) unter den oben geschilderten widrigen Umständen von der 19-jährigen CORNÉLIE BRÉDA aus Leeuwarden in den Niederlanden geboren worden und am 25. Februar 1884 in Paris gestorben ist und sich dort am 18. 08. 1839 vermählt hat mit der 20-jährigen
-ADÈLE (ADELHEID) EUPHROSINE QUESNEL, geb. 1818, gestorben am 18. 08. 1878 in Vorges/Département Aisne.
Als ADÉLAÏDE CUNÉGONDE DOROTHÉE MARQUETTE DE LA VIÉVILLE von dem Tod ihres Bruders FÉLIX DE WIMPFFEN erfährt, beschließt sie, ihren Neffen EMMANUEL FÉLIX zu sich zu holen und seine Erziehung zu übernehmen. Das Schicksal will es, dass am 6. Januar 1814, d. h. rund ein halbes Jahr danach, ihr Gatte stirbt und sie nunmehr drei Kinder aufzuziehen hat. Da die Folgejahre in finanzieller Hinsicht schwierig sind, entschließt sie sich 1821 in Übereinkunft mit ihrem jüngeren Bruder DAGOBERT SIGISMUND DE WIMPFFEN (geb. am 2. Februar 1782; siehe diesen in der in Kapitel O aufgeführten Geschwister-Reihe sowie in der II. Stammtafel an zweitletzter Stelle), der kurz zuvor Kommandant im Range eines Oberstleutnants der Königlichen Gardedragoner geworden ist, für ihren Neffen einen Platz in der mit großer Härte und Disziplinierung erziehenden „Ècole royale militaire préparatoire de La Flèche“ (auch „Prytannée militaire“ = Militärvorschule) zu erwirken. Damit würde diesem, der Tradition des Wimpffen-Geschlechts folgend, die bestmögliche Förderung mit dem Ziel der Ausbildung zum Offizier des französischen Heeres zuteil werden. Das Gesuch wird nicht nur befürwortet, sondern mit Rücksicht auf die besonderen Erziehungsumstände sowie darauf, dass der verstorbene Vater den Rang eines Obersten erreicht hatte, darf die Ausbildung des gerade 10 Jahre alt Gewordenen auf Staatskosten erfolgen. Die vom Direktor nach der am 29. September 1821 erfolgten Aufnahme getroffene Feststellung, dass Emmanuel Félix einen für die Aufnahme unzureichenden Bildungsstand besitze, weil er zwar hinreichend lesen könne, doch keinerlei Kenntnisse in Latein und Französisch (Deutsch war demnach seine und immer noch seiner Tante und deren Eltern Mutter- und Umgangssprache gewesen!) aufweise, wird durch eine sechsmonatige Zurückstellung mit Sonderkursen zur Aufholung des Rückstandes überwunden, so dass ein halbes Jahr später die definitive Aufnahme erfolgen kann. Dort bleibt er bis zu seinem 18. Lebensjahr und tritt nach bestandener Abschlussprüfung am 14. November 1829 in die 1802 von Napoleon gegründete berühmte „École royale spéciale militaire Saint-Cyr“ über, deren Devise „Ils s’instruisent pour vaincre“ (Sie lernen, um zu siegen) lautet. Emmanuel Félix gehört dort zusammen mit 146 anderen Offiziersschülern 1830 – 1832 der „Promotion du Firmament“ an. Da er, so stellt er später selbst bedauernd fest, seine Studien vernachlässigt, besteht er die Abschlussprüfung nicht, muss deshalb ein drittes Jahr absolvieren, klassifiziert sich jedoch abschließend unter 122 Schülern an 102. Stelle.
b. Emmanuel Félix des Wimpffen steigt in seiner Militärkarriere bis zum Divisionsgeneral und schließlich zum Oberbefehlshaber der algerischen Provinz Oran auf und wird infolge seiner Tapferkeit und Tüchtigkeit vor allem mehrheitlich in Algerien verbrachten Diensttätigkeit und erringt im August 1861 den Titel und Grad des „Grand officier de la Légion d’Honneur“
Er kann sich jetzt Unterleutnant nennen und tritt als solcher im Oktober 1832 in das in Straßburg stationierte 49. Linienregiment ein. Im Sommer 1834 wechselt er in das in Algier stationierte 67. Infanterie-Linienregiment über und wird damit Angehöriger der Armee in Afrika, die im Sommer 1830 mit der Eroberung und Unterwerfung sowie Kolonialisierung von Algerien begonnen hat und insbesondere auf den erbitterten Widerstand der Berberstämme unter Führung des arabischen Emirs Abd el-Kader gestoßen ist. Mit dem Erreichen seines Regiments in Algier ausgangs August 1834 beginnt er dort seinen Dienst, der zunächst zwar nur bis März 1835 geht, dem aber noch drei weitere Verwendungen in Algerien folgen werden, womit er letztlich dort rund 17 Jahre in höchst verdienstvoller Weise für sein Vaterland Frankreich tätig sein wird. Er erlebt seine Feuertaufe im Herbst 1834 im Schlachtengeschehen bei Bouffarick (Westalgerien), in dem sein Regiment ganz besonders der hervorragend kämpfenden arabischen Kavallerie-Guerilla der sog. Hadjoutes die Stirn bietet. Nach weiteren Kampfeinsätzen insbesondere gegen die aufständischen Rif-Kabylen wird sein Regiment im April 1835 nach Frankreich zurückverlegt, wo er dann in wechselnden Garnisonsstädten öd empfundenen Kasernendienst leistet, in seiner Freizeit sich aber im Militärischen fortbildet, mehrere Jahre die Schulungen seines Regiments leitet und im Frühjahr 1837 zum Leutnant des 67. Linienregiments befördert wird. 1839 lernt er bei einem Aufenthalt in Paris die aus einer ehrbaren Familie stammende 20-jährige ADÈLE EUPHROSINE QUESNEL kennen, die er im August heiratet und die 60 000 Francs in die Ehe bringt. Im September danach wird er im vorgenannten Regiment zum Hauptmann befördert.
Zur Durchsetzung der Eroberung Algeriens sowie der Unterdrückung der immer wieder aufflammenden Aufstände wird zunächst neben mehreren Kavallerieregimentern des Namens Chasseurs d’Afrique ein aus drei Bataillonen bestehendes Infanterie-Korps aus einheimischen Söldnern gebildet, den nach einem Kabylen-Stamm benannten sog. Zuaven, deren malerische Uniform an die türkisch-orientalische Tracht angelehnt gewesen ist. 1841 kommt noch ein Bataillon der sog. Tirailleurs algériens indigènes d’Alger et de Titteri hinzu, die wegen ihrer ebensolchen Tracht mit dem Spitznamen Turkos belegt werden. Die Mannschaften dieser Einheiten unterstehen natürlich französischen Offizieren und großteils auch französischen Unteroffizieren. Hauptmann de Wimpffen wird im Juni 1842 der letztgenannten Einheit zubeordert und kehrt somit nach Nordafrika zurück, wo er dann ein Jahrzehnt bleiben und seine Führungsqualitäten unter Beweis stellen wird. Sein auffallender Mut, sein Draufgängerrtum und seine große Tapferkeit bei verschiedenen Einsätzen insbesondere der Eroberung von Stützpunkten der Aufständischen führen dazu, dass er ausgangs Juni 1844 auf Veranlassung des Generalgouverneurs von Algerien Marschall Bugeaud zum „Chevalier de la Légion d’honneur“ („Ritter der Ehrenlegion“) ernannt wird, womit die Verleihung der ersten (= untersten) Stufe des auf der Brust getragenen Ordens am Band verbunden ist. Und auch in den Folgejahren sticht den Vorgesetzten immer wieder die große Liebe zu seinem Metier und die große Tapferkeit ins Auge, die Hauptmann de Wimpffen bei den geführten vielerlei Gefechten an den Tag legt. Schließlich wird er im April 1847 zum Bataillonschef im 44. Linieninfanterie-Regiment und im Juli 1848 zum solchen seiner früheren Einheit der Tirailleurs indigènes d’Algier ernannt. Diese bildet er, der von seinen Turkos verehrend Ba-Ba (Papa) genannt wird, im Rahmen der vielen Kämpfe in den erneut aufflammenden Unruhen zu einer herausragenden Truppe heran. So wird er ausgangs Juli 1849 zum „Offizier der Ehrenlegion“ (zweite Stufe) ernannt und dadurch das Band seines Ehrenkreuzes auf der Brust mit einer Rosette ausgestattet. Nachdem er bei den anschließenden Operationen gegen den immer wieder sich der französischen Beherrschung widersetzenden Volksstamm der Kabylen große Kompetenz und Tapferkeit und sein Turko-Bataillon sich gleichwertig mit französischen Bataillonen bewiesen hat und 1851 als „ein ausgezeichneter … Offzier von hoher Intelligenz und konstanter Hingabe für alle seine höchsten Erfolg bringenden Reformvorhaben“, der „Beförderung verdient“, bewertet wird, erfolgt im September 1851 seine Ernennung zum Oberst im ebenfalls in Algerien stationierten 68. Linieninfanterie-Regiment. Im August des Folgejahres 1852 wird er zum in Paris stationierten 13. Linieninfanterie-Regiment versetzt und erhält die Erlaubnis, sich 30 Tage nach Laon, seinem Geburtsort, zu begeben.
Als 1853 das Osmanische Reich (Türkei) Russland wegen dessen Vordringens auf dem Balkan den Krieg erklärt und Frankreich und England im März 1854 sich angeschlossen haben und so der sog. Krimkrieg (1853/54 – 1856) im Entstehen begriffen ist, erklärt der Oberst de Wimpffen, befragt wegen seiner Sachkenntnis und Erfahrung, dass die Turkos, die Zuaven eingeschlossen, mit den allerbesten Truppen Frankreichs und selbst auf europäischen Kampfesfeldern Schritt halten könnten. So kommt ihm der Auftrag zu, sich wieder nach Algerien zu begeben und aus diesen und weiteren Freiwilligen ein Regiment zusammenzustellen. Es umfasst zwei Bataillone, nämlich das weniger große Bataillon de Constantine und das Bataillon d’Alger et d’ Oran mit insgesamt 2000 Mann und erhält den Namen „Régiment de Tirailleurs algérien“, dessen Kommando ihm im März 1854 übertragen wird. Von Kaiser Napoleon III. bekommt dieses am 9. März 1854 eine Fahne gestiftet, die von Emmanuel Félix de Wimpffen im Rahmen einer großen Militärparade im nordalgerischen Kolea von Marschall de Saint-Arnaud, dem Kommandanten des französischen Korps, übergeben wird. De Wimpffens Regiment landet bald danach in den Dardanellen bei der Halbinsel Gallipoli an, nimmt am Krimkrieg teil und zeichnet sich wie sein Kommandant in den folgenden Kampfabschnitten aus:
-Zunächst in der Schlacht nahe Sewastapol am Fluss Alma im September 1854, wo die französich-britisch-türkisch-piemontesischen Verbündeten den russischen Truppen gegenüberstehen und in den letzten Phasen des Schlachtengeschehens insbesondere die Zuaven der Armée d’Afrique entscheidend zum Sieg beitragen.
-Dann in der im November 1854 stattfindenden Schlacht bei Inkerman (Festung im Südwesten der Halbinsel Krim), in der bei der Verfolgung des Feindes de Wimpffens Pferd unter ihm getötet wird und nach der General Bosquet in seinem Bericht anerkennend schreibt, dass „der Oberst de Wimpffen an der Spitze seiner Schützen springend gleich Panthern mitten durch das Dickicht auf die Russen losstürzte“.
Danach bei der im September 1855 erfolgten blutigen Erstürmung des Forts Malakow bei Sewastopol, wo die zunächst in Reserve stehende Brigade de Wimpffen am Schluss in den wachsend verbissenen Kampf tritt und nach dessen Eroberung die bedrängenden russischen Gegenangriffe in der Schlucht von Malakow insbesondere durch den harte Zurückschlagen der Tirailleurs d’algériens zurückgewiesen werden.
-Zuletzt bei der Eroberung der drei Forts der einstigen Felsenfestung Kinburn an der Mündung des Dnjepr im Oktober 1855.
Oberst de Wimpffens und seines 2. Turko-Bataillons Einsatz in den vorgenannten Kämpfen zieht bereits im Oktober 1854 nach der Schlacht an der Alma seine Ernennung zum „Kommandeur der Ehrenlegion“ (3. Stufe) nach sich, woraus sich jetzt das Tragen des Ordens am Halsband ergibt. Die vorbildhafte Führung seiner Truppe in der Schlacht bei Inkermanm bringt ihm im März 1855 den Rang eines Brigadegenerals ein. Und im Februar 1856 wird ihm die Kommandantur der in Paris stationierten 2. Infanterie-Brigade der Kaiserlichen Garde der 1. Infanterie-Division übergeben, die er im Juni nach dem Friedensschluss übernimmt.
Im mit Österreich geführten sog. Italienischen Krieg 1859 (auch Sardinischer Krieg oder Zweiter italienischer Unabhängigkeitskrieg) nimmt er insbesondere an der Schlacht bei Magenta und Buffalora (in der Provinz Mailand) am 4. Juni 1859 mit den vier von ihm kommandierten Regimentern der Kaiserlichen Garde teil, wo er am Fuß leicht verwundet und der Sieg teuer mit hohen Verlusten auch seiner Chasseurs d’Afrique erkauft wird.
Hier sei mit der
Abb. 52: Emmanuel Félix de Wimpffen, Ausschnitt aus dem Gemälde „Chasseurs d’Afrique“ von Clara von Wimpffen, geb. Both von Botfalva und Bajna (geb. am 12. Dezember 1907 in Iklad-Domony/Ungarn, gest. am 27. Mai 2000 in Bakonyság/Ungarn)
eine Darstellung eingefügt, die aus der Hand der Mutter des in Bad Wimpfen 1982 seinen zweiten und 1994 ersten Wohnsitz genommenen damaligen Leiters der Abteilung Gesundheit im Bayrischen Fernsehen Dr. Hans H. von Wimpffen stammt. In dieser ist die Person des Genannten, der im Italienischen Krieg des Jahres 1859 im Rahmen seiner Funktion als Kommandeur einer Infanteriebrigade der Kaiserlichen Garde auch das Kommando der Chasseurs d’Afrique innnegehabt hat und fünf Jahre zuvor mit dem Halsorden des Commandeur de la Légion d’Honneur ausgezeichnet worden ist, einfühlsam und gekonnt nachempfunden.
Der von ihm am Tag der Schlacht gezeigte beständige Einsatz und die gewohnte Tapferkeit bewirken, dass er am Folgetag zum Divisionsgeneral der ersten Abteilung des Generalstabs der Armee ernannt wird. Als solcher wird ihm das Kommando über die für eine Landung in Venedig bestimmten Truppen aller Gattungen anvertraut und gelangt er in der zweiten Juliwoche an Bord des Admiralsschiffes von Rimini an der Adria her bis vor diese Stadt. Zur Landung lässt es jedoch der wenige Tage danach geschlossene Friede nicht mehr kommen. Mitte August 1856 wird ihm, seinen Wünschen entsprechend, das Kommando über die 1. Infanterie-Division der Armee von Lyon übertragen. Er darf dann in der ersten Hälfte des Januar 1860 an einem in Genf stattfindenden Familientreffen teilnehmen, wo einer seiner vielen Vettern, der österreichische GENERALFELDZEUGMEISTER FRANZ EMIL GRAF VON WIMPFFEN (1797 – 1870), damals Militärgouveneur der österreichischen Provinz Triest, der 19-jährigen GRÄFIN KAROLINE VON LAMBERG (1830 – 1883) seinen Sohn ALPHONS GRAF VON WIMPFFEN (1828 – wie wir aschon wissen, später gestorben nach seiner schweren Verwundung im preußisch-österreichischen Krieg am 22. Juli 1866) verspricht. Hier sitzen sich am Tisch friedlich zwei Generäle des Namens von Wimpffen gegenüber, die sich im kurz zuvor zu Ende gegangenen Italienischen Krieg als Gegner gegenübergestanden haben. In den Folgejahren 1861 bis 1864 übt Emmanuel Félix de Wimpffen die Funktion eines Generalinspekteurs zuerst des 16., dann des 17., später des 5. Infanterie-Arrondissements aus, was die laufende Inspektion einer Vielzahl von in Städten Frankreichs stationierten Lineninfanterie-Regimentern erforderlich macht. Dazwischen, im August 1861, wird er zum „Grand officier de la Légion d’Honneur“ ernannt (4. Stufe) und trägt jetzt zusätzlich zum Orden am Band auf der linken Brust noch einen Ordensstern auf der rechten Brust. Außerdem führt er vorübergehend das Kommando über die 3. Infanterie-Division des 1. Armeekorps in Paris. Auf seine Bitte hin wird ihm im März 1865 das Amt des Oberbefehlshabers der Provinz Algier in Vertretung von General Yusuf übergeben.
Somit kehrt er im April nach Algerien zurück, das seit seinem Weggang vor 12 Jahren einigermaßen befriedet und mehr und mehr von hauptsächlich in den Städten lebenden Kolonisten besiedelt ist. Einige Wochen nach seiner Ankunft wird ihm das Amt des Generalinspekteurs des 23. Infanterie-Arrondissements übertragen, das ihm auch in den Folgejahren bis 1870 zuerkannt bleibt. In dieser Funktion hat er vor allem zahlreiche in Algerien stationierte Regimenter und Kompanien zu inspizieren, jedoch nach einem Dekret des Jahres 1864 auch zivile Aufgaben zu erfüllen. Er vertritt die Ansicht, dass an die Stelle der militärischen Beherrschung die Entwicklung der Landwirtschaft und des Gewerbes treten müsse, und sucht, den ihm alle seine Zeit beanspruchenden Tätigkeiten, wie er zu sagen pflegt, nach dem Wahlspruch „Paix et justice aux vaincus“ (Friede und Gerechtigkeit den Besiegten) nachzukommen. Im Juni 1869 wechselt er von der ostalgerischen Provinz Algier in die westwärtige der zwei Provinzen Algeriens über, nachdem er zum Oberbefehlshaber der Provinz Oran, General Deligny ersetzend, bestellt worden ist. Dort kommt er bald zu der Erkenntnis, dass die Bevölkerung der Südgebiete von den feindseligen marokkanischen Stämmen, insbesondere der großen gewalttätigen Sippe der Ouled-Sidi-Cheikh, dazu von algerischen Dissidenten bedroht wird. Immer wieder wird die Habe der Bevölkerung geplündert und manchmal werden Teile derselben sogar gezwungen, ihre Wohnplätze zu verlassen. Da die französischen Militäreinheiten die in die Wüste flüchtenden Plünderer nicht fassen könnten und die Autorität der Franzosen dadurch verspottet werde, müsse, so de Wimpffen, mit harter Bestrafung dagegengehalten werden. Es gelingt ihm, den Generalgouverneur in Algerien MARSCHALL MAC-MAHON von der Notwendigkeit der sog. „Expédition de l’Oued Guir“ (Oued Guir ist ein Wadi im algerisch-marokkanischen Grenzbereich) zu überzeugen. So bricht er Ende Februar 1870 mit sage und schreibe 1800 bis 2000 Infanteristen, 1200 Reitern, 600 bis 700 einheimischen Söldnern, 3 Abteilungen Artillerie und für den Transport des Materials, der Nahrung und des Wassers 2200 Kamelen Richtung Südwest auf und legt jeden Tag 17 – 25 km zurück. Der Hauptkampf im Zielbereich des Oued-Guir zwischen der Truppe de Wimpffen und jener der Rebellenstammes zur Verfügung stehenden 8000 Bewaffneten, die sich in den Dünen über dem Wadi festgesetzt haben und höchsten Widerstand leisten, findet Mitte April 1870 statt und endet mit dem Verlust von 24 Toten und 27 Verwundeten auf französischer Seite und zwischen insgesamt 400 bis 500 solchen auf der Seite der arabischen Stammesangehörigen und deren teilweiser Unterwerfung. Die Strafexpedition, bei der die Truppe fast 1500 Kilometer zurücklegt, bewirkt in dem aufrührerischen Gebiet allerdings nur eine momentane, keinesfalls dauerhafte Ruhe.
c. Im Deutsch-französischen Krieg des Jahres 1870/71 fällt Emmanuel Félix de Wimpffen innerhalb von kaum zehn dramatischen Tagen den Aufstieg in den Rang des Generals eines Armeekorps sowie noch weiter des Oberbefehlshabers der französischen Sedanarmee einerseits und die Schmach der ihm nach der verlorenen Schlacht zufallenden Aushandlung und Besiegelung deren Kapitulation andererseits zu
Im Laufe des Mai 1870 nach Oran zurückgekehrt, wird de Wimpffen von der Möglichkeit eines Krieges mit Preußen informiert und am 19. Juli setzt die französische Kriegserklärung diesen in Gang. Wider jedes Erwarten Frankreichs dringen die raschest mobilisierten Truppen der Länder des Nordeutschen Bundes, vereint mit jenen der süddeutschen Staaten und gegliedert in drei Armeen unter dem Oberbefehl des Generals der Infanterie und Chef des Generalstabes und großen Strategen HELMUTH VON MOLTKE (1800 – 1891), im Laufe des Monats August rasch nach Frankreich hinein und erringen in für beide Seiten verlustreichen Schlachten, so der bei Vionville und Mars la Tour oder Saint Privat und Gravelotte in Lothringen, entscheidende Siege. Und ausgangs August entwickelt sich eine weitere solche Schlacht um die in den Niederardennen unweit der belgischen Grenze an der Maas gelegene Festungsstadt Sedan, auf welche die neu aus preußischern, sächsischen, bayrischen und württembergischen Truppenverbänden der ersten und zweiten Armee gebildete vierte sog. Maas-Armee in Stärke von etwa 185 000 Mann und an die 800 Geschützen vordringt und der die sog. Armee von Chaylons (en Champagne) mit knapp 130 000 Mann und fast 400 Geschützen gegenübersteht. Letztere stellt die einzige noch im Felde stehende französische Armee dar, die Mitte August dem Oberbefehl von General MAC-MAHON unterstellt worden ist. Es braucht hier nicht ausgebreitet werden, warum auf deutscher Seite eine Umgliederung der Streitkräfte stattgefunden hat und wie es dazu kam, dass die bei Reims versammelte Armee Mac-Mahon der eingeschlossenen Festung Metz keine Hilfe bringen konnte und schließlich nach aufreibenden Märschen mit mehrfachen Zieländerungen, verlorenen Gefechten sowie dem Vorspiel der Niederlage in der Schlacht bei Beaumont unter GENERAL DE FAILLY sich erschöpft und demoralisiert am 30. August ca. 80 Kilometer nordwestlich des Ausgangsraumes ringförmig nord- bis südostwärts um sowie in Sedan selbst zu sammeln begann. Das gilt auch für die Einzelheiten der zur Abdrängung und Umklammerung des Gegners durch die deutsche vierte und Teile der dritten Armee vorgenommenen berühmten Rechtsschwenkungen Richtung Nord und damit die Abkehr vom Vormarsch in Richtung der Hauptstadt Paris. Wichtig zu sagen ist allerdings, dass sich bei dieser nunmehr so genannten Sedanarmee auch KAISER NAPOLEON III. eingefunden hatte.
Demgegenüber erscheint die andeutungsweise Beschreibung des als „das große Kesseltreiben“ bezeichneten Endgeschehens der Schlacht bei Sedan selbst unvermeidbar, weil die französische Armee in der letzten Phase der beinahe vollzogenen Einschließung und damit des so gut wie verlorenen Kampfes unter das Kommando des EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN gestellt worden und diesem die schmachvolle Aufgabe zugefallen ist, mit dem GENERALFELDMARSCHALL HELMUTH VON MOLTKE und dem preußischen MINISTERPRÄSIDENTEN OTTO VON BISMARCK die Bedingungen der Kapitulation auszuhandeln und schließlich auch zusammen mit dem Erstgenannten die Kapitulationsurkunde zu unterzeichnen. Die
Abb. 53: R. Brendamour, General Emmanuel Félix de Wimpffen, undatierte Portraitdarstellung,
zeigt diesen auf der Höhe seines Ruhmes mit seinen vielen Ordensauszeichnungen, darunter dem Orden am Band am Hals mit Ordensstern auf der rechten Brust des Grand Officier de la Légion d’Honneuer (Großoffizier der Ehrenlegion), über welchem nur noch das Großkreuz (Grand-Croix de la Légion d’Honneur) mit Ordensstern auf der linken Brust, dazu Ordensband, getragen über der rechten Schulter, als 5. und höchste Stufe dieser Ordensreihe stand.
Die nunmehr beginnende genaue Schilderung des, wie die nachfolgend fett hervorgehobenen Datenangaben zeigen, auf kaum zehn Tage beschränkten Vorganges des gewaltigen plötzlichen Aufstieges des Emmanuel Félix de Wimpffen zum Oberbefehlshaber der Sedanarmee wie seines ebensolch raschen Fallens stützt sich großteils auf die höchst umfangreiche Dokumentation des Journalisten und Schriftstellers Theodor Fontane „Der Krieg gegen Frankreich 1870 – 1871, Band 1“, 1873, S. 476 – 633. Dieser versteht es, das Drama mit Verve minutiös zu schildern und die Handlungsweise sowie Persönlichkeit desselben unter Berücksichtigung des Für und Wider psychologisch klar und überzeugend ins Bild zu setzen und zu beurteilen. Dazu muss man wissen, dass der Autor im Krieg 1870/71 den Kriegsschauplatz um Paris besucht hat, sogar unter falschem Verdacht als Spion verhaftet und erst nach zwei Monaten wieder auf freien Fuß gesetzt worden ist und dann im April 1871 die Stationen des Feldzuges in Nordfrankreich und Elsass-Lothringen aufgesucht und auch darüber in einem Buch berichtet hat. De Wimpffens Ehrgeiz geht vom Beginn des Krieges an dahin, an die Spitze eines Armeekorps oder doch mindestens einer vor dem Feinde stehenden Division gestellt zu werden. MARSCHALL MAC-MAHON, bislang in Algier ihm vorgesetzt als General-Gouverneur Algeriens amtierend, doch jetzt zum Oberbefehlshaber der Armee von Châlons aufgestiegen, weiß ihn aber in Algerien zurückzuhalten. Ob hier Eifersüchtelei im Spiel ist, wie Wimpffen selbst meint, und Mac-Mahon Wimpffen als Nebenbuhler fürchtet oder umgekehrt dieser bei Wimpffen ein Missverhältnis zwischen Anspruch und Begabung erkennt, muss offen bleiben. Fontane: „Unter der Versicherung, daß Algerien ‚durchaus einen Mann von Kriegserfahrung und Charakter erheische’, hat der Marschall wiederholentlich auf die Dienste Wimpffen’s verzichtet.“ Nach der Niederlage von Wörth unter GENERAL DE FAILLY, die man diesem zu Unrecht anlastet, sieht Wimpffen jedoch seine Stunde gekommen und er bittet KRIEGSMINISTER GRAF PALIKAO in einem Brief erneut um seine Verwendung vor dem Feinde. Die positive Antwort in einem am 22. August 1870 eingegangenen Telegramm lautet, er solle sich sofort nach Paris begeben, es handle sich darum, General de Failly im Kommando des 5. Korps zu ersetzen. Am 28. August über Marseille in Paris mit der Eisenbahn angekommen, bespricht der Kriegsminister mit ihm rückhaltlos die prekäre militärische Lage und richtet dann die Frage an Wimpffen, ob er es nicht doch vorziehe, auf das Kommando des 5. Korps zu verzichten und das in Bildung begriffene 14. Korps zu übernehmen. Doch der lehnt das Angebot ab. Und somit kann Wimpffen am 29. August in Begleitung zweier ihm zugeordneter Offiziere per Eisenbahn nach Sedan zur Übernahme seiner neuen Funktion aufbrechen. Und er hat sogar ein ihm vor der Abreise zugestelltes dienstliches (folgenschweres!) Schreiben Palikaos bei sich, das ihn, den Ältesten unter den Korps-Generalen, ermächtigt, für den Fall, dass GENERAL MAC-MAHON ein Unglück zustoßen sollte, den Befehl über die diesem unterstellten Truppen zu übernehmen.
In Soissons im Département Aisne, seiner speziellem Heimat, angekommen, erlässt er kurzerhand an die Bewohner eine patriotische Proklamation und reist dann raschestens weiter nach Reims. Im Kriegswirrsal des Bahnhofstreibens entdeckt er dort einen für die Rückkehr nach Paris bestimmten Kavallerie-Trupp von 25 Mann. Fontane: „Mit jener raschen Entschlossenheit, die einen Hauptzug seines Charakters bildete, bemächtigte er sich dieses Husarentrupps, änderte die Marschrichtung desselben und befahl dem Leutnant … und seinen Leuten, ihm als Escorte zu folgen. Dies geschah. … Vor allem aber glaubten wir dieses Vorganges … wie auch der zu Soisson im Nu abgefaßten Proclamation … deshalb erwähnen zu müssen, weil sich hierin genau dasselbe Verfahren zu erkennen giebt, das er drei Tage später … auf dem Schlachtfelde von Sedan inne hielt. Ein ebenso dem Temperament wie der Gewohnheit entsprechendes, energisches Drunterfahren, das in kleinen Verhältnissen meist Wunder wirkt, aber freilich nicht ausreicht, eine mit 300,000 Soldaten gespielte Schachpartie zu gewinnen.“ In Rethel kaum angekommen, läuft der Schreckensruf „Des Ulans“ durch die Straßen. Doch kann die schwache preußische Patrouille durch den Schutz des vereinnahmten Husarenescorte de Wimpffen nichts anhaben. Jetzt wird die bisherige Eisenbahnfahrt zu Pferd durch Gebiete fortgesetzt, die bereits von den Heereseinheiten schleierartig weit vorausgeschickter preußischer Kavallerie durchschwärmt sind. Eine in einem Waldstreifen entstehende plötzliche Kollision, bei der Wimpffen vom Pferde geworfen wird, entpuppt sich glücklicherweise als Begegnung mit einer Gruppe Franctireurs (französischer Freischützen) und nicht, wie zunächst geglaubt, mit preußischer Kavallerie. Im Dorfe Signy-L’Abbaye gibt sich der Maire (Bürgermeister) als der zu erkennen, der das Freischützenkorps gebildet und an der Waldecke postiert hat. Diesem schüttelt Wimpffen die Hand und beglückwünscht ihn zu seinem patriotischen Eifer. Fontanes Einschätzung: „Eine kleinlicher geartete, minder enthusiastische Natur würde außer Stande gewesen sein, den Zwischenfall, der halb unbequem, halb lächerlich war, so frank und frei und so mit Worten der Anerkennung zu behandeln.“
Als am 30. August frühmorgens das rd. 20 km nordwestwärtig von Sedan gelegene Mezières (siehe die ab hier genannten Orte etc. großteils in der nachfolgenden Abb. 54!) erreicht ist, gesellt sich dort ein Rittmeister zu der nun vier Offiziere als Adjudantur und Ordonnanz umfassenden Begleitgruppe und geht die Reise wieder per Eisenbahn weiter. Gegen Mittag fährt der Zug merkwürdigerweise ohne Halt über den Zielort Sedan hinaus bis zu dem rd. 3 km südsüdöstlich davon gelegenen Bazeilles, wo nun eine Art Vorspiel zum Drama um den Aufstieg Wimpffens zum Korps-General durch Verdrängung de Faillys und schließlich Ersetzung Mac-Mahons als Oberbefehlshaber der Sedan-Armee beginnt. Denn dieser steigt jetzt wieder kurzentschlossen zu Pferd und rekognostiziert in einem Ritt, der über die Ufer der Maas hüben und drüben und weit über den ostwärtigen Nebenfluss Thiers hinweg südostwärtig bis zum um die 10 km entfernten Amblimont geht und ihn in den Mittagsstunden Augenzeuge des auf die Festung Sedans zugehenden fluchtartigen Rückzugs der französischen Truppen werden lässt. „Wimpffen – auch darin wieder ganz sich selbst – vermochte diesem tristen Schauspiel nicht anzuwohnen, ohne einzugreifen und die Fluth der Flüchtigen zurückzustauen. Binnen kürzester Frist hatte er mehrere Tausende, die den verschiedensten Corps angehörten, um sich versammelt, nahm mit ihnen starke Position in der Nähe von Mairy und schickte mehrfach schriftliche Meldung an den Marschall, worin er diesem anzeigte, daß er da sei, daß er mit einigen tausend Mann die Position zwischen Mairy und Amblimont halte und daß er um Befehle bitte. Endlich um 9 Uhr Abends kam Ordre: Rückzug auf Sedan. – Auch hier wieder hatte er sich bewährt und mit der ihm eigenen Impetuosität (wobei Anderer Anordnungen sehr oft gekreuzt wurden) gehandelt und durchgegriffen. In Allem spricht Eifer und Umsicht, patriotischer guter Wille und rasches Erkennen des local und momentan Nöthigen, aber doch auch zugleich ein Sebstvertrauen und befehlerischer Hang aus, der von den übrigen Generalen, und ganz besonders vom Marschall selbst, fast wie eine Beleidigung, gewiß wie eine Bedrückung empfunden werden mußte. Er war noch nicht eingeführt, war kaum etwas anderes als ein ‚General auf Reisen’ und nahm aus dem Stegreif Allüren an, als sei er erschienen, um endlich nach dem Rechten zu sehen und den ewigen rückgängigen Bewegungen ein Ende zu machen. Es ist höchst wahrscheinlich, daß der Marschall die Dinge von diesem Gesichtspunkt aus ansah und am Morgen des 1., als er, um seiner Verwundung willen, das Commando abgeben mußte, auch aus einem persönlichen Antagonismus Wimpffen überging und Ducrot zum Nachfolger wählte.“
Am späten Abend des 30. in Sedan eingetroffen und nach langem Suchen in der überfüllten Stadt in einem Zimmer des „Croix d’or“ mit seinen vier Ordonnanz-Offizieren untergekommen, stellt er sich am 31. früh 9 Uhr dem MARSCHALL MAC- MAHON vor und wird ziemlich kalt empfangen. Er bittet, ihn dem 5. Korps vorstellen zu wollen, zu dessen Kommandant er ernannt worden sei. Im Wissen darum, dass es von den Generalen der Sedanarmee wie eine Art Eindringling angesehen und in der Erwartung, dass die Notwendigkeit einer Ersetzung Mac-Mahons aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso nicht eintreten werde, schweigt er sich über das empfangene Schreiben der Übertragung des Oberbefehls an ihn im Falle des Ausfalls Marschall Mac-Mahons aus. Der Marschall verspricht, der Bitte Wimpffens nachzukommen, und steigt zu Pferd. Als dieser bis um 1 Uhr offenbar noch nichts in dieser Sache getan hat, geht Wimpffen selbst zum Vieux Camp, dem an die Festungsstadt im Nordosten angelehnten Lagerpatz des 5. Korps, hinaus und gibt sich den Offizieren und Soldaten als ihr neuer Oberbefehlshaber zu erkennen. In eben diesem Augenblick erscheint GENERAL DE FAILLY, der von seiner Absetzung weder Ahnung noch Kunde hat. Der peinlichen Situation folgen bittere Worte, die sich freilich zunächst mehr gegen die Urheber der Maßregel als gegen Wimpffen richten, diesen aber immerhin mittreffen müssen. Danach kehrt Wimpffen in die Stadt zurück, um sich KAISER NAPOLEON vorzustellen. Dieser nimmt ihn bei der Hand und fragt ihn unter Tränen nach den Gründen der dauernden Niederlagen. Wimpffen meint dazu, dass die Armeekorps in Nähe des Feindes immer in zu großer Entfernung voneinander stünden und Befehle schlecht gegeben und schlecht ausgeführt worden sind. Auf Wimpffens Frage, warum er so spät zur Übernahme eines Kommandos berufen worden sei, weist der Kaiser auf Mac-Mahon hin, der darauf bestanden habe, ihn in Algerien zu belassen, um die Ruhe in der Provinz zu gewährleisten. Die Zwiesprache endet wie folgt: „Ich bedaure, Sire, erst nach so schweren Mißgeschicken eintreffen zu dürfen. Aber rechnen Sie auf meine Energie; ich werde Alles daran setzen, die Unfälle auszugleichen.“ – Der Kaiser: „Ich weiß, daß ich darauf rechnen kann.“
Nach einer jetzt folgenden kurzen Begegnung mit dem Marschall begibt sich Wimpffen wieder hinaus in das Lager des 5. Korps, um einzelne Ordres zu geben; dann sucht er den Schlaf. Doch das unbequeme Lager, die Kälte und noch mehr die Erregungen über die beiden Begegnungen mit der mehr abgeneigten denn wohlwollenden Haltung sowie vor allem dem Ausschweigen des Marschalls über seine Vorhaben verweigern ihm die Ruhe. „Endlich“, so schreibt er selbst, „stieg die Morgenröthe des 1. September herauf. Um 4 Uhr hört’ ich lebhaftes Gewehrfeuer von Bazeilles her. Die Schlacht hatte begonnen.“ Der gegenüber Wimpffen schweigsame Oberbefehlshaber MAC-MAHON weiß, was die Kartendarstellung der
Abb. 54: Der Vollzug der Einkreisung der Französischen Armee von Châlon durch die Deutsche Vierte (Maas-)Armee in der Schlacht von Sedan vom Abend des 31. August bis zur Mittagszeit des 1. September sowie deren weiteres Vordringen am Nachmittag desselben Tages
zeigt: Dass nämlich der von den rasch vordringenden deutschen 6 Armeekorps und deren zahlreichen Batterien Artillerie gezielt angesetzte Einschließungsgring sich im Raum Illy im Norden mehr und mehr zu schließen beginnt und es somit jetzt nicht mehr um einen Sieg, sondern nur noch um ein Entkommen gehen kann. Wie der Marschall später aussagt, verfolgt er den ihm am aussichtsreichsten erscheinenden Plan, im Südosten bei Bazeilles durchzubrechen, wo der beidseits ungewöhnlich harte Entscheidungskampf gegen die südöstliche Eckbastion um Sedan in der Morgenröte des 1. September tobt, und sich zum belagerten Metz durchzuschlagen. Dessen ein Stück westlich von La Moncelle um 6 ¼ Uhr durch einen Granatsplitter eintretende Verwundung mit nachgefolgten Ohnmachten bewirken, dass die Ausführung dieses Planes, wenn er überhaupt bestanden hat, sich um ca. 3 Stunden verzögert.
Wieder zu sich gekommen, sucht er zu entscheiden, wem er den Oberbefehl übertragen soll. In Unkenntnis der von Kriegsminister Palikao an Wimpffen ergangenen Weisung entscheidet er sich, die Anciennität Wimpffens hintenan stellend, für den das 1. Korps führenden zweitältesten GENERAL DUCROT. Denn Wimpffen ist vor kaum zwei Tagen bei der Armee eingetroffen, kennt nach Lage der Dinge weder das Terrain, noch die Stellung der Truppen in ihrer Gesamtheit. Hinzu kommt die mangelnde persönliche Sympathie. Um 7 Uhr wird der sich weiter nördlich bei seiner Truppe befindliche General Ducrot ins Bild gesetzt und der nimmt die Bestellung an. Nach der Einschätzung Fontanes ist diese Entscheidung vom französischen Standpunkt aus eher als ein Glück denn als ein Unglück zu betrachten. Denn dieser sieht die Gesamt-Situation mit anderen Augen an als Mac-Mahon, und zwar mit den richtigen Augen. Er sieht, dass im Norden um Illy die Mausefalle der Einschließung noch offen ist und setzt auf den Abzug über diesen Ort mit anschließendem Flankenmarsch Richtung West auf Mezières. Sofort erlässt er die dementsprechenden Befehle: Das Gros der französischen Armee beginnt Richtung Illy abzurücken, während die verbleibenden Einheiten die Sicherung dieses Abzugs übernehmen und später gestuft nachrücken sollen. Als KAISER NAPOLEON gegen 8 Uhr von seiner Besichtigung von Stellungen auf der Höhe von La Moncelle zurückkehrt, bemerkt er zu seinem Erstaunen den plötzlichen Abzug von Truppen, die er zuvor noch unerschüttert in starken Stellungen wähnte. Als er sich von Ducrot den Grund dafür mitteilen lässt, gibt er sich, ohne den Plan Ducrots zu durchkreuzen, zufrieden.
Nicht so GENERAL DE WIMPFFEN. Dieser erhält zwar um 7 ¼ Uhr Kenntnis von den Vorgängen um Mac-Mahon und Ducrot, unternimmt aber zunächst nichts, seine aus dem dienstlichen Schreiben des Kriegsministerts Palikao sich ergebenden Ansprüche auf das Kommandeuramt der Armee bei Ducrot unverzüglich geltend zu machen. Der Grund: Genau wie der Kaiser und wie der außer Gefecht gesetzte Mac-Mahon sieht er die Rückwärtsbewegung der Einheiten im Südostbereich bei Bazeilles als eine durch nichts motivierte Aktion an. Und so tritt er fürs Erste gegen 8 ¼ Uhr oder etwas später den aus ihrer Bazeille-Position eben abziehenden Regimentern der DIVISION GRANDCHAMP entgegen, legitimiert sich diesen als ernannter Oberfeldherr „der Armee von Châlons“ und gibt Befehl, in die alten, eben aufgegebenen Stellungen zurückzukehren. Dann erst, um etwa 8 ½ Uhr, macht er sich daran, Ducrot eine schriftliche Meldung folgenden Inhalts zu schicken: Er sei seitens des Kriegsministers Palikao zur Übernahme des Kommandos, für den Fall, dass Marschall Mac-Mahon von einem Unfall betroffen werde, autorisiert worden. Indem er sich vorbehalte, nach der Schlacht mit dem General noch weitere mündliche Rücksprache zu nehmen, bemerke er doch schon jetzt, dass er das Aufgeben der Stellung Bazeilles-Givonne in einem Augenblick, wo der Feind hier keine Fortschritte mache, nicht gutheißen könne. Er habe daher abziehende Regimenter des 12. Korps in ihre alten Positionen zurückbeordert. Das Schreiben schließt mit der Aufforderung, das 1. Korps in der ihm zugewiesenen Gefechtslinie bei Givonne zu belassen und das rechts neben diesem fechtende 12. Korps lebhaft zu unterstützen.
Ducrot, der dieses unerwartete Schreiben um ¾ 8 Uhr in die Hände bekommt, begibt sich sofort zu Wimpffen und erklärt demselben gegen etwa 9 Uhr oder wenig später, dass er sich seinem Befehl unterstellen wolle, erklärt aber zugleich Folgendes: Er glaube den Feind und dessen Absichten besser zu kennen und beschwöre ihn um des Wohles der Armee willen, die Rückzugsbewegung auf Illy weiter fortsetzen zu lassen. Es sei zu befürchten, dass das 1. Korps auf seinem linken Flügel bald umgangen sein werde. Die Bestätigung seiner Befürchtung gehe aus einem Brief des Maire von Villers Cernay hervor, der den Durchmarsch starker feindlicher Massen melde. Ducrots Beschwörungen sind umsonst. Wimpffen, dem Ducrot nach seiner späteren Buchaussage sogar erklären muss, wo Illy liegt und welche strategische Bedeutung dieses in Bezug auf den schmalen Raum zwischen der Maasschleife und der nahen belgischen Grenze besitzt, sieht die Notwendigkleit eines Rückzugs nicht ein. 12. und 1. Korps seien stark genug, um alles écrasieren (vernichten) zu können, was der Feind ihnen entgegenstelle. Nachdem aber der anwesende Kommandierende des 12. Korps, GENERAL LEBRUN, mehr auf Wimpffens Seite tritt, ordnet sich Ducrot schließlich doch unter und sagt zu, die bereits abgerückten Divisionen in ihre alten Stellungen zurückbeordern zu wollen. Dazu die Einschätzung Fontanes: „In gewissem Sinne war das Einrücken Wimpffen’s in das Obercommando nichts anderes als die Wiederaufnahme des Mac-Mahon’schen Plans, der durch die fünfviertelstündige oder ausgedehntesten Falls durch die zweistündige ‚Episode Ducrot’ blos unterbrochen worden war. Wimpffen erwies sich nur um eben so viel zuversichtlicher, als er unvertrauter mit der thatsächlichen Lage und mit der doppelt überlegenen Kraft des ihm gegenüberstehenden Feindes war. Mac-Mahon hatte bei Bazeilles nur siegen wollen, um seiner Armee an dieser Stelle den Durchbruch zu ermöglichen; Wimpffen gab sich, wenigstens auf kurze Zeit, dem Wahne hin, auf der Linie Bazeilles-Givonne überhaupt einen Sieg erringen zu können. Er wollte den Sieg nicht um des Rückzugs, er wollte den Sieg um des Sieges willen.“
Hier sei ein bei Theodor Fontane angehängter Abschnitt, in dem dieser seinen Unwillen über die widersprüchlichen Aussagen der sich gegenüberstehenden Parteien und Personen sowie der Letztgenannten (insbesondere jener von Wimpffen) in sich allgemein und teilweise konkret auslässt, aus Platzgründen übergangen. Was KAISER NAPOLEON betrifft, der von der Unterredung Wimpffen-Ducrot erfährt und das Hin und Her der obersten Befehlsgebung – sicherlich mit Recht – für ein schweres Unglück, eine Zerbröckelung der Kraft und eine Lockerung der Disziplin hält, so scheint dieser nach der Meinung Fontanes in diesen dramatischen Morgenstunden des Schlachtentages die Erkenntnis gewonnen zu haben, dass das von Ducrot Gewollte das allein Richtige sei. Wohl lässt er, Wimpffens Kehrtwende – so wie er zuvor diejenige von Ducrot hingenommen hat – zunächst, ohne ihm die mutmaßlich vorhandenen Bedenken entgegenzuhalten, geschehen. Doch findet er im Laufe eines am Vormittag unternommenen dreistündigen Rittes über das Schlachtfeld zweimal Gelegenheit, dem neuen Oberfeldherren von Wimpffen diese Anschauung zu erkennen zu geben; freilich bleibt dies ohne Wirkung:
-Zunächst zwischen 9 und 10 Uhr: „Auf dem Terrain westlich von Daigny traf er den General Wimpffen, der eben von Balan kam. ‚Wie steht die Schlacht?’ fragte der Kaiser. Der General antwortete: ‚Sire, die Dinge gehen so gut wie irgend möglich und wir gewinnen an Terrain.’ Auf die nun folgende Bemerkung des Kaisers, daß Meldung eingegangen sei, ein starkes feindliches Corps umgehe bereits die französische Linke, erwiderte Wimpffen, ohne in seiner Zuversicht erschüttert zu werden: ‚Gut! Desto besser; man muß sie gewähren lassen; wir werden sie in die Maas werfen und die Schlacht gewinnen’“
-Dann ca. eine halbe Stunde später, worüber GENERAL PAJOL berichtet: „Wir waren eben, in Nähe des Bois de la Garenne (A. d. V.: Waldgebiet westlich von Givonne), eine Höhe hinangeritten, um einen Ueberblick zu gewinnen, als ein Chasseur-Offizier von der Division des Generals Goze aus den Reihen trat und zum Kaiser sagte: ‚Sire, ich bin hier zu Hause und kenne die Gegend vollkommen; wenn der Wald von Garenne umgangen ist, ist die Armee eingeschlossen und wir befinden uns in der bedenklichsten Lage.’ Diese Worte, fährt General Pajol fort, verfehlten nicht den Eindruck auf uns Alle. Der Kaiser ließ dem General Wimpffen sofort Mittheilung davon machen. Aber dieser voll derselben Zuversicht, die er eine halbe Stunde vorher im Gespräch mit dem Kaiser gezeigt hatte, antwortete dem Ordonnanz-Offizier: ‚Sagen Sie dem Kaiser, er möge beruhigt sein; in zwei Stunden habe ich sie in die Maas geworfen.’ General Castelnau, so schließt Pajol seine Mittheilung, drückte mir, als der Ordonnanz-Offizier diese Antwort Wimpfffen’s überbrachte, die Hand und sagte: ‚Gott gebe, daß wir nicht hineingeworfen werden.’“
Wimpffens Antworten, man werde den Feind in die Maas werfen und die Schlacht gewinnen, huldigen weniger einem echten, sondern eher einem Zweck-Optimismus, es sei denn, diese sind aus Ermangelung von Argumenten als bloße leere Floskeln anzusehen. Sicher erscheint, dass in ihm im Laufe des späten Vormittags mehr und mehr die Erkenntnis wächst, dass die Armee in der Tat eingeschlossen und verloren sei. Sein Ahnen findet Nahrung, als er gegen 11 Uhr in Vernachlässigung seiner Fixierung auf den Durchbruch bei Bazeilles am Ende des rechten Flügels nun doch den linken Flügel und damit GENERAL DOUAY, den Kommandeur des 7. Korps, aufsucht und von diesem Folgendes hören muss: „Wir schlagen uns nur noch für die Ehre unserer Waffen. Folgen Sie mir, General; es wird leicht sein, Sie davon zu überzeugen.“ Zum Höhenrand zwischen Floin und Illy geführt, wird er der jenseits versammelten Truppenmassen gewahr und erlebt die überlegene Feuerkraft und Präzision der zwischen St. Menges und Fleigneux feuernden Artillerie des Feindes. „Avec un coeur navré“ (mit blutendem Herzen) kehrt er nach dem Vieux camp in Sedan, dem Zentralpunkt der französischen Stellung, zurück.
Inzwischen hat am späten Vormittag des 1. September auch der KAISER NAPOLEON nach seinem dreistündigen Aufenthalt auf dem Schlachtfeld sein Pferd gewendet, um nach Sedan zurückzukehren. Unterwegs gewahrt er bereits Unordnungen in Gestalt einzelner Militärabteilungen, die dreifachem Artilleriefeuer von Nordwest, Ost und Süd ausgesetzt gewesen sind und jetzt fluchtartig in die Festungsstadt drängen. Und als er gegen 11 Uhr in der Stadt den Turenne-Platz erreicht, wächst der Beschuss dort von Minute zu Minute und es beginnt Verwirrung. „Der Kaiser hielt ruhig zu Pferde, ruhig, fast apathisch. Er war körperlich und geistig erschöpft. In seiner Seele mochte er lesen: Der Kaiserreichs letzter Tag !“ Gegen 12 Uhr ist der Einschließungsring um die Stadt und den diese von Nordwest bis Südost umgebenden Verteidigungsgürtel geschlossen. Nahezu 500 Geschütze feueren jetzt fast unablässig auf die Truppenverbände in den Stellungen um und auch in die Festungsstadt selbst, die durch ihre niedriges Höhenniveau von den Hügelketten ringsherum sich offen und schutzlos darbietet. Es können sich jetzt bestenfalls nur noch kleinere Abteilungen bei Illy, Givonne oder Bazailles durchwinden oder durchschlagen. Dieses glückt nordwärtig in der Tat einer Gruppe von gegen 5000 Mann, die sich größtenteils nach Belgien retten. Der zweite Teil der Schlacht hat begonnen.
Gegen 1 Uhr beginnen die von GENERAL DUCROT angeordneten und geleiteten vier großen Kavallerie-Angriffe, die nicht mehr auf den Ausbruch gerichtet sind, sondern allein darauf, seine unmittelbar nördlich von Floing auf Illy zu stehenden hart bedrängten Bataillone zu unterstützen und Zeit für die Heranziehung frischer Brigaden zu gewinnen. „Da auf einmal bebte der Boden unter den Hufen der heranbrausenden feindlichen Cavallerie.“ In 4 Wellen bei Intervallen von je einer Viertelstunde bis 20 Minuten reiten gegen die preußischen Einheiten, die den Hügel nordwestlich des Holzes de la Garenne zu erstürmen sowie die Vorstadt Cazal zu erreichen suchen, in todesmutiger Verzweiflung Attacke: Zuerst zwei Eskadronen Lanciers, dann mehrere Schwadronen Kürassiere (Chasseurs d’Afrique) auf Berber-Schimmelhengsten, danach zwei Eskadronen Chasseurs à cheval, schließlich mehrere Eskadronen Husaren und wieder Chasseurs á cheval. Sie branden gegen die heftig feuernden Schützenlinien der preußischen Infanterie- und Jägerverbände, bei denen nach dem Zeugnis von Fontane auch der 13. Kavallerie-Brigade zugehörige hessische Husaren Stellung bezogen haben. Deren Linien werden zwar mehrfach durchbrochen und es kommt stellenweise bei den Verteidigern zu harten Verlusten, doch brechen die Angriffe unter den Schnellfeuersalven meist zusammen; zu Hunderten fallen Ross und Mann. Und die durchgebrochenen Kolonnen werden vor Ort zusammengehauen oder kommen auf der Flucht großteils zu Tode. Für den KÖNIG WILHELM VON PREUSSEN und dessen Begleiter, die zur Beobachtung die Höhe von Frénois aufgesucht haben und denen sich nach Auflösung der morgendlichen dichten Nebeldecke der Blick bei strahlendem Sonnenschein in die hügel- und plateauumsäumte Maasschlingen-Landschaft eröffnet, wirken diese Kavallerieattacken bei aller Furchtbarkeit des Geschehens „wie ein großartig in Scene gehendes Schauspiel“. Die nachfolgende farbige Darstellung aus unbekannter Hand versucht, den Ansturm der Chasseurs d’Afrique auf ihren Schimmelhengsten (mittig rechts) und die Abwehr durch preußische Jäger (vorne und links) nachzuempfinden:
Abb. 55: Hessen verhindern in der Schlacht bei Sedan am 1. September 1870 den Durchbruch der „Afrikanischen Jäger“ bei Floing.
Das Vorandringen der deutschen Belagerer geht also weiter. Um 1 1/4 Uhr, also um die Zeit der ersten Reiterwelle, schickt Wimpffen, heimgesucht von Verzweiflung und Wut und ungeachtet oder gerade wegen der sich abzeichnenden Niederlage und Sorge um das Schicksal des Kaisers, an diesen nach Sedan hinein ein Billet, das folgendermaßen lautet: „‚Sire, ich gebe dem General Lebrun den Befehl, einen Durchbruch in Richtung Carignan zu versuchen, und ich lasse ihm alle verfügbaren Truppen folgen. Ich befehle dem General Ducrot, diese Bewegung zu unterstützen und dem General Douay den Rückzug zu decken. Möge Euer Majestät in die Mitte Ihrer Truppen kommen; sie werden es sich zur Ehre anrechnen, Ihnen einen Durchweg zu öffnen. 1 ¾ Uhr v. Wimpffen.’ – Es war 1 ¾ Uhr, als das Billet zu den Händen des Kaisers kam. Das Bild, das sich dem letzteren in seiner unmittelbaren Umgebung bot, war nicht geeignet, ihn mit Vertrauen zu einem Schritte zu erfüllen, wie ihn General Wimpffen vorschlug. Die Zustände innerhalb Sedan waren bereits seit 12 Uhr aller und jeder Ordnung entkleidet.“ Die letztgenannte Feststellung illustriert eine von dem AMERIKANER LINUS PIERPONT BROCKETT nach Berichten von Augenzeugen gegebene Schilderung, von der hier ungekürzt ein auf den frühen Nachmittag bezogener Ausschnitt dargeboten werden soll:
„Für Jemanden, der wie ich in die Stadt kam, gab es nicht länger eine Schlacht zu beschreiben. Es war anfangs ein Rückzug, und nur zu bald eine wilde Flucht. Ich hielt mich selbst für glücklich, von dem Schlachtfeld fortzukommen, wie es mir gelang; denn eine Stunde später war die Niederlage jener Truppen, welche in meiner Nähe gestanden hatten vollständig. Bereits stießen Soldaten in dem Kampfe, um in die Stadt hinein zu dringen, heftig gegeneinander an. Abgestiegene Reiter versuchten sogar über die Wälle zu klettern, nachdem sie von der Contrescarpe herunter gesprungen waren; Andere bahnten sich einen Weg durch die Hinterpförtchen. Aus einer Ecke in den Wällen, worin ich einen Augenblick ausruhte, sah ich auch Kürassiere – Mann und Pferd – in den Festungsgraben springen, wobei viele Pferde Beine und Rippen brachen. Soldaten drängten und kletterten rappelnd übereinander. Es waren Offiziere jeden Ranges – Obristen und selbst Generale in Uniformen, welche man unmöglich mißkennen konnte – in diesem schimpflichen Gewühl vermengt. Hinter Allem kamen Geschütze mit ihren schweren Lafetten und starken Pferden dahergerasselt, welche sich in das Gewühl hinein Bahn brachen und die Flüchtlinge zu Fuß verstümmelten und zerquetschten.- Um die Entsetzen zu vermehren, waren die deutschen Batterien inzwischen bis auf Schußweite vorgerückt, und die deutschen Bomben begannen, unter dieas um die Stadteingänge sich drängenden und ringenden Menschenmassen einzuschlagen. Auf den Wällen bemannten die Nationalgarden die Kanonen der Stadt und antworteten mit mehr oder weniger Wirkung den nächsten deutschen Batterien. Es war ein Schauspiel entsetzlich genug, um selbst die Phantasie eines Gustave Doré zu befriedigen. Ich konnte mir nur eine Vorstellung von der Lage unserer unglücklichen Armee machen – daß sie unten in einem siedenden Kessel stecke. – Ich eilte, so gut ich konnte, in mein Hotel zurück, indem ich den engsten Straßen folgte, wo die Bomben am unwahrscheinlichsten den Boden erreichen würden. Wo immer ein öffentlicher Platz war, stieß ich auf todte Pferde und Menschen, oder die noch zuckten, von platzenden Bomben in Stücke gerissen. Als ich mein Hotel erreichte, fand ich die Straße, worin es stand, wie die übrigen Straßen, mit Wagen, Kanonen, Pferden und Soldaten vollgepropft. Zum größten Glück bestrich in diesem Augenblick das deutsche Feuer nicht diese Straße; denn ein Zug von Munitionswagen, die mit Pulver gefüllt waren, versperrte den ganzen Weg, da er selbst nicht im Stande war, rückwärts oder vorwärts zu kommen. Es war die größte Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß diese Pulverwagen in die Luft fliegen würden, weil die Stadt bereits an zwei Orten in Flammen stand; und ich begann, Sedan für einen unbehaglicheren Platz zu halten als selbst das Schlachtfeld, über welches ein siegreicher Feind rasch vorrückte.“
Der Kaiser empfindet nicht anders und lehnt in seinem Inneren Wimpffens Vorschlag ab, an der Spitze seiner Truppen einen Ausfall Richtung Carignan zu wagen, schiebt aber sein „Nein“ zu diesem Verlangen hinaus. So wartet Wimpffen vergeblich und beginnt 2 ¼ Uhr, auf eigene Faust zu handeln; denn er empfindet:: „Es war höchste Zeit; es mußte etwas geschehen. Der Durchbruchsversuch, wenn er nicht all und jede Chance verlieren sollte, durfte nicht länger hinausgeschoben werden. Die Gegenwart des Kaisers würde Wunder gewirkt, meine Autorität gestärkt, die Widerwilligen mit fortgerissen haben; da sie nicht zu erzwingen war, so mußte es ohne ihn versucht werden.“ Und so begibt er sich zum Vieux Camp und findet dort in noch guter Haltung die Marine-Division, einige Zuaven-Bataillone und das 47. Linien-Regiment vor. Er gibt Ordre zum Avancieren und sofort setzen sich diese „braven Truppen“ in Stärke von 5 bis 6000 Mann in Bewegung. Mit diesen zieht er durch das Haupttor von Balan in südöstlicher Richtung über den Fond de Givonne hinaus und nimmt gegen 2 ¾ oder 3 Uhr dort Stand, von wo aus er glaubt, die benachbarten Orte La Moncelle, Balan und Bazeille beherrschen zu können. Nicht wissend, dass die Reste des 12. und 5. Korps ca. 1000 Schritt weiter östlich in Richtung Ost fechten, wundert er sich, weder auf dem passierten Terrain noch auf der Höhenposition französischen Truppenteilen zu begegnen. Da er diese jetzt in Balan vermutet, begibt er sich dorthin, um diese heranzuholen. Doch findet er dort das auf Sedan zuführende Tor geöffnet und den Ort leer und so weiß er, dass sich alle Truppen in die Festungsstadt Sedan zurückgezogen haben. Unter diesen ist auch General Lebrun.
Immer noch rechnet Wimpffen in fieberhafter Ungeduld auf den Kaiser. Und so begibt er sich wieder auf die Festung zu und trifft am Tor um 4 Uhr auf einen Beamten des Hofes, der ihm endlich einen Brief des Kaisers überreicht, aber gleichzeitig mitteilt, dass auf den Wällen bereits die weiße Fahne aufgezogen und er dazu ausersehen sei, mit dem Feinde zu parlamentieren. Wimpffen ist wie vom Donner gerührt und erklärt, keine Kenntnis von diesem Brief zu nehmen und auch nicht zu verhandeln. Nachdem ihn der Hofbeamte beschworen hat, den Brief zu empfangen und zu lesen, nimmt er diesen, öffnet ihn aber nicht. Mit dem Brief in der Hand reitet er dem Turenne-Platz zu und fordert unter dem Ruf „Vive la France! En avant!“ und „Bazaine greift gerade die Preußen im Rücken an“ einzelne Trupps auf, ihm zu folgen und einen letzten Versuch des Ausbruchs zu wagen. Sie begegnen General Lebrun, der von einem Mann mit Parlamentärfahne begleitet ist. Wimpffens Ordonnanzoffizier entreißt diesem die Fahne und wirft sie zur Erde und beeindruckt, wenngleich ohne wahre Hoffnung, schließt sich General Lebrun dem Zug an. Offiziere und Soldaten weisen größtenteils auf die weiße Fahne, von der sie wissen wollen, dass sie auf Befehl des Kaisers aufgehisst worden ist. Andere aber folgen freudig und guten Mutes, so dass Wimpffen schließlich mit „tapfern 2000“, wie er sagt, zum Balan-Tor hinauszieht. Die Einschätzung des oben bereits zitierten L. P. Brockett: „Von Seelenpein zum Wahnsinn getrieben, und in schnurgeradem Widerspruch mit den Befehlen des Kaisers, hatte der beschlossen, alle Mannschaften zu sammeln, soviel er konnte, und Widerstand zu leisten. Er konnte nicht wissen, daß er durch einen eisernen Ring von 300,000 Mann umspannt war.“
In Balan sind die Häuser bereits voll von Deutschen, die aus jedem Fenster auf die Franzosen feuern. Die Tür der von diesen besetzten Kirche wird von zwei herbeigeholten Kanonen eingeschossen und dort werden 200 Deutsche gefangen. Wie diese letzte Unternehmung Wimpffens weiter- und rasch erfolglos zu Ende geht, hört sich aus der – Vorwurf vor allem gegen die „Umgebung des Kaisers“ (gemeint die in der Stadt außer Lebrun befindlichen Generäle) erhebenden – Feder Wimpffens selbst folgendermaßen an: „So drangen wir bis über die Kirche von Balan hinaus vor. 5 Uhr.- Der Feind stand uns an dieser Stelle, nach Osten und Südosten zu, nirgends in geschlossenen Massen gegenüber. Ich ritt bis an die Maas vor, und überzeugte mich, daß nichts da war, was im Stande gewesen wäre, einem mit vollem Ernst gewonnenen Angriff zu widerstehen; aber in der Umgebung des Kaisers hatte man seit drei Stunden bereits jeden Gedanken an Widerstand aufgegeben. Kein Zuzug, keine Hülfe kam. Als ich in Nähe der Kirche von Balan wieder eintraf, hatten sich die 2000 Mann, die Lebrun und ich gemeinschaftlich bis hierher vorgeführt hatten, bereits sehr verringert. Einzelne todt oder verwundet, die meisten zerstreut. So gingen auch wir zurück. Lebrun und ich waren die Letzten. Es war jetzt gegen 6 Uhr.“
Was er sieht, das ist Chaos. L. P. Brockett schildert das so: Mit Einbruch der Nacht verlief sich der Menschenhaufe ein wenig, und mit einiger Mühe war es möglich, sich einen Weg durch die Stadt zu bahnen. Das Schauspiel, welches sich darbot, war entsetzlicher als der Krieg selbst. Todte lagen überall – Bürgerliche und Soldaten in einem gemeinsamen Blutbade. In einer Vorstadt zählte ich mehr als fünfzig Leichen von Landleuten und Städtern – einige Frauen darunter und ein Kind. Der Boden war mit Bruchstücken von Bomben übersäet. Hungernde Soldaten zerschnitten todte Pferde, um sie zu kochen und zu essen; denn Lebensmittel fehlten uns abermals, wie Alles seit dem Anfang dieses Feldzuges gefehlt hat. Ich war froh, von dem Anblick unsres Unglückes hinwegzukommen und die Erinnerung daran in einigen Stunden des Schlafes zu verlieren.“ Dieses ist auch die Stunde, die Sonne ist hinter schwarzem Gewölk untergetaucht und es fängt schon an zu dunkeln, da auf der Höhe von Frénois, dem Beobachtungs- und Kommandopunkt von KÖNIG WILHELM VON PREUSSEN und seiner großen Suite, darunter KANZLER OTTO VON BISMARCK, GENERALSTABSCHEF HELMUTH VON MOLTKE und KRIEGSMINISTER ALBRECHT ROON, GENERAL VON PODBIELSKI, gespannte Erwartung herrscht. Denn nachdem am Spätnachmittag gegen 5 Uhr auf der Zitadelle, den Wällen und am Tor nach Balan von Sedan die weiße Fahne, Zeichen der Kapitulation, erschienen ist, hat man OBERSTLEUTNANT BRONSART VON SCHELLENDORF in die Stadt gesandt, der mit der wie ein Lauffeuer sich verbreitenden Nachricht zurückgekommen ist, dass sich, deutscherseits hatte man davon keinerlei Ahnung gehabt, KAISER NAPOLEON in der Stadt befinde und alsbald ein Parlamentär kommen werde. Als solcher erscheint nunmehr per Pferd der französische GENERAL REILLE mit Begleitern und überreicht dem König den Degen seines Kaisers und ein Schreiben von Napoleon folgenden Inhalts: „Mein Herr Bruder! Da mir nicht vergönnt war, in der Mitte meiner Truppen zu sterben, bleibt mir nur übrig, meinen Degen in die Hände Eurer Majestät zu legen. Ich bin Euer Majestät guter Bruder.- Sedan 1. September – Napoleon.“ (Der viel zitierte Kernsatz des französischen Texts lautet: „N’ayant pu mourir au milieu de mes troupes, il me ne reste qu’à remettre mon epée entre les mains de Votre Majesté.“) Tief bewegt gibt der König den Brief an Bismarck, der ihn dem Kronprinzen, Moltke und Roon vorliest. Diesern Akt der völligen Unterwerfung und Preisgabe antwortet der Kanzler im Namen des Königs, indem er dem Grafen Hatzfeld die folgende Nachricht diktiert: Mit Bedauern über die Umstände nehme der König den Degen an und bäte um einen Bevollmächtigten für seine tapfere Armee. Der König bestimme General Moltke dazu von seiner Armee.
Was Wimpffen, der sich in Sedan zu seinem Hotel Croix d’or begibt, hört und ihn umtreibt, das sind die folgenden zwei Wörter: Kapitulation und Verrat. Entgegen seiner, wie er denkt, besseren militärischen Einsicht missbilligt er immer noch das Aufziehen der weißen Fahne und die Absendung eines Parlamentärs, das über ihn hinweg in völliger Missachtung seiner Funktion des Oberkommandierenden geschehen ist, und ist darüber tief gekränkt. Und er spürt, dass ihm nun zum Spott und Hohn für seinen bis zuletzt gezeigten Widerstandsmut noch Schlimmers droht: nämlich die trostlose Aufgabe, in dieser Funktion die Kapitulationsverhandlungen führen und die Unterwerfung besiegeln zu müssen. Solcher Schande sucht er zunächst zu entgehen, indem er an den Kaiser um 7 ½ Uhr abends folgendes Entlassungsgesuch richtet: „Sire! Ich werde niemals die Beweise von Wohlwollen vergessen, welche Sie mir gewährt haben, und ich würde sowohl im Hinblick auf Frankreich wie auf Sie glücklich gewesen sein, wenn ich den heutigen Tag mit einem glorreichen Erfolge hätte beenden können. Ich habe dieses Resultat nicht erlangen können und ich glaube, einem Anderen die Sorge, unsere Armee zu führen, überlassen zu müssen. Ich glaube zugleich in dieser Lage genöthigt zu sein, meine Entlassung als Obergeneral zu nehmen und meine Pensionirung zu verlangen. Ich bin General v. Wimpffen.“
Diesmal schon um 8 Uhr trifft des Kaisers Antwort ein: „General! Sie können nicht Ihren Abschied nehmen, wenn es sich noch darum handelt, die Armee durch eine ehrenvolle Capitulation zu retten. Ich nehme Ihre Demission nicht an. Sie haben den ganzen Tag hindurch Ihre Schuldigkeit getan. Thun Sie es ferner. Es ist dies ein Dienst, den Sie dem Lande leisten werden. Der König von Preußen hat einen Waffenstillstand angenommen. Ich erwarte seine Vorschläge. Zweifeln Sie nicht an meiner Freundschaft. Napoleon.“ General von Wimpffen schwankt zunächst, doch dann siegt unter dem Zuspruch seiner Begleiter, wie Fontane es sieht, „seine Liebe zu Armee und Vaterland über seine Selbsliebe“. Er begibt sich um 8 ¼ Uhr zum Schloss, wo der Kaiser Wohnung genommen hat und wo man ihm in den Vorgemächern den Eintritt mit der falschen Ausflucht, der Kaiser habe eine Konferenz mit dem Prinzen, zu verweigern sucht. Laute Unmutsäußerungen lassen ihn nun denn doch ins kaiserliche Kabinett gelangen, wo sich GENERAL CASTELNAU und verschiedene andere Generaladjudanten mit dem Kaiser beraten. Nach den späteren Schilderungen Wimpffens in seiner Verteidigungsschrift „Sedan par le Général der Wimpffen“ (Paris 1871) verlassen bei seinem Erscheinen allesamt bis auf GENERAL DUCROT das Zimmer und es entspinnt sich zwischen beiden der folgende Wortwechsel:
-DUCROT in großer Errregung: „General, da Ihr Ehrgeiz Sie dazu stachelte, mich der Ehren des Kommandos zu entheben, so möge Ihnen auch die Schmach der Kapitulation zufallen.“
-WIMPFFEN verteidigt sich: „Ich nahm das Kommando, um eine Niederlage zu vermeiden, die Ihre angeordneten Bewegungen unfehlbar herbeigeführt hätten. Was ich zu erreichen gedachte, habe ich nicht erreicht; aber alle meine Anstrengungen gehören auch in diesem Augenblicke noch der Armee. Im Übrigen, General, bin ich nicht an dieser Stelle erschienen, um mit Ihnen zu verhandeln. Lassen Sie uns.“
Nach den Feststellungen von Ducrot in seiner Verteidigungsschrift „La journée de Sedan par le Général Ducrot“ (Paris 1871), in der er sich auf das Zeugnis der angeblich anwesend gebliebenen Generäle (unter Namhaftmachung von GENERALSTABSCHEF GENERAL FAURE) beruft, spielte sich der Wortwechsel folgendermaßen ab:
-WIMPFFEN, hastig ins Zimmer getreten und die Arme gen Himmel hebend: „Sire, wenn ich die Schlacht verloren habe, wenn ich besiegt worden bin, dann liegt es einzig und allein daran, dass meine Befehle nicht ausgeführt wurden, dass Ihre Generale mir nicht gehorchen wollten,“
-DUCROT, aufspringend und sich mit einem Sprung vor Wimpffen stellend: „Was sagen Sie, wer hat Ihnen nicht gehorchen wollen? Auf wen spielen Sie an? Etwa auf mich? Ihre Befehle sind leider nur zu gut ausgeführt worden. Ihrer tollen Anmaßlichkeit haben wir unsere furchtbare Niederlage zuzuschreiben. Sie allein haben sie zu verantworten, denn wenn Sie die Rückzugsbewegung nicht aufgehalten hätten, trotz meiner Gegenvorstellungen, so wären wir jetzt mit Sicherheit in Mezières.“
-WIMPFFEN, etwas überrascht und außer Fassung gebracht durch diese Abfertigung: „Wohlan, wenn ich unfähig bin, so ist dies ein neuer Grund, auf das Kommando zu verzichten.“
-DUCROT: „Sie haben sich heute Morgen des Kommandos bemächtigt, als Sie dachten, dass es Ehre und Nutzen bringen würde; ich habe es Ihnen nicht streitig gemacht, obgleich es vielleicht bestreitbar war. Zur Stunde können Sie sich nicht zurückziehen. Sie allein haben die Schande der Kapitulation auf sich geladen. …“
Fontane meint, dass Wimpffen wenigstens die letztgenannte Äußerung nicht gemacht haben könne, da er schon vorher entschlossen gewesen sei, im Kommando zu bleiben, um die Kapitulation und dadurch die Rettung der Armee zu ermöglichen.
Nach diesem Zwischenfall, wie dessen genauer Ablauf auch gewesen sein mag, verlässt General Ducrot das Zimmer und Wimpffen erklärt nunmehr dem Kaiser, die ihm zugefallene unglückliche Rolle auch zu Ende führen zu wollen. Der Kaiser zeigt sich bewegt. Es werden Pferde beordert und vorgeführt und Wimpffen erhält zu seiner Legitimation folgendes kaiserliche Handschreiben: „Der Kaiser Napoleon III., nachdem in Folge der Verwundung des Marschalls Mac-Mahon der General v. Wimpffen zum Ober-Commandanten durch ihn ernannt worden war, hat dem General v. Wimpffen Vollmacht ertheilt, über die Bedingungen für seine Armee zu verhandeln, von der der König anerkannt hat, daß sie sich tapfer geschlagen habe.“
Die fehlerhafte Feststellung, dass Wimpffen den Oberbefehl vom Kaiser empfangen habe, in Wirklichkeit hatte sich dieser (gestützt auf das dienstliche Schreiben Palikaos) desselben bemächtigt, bleibt von diesem unbeanstandet. Begleitet von GENERAL CASTELNAU, der bei den vorbereitenden Unterhandlungen die Interessen des Kaisers wahrnehmen soll, und GENERAL FAURE mit den jeweiligen Adjudanten, begibt sich Wimpffen nach dem wenige Kilometer westlich von Sedan an der Maas gelegenen Ort Donchery. In dessen Jagdschloss wird er auf seinen deutschen Widerpartner und gleichzeitig (bei der Begegnung wohl unausgesprochen geblieben) sogar Verwandten (Vetter seiner vor knapp 40 Jahren verstorbenen Tante ELISE VON WIMPFFEN, geb. VON MOLTKE), GENERAL HELMUTH VON MOLTKE mit Gefolge treffen, den der König von Preußen zum Bevollmächtigten der Kapitulationsverhandlungen bestimmt hat.
d. Emmanuel Félix de Wimpffen versucht bei den nächtlichen Verhandlungen über die Kapitulation mit General Helmuth von Moltke in Donchery vergebens, den freien Abzug der geschlagenen Armee von Sedan durchzusetzen
Etwa um 10 Uhr nachts des 1. September treffen diese am Jagdschloss von Donchery ein. Nach dem von CAPITAINE D’ORCET vom 4. französischen Cürassier-Regiment in den Wintermonaten 1870/71 während seiner Gefangenschaft in Stettin abgefassten ganz besonders ausführlichen Darstellung, die später von General Ducrot zur Verfügung gestellt und von diesem veröffentlicht wurde und sich mit den anderen vorhandenen Aufzeichnungen, insbesondere auch jener – allerdings wesentlich kürzeren – Fassung Wimpffens, im Ganzen vorzüglich deckt, geht die denkwürdige „Conferenz von Donchery“ folgendermaßen vonstatten:
„ … Wir wurden in ein Zimmer im Erdgeschoss geführt, wo wir 10 Minuten zu warten hatten, bevor GENERAL V. MOLTKE, GRAF BISMARCK, GENERAL V: BLUMENTHAL und einige andere preußische Offiziere eintraten. Nach einer kurzen Begrüßung stellte GENERAL V. WIMPFFEN die ihn begleitenden beiden Generale (FAURE und CASTELNAU) dem General v. Moltke vor. Auf die Frage des Letzteren, in welcher Eigenschaft die beiden Herren zugegen wären, antwortete zunächst General Faure, daß er als Chef des Generalstabes der ehemalig Mac-Mahon’schen Armee den General v. Wimpfen, jedoch ohne jeden offiziellen Charakter, begleitet habe. General Castelnau bemerkte, daß er eine mündliche, halboffizielle Mittheilung seitens des Kaisers zu machen wünsche, daß diese Mittheilung erst am Schluß der Verhandlungen, an denen er sonst in keiner Weise betheiligt sei, von Nutzen sein werde. General v. Moltke nannte darauf, sie mit der Hand bezeichnend, dem General v. Wimpfen den Grafen Bismarck und den General Blumenthal, worauf man sich setzte,
Das Arrangement war das folgende: Inmitten des Zimmers stand ein viereckiger Tisch mir rother Decke; an der einen Seite saß General von Moltke, links den Grafen Bismarck, rechts den General v. Blumenthal neben sich; ihm gegenüber und neben diesem – etwas rückwärts und fast im Schatten schon – die Generale Castelnau und Faure, sammt den sie begleitenden Adjudanten. Von preußischen Offizieren waren noch sieben oder acht zugegen, deren einer, auf einen Wink des Generals v. Blumenthal, sich neben den Kamin stellte, um, auf die Krönung desselben gestützt, eine Art Protokoll zu führen.
Ein momentanes Schweigen trat ein. Man fühlte, daß General v. Wimpffen in Verlegenheit war, wie er das Gespräch einleiten solle; aber General Moltke blieb unbeweglich und war entschlossen, seinem Gegner das erste Wort zu überlassen.
Es würde ihm lieb sein, begann v. Wimpffen endlich, die Bedingungen kennenzulernen, die Se. Majestät der König von Preußen gewillt ist, uns zu bewilligen.
Sie sind einfach genug, erwiderte General v. Moltke. Die Armee ist kriegsgefangen mit Waffen und Gepäck; man wird den Offizieren, in Anerkennung ihrer tapferen Haltung, den Degen lassen; aber sie sind kriegsgefangen wie die Truppen.
Diese Bedingungen sind hart, entgegnete General v. Wimpffen; die Haltung der französischen Armee hätte vielleicht bessere verdient. Wäre nicht eine Capitulation auf folgende Abmachungen einzuleiten: Der Platz und seine Artillerie wird übergeben; die Armee behält ihre Waffen, Fahnen, Gepäck, unter der Zusage in diesem Kriege nicht ferner gegen Preußen zu dienen; der Kaiser und die Generale verpflichten sich für die Arme, die Offiziere für sich selbst; Preußen bestimmt einen Theil Frankreichs (wenn nicht Algier vorgezogen wird), wohin sich die Armee bis zum Friedensschlusse zurückzuziehen hat.
v. Wimpffen fügte noch einiges Weitere hinzu; als er inzwischen wahrnahm, daß sein Gegner unerbittlich blieb, versuchte er die Sympathien desselben durch einen Hinweis auf seine (Wimpffens) persönliche Lage zu erwecken. ‚Vor zwei Tagen treff’ ich von Afrika hier ein; ein untadeliger militärischer Ruf bekleidet mich; mitten in der Schlacht übernehm’ ich den Oberbefehl und nun soll ich meinen Namen an eine Capitulation setzen, die das Resultat eines Kampfes ist, der von mir weder geplant noch eingeleitet wurde. Sie, der Sie selbst General sind, werden das Bittere meiner Lage besser empfinden, als irgend wer.’
General v. Wimpffen versuchte näher auf diese Dinge einzugehen und ein Bild der besonderen Vorkommnisse und Verlegenheiten zu entrollen, die ihn in das Oberkommando einführten und während desselben begleiteten, alsbald indessen wahrnehmend, daß dieser Appell an die menschliche Theilnahme des Gegners wirkungslos blieb, nahm er einen lebhafteren Ton an und erklärte: ‚Im Uebrigen, General, wenn keine anderen Zugeständnisse gemacht werden können, so sehe ich mich außer Stande, Ihre Bedingungen anzunehmen. Ich werde an meine Armee das Glück der Schlachten noch einmal appelliren, und entweder mich durchzuschlagen oder in Sedan mich zu vertheidigen wissen.’
Hier unterbrach ihn General v. Moltke: ‚Ich bin voll großer und besonderer Hochachtung vor Ihrer Person, ich würdige die Schwierigkeiten Ihrer Lage und ich bedaure, Ihren Forderungen nicht nachkommen zu können; was aber einen erneuten Durchbruchsversuch oder Ihren Entschluß angeht, sich in Sedan zu vertheidigen, so muß ich Ihnen bemerken, daß das eine so unmöglich ist, wie das andere. Gewiß, Sie haben noch immer über Bruchtheile einer ausgezeichneten Armee Verfügung, Ihre Elite-Truppen sind ersten Ranges, aber ein großer Theil Ihrer Infanterie ist demoralisirt, denn wir haben heut, im Laufe des Tages, über 20,000 unverwundete Gefangene gemacht. Sie haben noch 80,000 Mann; wir stehen Ihnen mit 240,000 Mann und 500 Geschützen gegenüber; bestimmen Sie einen Ihrer Offiziere, der sich von der Genauigkeit meiner Angaben überzeugen mag. Sie können nicht durch und können sich eben so wenig in Sedan halten, denn Sie haben keine Munition mehr und nur Lebensmittel auf 48 Stunden.
General v. Wimpffen, als er seinen Gegner so wohl unterrichtet sah, suchte ihm von anderer Seite beizukommen. ‚Ich möchte doch glauben, fuhr er fort, daß es auch vom p o l i t i s c h e n Standpunkte aus angesehen, sich empfehlen würde, der mir unterstellten Armee ehrenvolle Bedingungen zu gewähren. Sie wünschen den Frieden, und über kurz oder lang werden Sie ihn haben. Was die französische Nation vor Allem kennzeichnet, ist ihre hochherzige und ritterliche Gesinnung; eine solche Gesinnung aber ist allemal erkenntlich für die Akte des Edelmuths, denen sie begegnet. Verfahren Sie umgekehrt, schreiten Sie zu den härtesten Maßregeln, so wecken Sie Zorn und Haß in den Herzen aller unserer Soldaten und verletzen die Eigenliebe der Nation aufs Empfindlichste. All die alten Leidenschaften und Gegensätze werden wieder wachgerufen und Sie gerathen in Gefahr, einen nicht enden wollenden Krieg zwischen Preußen und Frankreich entbrennen zu sehen.’
Hier fiel Graf Bismarck ein: ‚Ihre Argumentation, Herr General, scheint beim ersten Anblick ernstlich zu sein; aber sie scheint es nur und ist im Grunde unhaltbar. Man muß im Allgemeinen sehr wenig an die Dankbarkeit glauben, und am Allerwenigsten an die Dankbarkeit eines Volkes. Man kann zur Noth an die wohlwollenden Gesinnungen eines Souverains und seiner Familie glauben, ja man kann ihnen unter Umständen ein vollkommenes Vertrauen schenken; aber, ich wiederhole es, von der Dankbarkeit einer Nation ist nichts zu erwarten. Wenn das französische Volk wie ein anderes wäre, wenn es dauerhafte Einrichtungen hätte, wenn es, wie das unsrige, Verehrung und Achtung vor seiner Regierungsform und einem Souverain hätte, welcher fest auf seinem Throne sitzt, so könnten wir an die Dankbarkeit des Kaisers und seines Sohnes glauben und auf diese Dankbarkeit Werth legen; aber in Frankreich sind seit 80 Jahren die Regierungsformen so wenig dauerhaft gewesen, sie haben mit einer so seltsamen Raschheit gewechselt, daß es von Seiten einer benachbarten Nation Unverstand sein würde, Hoffnungen auf die Freundschaft eines französischen Souverains zu bauen. Ueberhaupt aber würde es Thorheit sein, sich einzubilden, daß Frankreich uns unsere Erfolge verzeihen könnte. Sie sind ein über die Maßen eifersüchtiges, reizbares und hochmüthiges Volk. Seit zwei Jahrhunderten hat Frankreich dreißig Mal Deutschland den Krieg erklärt, und diesmal, wie immer, aus Eifersucht, weil man uns unseren Sieg von Sadowa nicht verzeihen konnte, obgleich dieser Sieg Frankreich und seinem Ruhm keinen Eintrag gethan hatte. Aber es scheint, daß der Sieg eine dem französischen Volk allein vorbehaltene Apanage, daß er ein Monopol für dasselbe ist. Man konnte uns Sadowa nicht verzeihen, und man würde uns Sedan verzeihen? Nimmermehr! Wenn wir jetzt den Frieden schlössen, in fünf Jahren, in zehn Jahren, sobald Frankreich es vermöchte, würde es den Krieg wieder anfangen. Das ist die Dankbarkeit, die wir von der französischen Nation zu erwarten haben. Wir sind im Gegensatz dazu eine friedliebende Nation, welche in Ruhe zu leben wünscht und leben w ü r d e , wenn man uns nicht fortwährend reizte. Heute ist es genug. Frankreich muß für seinen eroberungslustigen Charakter gezüchtigt werden; wir wollen ausruhen, wir wollen die Sicherheit unserer Kinder wahren, und dazu ist es nöthig, daß wir zwischen Frankreich und uns ein Glacis, ein Territorium, Festungen und Grenzen haben, die uns für immer gegen einen Angriff schützen.’“
Hier sei die Wiedergabe des Berichts von d’Orcet unterbrochen, um darauf hinzuweisen, das laut Wimpffens Darstellung Graf Bismarck das, was im Protokoll des Vorgenannten als „Glacis“ erscheint, konkretisiert sowie vorher auch auf die Forderung einer Kriegsentschädigung in Geld hingewiesen hat. Diese Textpartie soll ihrer besonderen Bedeutung wegen hier zunächst im französischen Originaltext vorgestellt werden:
„Le comte de Bismarck, venant ensuite à parler de la paix, me dit que la Prusse avait l’intention, bien arrêtée, d’exiger non-seulement une indemnité de guerre de quatre milliards, mais encore la cession de l’Alsace et de la Lorraine allemande, ‚seule garantie, pour nous menace sans cesse, et il faut que nous ayons, comme protection solide, une bonne ligne stratégique avancée.’ Je répondis q’on obtiendrait sans doute les milliards, mais q’on ne cédérait point une portion de territoire sans une lutte acharnée et que si la France devait y succomber se voir forcée, pour obtenir la paix, d’abendonner l’Alsace et la Lorraine, cette paix ne serait qu’une trêve durant laquelle de l’enfant au vieillard on apprendrait le maniement des armes pour recommencer avant peu une guerre terrible dans laquelle l’un des deux peuples disparaîtrait comme nation de la carte de L’Europe.“ Übersetzt: „Graf Bismarck, alsdann auf den Frieden zu sprechen kommend, erklärte mir sehr zurückhaltend, dass Preußen die Absicht habe, nicht allein eine Kriegsentschädigung in Höhe von 4 Milliarden zu fordern, sondern noch die Abtretung des Elsass und Deutsch-Lothringens, ‚einzige Garantie für uns’, fügte er bei‚ ‚denn Frankreich bedroht uns unaufhörlich, und es wäre notwendig, dass wir zum festen Schutz eine tüchtige vorgeschobene strategische Linie hätten.’ Ich erwiderte, dass man ohne Zweifel die Milliarden durchsetzen könne, aber nie wird man ein Stück eines Gebietes ohne verbissenes Ringen abtreten; und wenn Frankreich unterliegen und sich, um den Frieden zu erlangen, Elsass und Lothringen abzutreten gezwungen sehen müsste, würde dieser Friede nichts anderes als eine andauernder zäher Waffenstillstand sein, welcher vom Kind bis zum Greis den Umgang mit Waffen lehren würde, um binnen kurz oder lang wieder einen fürchterlichen Krieg zu beginnen, der eines der beiden Völker als Nation von der Karte verschwinden ließe.- Fontane hat diese Partie vereinfachend und verkürzend folgendermaßen dargebracht: „Graf Bismarck schloß dann, auf das politische Gebiet übergehend, damit, daß, außer einer Geldentschädigung von vier Milliarden, nur in A b t r e t u n g v o n E l s a ß u n d L o t h r i n g e n eine wirkliche Friedensgarantie gegen das uns beständig bedrohende Frankreich zu finden sei.“
Man muss sich wundern, dass dieser für Frankreich besonders folgenschwere (natürlich erst im Vorfrieden zu Versailles vom 26. Februar 1871 formell bestätigte) Passus bei d’Orcet fehlt, zumal Wimpffens Bericht sonst eindeutig kürzer gehalten ist. Dass Wimpffens Ahnung der Folgen harter Kapitulationsbedingungen und gerade einer Abtretung des Elsass’ und Lothringens richtig waren, das zeigt uns die dadurch entstandene schwere in permanente Revanchegedanken gemündete Verletzung der französischen Seele.- Nunmehr sei der Bericht von d’Orcet forgesetzt:
„General v. Wimpffen suchte hierauf geltend zu machen, daß Graf Bismarck ein früheres Frankreich, etwa das Frankreich von 1815, geschildert habe. Alle diese Dinge hätten seitdem eine große Wandlung erfahren; Jeder strebe nach Wohlleben, nicht nach Ruhm und Krieg, und der Wunsch der Nation ginge in der That dahin, eine Verbrüderung der Völker zu proclamiren. Ein Blick auf England beweise am besten, wie sehr das gegenwärtige Frankreich von dem vergangenen verschieden sei. Die Engländer seien jetzt die besten Freunde der Franzosen. So würde sich auch das Verhältniß zwischen Frankreich und Deutschland gestalten, wenn Deutschland verstände, edelmüthig zu sein.
An dieser Stelle griff Graf Bismarck, nachdem er schon vorher durch Mienen und Bewegungen seine Zweifel an den Auslassungen General v. Wimpffens ausgedrückt hatte, abermals das Wort. ‚Ich kann das nicht zugeben, General, daß sich diese Dinge bei Ihnen zum Besseren geändert hätten. Es war auch diesmal wieder Frankreich, welches den Krieg wollte; lediglich um der Ruhmesmanie der Nation zu schmeicheln und dadurch mittelbar die erschütterte Dynastie zu befestigen, lediglich aus diesem Grunde wurden wir durch den Kaiser provocirt. Wir wissen sehr wohl, daß ein vernünftiger, in seinem Kerne gesunder Bruchtheil Ihres Volkes diesen Krieg n i c h t wollte; aber auch diese ruhigeren Elemente gaben schließlich ohne sonderliches Widerstreben nach. Wir wissen auch, daß es nicht die A r m e e war, die vor allem zum Krieg drängte, es war vielmehr d i e Partei, die in Ihrem Land die Regierungen macht und stürzt. Das Straßenvolk und die Journalisten (und dies letztere Wort betonte er), d i e sind es, denen wir eine Lektion ertheilen müssen. Und dessentwegen müssen wir nach Paris. Wer will denn vorausbestimmen, wie sich die Dinge bei Ihnen entwickeln werden? Vielleicht bildet sich eine jener Regierungen, die ihre Aufgabe darin setzen, n i c h t s zu respektiren; vielleicht wächst über Nacht ein Gouvernement auf, das willkürlich Gesetze macht und streicht, das die zwischen uns festgestellte Capitulation nicht anerkennt und die Offiziere zwingt, oder doch zu zwingen trachtet, ihr uns gegebenes Wort zu brechen. Dies ist von Wichtigkeit. Ein solches Gouvernement wird zum Aeußersten schreiten, auch in seinem Widerstande gegen uns. Man wird neue Armeen herzustellen beflissen sein und j u n g e Soldaten aufzubringen, das wird gelingen; aber was nicht gelingen wird, das ist, so lange die alte Armee kriegsgefangen bleibt, die Herstellung eines Offiziercorps. Wir wollen einen Frieden, einen dauerhaften Frieden; um ihn zu erlangen, ist es nöthig Frankreich in die Unmöglichkeit ferneren Widerstandes zu versetzen. Das Glück der Schlachten hat uns die besten Soldaten, die besten Offiziere der französischen Armee überliefert; sie in Freiheit zu setzen, um sie aufs Neue gegen uns marschiren zu sehen, wäre Wahnsinn. Es würde den Krieg verlängern und dem Interesse beider Völker widersprechen. Nein, General, alle Theilnahme, die uns Ihre persönliche Lage einflößt, alle gute Meinung, die wir Ihrer Armee hegen, – beides darf uns nicht bestimmen von den Bedingungen zurückzutreten, die wir gestellt haben.’
‚Wohlan denn’, erwiderte General v. Wimpffen, ‚da es mir in gleicher Weise unmöglich ist, diese Bedingungen zu acceptiren, so möge der Kampf aufs Neue beginnen.’
An dieser Stelle nahm General v. Castelnau das Wort. Er bemerkte mit zögernder Stimme: ‚Ich halte den Augenblick für gekommen, mich meines Auftrags zu entledigen. Der Kaiser hat mich beauftragt, Sr. Majestäft dem König Wilhelm zu bemerken, daß er ihm seinen Degen ohne Bedingung geschickt und sich durchaus persönlich Ihm ergeben habe, aber nur in der Hoffnung, daß dies den König bewegen werde, der französischen Armee eine ehrenhafte Capitulation zu bewilligen.’
‚Ist das alles?’ fragte Herr v. Bismarck. ‚Ja.’ Aber w e l c h e r Degen ist es, den der Kaiser überreicht hat? Ist es der Degen F r a n k r e i c h s oder s e i n Degen? Im ersteren Falle könnten die Bedingungen bedeutend verringert werden und Ihre Sendung würde von der größten Wichtigkeit sein.’ ‚Es ist einfach der Degen des Kaisers.’ ‚In diesem Falle’, bemerkte rasch und fast mit Freudigkeit General v. Moltke, ‚ändert es nichts an den Bedingungen.’ Und er fügte hinzu: ‚Der Kaiser wird für seine Person alles erhalten, was ihm belieben wird zu verlangen.’*
*„Capitän d’Orcet macht hier eine Anmerkung, in der es heißt: ‚Es schien mir eine gewisse Meinungsverschiedenheit (une secrète divergence d’opinion) zwischen Graf Bismarck und General v. Moltke zu obwalten, die dahin ging, daß jenem eine Beendigung des Krieges nicht ungelegen gewesen wäre, während dieser (Moltke) die Fortsetzung des Kampfes wünschte.“
Auf diese Worte General v. Moltke’s wiederholte v. Wimpffen nur: ‚So werden wir denn die Schlacht wieder aufnehmen. Um 4 Uhr früh läuft der Waffenstillstand ab.’
(Moltke): ‚Ich werde um diese Stunde das Feuer auf die Stadt wieder eröffnen lassen.’
Die Unterhandlungen waren am Ende; Alles schien gescheitert; die Pferde wurden befohlen. Niemand sprach; es war ein eisiges Schweigen.“
Hier sei der Bericht des Rittmeisters d’Orcet abermals unterbrochen, um auf die nachstehend eingefügten drei Abbildungen hinzuweisen, welche die damals von der ganzen damaligen Welt beachteten nächtlichen Kapitulationsverhandlungen nachempfindend festhalten:
Abb. 56: „Die Capitulation von Sedan“. Graf Moltke und General Wimpffen im Jagdschloss Donchery in der Nacht vom 1. zum 2. September 1870. Gedenkblatt zur fünfundzwanzigsten Wiederkehr des Tages von Sedan. 1870 – September – 1895 (nach dem gleichnamigen verschollenen Gemälde von Anton von Werner, Öl auf Leinwand, 3,20 x 4,20 m; 1885, Diorama im Sedan-Panorama); Eduard Thiele, Kunstverlag, Dresden; Blattgröße; 28 x 30 cm, Bildgröße 17 x 22 cm)
Abb. 57: Die Kapitulations-Verhandlungen von Sedan. Schwarz-Weiß-Druck in: Arthur Mennell und Bruno Garlepp, Bismarck-Denkmal für das Deutsche Volk, Neudruck ohne Jahreszahl (Erstdruck 1895 zu Otto von Bismarcks 80. Geburtstag) Chicago. Berlin. London. Paris. Melbourne, 20 cm x 28,5 cm (nach der von Anton von Werner ca. 1890 erstellten Neufassung des vorgenannten Gemäldes des Jahres 1885), S. ???
Abb. 58: Die Kapitulationsverhandlungen von Sedan, Gemälde von Clara von Wimpffen, geb. Both von Botfalva und Bajna, geb. 1907 in Iklad-Domony/Ungarn – gest. 2000 in Bakonság/Ungarn
Anton von Werner (geb. 1843 in Frankfurt/Oder – gest. 1915 in Berlin), dessen zwei vorstehend aufgeführte Kolossal-Hilstoriengemälde den abgebildeten beiden Druckdarstellungen jeweils als Vorlage gedient haben, war der im Deutschen Kaiserreich bestgefragte Historienmaler, der es verstand, in meisterhafter Weise in einer höchst realistischen Manier die großen historischen nationalen Ereignisse und Begleitgeschehnisse sowie zeitgenössische große Persönlichkleiten der Politik und Gesellschaft darzustellen und diese den Menschen prägend in wilhelminisch-nationalem Geist zu vermitteln. Deshalb galt er auch als ein sog. Kunstpolitiker und fanden gerade die vorgenannten beiden Gemälde über die gesamte Zeit des Deutschen Kaiserrereiches mittels Nachdrucks in Form von in den bürgerlichen Wohnungen aufgehängten gerahmten sowie in nationale Buchwerke aufgenommenen Schwarz-Weiß-Kunstdrucken gewaltige Verbreitung. Man beachte auf den beiden Druckdarstellungen die unten platzierten Namen und Ränge der sämtlichen den Beschauern vermittelten Handlungsträger. Die erstgenannte ältere der beiden Darstellungen zeigt im Scheine einer Petroleumlampe und zweier Kerzen den französischen obersten General und Verhandlungsführer EMMANUEL FÈLIX DE WIMPFFEN zusammengesunken in der Pose der Niedergeschlagen-, Unterlegen- und Verzweifeltheit auf seinem Stuhl am Verhandlungstisch sitzend, während die beiden preußisch-deutschen Kontrahenten, KANZLER OTTO VON BISMARCK und GENERAL HELMUTH VON MOLTKE, hochaufgerichtet, stolzblickend stehend wie auch die Schar deren Begleiter auf den Unglücklichen niederblicken. Und von den die öde Langwand des Raumes belebend füllenden beiden kleinen Portraitbildern her müssen quasi Kaiser Napoleon III. und Kaiserin Eugénie der hier sich vollziehenden Erniedrigung der „Grande Nation“ zusehen. Als dieses im Mai 1885 und damit bald nach dem 70. Geburtstag von Reichskanzler Bismarck vollendete Gemälde bald darauf im Rahmen des dreiteiligen mächtigen Dioramas „la nuit“ (gemeint: Die Nacht der Kapitulation) im Mittelgeschoss des Berliner Panoramagebäudes der Weltöffentlichkeit triumphierend präsentiert wurde, gab es nicht allein hohes Lob, sondern auch z. T. harsche Kritik, natürlich ganz besonders von Seiten Frankreichs. So schrieb das Pariser Blatt „Le soleil“ ausgangs Oktober 1885 u. a. erbost: „ … C’est écœrant. Celui que le peintre a le plus mal traité, c’est le général de Wimpfen. On dirait d’un homme, qui a perdu tout courage et toute dignité, d’un bandit, que l’on va prende.“ [„ Es ist herzlos. Derjenige, welchen der Maler am schlimmsten dargestellt hat, das ist General de Wimpffen. Man möchte sagen wie ein Mensch, der jeden Mut und jede Würde verloren hat, wie ein Bandit, den man fassen (hängen) will.]“ Selbst der Kaiser hat den Maler schließlich ermuntert, das Bild „abzumildern“. So kam es zu der dem zweitgezeigten Druck zugrundliegenden Neufassung: Diese hält jenen Augenblick fest, da die von de Wimpffen angestrebte Gewährung des Abzugs der Truppen in Waffen in einen noch zu bestimmenden Bereich mit der Versicherung, sich an keinen Kämpfen mehr zu beteiligen, abgelehnt worden ist und so die Verhandlungen zu scheitern drohen und dieser sich somit erhebt und zum Gehen anschickt. Zu beachten ist, dass hier jetzt die französische Seite weniger gedemütigt dargestellt ist und Kanzler Bismarck am Tische Platz genommen hat und so eher als weiser besonnener Staatsmann denn auf die Feinde gebieterisch und überlegen Herabblickender erscheint. Auch finden sich die Bilder des Kaiserpaares entfernt und an ihre Stelle das von Napoleon I. gesetzt. Was die dritte gezeigte Darstellung betrifft, die aus der Hand der oben bereits erwähnten Malerin Clara von Both-Wimpffen stammt, so hat diese nachempfindend und nachkorrigierend im Sinne der Angleichung an die damalige Realität das Bild Napoleons I. entfernt, General Moltke ebenfalls in Sitzstellung gebracht und dies so erklärt: Mit Sicherheit war ein solches Bild damals im Raum nicht vorhanden und es ist nicht anzunehmen, dass die Beteiligten stundenlang standen.
Jetzt sei der Bericht des Rittmeisters d’Orcet zu Ende geführt:
„In diesem Augenblick nahm Graf Bismarck noch einmal das Wort: ‚Ja, General, Sie verfügen über tapfere Soldaten und Ihre erneuten Anstrengungen werden uns neue, herbe Verluste verursachen; aber wozu kann es dienen? Morgen Abend werden Sie nicht weiter sein wie heute und nur das Bewußtsein wird Sie begleiten, das Blut Ihrer und unserer Soldaten nutzlos vergossen zu haben. Soll eine momentane Verstimmung über das Schicksal dieser Conferenz entscheiden! General v. Moltke wird Ihnen, wie ich hoffe, den Beweis führen, daß jeder Widerstand von Ihrer Seite vergeblich ist.’
Man setzte sich wieder. General v. Moltke nahm das Wort: ‚Ich bestätige aufs Neue, daß ein Durchbrechungsversuch nie und nimmer gelingen kann; denn abgesehen von unserer großen Ueberlegenheit an Truppen und Artillerie, verfügen wir auch über Positionen, von denen aus wir im Stande sind, Sedan in zwei Stunden in Brand zu schießen.“
‚O, diese Positionen sind nicht so stark, wie Sie sie schildern,’ unterbrach v. Wimpfen.
‚Sie kennen nicht die Topographie der Umgebung von Sedan,’ fuhr General v. Moltke fort, ‚und hier ist so recht ein Fall gegeben, um die Einbildungen Ihrer Nation an einem Musterbeispiel zu zeigen. Bei Beginn des Feldzuges sind Karten von D e u t s c h l a n d an alle Offiziere der französischen Armee vertheilt worden und so haben Sie sich selber des Mittels beraubt, in entscheidenden Momenten sich im eigenen Lande zurechtfinden zu können. Es ist, wie ich gesagt habe: unsere Positionen sind nicht nur sehr stark, sie sind unangreifbar.’
General v. Wimpffen fand keine Antwort; er fühlte zu sehr die Wahrheit dessen, was gesagt worden war. Nach einer Pause bemerkte er: ‚Ich würde gern von dem Anerbieten Nutzen ziehen, das Sie mir, General, bei Beginn unserer Unterredung gemacht habe; gestatten Sie mir, zur Kenntnißnahme Ihrer Positionen einen meiner Offiziere absenden zu dürfen. Nach seiner Rückkehr will ich meine Entscheidungen treffen.’
‚Schicken Sie Niemanden, es ist nutzlos,’ erwiderte General v. Moltke trocken, ‚Sie können mir glauben. Ueberdies bleibt nicht viel Zeit zu Ueberlegungen. Es ist Mitternacht, um 4 Uhr früh läuft der Waffenstillstand ab und ich kann Ihnen keine längere Frist bewilligen.’
‚Unter allen Umständern kann ich eine so wichtige Entscheidung nicht allein treffen,’ replizirte Wimpffen, ich muß meine Generale zu Rathe ziehen. Wo soll ich Sie zu dieser Stunde in Sedan finden; eine bestimmte Antwort bis um 4 Uhr zu geben, ist unmöglich; eine kurze Verlängerung des Waffenstillstandes scheint mir unerläßlich zu sein.’
Als General von Moltke dies verweigerte, neigte sich Graf Bismarck etwas nach rechts und flüsterte ihm einige Worte zu, die wahrscheinlich darauf hinwiesen, daß der König erst um 9 Uhr einträfe, und daß es nöthig sein werde, dies Eintreffen abzuwarten. Gleichviel, General v. Moltke wandte sich nach diesem kurzen, in gedämpfter Stimme geführten Zwiegespräch an v. Wimpffen, um ihm mitzuteilen, daß der Waffenstillstand bis 9 Uhr verlängert werden solle.
Hiernach war die Conferenz im Wesentlichen beendet; was noch gesprochen wurde, betraf einige Details, für den Fall eines Zustandekommens der Capitulation. Im Prinzip (diesen Eindruck gewann ich) war, als die Unterredung schloß, die Capitulation seitens des Generals v. Wimpffen a n g e n o m m e n . Daß er den sofortigen Abschluß vermied, geschah einerseits um den Schein zu retten, andererseits um die Verantwortlichkeit dadurch nach Möglichkeit zu verringern, daß er die übrigen Generale zu Mitträgern dieser erdrückenden Last machte.“
Damit bleibt die denkwürdig gewordene „Conferenz von Donchery“ für General von Wimpffen unter den zweifellos stimmigen und damit zwingend-erdrückenden Argumenten Moltkes und Bismarcks so gut wie ohne Erfolg. Wimpffen begibt sich zum Schloss und dort wird gegen nachts 1 Uhr des 2. September der Kaiser geweckt und über die hart erscheinenden Bedingungen unterrichtet. Dieser erklärt, er wolle um 5 Uhr früh das deutsche Hauptquartier aufsuchen und werde dann sehen, ob der König von Preußen günstiger gesonnen sei. Da Wimpffen im nun aufgesuchten Hotel keinen Schlaf findet, durchläuft er ruhelos die Stadt und wacht den Morgen heran. Um 7 Uhr versammelt sich der aus den anderen Korps-Kommandeuren Ducrot, Douay und Lebrun sowie den zwei Divisions-Generalen und Kommandeuren der Artillerie und des Genie-Korps zusammengesetzte Kriegsrat. Dieser erkennt nach dem zusammenfassenden Bericht Wimpffens vor allem im Blick auf die fehlende Munition, Nahrung und Kommunikation sowie die Überfüllung der Stadt und die Umstellung durch die feindliche Artillerie der Forderung der Kapitulation (Waffenniederlegung, Kriegsgefangenschaft der Soldaten wie der Offiziere, die ihre Degen und Epauletten behalten dürfen) sich den Forderungen nicht zu verschließen. Die Unterschrift zum erstellten Protokoll, in dem die gestellten Bedingungen des Feindes unter Angabe der Gründe Anerkennung finden, wird allerdings von den beiden Divisions-Generalen mit der Begründung, diese seien unehrenhaft, verweigert. Noch vor 9 Uhr erhält das deutsche Hauptquartier Kenntnis von der Annahme der Kapitulation und deren Bedingungen, so dass der Wiederbeginn des Bombardements unterbleibt. Etwa um 9 Uhr kommt GENERAL VON MOLTKE dem KÖNIG WILHELM auf der Chaussee von Vendresse, dem Ort des Hauptquartiers, nach Donchery entgegen, legt diesem den Kapitulations-Entwurf vor und bekommt dessen Zustimmung.
Jetzt ist aber noch der genaue endgültige Wortlaut der Kapitulation festzulegen. Dazu begibt sich Wimpffen um 10 Uhr zum bei Frénois gelegenen Schlösschen Bellevue, wohin sich die preußischen Generale von Donchery aus begeben haben. Als er gegen 10 ¼ Uhr die Höhe von Frénois erreicht, begegnet er dort KAISER NAPOLEON, der sich ebenfalls nach dorthin aufgemacht hat. Dieser hat sich bislang vergeblich bemüht, auf KÖNIG WILHELM zu treffen, der eine Begegnung erst nach Abschluss der Kapitulation zulassen will. Stattdessen hat der Kaiser auf seinen Wunsch hin in aller Morgenfrühe ein eingehendes Gespräch mit dem Einverständnis des Königs mit GRAF BISMARCK führen können, das in dem und vor dem dadurch legendär werdenden einsamen sog. Weberhäuschen bei Donchery stattgefunden hat. Als Wimpffen neben dem Wagen des Kaisers hält, fragt er: „Was haben Ew. Majestät erhalten?“ Dieser erklärt: „Nichts. Ich habe den König noch nicht gesehen.“ Wimpffen meint darauf: „Dann bleibt es also bei den alten Bedingungen. Diese werden die Basis der Kapitulation bilden.“
Daraufhin setzt er seinen Weg Richtung Schloss Bellevue bei Frénois fort. Dort trifft er auf seine preußischen Widerpartner der Verhandlungen der Nacht. Um 12 Uhr ist alles geregelt, die Kapitulation abgeschlossen und das zweisprachige Protokoll mit „Gegeben zu Frénois, am 2. September 1870“ bzw. „Fait Frénois, le 2 septembre 1870“ sowie „v. Moltke“ – „v. Wimpffen“ unterzeichnet. Dessen Text (deutscher Teil) lautet:
„Protokoll.- Zwischen den Unterzeichneten, dem Generalstabschef des Königs Wilhelm von Preußen, Oberfeldherren der deutschen Armeen, und dem General en Chef der französischen Armee, Beide mit Vollmachten von Ihren Majestäten, dem König Wilhelm und dem Kaiser Napoleon versehen, ist die nachstehende Convention abgeschlossen worden:
– Art. 1. Die französische Armee unter dem Oberbefehl des Generals v. Wimpffen, giebt sich, da sie gegenwärtig von überlegenen Truppen bei Sedan eingeschlossen ist, kriegsgefangen.
– -Art. 2. In Rücksicht auf die tapfere Verteidigung dieser französischen Armee werden alle Generale, Offiziere und im Range von Offizieren stehenden Beamten hiervon ausgenommen, sobald dieselben ihr Ehrenwort schriftlich abgeben, bis zur Beendigung des gegenwärtigen Krieges die Waffen nicht wieder zu ergreifen und in keiner Weise den Interessen Deutschlands zuwider zu handeln. Die Offiziere und Beamten, welche diese Bedingungen annehmen, behalten ihre Waffen und ihre ihnen persönlich gehörigen Effecten.
– Art. 3. Alle Waffen und Kriegsmaterial, bestehend in Fahnen, Adlern, Kanonen, Munition etc., werden in Sedan einer von dem französischen General eingesetzten militairischen Commission übergeben, die sie sofort den deutschen Commissären überantworten wird.
– Art. 4. Die Festung Sedan wird in ihrem gegenwärtigen Zustande und spätestens am 2. September Abends zur Disposition Sr. Majestät des Königs von Preußen gestellt.
– Art. 5. Die Offiziere, welche nicht die im Art. 2. erwähnte Verpflichtung eingegangen sind, sowie die Truppen, werden entwaffet und geordnet nach ihren Regimentern oder Corps in militairischer Ordnung übergeben. Diese Maßregel wird am 2. September anfangen und am 3. beendet sein. Es werden diese Detachements auf das Terrain geführt, welches durch die Maas bei Iges begrenzt ist, um den deutschen Commissären durch die Offiziere übergeben zu werden, welche dann ihr Commando ihren Unteroffizieren abtreten.
– Art. 6. Die Stabsärzte sollen ohne Ausnahme zur Pflege der Verwundeten zurückbleiben.“
Gegenüber dem Ergebnis der in der Nacht verhandelten Kapitulationsbedingungen enthält dieser Text in Art. 2 und indirekt auch Art. 5 die Bewilligung der Entlassung der Offiziere auf ihr schriftliches Ehrenwort, was am Schluss des großen Berichts Bismarcks an den König von Preußen vom 2. September über seine Begegnung mit dem Kaiser Napoleon folgendermaßen gewertet wird: Die Bewilligung der Entlassung der Offiziere auf ihr Ehrenwort wurde mit lebhaftem Dank entgegenommen, als ein Ausdruck der Intentionen Ew. Majestät, den Gefühlen einer Truppe, welche sich tapfer geschlagen hatte, nicht über die Linie hinaus zu nahe zu treten, welche durch das Gebot unserer politisch-militärischen Interessen mit Nothwendigkeit gezogen war. Diesem Gefühle hat der General v. Wimpffen auch nachträglich in einem Schreiben Ausdruck gegeben, in welchem er dem General v. Moltke seinen Dank für die rücksichtsvollen Formen ausdrückt, in denen die Verhandlungen von Seiten desselben geführt worden sind.“
Jetzt steht einem Zusammentreffen zwischen dem siegreichen KÖNIG WILHELM und dem gefangenen KAISER NAPOLEON, die sich drei Jahre zuvor auf dem Höhepunkt dessen Macht anlässlich der großartigen Weltausstellung in Paris zuletzt begegnet sind, nichts mehr im Wege. Doch verbietet es sich, hier über das Tun und Ergehen des nun mit dem Schmähwort „Sedangeneral“ behafteten Emmanuel-Felix de Wimpffen hinaus Näheres über das beide große Monarchen bewegende etwa viertelstündige Wiedersehen im Mittelsaal des Schlösschens zu berichten. Das gilt auch für das weite Feld der ungeheuren Wirkung des „Tages von Sedan“, der über den Weg in die Gefangenschaft des französischen Monarchen nach Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel hinaus auch die Gefangennahme von um die 100 000 Soldaten, 39 Generalen, unter diesen die beiden OBERFELDHERREN MAC-MAHON UND WIMPFEN und sämtliche Corpsführer und Divisionäre, dazu von 230 Stabsoffizieren, 2 095 Subalternoffizieren (500 Offiziere werden denn doch auf Ehrenwort entlassen) brachte. Dazu kamen an Kriegsbeute 12 000 Pferde, 350 Feldgeschütze, 70 Mitrailleusen, Trophäen (wie es heißt), überaus vieles Armeematerial u. v. a. m. Nicht zu übergehen: Der bittere, doch angesichts des glanzvollen Sieges als mäßig eingeschätzte Preis auf der deutschen Siegerseite von etwa 9 500 „Verlusten“ (Toten und Verwundeten). Kaum auch zu reden, von dem schlimmen Bild, dem Leid, der Not, das die Stätten der Kämpfe um Sedan und besonders auch die Stadt selbst nach dem Schweigen der Waffen als Resultat des Schlachtgeschehens boten.
Emmanuel Félix de Wimpffen kehrt nach Abschluss der Unterzeichnung der Kapitulation in Schloss Bellevue nach Sedan zurück. Folgt man seinen Aufzeichnungen, so haben sich Offiziere und Mannschaften in die deprimierenden Dinge geschickt; er habe kein bitteres Wort gehört. In Wirklichkeit befindet sich die Armee in völliger Desorganisation und ist alle Disziplin aufgelöst. Es geht drunter und drüber. Ein Bericht über das wüste Schauspiel jener Stunden der völliigen Demoralisation, Auflösung jeglicher Disziplin, Ausbrüche der Wut und Gewalt über die verlorene Schlacht etc. würde noch viele weitere Seiten füllen. Wimpffen sieht sich jedoch jetzt seiner Funktion und Pflichten als General und Oberbefehlshaber der Armee von Sedan enthoben und verabschiedet sich von seinen Truppen am Nachmittag über einen Aufruf. Dieser lautet:
P r o c l a m a t i o n.
„Soldaten! Gegen sehr überlegene Kräfte habt Ihr Euch gestern geschlagen. Von frühem Morgen an bis in die Nacht habt Ihr dem Feinde mit größtem Muthe Widerstand geleistet und Eure letzte Patrone verschossen. Erschöpft vom Kampfe, habt Ihr der Aufforderung Eurer Generale und Offiziere, Euch bis Montmedy durchzuschlagen und dem General Bazaine die Hand zu reichen, nicht nachkommen können. Zweitausend nur sammelten sich, um einen letzten Versuch zu wagen. Sie konnten über Balan nicht hinaus und kehrten nach Sedan zurück, wo Euer General sich mit Schmerz überzeugen mußte, daß weder Magazine noch Munition vorhanden seien.- Man konnte nicht daran denken, einen Platz zu vertheidigen, dessen ganze Lage ihn unfähig machte, einer zahlreichen und gewaltigen feindlichen Artillerie zu widerstehen.- Die innerhalb der Mauern der Festung vereinigte Armee vermochte diese weder zu verlassen, noch sie zu vertheidigen; ohne Lebensmittel, sei es für die Bevölkerung, sei es für die Truppen, mußte ich den traurigen Entschluß fassen, mit dem Feinde zu unterhandeln.- Mit Vollmachten seitens des Kaisers ins feindliche Hauptquartier geschickt, konnte ich mich nicht entschließen, die mir gestellten Bedingungen anzunehmen. Diesen Morgen erst, durch ein Bombardement bedroht, auf das wir außer Stande gewesen wären zu antworten, entschloß ich mich zu neuen Schritten und habe Bedingungen erhalten, in denen nach Möglichkeit jene verletzenden Formalitäten vermieden, die, nach Kriegsbrauch, bei ähnlichen Gelegenheiten dem Besiegten auferlegt werden.- Es bleibt uns, Offizieren wie Soldaten, nichts anderes übrig, als uns mit Ergebung in die Dinge zu finden, gegen die ein Ankämpfen unmöglich ist, da wir, um es zu wiederholen, ohne Munition und ohne Lebensmittel sind.- Mir verbleibt allein der Trost, ein unnützes Massacre vermieden und dem Vaterlande Soldaten erhalten zu haben, von denen es in Zukunft noch gute und glänzende Dienste gewärtigen mag. Sedan, den 2. September 1870 Der General en Chef v. Wimpffen.“
Als die Proklamation angeschlagen wird, haben bereits Zustände Platz ergriffen, welche die Annahme nahelegen, dass diese von den Wenigsten gelesen worden ist. Wimpffen dankt auch in einem kurzen Schreiben der Einwohnerschaft Sedans für ihre grenzenlose Gastfreundschaft und hebt die harten Entbehrungen hervor, die dieser durch die Versorgung der Verwundeten und Kranken auferlegt ist.
Am 3. September richtet von Wimpffen an General von Moltke folgendes lange Schreiben, in dem er um die Erlaubnis bittet, seine Kriegsgefangenschaft in Württemberg verbringen zu dürfen. Dieses lautet:
„Ich habe die Ehre zu Ihrer Kenntniß zu bringen, daß ich als General en Chef einer kriegsgefangenen Armee die Pflicht zu haben glaube, das Schicksal dieser Armee zu theilen. So bitte ich denn Ew. Exzellenz, mich als Kriegsgefangenen ansehen und den Ort bestimmen zu wollen, wohin ich mich in Deutschland zu begeben habe. Wenn wir über die verschiedenen deutschen Staaten vertheilt werden sollten, so würde ich es als eine Vergünstigung ansehen, nach dem Königreiche Württemberg geschickt zu werden. – Ich hoffe, daß Sie vier Offizieren, die meiner Person attachirt sind, gestatten werden, die Gefährten meines Unglücks zu sein. Es sind:
– Graf d’ O l l o n e , Capitaine im 12. Jäger-Bataillon;
– D a r a m , Lieutenant im 92. Linien-Regiment;
– D e s g r a n d c h a m p s , Lieutenant im 6. Husaren-Regiment;
– Marquis d e L a i z e r , Offizier in der Mobilgarde, Auditeur im Staatsrath.-
Jeder dieser Offiziere würde von einem Diener begleitet sein; ich selbst habe einen Secretair und eine Ordonnanz.- Ich bitte Ew. Exzellenz, mich alle Maßnahmen in Betreff meiner Reise sowie in Betreff der Reise meines Gefolges wissen lassen zu wollen. Die Convention hat mit Rücksicht auf solche Offizierspferde, die Privateigenthum der betreffenden Offiziere sind, keine Festsetzung getroffen; ich glaube indessen, was mich persönlich angeht, zweier alter Pferde von mir Erwähnung thun zu dürfen, die alle Strapazen mit mir durchgemacht haben, in Italien und neuerdings noch in Afrika und Frankreich. Es sind dies alte Thiere, unfähig noch im Kriegsdienst verwandt zu werden, und so bitte ich denn, sie mir lassen zu wollen.- Ich habe die Ehre, Ihnen für die Wohlgewogenheit zu danken, die Sie nicht aufgehört haben, mir in den Beziehungen zwischen uns (schmerzlich wie dieselben für mich waren) zu bezeigen.- Sobald ich Ihre Entschließungen kenne, werde ich Alles thun, denselben zu entsprechen.-
Empfangen Ew. Exzellenz die Versicherung etc. v. Wimpffen, Divisionsgeneral.“
e. General Emmanuel Félix de Wimpffen darf, seinem Wunsch entsprechend, die fünf Monate seiner Kriegsgefangenschaft in Stuttgart hinter sich bringen, während der er sich intensiv dem Studium der deutschen Schulerziehung widmet und von wo aus er die Grundzüge seiner nach seiner Rückkehr herausgebrachten Rechtfertigungsschrift „Sedan, par le Général de Wimpffen“ entwickelt
Die Affinität des EMMANUEL FÈLIX DE WIMPFFEN zum Königreich Württemberg geht sicherlich darauf zurück, dass, wie in den Kapiteln O und S gezeigt, von ca. 1760 bis ca. 1865 und verstärkt zu dessen Lebzeiten nicht weniger als insgesamt ein halbes Dutzend enger männlicher Verwandter im Herzogtum bzw. ab 1806 Königreich Württemberg militärische und/oder auf Hofämter bezogene Karriere gemacht und vielfach hohe bis beinahe höchste Ämter bekleidet hatten. Nicht zu vergessen vier weibliche solche, die durch ihrer aller Geburt in Stuttgart, davon in einem Fall ihre zeitweilige Tätigkeit als Kammerfrau am dortigen Hofe, mit der württembergischen Residenz verbunden waren. Wenn diese alle nachfolgend mit Ausnahme von Nr. 1 ohne genauere Lebensbeschreibung nur unter Nennung von nur wenig mehr als dem Verwandtschaftsverhältnis und Namen, der Lebenszeit und des in Württemberg erreichten Titels aufgeführt werden, so deshalb, weil deren aller ausführliche Vita an im Folgekapitel im Zusammenhang mit der Darlegung der Lebensumstände des in der zweiten Häfte der 1870er Jahre mit Familie in Wimpfen wohnhaften und verstorbenen (hier unter Nr. 5 aufgeführten) WILHELM VON WIMPFEN erfolgen wird.
1. Sein bereits ausgiebigst vorgestellter Großvater väterlicherseits FRANZ LUDWIG (1732 – 1800), der Begründer des Franzens-Zweiges, war in jungen Jahren vom französischen in den württembergischen Militärdienst getreten, wo er von ca. 1761 bis 1776 verblieben, Angehöriger des engsten Kreises der Höflinge geworden war und es bis zum Leiter des Kriegsdepartements (Kriegsratspräsidenten) gebracht hatte. Diesem war sogar die hohe Ehre der Verleihung seines Namens an eines der württembergischen Regimenter zuteil geworden. In diesem Zeitraum waren zwei von dessen sechs Söhnen sowie fünf seiner sechs Töchter, d. h. zwei der Onkel und fünf der Tanten des Emmanuel Félix väterlicherseits, in Stuttgart bzw. Ludwigsburg zur Welt gekommen; und dessen ältesten beiden Söhne, d. h. die ältesten zwei Onkel von Emmanuel Félix, namens GEORG (geboren 1760) und FRANZ KARL EUGEN (geboren 1762) waren sogar in die berühmte „Hohe Carlsschule“ aufgenommen gewesen.
2. Der Sohn seines ältesten Großonkels STANISLAUS (1721 – 1793) desselben Namens FRANZ LUDWIG (1752 – 1823), d. h. Großvetter des Emmanuel Félix, hatte es bis zum Major und Ersten Kammerherren der KÖNIGINWITWE CHARLOTTE MATHILDE gebracht und war sogar in Stuttgart verstorben.
3. Der ebenfalls bereits an früherer Stelle bereits ausführlichst beschriebene nächstjüngere Sohn desselben Großonkels STANISLAUS namens GERMAIN bzw. HERMANN (1749 – 1820), d. h. ein weiterer Großvetter des Emmanuel Félix, hatte nach der im August 1792 erfolgten Absetzung und Einkerkerung des Monarchen und dessen Familie seinem Land den Rücken gekehrt und war schließlich um 1800 ebenfalls in die militärischen Dienste des Herzogs von Württemberg getreten. In der württembergischen Armee war er bis zum Generalmajor aufgestiegen, doch von Kaiser Napoleon 1812 wieder nach Frankreich zurückbeordert worden.
4. Der jüngste Onkel des Emmanuel Félix FRIEDRICH WILHELM (1784 – 1845), der Begründer der württembergischen Nebenlinie des Franzens-Zweiges, war früh in württembergische Dienste getreten und hatte in Stuttgart die Funktionen eines wirklichen Kammerherren, Generalmajors und Adjudanten des Königs Wilhelm I. von Württemberg erlangt. Wie sein Vetter FRANZ LUDWIG war er in Stuttgart verstorben.
5. Dessen oben bereits erwähnter älterer der zwei in Stuttgart geborenen Söhne namens WILHELM (1820 – 1879), d. h. Vetter des Emmanuel Fèlix, hatte es zwar nur bis zum Rittmeister und württembergischen Kammerherren gebracht. Er und sein jüngerer Bruder
6. DAGOBERT (1821 – 1881), d. h. der andere Stuttgarter Vetter des Emmanuel Félix, waren Jugendgespiele von KRONPRINZ, ab 1864 KÖNIG, KARL und so in die Stuttgarter Hofgesellschaft fest integriert gewesen. Der Letztgenannte hatte den Rang eines Majors, Adjudanten sowie Reisemarschalls des Kronprinzen, dazu eines württembergischen Kammerherren erreicht.
7. Von den beiden ebenfalls in Stuttgart geborenen Töchtern des FRIEDRICH WILHELM, d. h. Kusinen des Emmanuel Félix, KATHARINA (1818 – 1875) und PAULINE (1822 – 1900) war die letztgenannte in den 1840er Jahren vor ihrer Heirat mit dem GRAFEN GUSTAV ADOLF FELIX VON WIMPFFEN im Stuttgarter Schloss wohnende Hofdame gewesen.
8. Ausgangs der 1820er Jahre hatte FRIEDRICH WILHELMS fünftälteste der sechs Schwestern und Tante des Emmanuel Félix, das FREIFRÄULEIN AMALIE, bei ihm und seiner Familie sowie später beim älteren ihrer beiden Neffen WILHELM gewohnt und war in Stuttgart 1855 im Alter von rd. 80 Jahren verstorben.
General von Moltke entspricht, um nun wieder zum weiteren Schicksal des „Sedangenerals“ zurückzukehren, noch am selben Tag durch ein Schreiben allen seinen Wünschen und versieht ihn mit einem weiteren solchen, das ihm und seinen Begleitern freien Weg als Kriegsgefangener über Belgien und Aix-la-Chapelle nach Stuttgart bescheinigt und Anweisung erteilt, diesem auf seinem Weg keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Und so brechen Wimpffen und sein Gefolge bereits am 4. September aus dem völlig aus den Fugen geratenen Sedan nach Stuttgart auf. Sie übernachten im belgischen Dorfe Fays-sur-Veneurs, wo der General am 5. September seinen ersten umfangreichen Bericht an den Kriegsminister über die Schlacht bei Sedan und die Kapitulation abfasst und seinem Freund eine Kopie davon schickt. Dem Letztgenannten sendet er am 6. September von Aix-la-Chapelle aus einen ergänzenden Brief, der am Schluss die folgende ebenso erbitterte wie wohl höchst fragwürdige Feststellung trifft: „Si l’Empereur avait répondu à mon appel, il est plus que probable q’une partie au moins de l’armée ne serait pas prisonnière, et moi je n’aurais pas eu cette tache d’une capitulation.“ Frei übersetzt: „Wenn der Kaiser auf meinen Appell reagiert hätte, wäre es mehr als wahrscheinlich, dass wenigstens ein Teil der Armee sich nicht in Gefangenschaft befände, und ich hätte nicht diesen Schandfleck einer Kapitulation auf mich geladen.“ Über Aachen geht die Reise weiter nach Stuttgart, dem Ort, der ihm, entsprechend seinem Wunsch, von Generalstabschef Hellmuth von Moltke als derjenige seiner Gefangenschaft zugewiesen worden ist. Die in der
• Abb. 59: Bericht der „Schwäbischen Kronik“ vom 11. September 1870 über die Ankunft und Unterbringung von General von Wimpffen mit seiner neunköpfigen Begleitung in Stuttgart
gezeigte Meldung lässt erkennen, dass dessen Ankunft dort am Abend des 9. September erfolgt und die gesamte Offiziersschar dort im bestrenommierten (Ecke Königstraße/Schlossstraße = heute Bolzstraße gelegenen) Hotel Marquardt untergebracht worden ist. Unter den genannten neun begleitenden Offizieren befinden sich auch drei der vier im Brief an General von Moltke als Begleiter gewünschten Offiziere; es fehlt nur Lieutenant Desgrandchamps. Leider wird die Hoffnung betrogen, Weiteres über den Ablauf dieser rund 5 Monate in Stuttgart vollzogenen Gefangenschaft aus diesem auf die Ereignisse des engeren Raumes gerichteten Blattes oder dem weitgesteckt berichtenden „Schwäbischen Merkur“ zu erfahren. Offenbar bestand in der Öffentlichkeit kein Interesse oder gar Abneigung, sich mit dem als Feind betrachten französischen höchsten Offizier und seinen Begleitern weiterhin zu befassen, zumal ja der Krieg trotz des glänzenden Sieges in der Schlacht bei Sedan sorgenbeladen weiterging. Letzteres ist zu spüren aus den der Meldung angehängten Sätzen über die gleichzeitige Ankunft verwundeter deutscher sowie die Rückkehr einer mit Gefangenen angekommenen Gruppe bayrischer Soldaten zu ihren in Frankreich weiter im Kampf stehenden Regimentern.
Umgekehrt hüllt sich EMMANUEL FÈLIX DE WIMPFFEN ebenfalls, was die äußeren Umstände der Monate der Gefangenschaft angeht, in seiner etwa zwei Jahre danach erschienenen 76-seitigen Schrift „Souvenirs de captivitè. De l’instruction en Allemagne par un officier général“ (Erinnerungen an die Gefangenschaft. Von der Ausbildung in Deutschland, von einem General), Paris E. Lauchaud Libraire-Éditeur 1872, fast völlig in Schweigen. Aus dem Vorwort derselben ist zu schließen, dass der Militär aus Passion und familiärem Herkommen EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN nach dem (wie er sagt) „Desaster“ der militärischen Niederlage seines Vaterlandes mächtigst von der Frage umgetrieben wurde, warum es Preußen, seines Landes „glühendstem Feind“, und den anderen deutschen Staaten möglich gewesen war, „die Größe und Überlegenheit der Nation durch die Stärke der Waffen zu erreichen“ und „ein Volk wie das unsere zu besiegen“. Und so entschloss er sich, „die Muße einer schmerzlichen Gefangenschaft dem gründlichen Studium der Sitten und Institutionen unserer Sieger zu widmen“, und dies in der Weise, dass er versuchte, „ein getreues Abbild der öffentlichen Bildung, der sittlichen und körperlichen Erziehung der breiten Masse und der gehobenen Schichten der Gesellschaft in Deutschland aufzuzeigen“. Die von ihm „bei ausreichender Kenntnis der Landessprache im Verstehen und Sichverständlichmachen“ unternommenen Besichtigungen einer großen Zahl von Bildungseinrichtungen, so Primarschulen (gemeint: Volksschulen), Gymnasien, Berufs- und Polytechnischen Schulen, dazu Gefängnisschulen, werden, was den weltlichen und religiösen Unterricht, die Erziehung, die Lehrer, die Schulgebäude etc. angeht, ausführlich und vergleichend mit Frankreich beschrieben und beurteilt. Doch bleiben die Namen der besuchten Schulen völlig und die Orte derselben fast ausschließlich ungenannt und somit vollständig in der Anonymität. Nur an zwei Stellen (S. 53 und 58) wird auf „S….“ (gemeint: Stuttgart) als den Ort einer der dort besuchten Schuleinrichtungen hingewiesen und nur einmal (S. 68) durch die Wendung „Pendant ma captivité à S….“ verschlüsselt auf die Stadt Stuttgart als Ort der Gefangenschaft (Préface, S. 3) durch die Wendung „Interné dans une des grandes villes de la Confédération d’Allemagne“ (interniert in einer der großen Städte des Deutschen Reiches) hingewiesen. Seinen dortigen Aufenthaltsort, das Hotel Marquardt, das ihn und seine zahlreiche Begleiter in schwieriger Zeit aufzunehmen und zu verköstigen hatte, erwähnt er mit keinem Wort. Lediglich dem Wohnquartier, in dem sich dieses Hotel befindet, erteilt er auf Seite 53, bezugnehmend auf eine der von ihm besuchten auf die Berufsausbildung gerichteten Schulen, die folgende Lobspendung: „Dans un des beaux quartiers de la ville, qui m’avait été assigné pour résidence pendant ma captivité se trouve une de ces écoles.“ (In einem der schönen Quartiere der Stadt, die man mir als Wohnsitz während meiner Gefangenschaft angewiesen hatte, befand sich eine dieser Schulen.)
Angekündigt unten auf S. 73 durch den Satz „Suivant les considérations que je viens d’émettre, j’arrive aux conclusions suivantes“ (Den nachstehend ausgebreiteten Erwägungen folgend, komme ich zu folgenden Schlussfolgerungen), stellt der Autor fünf Leitsätze einer nach seinen Erkenntnissen in Frankreich anzustrebenden Unterrichtung und Erziehung heraus. In diesen spricht er sich unter Verweis auf das deutsche Vorbild für die Wahl und Anstellung der Lehrkräfte (Laien wie Geistlichen) durch die Gemeinden und die Gleichschaltung ihrer Examen und Überprüfung sowie deren gute Vergütung aus, dazu für die Einführung der Schulpflicht, außerdem die Aufgabe der Kasernierung (gemeint: der Internatsunterbringung) der Schüler durch deren Belassung in der Familie. Hier sei im Wortlaut nur der letzte seiner appellativ gefassten Vorschläge aufgeführt, der den Schluss des Buchtexters bildet:
„50 Dans les établissements de l’Ètat, dans les écoles professionelles, dans l’instutitions des particuliers, des ètudes théoriques développant les facultés physiques, de façon á ce qu’à vingt ans, à vingt et un ans au plus tard, le jeune homme soit apte au métier des armes et déjà façonne au maniement du fusil, à la marche, et avant tout: ROMPU A LA DISCIPLINE. FIN.“ Zu Deutsch: „5. In den staatlichen (Schul-)Einrichtungen, in den beruflichen Schulen, in den Privatschulen theoretische Schulausbildung mit Entwicklung der körperlichen Fähigkeiten in der Art und Weise, dass der junge Mensch mit 20 oder spätestens 21 Jahren fähig ist für den Waffendienst und geformt für die Handhabung des Gewehrs, das Marschieren und vor allem: BEWANDERT IN DER DISZIPLIN. ENDE.“
Mit diesem Vorschlag begibt er sich genau in jene Spur, welche die Menschenerziehung nach preußischen Muster im neugegründeten Deutschen Reich verstärkt einschlägt und die EMMANUEL-FÈLIX DE WIMPFFEN im Vorwort seiner Betrachtungen folgendermaßen umschreibt: „Dans l’Allemagne, et surtout dans la partie nord, toute institution, même civile, a pour objectiv l’instruction militaire. Former des généraux capables, des officiers instruits, des soldats disciplinés et robustes, tel est le but.“ (In Deutschland, und besonders im nördlichen Teil, hat jede, selbst zivile, Einrichtung, wirkliche militärische Schulung, um allgemeine Befähigungen, geschulte Offiziere, disziplinierte und robuste Soldaten zu formen, solches ist der Zweck.) Man gewinnt den Eindruck, dass der „Sedangeneral“ von seines Volkes und seiner eigenen Niederlage traumatisiert und somit wie besessen nach den Gründen derselben wie auch nach Abhilfe sucht. Darüber hinaus beginnt er jedoch schon von Stuttgart aus mit der gleichen Leidenschaft, die Rechtfertigung seines Handelns zum Ende des Schlachtengeschehens von Sedan zu betreiben.
Un so schreibt er im Vorwort seiner später noch genauer vorzustellenden und nicht weniger als 382 Seiten umfassenden weiteren Schrift des Titels „Sedan. Par le Général de Wimpffen“, Paris Libraire Internationale 1871, Folgendes: „Schon in den ersten Augenblicken meiner Gefangenschaft in Stuttgart entschloss ich mich, meine Freizeit mit der Zusammenstellung des notwendigen Materials für eine wahrheitsgetreue Geschichte der ersten unglücklichen Ereignisse des Krieges mit Preußen zu nutzen. Diese Ordnungsarbeit ließ mich einer Masse sehenswerter Dokumente gegenüberstehen.“ So kommt es zunächst dazu, dass er in Stuttgart Briefe sowie Berichte zur Thematik „Schlacht bei Sedan“ schreibt und verschickt. Und in der Tagespresse versucht er nachzuweisen, dass er in dieser das Ziel verfolgt habe, sich durch den Ausbruch Richtung Südost über Bazailles-Carignan durchzuschlagen. Und er erhebt den Vorwurf, dass es vor allem Kaiser Napoleon gewesen sei, der durch sein Nein zu seiner Bitte, er möge in die Mitte seiner Truppen kommen und diese würden es sich zur Ehre anrechnen, den Durchweg zu öffnen, dazuhin dessen Befehl, die weiße Fahne auf den Wällen aufzuziehen, sein Vorhaben verhindert habe. Demgegenüber wird Wimpffens diesbezügliches Billet an den Kaiser von 1 ¼ Uhr des 1. September in der Presse „mit mehr oder weniger Recht“, wie Fontane meint, ins Lächerliche gezogen. Und der seines Landes verwiesene Kaiser Napoleon wehrt sich in einem Schreiben vom 3. Oktober 1870 vom Platz seiner Gefangenschaft Wilhelmshöhe bei Kassel aus wie folgt:
„J’ai lu votre rapport officiel sur la bataille de Sedan. Il contient deux assertions que je dois relever.
-Si je n’ai pas répondu à votre appel pour faire une trouée vers Carignan, c’est qu’elle ètait impraticable, comme l’expérience vous l’a prouvé, et la tentative, je le prévoyais, ne pouvait avoir d’autre résultat que de coûter la vie á un grand nombre de soldats.
-Je n’ai consenti á faire arborer le drapeau blanc, que lorsque, de l’avis de tous les chefs de corps d’armée, toute résistance était devenue imposible. Je n’ai donc pas pu contrarier vos moyens d’action.
Croyez, général, à mes sentiments. NAPOLÉON“
Zu Deutsch: „Ich habe ihren amtlichen Bericht über die Schlacht von Sedan gelesen. Er enthält zwei Behauptungen, die ich richtigstellen muss:
-Ich habe auf Ihre Aufforderung, einen Durchbruch nach Carignan zu machen, nicht geantwortet, weil es mir undurchführbar erschien, wie die Erfahrung es Ihnen bewiesen hat, und der Versuch, wie ich es vorausgesehe hatte, kein anderes Resultat haben konnte, als einer großen Anzahl von Soldaten das Leben zu kosten.“
-Ich habe nicht zugestimmt, die weiße Fahne zu hissen, als nach der Meinung aller Korpschefs jeder Widerstand unmöglich geworden war. Folglich habe ich Ihre Pläne nicht durchkreuzen können.-
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung, mein General NAPOLÉON“
Wimpffen will nach seinen Aussagen im Vorwort des erwähnten Buches ursprünglich nur an die Sammlung der mit der Schlacht bei Sedan zusammenhängenden zahlreichen Schriftunterlagen gedacht haben. Doch sieht er sich, nachdem er nach fünfmonatiger Gefangenschaft in Stuttgart etwa Mitte Februar wieder heimkehren kann, aus zwei Gründen veranlasst, nun doch mit einem Buch an die Öffentlichkeit zu treten:
Grund 1: Sein großer erster Bericht über die Schlacht von Sedan vom 5. September 1870 an den Kriegsminister hat – entgegen seiner Erwartung – offiziell keine Veröffentlichung gefunden und er findet diesen wichtigen Schriftsatz bei seiner Vorbeikunft in Versailles im Ministerium am 19. März 1871 nicht oder nicht mehr vor. Am Verschwinden desselben soll, wie Wimpffen erfahren haben will, der von ihm aus dem Oberbefehl der Sedanarmee verdrängte General Ducrot die Hand im Spiel gehabt haben. Hierzu muss man wissen, dass dieser nach der Schlacht bei Sedan sein Ehrenwort gegeben hat, sich in Pont-à-Mousson zu stellen und dieses auch eingehalten hat, aber dort danach in der Verwirrung auf dem überfüllten Bahnhof geflohen und dann Oberkommandierender einer neugebildeten französischen Armee und im Februar 1871 Mitglied der Nationalversammlung mit großem Einfluss geworden ist.
Grund 2: Seit seiner etwa Ende Januar erfolgten Entlassung als Kriegsgefangener und Rückkehr nach Frankreich bzw. bald darauf wieder nach Algerien (Wohnsitz Mustapha bei Algier) habe er vergeblich versucht, Gunstbezeigungen durch den Kriegsrat zu erfahren, die seine Führung (in der Schlacht bei Sedan) hätten anerkennen können. Er habe keinerlei Antwort auf seine berechtigte Bitte bekommen. Der Regierungschef habe vor der Kammer und damit vor dem Land die Kommandanten und Chefs der Armee von Metz und von Châlons glorifiziert. Aber niemand habe ein Wort zu seiner Rechtfertigung hören lassen. Er findet, dass diese Situation nicht mehr erlaube, Schweigen zu bewahren und er glaubt, einfach und wahrhaftig die Ursachen, die das unvermeidliche Desaster von Sedan herbeigeführt haben, darlegen zu müssen.
Und so fertigt er eine Art Rechtfertigungsschrift, die 1871 in Paris erscheint und deren Titel oben bereits aufgeführt worden ist. Unter dem Titel fügt er drei Zeilen bei, die seine auf den Zweck des Buches zielende Devise präsentieren: „Quorum pars magna fui.- VIRG. Énéide. – Suum cuique“, übersetzt aus dem Lateinischen (Anfangs- und Endteil) und dem Französischen (Mittelteil): „Worin ich eine große Rolle spielte (oder auch: ‚Wozu ich zu bedeutendem bzw. wesentlichem Teil mittrug’ bzw. ‚Wovon mir großer Anteil zukommt’) Vergil. Aeneis – Jedem das Seine“. Siehe dazu die
Abb. 60: Das Titelblatt von Emmanuel Félix de Wimpffens Rechtfertigungsschrift.
Der erste Teil ist, wie er konstatiert, der Aeneis, dem zwölfteiligen Heldenepos des römischen Dichters Vergil, entnommen, und zwar der 6. Zeile des 2. Buches (Aeneis 2.6), die zum „Gefügelten Wort“ geworden und dann zu verwenden ist, wenn es gilt, seine Mitwirkung bzw. seine Verdienste an einer Sache zu reklamieren. Dieses wird durch den aus den antiken philosophischen Theorien der Moral und Politik hergeleiteten Endteil „Suum cuique“ bekräftigt. Letzteres ist im Doppelsinn gemeint, d. h. im Sinne sowohl des Individuums als auch der Gesellschaft: Jeder soll das Seine (ihm Mögliche) tun, aber Jedem soll auch das Seine (Verdiente) zukommen. Zweifellos fühlt sich der Sedangeneral bezüglich seines Handelns in der Schlacht bei Sedan gegenüber den Mitgenerälen unverdient kritisiert und zurückgesetzt und will dies konkret durch seine Veröffentlichung anmahnen.
Auf den nicht weniger als 377 Seiten des Kerntextes holt er dazu weit aus, bezieht auch eröffnend die rühmlichen Erinnerungen und Urkunden aus seiner Zeit davor als Gouverneur in Oran sowie so vollständig wie möglich die Vorgeschichte der Schlacht von Sedan mit ein, dazu eine große Anzahl von mit dieser zusammenhängenden Brief- und Urkundentexten, worauf sich Theodor Fontane zwei Jahre später bei der Abfassung seines Buchtextes vielfach beziehen wird. Der Text gipfelt in dem von den Militärs beider Seiten und ganz besonders von General Ducrot beanstandeten und sich auf die Sinnhaftigkeit seiner viel bestrittenen und umstrittenen Durchbruchsthese beziehendes Satzpaar: „Meine Angreifer und Verleumder, wie sie besonders in der Umgebung des Kaisers waren, haben ein nobles Unternehmen, wie ich es vorhatte, zu einer T h o r h e i t stempeln wollen. Nichtsdestoweniger bin ich auch j e t z t noch überzeugt, daß ein mit 15- oder 20,000 Mann unternommener Angriff auf die feindliche Linie von Erfolg gekrönt gewesen wäre.“ Indem er darüber hinaus aber insbesondere Beschuldigungen gegenüber General Ducrot und den Kaiser erhebt, fällt das erwartete Echo negativ aus und beschwört er heftige Kritik herauf.
Der sich beschuldigt und in seiner Ehre schwer angegriffene General Ducrot veröffentlicht umgehend noch 1871 eine Verteidigungsschrift von 169 Seiten, deren gleichartig gehaltene Titelfassung „La journée de Sedan, par Le Général Ducrot“ die Bezugsetzung auf Wimpffens Werk von vorneherein deutlich zu machen versteht. Dieser sieht sich durch Wimpffen, wie er im Vorwort vom 18. September 1871 darlegt, in fünffacher Hinsicht ungerechtfertigt beschuldigt:
1. Er habe einen Mangel an Ehrenhaftigkeit dadurch gezeigt, dass er seinen Einfluss bei Kriegsminister General Trochu dahingehend geltend gemacht habe, die Veröffentlichung seines Berichts über die Schlacht von Sedan zu vereiteln.
2. Er habe durch falsche Manöver das Tagesgeschick gefährdet und so das verhängnivolle Desaster von Sedan vorbereitet.
3. Er habe das Schlachtfeld vor der Zeit verlassen.
4. Er habe sich geweigert, den Anordnungen des Chefgenerals zu gehorchen, alsdann habe er Hilfe abgelehnt.
5. Er habe den Kaiser aufgefordert, die Parlamentärfahne zu hissen und zu kapitulieren.
Abschließend drückt Ducrot in seiner Vorbetrachtung die Erwartung aus, dass die Verantwortung dieser bedauerlichen Polemik auf jenen zurückfällt, der diese wachgerufen hat…., „comme l’a dit le général de Wimpffen (so wie es General von Wimpffen gesagt hat): suum cuique“ (Jedem das Seine).
Es ist hier leider weder der Platz noch der Ort, die aus der Sicht des Autors zu seiner Entlastung dargestellten Vorgänge sowie zahlreichen Schriftsätze um die Schlacht bei Sedan hier auszubreiten. Eine Haltungsänderung Wimpffens hat Ducrots Schrift nicht erreicht, im Gegenteil. Noch 1871 und 1872 in durchgesehener und korrigierter 2. Auflage erscheint eine 75-seitige Erwiderungsschrift unter dem Titel „Le Général de Wimpffen. Réponse au Général Ducrot par un officier supérieur“, Paris. Libraire Internationale, aus der Feder eines nicht mit Namen genannten „Camarade d’école“ (Schulkameraden). Die knappe Hälfte (S. 3 – 32) derselben nimmt eine als biographisch wertvoll anzusehende Lebensbeschreibung ein (Première partie: La vie militaire du Général de Wimpffen), die oben im eröffnenden Lebensgang natürlich nur ansatzweise ausgeschöpft werden konnte. Dann folgt eine weitere knappe Hälfte mit Bemerkungen zur Veröffentlichung desselben (Seconde partie: Observations sur l’opuscule du Général de Wimpffen, S. 33 – 64), welche auf die fünf Beschuldigungen und die Entgegnungen hierzu ausgerichtet ist. Den Rest bilden einige Briefe Wimpfens an den Freund (S. 65 – 75). 1875 folgt eine Neuflage von Ducrots „La Journée …“ und 1887 aus den nachgelassenen Papieren Wimpffens eine weitere Rechtfertigungs-Schrift unter dem Titel „La bataille de Sedan, les véritables coupables“ („Die Schlacht bei Sedan, die wahrhaft Schuldigen“). Diese erscheint 1889 in Augsburg auch in einer deutschen Ausgabe. Also, und die Beifügung „wahrhaft“ belegt dies schlagend, eine Kette gegenseitiger Beschuldigungen ohne versöhnliches Ende.
f. Theodor Fontane schätzt in seinem Werk über den deutsch-französischen Krieg den Sedangeneral rückblickend zwar als guten und tapferen Divisiongeneral ein, spricht ihm aber die Fähigkeit der Lenkung einer großen Schlacht ab
Um abschließend die „wahrhafte“ Einschätzung der Persönlichkeit des Emmanuel Félix de Wimpffen und seiner Handlungsweise in den letzten beiden Tagen der Schlacht bei Sedan als Befehlshaber des 5. Korps (an der Stelle von General Failly) sowie Oberbefehlshaber der Armee von Sedan (an der Stelle von Marschall Mac-Mahon bzw. von General Ducrot) zu finden, kehren wir zu Theodor Fontanes Buch zurück. Wichtig erscheint, dass dieser Wimpffens Rechtfertigungs- und Ducrots Verteidigungsschrift und des Erstgenannten Erwiderungsschrift gekannt und die maßgeblichen Inhalte derselben bei der Abfassung seiner Betrachtungen über die Schlacht bei Sedan und über den Sedangeneral eingearbeitet hat. Ergebnis einerseits seiner akribischen Kenntnis der Fakten, andererseits seiner in seinen späteren Romanschöpfungen evident gewordenen herausragenden Begabung, den Handlungs- und Zeithintergrund von Menschen zu erspüren und in unnachahmlicher Sprache zu schildern, schließt er seine Betrachtungen zu den Ereignissen um Emmanuel Félix de Wimpffen mit einer meisterlichen umfänglichen Einschätzung von dessen Persönlichkeit (man könnte sagen mit einem Psychogramm) auf dem Handlungshintergrund des 28. August bis 2. September 1870 folgendermaßen ab (die von Fontane zum Zwecke der Hervorhebung g e s p e r r t wiedergegebenen Partien sind hier der Einfachheit halber unterstrichen):
„General von Wimpffen war ein tapferer Soldat. Mehr denn das, er war ein guter Repräsentant militairischer Ehre und untadeliger Gesinnung. Seine Widersacher haben ihm auch das bestreiten wollen; gewiß mit Unrecht. Ducrot – persönlich erbittert und von jener Leidenschaftlichkeit des Charakters, der ein gerechtes Urtheil überhaupt schwer fällt – hat ihn unbedingt zu hart behandelt als er ihm vorwarf, um 9 Uhr Vormittags, wo die Dinge in Bazeilles eher gut als schlecht standen, aus Eitelkeit und Großmannssucht das Commando an sich gerissen zu haben. Er glaubte momentan an die Möglichkeit eines Sieges; gewiß. Aber es lag ihm an diesem, nicht an der Indentificirung seiner Person mit diesem Siege. Folgen wir ihm durch die letzten Augusttage.- Von dem Momente seines Eintreffens in Sedan, ja schon vorher, von der Stunde seiner Pariser Abreise an …, gab er die mannigfachsten Beweise psychischen und moralischen Muthes, rascher Entschlußkraft, lebhaften Geistes, starken Vaterlandsgefühls. Im Fluge orientirte er sich, griff im Großen und Kleinen energisch ein, ermuthigte die Schwachen und bestärkte die Starken in ihrem Widerstande. Die Art, wie er sich in Reims des Husarendetachements versicherte, wie er den Maire von Signy-L’Abbaye belobte und persönlich erfahrene Unbequemlichkeit vergaß, wie er am 30. die Beaumont-Flüchtlinge sammelte, am 31. bei seinem Corps sich einführte, und die Nacht darauf, auf platter Erde schlafend, das Loos des einfachen Soldaten theilte, die Energie, mit der er im entscheidenden Moment das Commando ergriff, gegebene Befehle annullirte, Bedenken beschwichtigte, Widerspruch bekämpfte, um dann, in verzweifelten Kämpfen, erst mit Vielen, dann mit Wenigen den Durchbruch und dadurch die Rettung der Armee zu versuchen, endlich die Entsagung, die er übte, als er seinen Namen unter die Unterwerfungsurkunde setzte. – all das hat in unsern Augen Anspruch auf Achtung bei Freund und Feind. Er war charaktervoll, soldatisch feurig, so lange es noch zu kämpfen gab, ehrenvoll und opferbereit, als das Unglück hereingebrochen, das Unvermeidliche an ihn herangetreten war; in diesem Sinne hat er Anspruch auf die Wort, die General v. Moltke und Graf Bismarck brieflich an ihn gerichtet haben: ‚Im Augenblick, wo Ew. Exzellenz den Oberbefehl übernahmen, wurde die Armee von Sedan, welche sich bis zum Schlusse tapfer geschlagen hat, von uns als eine vollständig verzweifelte betrachtet.*) Ew. Exzellenz kann sich das Zeugniß ablegen, daß kein Oberbefehlshaber für seine Armee bessere Bedingungen erhalten hätte, als die, welche aus persönlichen Rücksichten für Ihre Person bewilligt wurden. Ich würdige mit Erkenntlicheit die wohlwollenden Ausdrücke, mit denen sich Ew. Exzellenz betreffs meiner in Ihrer Veröffentlichung ausgedrückt haben.’
*) Anmerkung des Autors: Die Frage, ob ein E n t s c h l ü p f u n g s v e r s u c h über Illy nicht besser gewesen wäre, als ein D u r c h b r u c h s v e r s u c h über Bazeilles, wird hier seitens Generals v. M. nicht berührt. Die Lage war um 8 Uhr verzweifelt, gewiß; aber der eine kommt aus verzweifelten Lagen besser heraus als der andere.
Aehnlich schrieb Graf Bismarck.“
Hier sei die Wiedergabe von Fontanes Text unterbrochen und darauf hingewiesen, dass dieser nur den Schlusssatz eines Dankesbriefes zitiert, den Bismarck an Wimpffen gerichtet hat, nachdem dieser ihm ein Exemplar seines Werkes über „La bataille de Sedan …“ geschickt hatte. Dieses wertvolle in französischer Sprache gehaltene und nachfolgend gezeigte Dokument ist vor kurzem von seinem jetzigen Besitzer, Dr. Hans H. von Wimpffen, im Rahmen seiner großen Dokumentation im Internet „Wimpffen“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Der Brief wurde nach der Auffindung im Nachlass des 2009 verstorbenen großen Politikers der Nachkriegszeit Otto Graf Lambsdorff der Familie von Wimpffen von dessen Gattin Gräfin Alexandra Lambsdorff, geb. von Quistorp, geschenkt. Nach Wurzbach befand sich dieser wie auch der in Fontanes Text teilweise wiedergegebene Brief Moltkes (siehe oben) früher im Archiv der gräflichen Wimpffen-Linie des Schlosses Kainberg in der Steiermark, wohin diese wohl deshalb gelangen konnten, weil Emmanuel Félix de Wimpffen keine Nachkommen hatte.
Abb. 61: Dankesbrief des Grafen Bismarck an Emmanuel Félix de Wimpffen für die Zusendung seines Buches über die Schlacht von Sedan vom 9. Januar 1872
Und nunmehr hier der gesamte Brieftext, und zwar zunächst in der Originalsprache, dann in der Übersetzung:
„Son Excellence Monsieur le Général Comte de Wimpffen.- Berlin, le 9 Janvier 1872.- Monsieur le Comte, J’ai reçu la lettre que vous m’avez fait l’honneur de m’adresser en date du 20 dernier de même que votre livre sur les événements de Sedan. Je vous remerçie, mon Général, du souvenir bienveillant que vous gardez de nos entretiens et je me suis réjouie, en lisant votre relation de cet esprit de justice qu’elle respire. Mes sympathies resteront toujours requises à un général qui, ayant fait des preuves ailleurs, ne fut appelé sur le terrain qu’au moment où le sort des armes se trouvait déjà jeté de manière à ne plus laisser de chance à sa bravour et à son genie. Veuillez agréer Monsieur le Général, l’assurance de ma haute considération v. Bismarck“
„Seiner Exzellenz Herrn General Graf von Wimpffen. – Berlin, am 9. Januar 1872 – Herr Graf, Ich habe den Brief, den Sie mir zu schicken die Ehre gegeben haben, unter dem 20. letzten Monats, ebenso Ihr Buch über die Ereignisse von Sedan erhalten. Ich danke Ihnen, Herr General, für die wohlwollende Erinnerung, die Sie an unsere Zusammenkünfte bewahrt haben, und es ist mir eine Freude, Ihren einen solchen Geist der Gerechtigkeit atmenden Bericht zu lesen. Meine Sympathien verbleiben immer einem General, der, nachdem er anderwärts seine Proben abgelegt, auf das Terrain erst im Augenblick berufen wurde, wo das Los der Waffen bereits entschieden hatte. Empfangen Sie, Herr General, die Versicherung meiner großen Hochachtung v. Bismarck.“
Jetzt sei Fontanes Text fortgesetzt:
„So viel über Wimpffen den tapferen Soldaten, den Mann von Ehre und Gesinnung. Anders freilich stellt sich das Urtheil, wenn wir den Feldherrn Wimpffen ins Auge fassen und nach der Einsicht fragen, die er am Tage von Sedan zu erkennen gab. Hier erschienen uns alle gegen ihn erhobenen Angriffe als berechtigt, und der Verurtheilung zustimmend, die er durch die verschiedensten Stimmen erfahren hat, finden wir es unbegreiflich, daß er sich bei Bazeilles durchkämpfen wollte, während bei Illy noch ein freier Abzug in der Möglichkeit lag. Dies letztere hat Wimpfen freilich bestreiten wollen und sein mehr citirtes Buch ist vorwiegend zu dem Zwecke geschrieben worden, die Unmöglichkeit dieses Abzuges zu beweisen. Aber er ist mit dieser Beweisführung völlig gescheitert. Seine Zeitangaben sind sämmtlich falsch.“
Siehe dazu die nachfolgende Kartenskizze des Schlachtfeldes von Sedan, in der Emmanuel Félix de Wimpffen den Namen und den jeweiligen Standorten der verschiedenen preußischen, bayrischen und württembergischen bzw. französischen Korps und sonstigen Einheiten sowie dem Datum (31. August bzw. 1. September) noch die Uhrzeit hinzugibt.
Abb. 62: Kartenskizze „Champ de Bataille de Sedan“ aus dem Werk „Sedan par le Général de Wimpffen“ (Paris 1871)
Und wieder sei der Text Fontanes fortgesetzt:
„Er läßt bereits um 5 Uhr früh unser XI. Corps bei Fleigneux und St. Menges, unser V. Corps bei Vrigne aux Bois stehen, was entweder eine große Unkenntniß verräth oder einen nicht statuirbaren Hang bekundet, die Tathsachen nach persönlichem Bedürfniß zu modeln. Um 5 Uhr früh standen beide Corps bei Donchery noch am linken Ufer der Maas; erst um 6 Uhr waren die Brücken passirt; erst um 8 standen sie in Höhe von Vrigne aux Bois, erst um 10 zwischen St. Menges und Fleigneux. Und zwar höchstens in Stärke von zwei Divisionen. Das ergiebt eine Differenz von fünf Stunden. Mit Recht schreibt Oberst Borbstädt: ‚Wäre der Feind zwischen 9 und 10 Uhr energisch vorgegangen, so wäre es vielleicht möglich gewesen, die preußischen Têten in das Défllée von St. Albert zurückzuwerfen und das Abfahren der Artillerie-Linie zu erzwingen, was auf den Gang der ganzen Schlacht und die Entwicklung der auf einer Straße marschirenden preußischen Marschkolonnen von entschiedenem Einfluß gewesen sein würde.’ Es ist nachträglich für jeden, der sehen will, – also für ,jeden mit alleiniger Ausnahme des Generals v. Wimpffen – ein unbestreitbares Factum, daß um 9 Uhr ein Entkommen der Armee mindestens noch innerhalb der Möglichkeit lag, daß aber unter allen Umständen ein Abzugsversuch über Illy hinaus besser gewesen wäre, als ein Durchbruchsversuch bei Bazeilles; – es fragt sich nur, ob General Wimpffen verpflichtet war, schon damals am Schlachttage selbst, eine Einsicht zu besitzen, über die wir nachträglich Alle verfügen. Wir müssen auf diese Frage antworten: ja, er war dazu verpflichtet. Er hatte sich am 30. mit eigenen Augen davon überzeugt, daß von Süden und Südosten her unsererseits ganze Armeen heranrückten, die stark genug gewesen wären das französische V. und VII. Corps vor sich her zu treiben und unterstützende Brigaden des I. und XII. Corps zu werfen. Meldungen hatten ihm inzwischen bestätigt, daß bei mannigfachen von Mouzon und Carignan her auf Sedan führenden Straßen von den Unseren überdeckt seien, er wußte also, nach Allem was er gehört und gesehen, mit Sicherheit wissen, daß an seiner Front (nach Osten zu) feindliche Massen vor sich habe. Und trotz alledem hielt er an der Vorstellung fest, daß Alles damit gethan sein würde, die Baiern in die Maas zu werfen. Diese Redewendung kehrt in seinen eigenen Aufzeichnungen beständig wieder. Er sah nicht über das Nächstliegende hinaus; sein geistiges Auge reichte nicht weiter als sein physisches. Er sah immer nur die Baiern und betrachtete die ganze Schlacht als eine Art Zweikampf zwischen dem französischen Corps Lebrun und dem bairischen Corps v. d. Tann. Er schlug nicht eine Schlacht bei Sedan, er schlug nur eine Schlacht bei Bazeilles und hielt, bis es zu spät war, die Vorstellung aufrecht, daß ein Sieg an letztgenanntem Orte (Bazeilles) überhaupt den Sieg bedeuten werde. Er wollte nicht den Abzug über Illy; die Frage ob ‚ausführbar oder nicht’ lag damals seiner Seele noch völlig fern; er wollte einfach siegen, und dieser Sieg, so vermeinte er, war da, wenn die Baiern in die Maas geworfen würden. In diesem Allem sprach sich eine Beschränktheit aus, seine Unfähigkeit, Großes zu umfassen; – die Schlacht war für ihn jedesmal an der Stelle wo er persönlich stand. Er sah sich plötzlich in Verhältnisse hineingestellt, die erheblich über sein geistiges Vermögen hinauslagen; er war ein Divisionsgeneral, kein Feldherr, der Riesenschlachten schlägt. Kleine Anschauungen übertrug er auf große Dinge, afrikanische Erfahrungen auf europäische Verhältnisse. Zu verlangen war von ihm die Einsicht, daß mit dem ‚in die Maas werfen’ des I. bairischen Corps ein Entkommen auf Montmedy auch noch nicht annähernd gesichert war, zu verlangen war die Einsicht, daß hinter und neben den Baiern andere und immer wieder andere standen, die, in Front und Flanke zufassend, von seinen Durchbruchskolonnen nicht viel übrig gelassen haben würden. Aber von diesen Erwägungen scheint ihm bis zu dem Momente, wo er die Dinge leibhaftig sah, auch nicht eine gekommen zu sein. Er tappte hinein, guten Glaubens, daß er ein Auserwählter sei und mußte sich 12 Stunden später davon überzeugen, daß er nur auserwählt worden sei, eine ungeheure Niederlage zu unterzeichnen. Mit gutem Willen und Feuereifer werden keine modernen Schlachten gewonnen. Sein Fehler war gewesen, daß er geglaubt hatte, mit Gaben zweiten Ranges da auskommen zu können, wo Gaben ersten Ranges nöthig waren. Er war energisch und decidirt; zwei militärische Tugenden, wie nicht bestritten werden soll. Aber ununterstützt durch entsprechende Erkenntniß, können sie verhängnißvoll werden. An Warnungen hatte es nicht gefehlt. Um 9 Uhr ritt Ducrot an ihn heran: ‚Ich komme nicht, General, um Ihnen das Commando zu bestreiten; … aber lassen Sie mich Ihnen bemerklich machen, daß ich mich seit fast anderthalb Monaten den Preußen gegenüber befinde, daß ich ihre Operationsart besser kenne, daß ich die Situation und das Terrain studirt habe und daß es mir nach Allem unzweifelhaft ist, daß der Feind Miene macht, uns einzuschließen.’ So Ducrot. Jeder empfand ein Gleiches, nur Wimpffen nicht.- So brach es denn herein.- Tapfer, patriotisch und ehrenhaft, und im Unglück sogar würdevoll und edel geartet, ist General Wimpffen nicht frei zu sprechen von dem Vorwurf, dies Unglück selbst zum größeren Theil herbeigeführt zu haben. Ein überraschender Mangel an Einsicht und ein eigensinniges Verharren im Irrthum, die beide seine Haltung am Tage von Sedan charakterisiren, haben die Katastrophe verschuldet oder doch wenigstens erst perfekt gemacht.“
Ein verständlicherweise milderes Urteil trifft vier Jahrzehnte nach dem unglücklichen Geschehen MAX FREIHERR VON WIMPFFEN (1863 – 1917), der Sohn des oben bereits mehrfach erwähnten Vetters des Sedangenerals WILHELM VON WIMPFEN, der in einem in der „Wimpfener Zeitung“ veröffentlichten Brief an die Redaktion aus Wien vom 18. September 1911 u. a. Folgendes schreibt: „Obwohl in Frankreich geboren und mit Leib und Seele Franzose hatte Felix Wimpffen seine deutsche Abstammung nicht vergessen. Er gehörte zu jener kleinen Gruppe französischer Patrioten, die von freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen die gedeihlichsten Rückwirkungen auf die Entwicklung beider Völker erhoffte. Als gebildeter und tüchtiger Offizier kannte er die Kraft der deutschen Wehrmacht, wußte, daß die Franzosen militärisch den Siegern von Königgrätz nicht gewachsen waren, und sah den schlimmen Ausgang des Krieges voraus. Darin eben liegt das Tragische seines Schicksals, daß er, der Gegner dieses Krieges, im letzten Akte des Sedandramas zu einer Zeit, da die französische Armee rings umstellt und die Entscheidung bereits gefallen war, die führende Rolle übernehmen mußte. Allerdings wäre es klüger gewesen, die Vollmacht, die ihm den Oberbefehl nach Mac-Mahon übertrug, nicht geltend zu machen; ehrenvoller aber war es – wie er es tat – die Klugheit, d. h. die Rücksicht auf die eigenen Person in der verzweifelten Lage beiseite zu setzen und den Versuch einer Rettung mit der Waffe zu wagen. Als Wimpfen das Kommando übernahm, bot ein Durchbruch nach Paris dieselben Schwierigkeiten wie ein Durchbruch nach Metz. Der Durchbruch nach Metz war die dem General von der Pariser Regierung gesetzte Aufgabe und ein Vormarsch daher dem französischen Temperament mit seinem Elan gelegener als ein Rückzug nach Paris. Deshalb entschied sich Wimpffen für den Durchbruch nach Metz. Glückliche Zufälle hätten vielleicht sein Unternehmen zu einem teilweisen Erfolg führen können, die Disziplinlosigkeit höherer Offiziere ließ es aber nicht einmal zu einem durchgreifenden Versuche kommen. – General von Wimpffen hat seine Pflicht erfüllt, das war auch Moltkes Urteil. Moltke, der mit der Familie Wimpffen verwandt war, hatte mit seinem Gegner besonderes Mitgefühl.“ Max von Wimpffen stellt sich also eindeutig auf die Seite seines Großvetters und somit gegen die konträre Einschätzung dessen Hauptgegners Ducrot.
Bei allem Fehler Wimpffens, sich auf den Durchbruch im Südwesten Richtung Carignan zu versteifen, ist denn doch Folgendes zu seiner teilweisen Entlastung zu sagen: Der Kardinalfehler, der die Einkreisung und Gefangennahme der Armee von Chalons bei und in Sedan provoziert hatte, war zuvor von MARSCHALL MAC-MAHON begangen worden. Dieser hatte den dort versammelten Truppen am Nachmittag des 31. August Halt geboten mit dem Ziel, diese durch ein oder zwei Tage der Rast sich erholen und reorganisieren zu lassen, anstatt diesen den Weitermarsch in Richtung Mézieres nach Nordwesten zu befehlen. Hinzu kommt, dass der als „Sedangeneral“ abschätzig in die Geschichte eingegangene EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN große kluge politische Weitsicht dadurch bewiesen hat, indem er bei den nächtlichen Kapituationsverhandlungen zu Donchery dem FÜRSTEN OTTO VON BISMARCK die schlimmen Folgen einer Annexion von Elsass-Lothringen in Gestalt der Erzeugung neuer Feindschaft und eines neuen Krieges zum Zwecke der Rückgewinnung desselben durch Frankreich eindringlich vor Augen zu führen gesucht hat. „Nie davon reden, immer daran denken!“ hieß es fortab in Frankreich, bis dann 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach und der erzeugte Hass sich Bahn brach und nach seinem für Frankreich siegreichen Ende im Versailler Vertrag sich Befriedigung verschaffte.
g. In den Jahren seines Ruhestandes führt Emmanuel Félix de Wimpffen in mehreren veröffentlichten militärischer Schriften seiner Nation die von ihm nach der Niederlage dringendst für notwendig befundene Armeereform im Sinne der Schaffung optimaler Waffen- und Wehrstärke vor Augen
Emmanuel Félix de Wimpffen wird im April 1872 aus seiner Militärtätigkeit als Divisionsgeneral mit einer Pension von 9000 Francs verabschiedet und zieht sich nach Mustapha bei Algier zurück. Als Grand-Officier de la Légion d’honneur steht ihm jährlich noch der zusätzliche Genuss von 2000 Francs zu. Über die schon genannten mit der Schlacht bei Sedan zusammenhängenden Veröffentlichungen hinaus erscheinen von ihm in der Zeit des Ruhestandes noch die folgenden weiteren militärischen Schriftwerke, die alle auf die ihm nach dem verlorenen Krieg notwendig erscheinenden Armeereformen gerichtet sind:
– La situation de la France et les réformes nécessaires, Paris 1873 (108 S.)
– La Nation armée par le Général de Division de Wimpffen, Paris 1876 (273 S.)
– L’État-major, son rôle dans l’armée, Paris 1879
Die zweitgenannte Schrift wird einige Jahre nach ihrem Erscheinen Hauptgegenstand der nachfolgend gezeigten Farb- Karikatur:
Abb. 63: Le Général de Wimpffen, Zeichnung von André Gill auf der Titelseite der literarisch-satirischen Pariser Zeitschrift „Les Hommes d’aujourd’hui“ (Die Menschen von heute) Nr. 40 (des Jahres 1879), die erstrangig auf die von diesem 1876 veröffentlichte Schrift „La Nation armée par le Général de Division de Wimpffen“ abhebt und eine Beischrift des Autors aufweist (veröffentlicht im Internet durch das „Centre de recherche et d’ Histoire de XIXe siècle“) .
Diese stellt dessen höchst realistisch wiedergegebenes bebartetes Haupt groß heraus, während der mit einem schwarzen Frack und einer roten Hose bekleidete Körper sich nach unten wachsend minimiert, womit dem Dargestellten ein Anstrich der Respektlosigkeit bis Lächerlichkeit gegeben ist. Die überkreuzten Hände halten in der Rechten einen fast körperhohen Säbel (Anspielung auf seinen Status des Militär) und in der Linken einen ebensolchen Federkiel (Anspielung auf seine eifrige militärschriftstellerische Tätigkeit). Durch die sich ergebende Überkreuzung der groß zur Schau gestellten beiden Symbolgegenstände Säbel und Federkiel will der Zeichner wohl verschlüsselt andeuten, dass der Abgebildete als (über)eifrig schreibender Militär für seine nach dem Abzug der deutschen Besatzung des Jahres 1873 sich mit der notwendigen Neuorientierung und Neuordnung schwer tuenden Nation durch seine Intentionen insofern „zum Kreuz“ werden könnte, als dessen Appell zur Verstärkung der Waffenrüstung drohten, für Frankreich Ungemach bis Unglück heraufzubeschwören.- Die Beischrift der heutigen Herausgeber lautet bezeichnenderweise: „Général du Second Empire avec ses victoires et ses défaites, augmentées d’une œvre d’essayiste (La Nation armée, 1876). – Zu Deutsch: „General des Zweiten Kaiserreiches mit seinen Siegen und seinen Niederlagen, vergrößert durch ein Schriftwerk (Die waffengerüstete Nation, 1876).“ In der linken Mittelzone des Blattes ist die folgende aus der Hand des Abgebildeten stammende – sein Schriftwerk kommentierende – Anmerkung zu finden: „Vivre au milieu des Soldats et aller à la bataille a été ma plus grande passion. Je n’ai pris la plume que pour propager mon expérience acquise par une laborieuse carrière et consacrée par de nombreux combats. Mon but est de stimuler nos organisateurs militairs, afin qu’ils fassent de la France une nation armée. Le gal (Abkürzung für Général) de Wimpffen.“ – Frei übersetzt: „Leben in der Mitte der Soldaten und in die Schlacht gehen, das ist meine größte Leidenschaft gewesen. Ich habe die Feder nicht ergriffen, um meine durch eine mühevolle Karriere erworbenen und durch zahlreiche Gefechte geweckten Erfahrungen hervorzukehren. Mein Zweck ist es, unsere Militär-Organisateure anzuregen, aus Frankreich eine waffengerüstete Nation zu machen. General de Wimpffen.“ Man sieht, dass der auf diese herabsetzende Weise der Öffentlichkeit präsentierte betagte General dem Spott nicht besser als mit der in heiligem Ernst ausgebreiteten Bekräftigung der seiner Schrift zugrundegelegten Intention der Steigerung der Wehrhaftigkeit zu begegnen versteht.
Aus der Sicht des knapp dreieinhalb Jahrzehnte später ausgebrochenen Ersten Weltkriegs erscheint sein Appell der Erziehung seiner Nation zur Wehrhaftigkeit insofern gerechtfertigt, als es Frankreichs Soldaten damals gelingt, den Angriff der über Belgien in Frankreich einbrechenden und an einen raschen Sie glaubenden deutschen Armeen dauerhaft aufzuhalten.
Er stirbt, ohne Kinder zu hinterlassen und nachdem seine Gattin ihm bereits 5 ½ Jahre vorausgegangen ist, am 26. Februar 1884 in Paris an einem Schlaganfall im Alter von 72 ½ Jahren und wird dort auf dem Friedhof Père Lachaise (division 47) begraben. Die
Abb. 64: Die Büste des steinernen Grabmonuments von General Emmanuel Félix de Wimpffen
zeigt ihn, seinem Wirken und Wesen entsprechend, uniformbewehrt und ordendekoriert. Aus der Ordenspracht sticht wieder der doppelte Ordensstern des Grand Officier de la Légion d’honneur am Hals am Band und auf der Brust ins Auge. Hinter der auf einer kranzgeschmückten hohen Rundsäule stehenden Büste erhebt sich ein schmuckloser hoher Grabstein, auf dessen oberem Halbrund in großen Lettern die Inschrift „ AFRIQUE – ARMÈE – ITALIE“ eingelassen ist. Damit sind die Plätze seines ruhmreichen Tuns herausgestellt, nicht jedoch der Ort seiner Niederlage Sedan, die ihm besonders große, wenngleich traurige, Berühmtheit eingebracht hat. H. Galli hat 1892 von den nachgelassenen Papieren diejenigen, die sich auf seinen erfolgbringenden Einsatz im Krim- und Italienkrieg beziehen, unter dem Titel „Notes et correspondences de campagne: Crimée – Italie“ herausgegeben. Natürlich konnte die da und dort sporadisch in die vorliegenden Betrachtungen einbezogene jüngste 31-seitige Untersuchung des Jahres 2012 von Jean-Pierre Allart „Le génerál de Wimpffen (1811 – 1884). L’autre homme des Sedan“, die Dr. Hans H. von Wimpffen wohl mit Recht als „die beste Arbeit“ über diesen bezeichnet, hier nicht mehr als nur bruchstückhaft eingearbeitet werden. Wenn nunmehr der Abschluss der Schilderung des Lebens des sog. Sedangenerals sich deren letzten Abschnittes bedient, so um mit des Autors dort ausgedrückter Wertung einherzugehen, die bereits im Titelschluss („L’autre homme de Sedan“) anklingt: „Wenn, auch heute noch, General Wimpffen als der Mann gilt, der 1870 die Kapitulation von Sedan unterzeichnet hat, so darf man sein Dasein nicht allein auf den Tag des 1. September einschränken. Denn dieser war einer jener Militairs, die zur Kolonisation Algeriens beitrugen und der auf den europäischen Schlachtfeldern der Krim und Italiens Ruhm erwarb. Seine republikanischen Empfindungen, die jene eines aufrichtigen Menschen sind, haben ihm manche Entäuschung bereitet, und wenn er auch ein Mensch seiner Zeit bleibt, so hat er es verdient, besser bekannt zu sein.“
U. Wie der Plan der beginnenden 1870er Jahre der Kusine des Emmanuel Félix de Wimpffen und älteren Tochter des Friedrich Wilhelm von Wimpffen KATHARINA VON WIMPFFEN (1818 – 1875), in Wimpfen größere Baulichkeiten zu erstellen und ein größeres arrondiertes Gut zu gründen, sich durch deren frühen Tod zerschlägt, jedoch der ältere ihrer beiden Brüder, der ehemalige WÜRTTEMBERGISCHE KAMMERHERR UND RITTMEISTER BARON WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1879) den Herkunftsort seiner Ahnen Wimpfen am Neckar zu seinem Alterssitz wählt und dort nach seinem plötzlichen Tod sein Grab findet sowie im Jahr danach die Hochzeit seiner jüngeren Tochter SOPHIE CHARLOTTE VON WIMPFFEN (1861 – 1907) mit dem baltischen BARON THEODOR LEONHARD VON UNGERN-STERNBERG (1857 – 1918/23) Glieder sowohl der gräflich-österreichischen Hauptlinie wie der französischen Von Wimpffen-Nebenlinie nach dorthin führt
a. Die in München lebende ST.-ANNEN-EHRENSTIFTSDAME KATHARINA VON WIMPFEN erwirbt 1870 – 1873 eine Reihe von unmittelbar beim Roten Turm gelegenen Gärten sowie ein dort vor dem Bering sich anfügendes Weinberg-Hainbuchenwald-Grundstück, außerdem das am Beginn des Burgviertels zwischen dem Rathaus und der Stadtmauer gelegene geräumige ehemalige Usingersche Wohnhaus mit Hof- und Gartenteil
Es dürfte überraschen, wenn hier nun einleitend in
Abb. 65: Meldung im „Wimpfener Bote“ vom 17. April 1873 über einen von Graf Helmuth von Moltke geplanten Sommeraufenthalt in Wimpfen
ausgerechnet der große Widersacher des „Sedangenerals“ der vorbeschriebenen Nacht der Kapitulationsverhandlungen von Donchery Graf Helmuth von Moltke mit dem kleinen undeutenden ehemaligen Reichsstädtchen Wimpfen am Neckar in Zusammenhang gebracht wird. Leider findet sich in den Folgenummern der Sommermonate 1873 und auch sonst nichts, was auf eine Realisierung des hier bekannt gemachten Aufenthalts-Planes dieses damals in aller Munde stehenden Großen des neugegründetgen deutschen Kaiserreiches hindeutet. Allerdings führt Helm Wienkötter in seiner Geschichte des Mathildenbades des Jahres 1928 unter den Namen berühmter Gäste desselben auch „Moltke“ auf, so dass es denn doch möglich erscheint, dass dieser damals dort kürzer oder länger Gast desselben gewesen ist. Der angekündigte Aufenthalt Moltkes könnte, wenn er wirklich zur Tat geworden sein sollte, durch das bereits angesprochene Verwandtschaftsverhältnis desselben zu dem in den 1870er Jahren mit Wimpfen durch Güterkäufe und Zuzug in engste Berührung gekommenen württembergischen Nebenlinie der Freiherren von Wimpffen induziert worden sein. Der engere Kontakt derselben mit der Stadt Wimpfen beginnt folgendermaßen: Unter dem 17. 11. 1870 kauft laut Eintragung im Supplement-Band zum Grundbuch Wimpfen am Berg die St. ANNEN-EHRENSTIFTSDAME BARONIN KATHARINA VON WIMPFFEN, wohnhaft in MÜNCHEN, von dem im Frühjahr dieses Jahres als Lehrer in Wimpfen am Berg in den Ruhestand getretenen LUDWIG FRIEDRICH USINGER und dessen Sohn JULIUS ZU LAMPERTHEIM das am Eulenberghang zwischen der Stadtmauer beim Roten Turm und dem Eulenbergweg gelegene und als Weinberg und Hainbuchenwald ausgewiesene Grundstück Nr. 746 mit darauf stehendem Gartenhaus mit einer Fläche von zusammen 895 m2. Dieses war an Usinger 1848 durch Kauf aus der Hand von ASSESSOR HEID ZU DARMSTADT gekommen gewesen. Ungefähr zum selben Zeitpunkt (1. 12. 1870) erwirbt die Genannte noch die diesseits der Stadtmauer den Roten Turm ost- bis südwestwärtig umschließenden Grabgärten Nr. 582 und 580 mit 244 m2 + 175 m2 = 419 m2 (Besitzer ebenfalls L. F. USINGER UND SOHN). Ein knappes Jahr später am 20. 10. 1871 folgt der Kauf vom Garten Nr. 585 (Besitzer: JOHANN PHILIPP BORNHÄUSSER) mit einer Fläche von 173 m2, der sich ostwärtig dem Hausanwesen des POSTVERWALTERS WILHELM SCHMEHL (ehemaliges Haus Gemmingen) anschließt. Weitere anderthalb Jahre später am 22. 04. 1873 kauft die Genannte noch das kleine dreieckige Gartenstück Nr. 584 mit einer Fläche von 56 m2 (Besitzer: DIETRICH GLÄSSER UND FRAU), dessen stumpfe Spitze der Knickstelle der Stadtmauer am Nürnberger Türmchen anliegt. Die erworbenen Grundstücke finden sich in der Planzeichnung der nachfolgenden
Abb. 66: Auf der Basis des Parzellenbroulilon-Kartenwerkes von 1840/43 gefertigter Lageplan der beim Roten Turm gelegenen Grundstücke mit Kennzeichnung des von der Baronin Katharina von Wimpffen 1870, 1871 und 1873 dort innerhalb- und außerhalb der Stadtmauer erworbenen Garten-, Weinberg- und Hainbuchenwald-Geländes.
Dazuhin erwirbt diese am 17. 11. 1870 laut Supplement zum Grundbuch Wimpfen am Berg (Besitzrecht zunächst beschränkt) bzw. 1. 12. 1871 (Besitzrecht uneingeschränkt) von L. F. USINGER UND SOHN die der Nordfront des Rathauses jenseits der Burggasse schräg gegenüber gelegene und nach dem Großbrand von 1848 neu erbaute geräumige Hofraithe Nr. 540,5 mit Wohnhaus sowie die nordwärts zur Stadtmauer hin sowie auch ostwärtig sich anschließenden Grabgärten Nr. 541,5 und 542,5 und Gartenhaus. In Ermangelung eines historischen Bildes sowie Planes sei auf die in Band 2, S. 327/328, gezeigte (den Zustand vor der Brandvernichtung darstellende) Planzeichnung und Übersicht der Hofraithen 540, 541 und 542 von 1840/43 verwiesen, dazu auf das Foto des Gebäudes der Gegenwart in der nachfolgenden
Abb. 67: Das von Baronin Katharina von Wimpffen 1870 erworbenen Haus, heute Burgviertel 1 (Foto vom 05. 10. 2012).
Wie bereits in Kapitel S umrissen und was auch aus der II. Stammtafel von Wurzbach (siehe dort den äußeren rechten Bereich der drei grünen Generationsbänder XIV c bzw. 12c bis XVIc bzw. 14c) entnommen werden kann, entstammte die vorgenannte Trägerin des Namens derer Von Wimpffen KATHARINA VON WIMPFFEN der dem sog. Franzens-Zweig entwachsenen sog. württembergischen Nebenlinie, die über deren Vater FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN im Herzogtum bzw. späteren Königreich Württemberg ansässig geworden war und von der Abkömmlinge der Nachfolgegeneration nach Bayern sowie durch Heirat auch nach Österreich gelangt sind. Dies sowie der Umstand, dass KATHARINA und ihre drei jüngeren Geschwister WILHELM, DAGOBERT und PAULINE sowohl Vettern bzw. Kusine des Sedangenerals EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN (über ihren vorgenannten Vater) als auch Kinder einer Kusine des vielgerühmten GENERALSTABSCHEFS GRAF HELMUTH VON MOLTKE (über ihre Mutter ELISABETH, GEB. VON MOLTKE) gewesen sind, darüber gibt Auskunft die nachfolgende
GENEALOGISCHE ÜBERSICHT:
Herkunft, Zusammensetzung, Nachkommenschaft der württembergischen Linie des Franzens-Zweiges bis ca. zum Beginn des 20. Jahrhunderts
unter Bezugsetzung zu
„Sedangeneral“ Emmanuel Félix de Wimpffen (13c) und Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke
(Generationen-Zählung unter Bezugsetzung zum Stammbaum von J. W. Stör in arabischen Ziffern)
————-
Wir müssen demnach von den Begründern des Franzens-Zweiges ausgehen, dessen Anfänge in den Kapiteln N und O aufgezeigt sind, nämlich von:
(11c)
FRANZ LUDWIG VON WIMPPFEN <> MARIA KUNIGUNDE VON GOY
*02. 04. 1732 in Minfelden – + 24. 05. 1800 in Mainz – * 01. 08. 1743 in Frankf./M. – + 24. 01. 1820 in Frankf./M.
Deren jüngstes Kind (von 12 Kindern, je 6 Knaben und Mädchen) war der
(12c)
Begründer der sog. württembergischen Nebenlinie
FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN,
(Jüngster Onkel von „Sedangeneral“ Emmanuel Félix de Wimpffen)
* 27. 08. 1784 in Kirn/Nahe – + 16. 03. 1845 in Stuttgart
zuletzt Generalmajor und Generaladjudant von König Wilhelm I. von Württemberg
vermählt am 06. 12. 1817 mit:
ELISABETH(A) oder auch ELISE, GEB. FREIIN VON MOLTKE,
Hofdame der Königin Katharina von Württemberg
(angeheiratete Tante des Sedangenerals)
* 27. 05. 1795 in Schwerin
+ 08. 08. 1832 in Stuttgart
Letztere war eine Tochter von:
GENERALMAJOR ADOLF FRIEDRICH VON (VAN) MOLTKE AUS DEM HAUSE SAMOW/MECKLENBURG
und
FRIEDERIKE (FRIDERIKA) VON MOLTKE, GEB. VON LÜTZOW.
Der Vorgenannte war ein Bruder des Vaters (Onkel) und die Vorgenannte somit eine Tante
des späteren Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke;
dieser und Elise von Moltke waren somit Vetter und Kusine zueinander.
Deren 4 Kinder (je zwei Jungen und Mädchen), die also
Vettern bzw. Kusinen des Emmanuel-Félix de Wimpffen sowie Vettern bzw. Kusinen 2. Grades des Helmuth von Moltke
gewesen sind, hießen:
(13c)
1. KATHARINA bzw. KATHARINE (WILHELMINA MARIA) VON WIMPFFEN
* 10. 11. 1818 in Stuttgart – * 21. 02. 1875 in München
(unverheiratet geblieben und in das Damenstift St. Anna in München als Ordensdame eingetreten)
2. WILHELM VON WIMPFFEN 3. DAGOBERT VON WIMPFFEN 4. PAULINE VON WIMPFFEN
* 21. 06. 1820 in Stuttgart * 29. 08. 1821 in Stuttgart * 13. 07. 1822 in Stuttgart
+ 15. 11. 1879 in Wimpfen + 03. 04. 1881 in München + 21. 04. 1900 in Mainz
heiratet am heiratet heiratet am
23. 09. 1856: 1862: 17. 02. 1850 in Triest:
AMALIE AUGUSTE VON ROUX-DAMIANI L(O)UISE LANG GUST. ADOLF FELIX GRAF WIMPFFEN (13c)
* 02. 03. 1837 in München * 02. 05. 1841 zu Starnberg * 28. 12. 1805 in Troppau
+ 25. 12. 1925 in Graz Todesumstände nicht bekannt + 25. 04. 1880 in Meran
(14c) (14c) (14c)
Deren Kinder: Deren Kinder: Deren Kinder:
1. SOPHIE CHARLOTTE 1. KATHARINA FRIEDERIKE 1. FRANZ DEMETRIUS EDUARD FRIEDRICH
* 25. 07. 1861 in Stuttgart * 05. 06. 1864 in Starnberg * 30. 11. 1850 in Mailand
+ 17. 11. 1907 in Reval/Estland + 14. 02. 1895 in München + 26. 04. 1879 zu Arco
Heirat am 25. 09. 1880 in Wimpfen: Heirat: 2. ELISABETH SOPHIE VICTORINE PAULINE
BARON THEODOR LEONHARD RU- JOHANN PHIL. KARL MARIA HEINRICH * 10. 01. 1854 in Graz
DOLPH V. UNGERN-STERNBERG AUGUST RUD VON GEYSEN + 25. 06. 1937 in Hellbrunn
* 11. 04. 1857 in Kertel/Estland Lebensdaten nicht bekannt Heirat am 16. 04. 1880:
+ zw. 1918 u. 1923 in Petersburg verschollen 2. WILHELM FRIEDRICH: MAXIMILIAN LUDWIG VON GAGERN
Ehe 1891 geschieden * 26. 04. 1865 in Starnberg * 09. 10. 1844 in Monsheim
über d. 2. Ehe u. d. 2 + 3 Kinder später + 23. 10. 1911 in München + 03. 01. 1911 in Berlin
2. MAXIMILIAN PAUL 3. PAULA SOPHIA ADOLFA Hessischer Minister u. Gesandter in Berlin
* 26. 07. 1863 in Stuttgart * 08. 09. 1869 in Ludwigsburg (15c)
+ 14. 05. 1917 in Wien + 11. 06. 1870 in München Deren Kinder:
Heirat: 1. AMELIE
LUDOWIKA SKRBENSKY VON HRZISTIC * 04. 12. 1883
* 10. 01. 1857 2. HEINR. FRANZ HANS GUSTAV RIKOLT
Ehe kinderlos * 21. 01. 1887
b. Der frühe Tod der Katharina von Wimpffen zerschlägt zwar deren auf Wimpfen bezogenen Pläne, doch bezieht um die Zeit ihres Todes der ältere ihrer beiden Brüder, der ehemalige WÜRTTEMBERGISCHE KAMMERHERR UND RITTMEISTER A. D. WILHELM VON WIMPFFEN, mit seiner Familie das von dieser in Wimpfen am Berg erworbene Wohnhaus, wo diese im Herbst 1876 – Großereignis das Städtchen – vom Vetter dessen verstorbener Mutter GENERALFELDMARSCHALL HELMUTH VON MOLTKE besucht wird
Nunmehr einen sich vor allem infolge der vorbeschriebenen ungeklärten Gegebenheiten wegen ergebenden Zeitsprung machend, sei die
Abb. 68: Die Todesanzeige vom 21. Februar 1875 der Freifrau Katharine von Wimpffen, St. Annen-Ehrenstiftsdame, im „Wimpfener Bote“
gezeigt. Dadurch kommen wir jetzt eingehend zu jenen Ereignissen, die sich unmittelbar im Städtchen Wimpfen selbst im Zusammenhang mit der bereits dargelegten Zuwendung und dem Zuzug von Abkömmlingen des Geschlechtes derer Von Wimpffen ab ca. Beginn der 1870er bis ca. zum Beginn der 1880er Jahre abgespielt haben. Der Umstand, dass die Traueranzeige im Wimpfener Boten erschien, obgleich die Verstorbene das von ihr bereits 1870/73 erworbene Anwesen neben dem Rathaus am Beginn des Burgviertels vermutlich wegen langer leidenserfüllter Krankheit nicht bezogen und weiterhin in München gelebt hatte, weist die bereits entstandene Verbundenheit derselben und ihrer vorbeschriebenen Angehörigen mit Wimpfen aus. Es finden sich diese in der Traueranzeige in der Abfolge von Alt zu Jung wie folgt genannt (siehe dazu vor allem auch die obige Genealogische Übersicht):
– Zuoberst die Tante FREIFRAU SÉVÉRINE, bezeichnet als Russische Catharinen- und Bayrische Theresien-Ordensdame, Schwester der schon 1832 verstorbenen Mutter ELISA(BETH) VON WIMPFFEN GEB. VON MOLTKE, beide Kusinen von Generalfeldmarschall HELMUTH GRAF MOLTKE;
– dann die als königlich württembergische Kammerherren titulierten beiden Brüder FREIHERR WILHELM und FREIHERR DAGOBERT VON WIMPFFEN;
– dann die durch die Heirat mit ihrem Vetter im Adelsrang höhergestiegene jüngere Schwester GRÄFIN PAULINE WIMPFFEN, GEB. FREIIN VON WIMPFFEN, bezeichnet als Theresien-Ordensdame;
– dann die (nicht aus dem Adel stammende) Schwägerin BARONIN LOUISE WIMPFFEN (Gattin von Dagobert);
– dann der Schwager (Gatte der Pauline) GRAF GUSTAV (ADOLF FELIX), bezeichnet als k. u. k. Kämmerer und Feldmarschall-Lieutenant. Den Schluss bilden die 2 x 3 = 6 Neffen und Nichten; und zwar zunächst die schon erwachsenen Kinder des Grafen und der Gräfin Wimpffen:
– GRAF FRANZ WIMPFFEN, Oberlieutnant (damals 24 Jahre alt), und
– GRÄFIN ELISABETH WIMPFFEN (21 Jahre alt);
dann die beiden Kinder von Wilhelm und Amalie von Wimpffen:
– SOPHIE WIMPFFEN (13 Jahre alt) und
– MAX WIMPFFEN (11 Jahre alt);
zum Schluss die Kinder von Dagobert und Louise von Wimpffen:
– CATHARINE WIMPFFEN (10 Jahre alt) und
– WILHELM WIMPFFEN (9 Jahre alt).
Im Blick darauf, dass Louise, die Gattin des Dagobert, wenngleich ohne das „von“, in der Reihe der Trauernden nicht, jedoch die andere Schwägerin Amelie, die Frau des Wilhelm, aufgeführt ist, legt den (freilich unbewiesenen) Gedanken nahe, dass diese evtl. keinen Wert darauf gelegt oder sich gar gesperrt hat, in der Traueranzeige neben der nicht dem Adel entsprossenen Schwägerin Louise zu erscheinen.
Die durch ihren Tod im Alter von nicht mehr als 56 Jahren vereitelten Pläne der Katharine von Wimpffen offenbaren sich in der bereits angesprochenen Reaktion des „Wimpfener Bote“ folgendermaßen:
„Locale Nachrichten. Wimpfen, 6. März (1875). Wohl manchem unserer geehrten Leser und Leserinnen wird die Nachricht von dem unerwartet frühen Tode der F r e i f r a u K a t h a r i n a v. W i m p f f e n überrascht haben, und erachten wir es im Interesse namentlich des hies. Publikums, der Dahingeschiedenen auch hier an dieser Stelle zu gedenken. (Sie starb nach langem Leiden in München am 21. Februar.) Das so plötzliche Dahinscheiden der hohen Dame ist für hier umsomehr zu bedauern, als dieselbe namentlich in den letzten Jahren sich lebhaft mit dem Plane beschäftigte, in hies. Stadt größere Gebäulichkeiten herzustellen und ein bedeutendes arrondirtes Gut zu gründen. Durch die schon seit längerer Zeit eingetretene Krankheit konnten die weiteren Maßnahmen zu diesem Plane nun leider nicht ausgeführt werden. Möge der Entschlafenen auch hier ein ehrendes Andenken bewahrt bleiben.“
Es drängt sich beim Lesen der vorstehenden Zeitungsnachricht die heute leider nur noch unzureichend klärbare Frage auf, was Katharina von Wimpffen, die Älteste der vier Kinder des einstigen bis zum Generalmajor und Generaladjudanten des Königs Wilhelm I. von Württemberg aufgestiegenen Friedrich Wilhelm von Wimpffen, veranlasst haben könnte, gerade in Wimpfen, dazuhin ausgerechnet vielleicht gar auf dem von ihr erworbenen exponierten engen schwer bebaubaren Gelände am Roten Turm und der Mauer der einstigen staufischen Pfalz, einen Baukomplex zu erstellen und woher diese die hierfür notwendigen Mittel gehabt hat. Höchstwahrscheinlich schwebte ihr vor, ihrer württembergischen Nebenlinie, deren Angehörige in dem knappen Jahrhundert dessen Bestehens mit vielerlei und stets Mitbewohner aufweisenden Wohnplätzen hatten vorlieb nehmen müssen, zu einem dessen Adelseigenschaft und erreichten Bedeutung gemäßen festen und auch repräsentativen Wohnsitz zu verhelfen, wozu das den Namen ihres Geschlechts tragende ehemalige Reichsstädtchen Wimpfen ihr und ihren sicherlich ganz hinter ihr stehenden beiden Brüdern sowie vielleicht auch der gräflichen Schwester ganz besonders geeignet erschien. Gerade dort ansässig zu werden und sich innerhalb einer exponierten bauhistorischen Umgebung einen möglichgst herausragenden dauernden Wohnsitz zu schaffen, so war wohl die Grundidee, würde ihrer bislang so gut wie heimatlosen Nebenlinie eine Aufwertung des Ansehens im Allgemeinen wie auch im Besonderen eine Spitzengeltung innerhalb ihres Wohnplatzes bescheren.
Ob nun bereits schon vor deren Tod geplant und gar schon realisiert oder erst danach, Tatsache ist, dass der ältere ihrer beiden Brüder FREIHERR WILHELM VON WIMPFFEN mit Familie um die Zeit des Ablebens der älteren Schwester seinen (leider bislang nicht eruierten) Wohnplatz aufgegeben hat und nach Wimpffen gezogen ist, um im dortigen von der Schwester erworbenen Anwesen seinen Ruhestand als ehemaliger königlich-württembergischer Kammerherr und Rittmeister sowie Ehrenritter des Johanniterordens zu verbringen. Da aus dieser Zeit Einwohner-Meldelisten noch nicht vorliegen und bis jetzt auch keine anderen Dokumente auffindbar waren, lässt sich der Zeitpunkt des Zuzugs nur grob über die Wählerlisten zu den Reichstagswahlen bestimmen: Während in der Liste vom 2. Januar 1874 dessen Name noch nicht zu finden ist, steht dieser in derjenigen vom 30. September 1876 unter Nr. 473a mit „Wimpffen v., Wilh.“ und in derjenigen vom 20. Juli 1878 unter Nr. 483 mit „v. Wimpffen, Wilhelm, Rentner“ verzeichnet. Dessen Zuzug muss also zwischen Januar 1874 und September 1876, d. h. ca. 1875, erfolgt sein. Dies geht denn auch gut zusammen mit der Mitte November 1879 anlässlich des plötzlichen Ablebens des Wilhelm von Wimpffen durch die „Wimpfener Zeitung“ getroffenen Feststellung, dass dieser „hier seit mehreren Jahren“ gewohnt habe. Leider finden sich nur ganz wenige Dokumente, die über die Wimpfener Lebensumstände dieser Von Wimpffen-Familie Auskunft geben. So sucht man im „Verzeichnis sämtlicher Schüler“ der Städtischen Real- bzw. der Höheren Bürgerschule der Jahre 1874/75 ff. nach dem Namen des zum Zeitpunkt des Zuzugs ca. 11/12-jährigen Sohnes MAX(IMILIAN) vergeblich, was vermuten lässt, dass dieser in einem Internat untergebracht gewesen ist. Dies gilt auch für die eigentlich zu erwartende, doch fehlende Dokumentation des Eigentumswechsels des oben beschriebenen Haus- und Grundstücksbesitzes der Katharina von Wimpffen in den Grundbuch-Supplementbänden, wobei eigentlich davon auszugehen ist, dass deren Brüder Wilhelm und Dagobert und die Schwester Pauline die Erben (oder von vorneherein Mitbesitzer?) gewesen sind. Drei Eintragungen im Sitzungs-Protokollbuch des Gemeinderates betrachten allerdings den ortsansässigen WILHELM VON WIMPFFEN als deren alleinigen Eigentümer:
– 02. Mai 1876: Der Bürgermeister verliest ein Schreiben des Baron von Wimpffen, wonach derselbe vom Kauf eines aus dem Nachlass des (ehemaligen Kreisrates) Freiherrn von Stein stammendes und von der Gemeinde zu ersteigern beabsichtigtes Grundstücks (beim Steinhaus) Abstand nehmen will, wenn diese ihm ein beim Roten Turm gelegenes und seither an Friedrich Dufais verpachtetes Grundstück zu einem entsprechenden Preis überlassen will.- Beschluss: Der Freiherr soll das fragliche Gelände unter der Bedingung erhalten, dass er eine 10 Fuß breite und im Gemeindeeigentum verbleibende Einfahrt nach dem Roten Turm herstellt und vom Kauf des von Stein’schen Grundes zurücktritt. Man kann davon ausgehen, dass es sich bei dem der Gemeinde abgekauften Gelände am Roten Turm um den südwestwärtigen Teil des in der nachfolgenden Abb. 69 rot bezeichneten solchen handelt, womit der diesem Turm anliegende von Wimpfen’sche Gartenbesitz ausgedehnt wurde.
– 18. September 1878: Der Verschönerungsverein will den bereits beim Roten Turm (im Norden neckarwärts) angelegten freien Platz vergrößern und bittet die Gemeinde, zu diesem Zweck ein dort gelegenes dem Baron von Wimpffen gehöriges Gärtchen zu erwerben.- Beschluss: Es soll dieses angekauft und dem Verschönerungsverein zu besagtem Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
– Anlässlich der – später noch zu schildernden – in Wimpfen ausgangs September 1881 stattgefundenen Vermählung der Tochter SOPHIE ist in der Zeitung vom „elterlichen Wohnhause der Fräulein Braut“ die Rede.
Dies alles geschieht, obgleich im Supplementband des Grundbuches von Wimpfen am Berg dieses wie auch die Gärten und der Weinberg beim Roten Turm immer noch als der (schon seit 6 Jahren verstorbenen) Baronin Katharine von Wimpfen gehörig eingetragen ist. Das gilt auch für den in der
Abb. 69: Metrischer Plan zu einem Messbrief des Jahres 1882
dargestellten Skizze mit Berechnungsgrundlegen des Geometers Groß vom 30. November 1882, wo die Vorgenannte nach wie vor als die Grundstücksbesitzerin aufgeführt ist. Allerdings ist vor deren Namen „modo (= eben erst): Breuninger, Ludwig“ gesetzt, was bedeutet, dass dieser wohl die von Wimpffen’schen Güter verwaltet und die Besitzer vertreten hat, nachdem Wilhelm von Wimpffen zwei Jahre zuvor gestorben und seine Gattin vermutlich damals weggezogen gewesen war. Der Vergleich dieser Abbildung mit der Abbildung 66 zeigt, dass die ursprüngliche Lückenhaftigkeit und damit fehlende Geschlossenheit des Wimpffen’schen Gartenbesitzes, die eine nach Art der von der Schwester bzw. Schwägerin im Auge gehabten umfänglicheren Bebauung wohl kaum zugelassen hätte, jetzt einer Änderung durch Erweiterung und Zusammenlegung im Benehmen insbesondere mit der Gemeinde Wimpfen, die eine Verbesserung des Zugangs und der Freistellung des Roten Turmes durch die Vergrößerung des auf der nordwärtigen Schau- sowie Nordwestseite schon bestehenden Platzes anstrebt, unterworfen worden ist. Im Juli 1890 ist im Zusammenhang mit dem jetzt erfolgten Verkauf des gesamten ehemaligen von Wimpffen’schen Haus- und Grundbesitzes an den vorgenannten ehemaligen kurzzeitigen Besitzer des Mathildenbades LUDWIG BREUNINGER wieder in alter Manier in der Zeitung vom „Haus des Barons von Wimpffen“ die Rede. Im Grundbuch-Supplement-Band ist der Wechsel der Besitzerschaft am gesamten Wimpffen’schen Haus- und Garten/Weinbergbesitz, wie schon gesagt, ohne Eintragung der Nacherben der Katharina von Wimpffen, folgendermaßen ausgewiesen:
-01.12. 1870 bzw. 1. 12. 1871 bzw. 22. 04. 1873: Baronin Katharina von Wimpffen durch Kauf
-22. 12. 1886: Wilhelm Ludwig Vörg und Ehefrau geb. Schneider durch Kauf
-13. 06. 1888: Robert Fuldner zu Heilbronn durch Erbschaft
-29. 08. 1890: Ludwig Breuninger und Ehefrau geb. Link durch Kauf
Im Zusammenhang mit dem Zuzug des Barons WILHELM VON WIMPFEN, um wieder zu dessen Person zurückzukehren, ist über den vom damaligen Landstädtchen Wimpfen als historisches Großereignis empfundenen Besuch des GENERALFDELDMARSCHALLS HELMUTH VON MOLTKE zu reden. Dieser erfolgte am 25. September 1876 und galt sicherlich allein dem „Vetter“, wie es heißt (genauer: dem Vetter 2. Grades), WILHELM VON WIMPFFEN und dessen Familie. Vom „Wimpfener Boten“ ist dieser jedoch zu einem von dem großen Feldherren vorgenommenen Akt der „strategischen Erkundung“ Wimpfens hochstilisiert worden:
„Heute erfreuten wir uns eines hohen Besuches. Generalfeldmarschall von Moltke traf mit dem Zug 8 Uhr 30 Min. Vormittags von Heilbronn her kommend hier ein und wurde am Bahnhof von seinem Vetter Herrn Baron von Wimpffen empfangen. Im Laufe des Vormittags besichtigte der hohe Gast die Kirchen und sonstigen Sehenswürdigkeiten unserer Stadt. Zweck seines Besuches war jedenfalls, Wimpfen als strategischen Punkt kennenzulernen. Bei seiner Abfahrt war am Bahnhof eine Anzahl Realschüler mit Trommel und Fahne als Ehrenwache aufgestelllt. Vor dem Einsteigen besichtigte er dieselbe und richtete an die Lehrer und einzelne Schüler einige Fragen. Unter den Hochrufen des zahlreich versammelten Publikums setzte sich der Zug in Bewegung.“ In der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde wird dieses denkwürdigen Besuches folgendermaßen Erwähnung getan: „Den 25. September sah Wimpfen eine weltgeschichtliche Person in ihren Mauern, den berühmten Schlachtenlenker Feldmarschall Grafen Moltke, welcher einen Besuch bei seinem (fälschlicherweise!) Neffen, dem hier wohnenden Baron vom Wimpffen, machte.“
Hierzu ein damals in vielen Häusern hängendes Konterfei des vielverehrten Schlachtenlenkers:
Abb. 70: Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke
Wie aus der Heilbronner Dürr’schen Chronik zu erfahren, kam dieser Besuch im Zuge der Rückreise Moltkes von Heilbronn nach Berlin zustande. Vorausgegangen war die für den bald 76-jährigen Grafen sehr anstrengende Teilnahme an den Herbstmanövern sowie anschließend Besuchstage in Stuttgart sowie dann am 24. September nach Einladung noch die ihm sehr unwillkommene Teilnahme an der Herbstfeier des Veteranenvereins Heilbronn zusammen mit seinem Adjudanten und Schwager Hauptmann von Burt mit dem gräflichen Gast vor dem Gasthof zum Falken gegebener Serenade und anschließender Übernachtung. „Er fühlte sich“, so urteilt Dürr, „ … sehr angegriffen und reiste hierher in der Absicht, hier einige Tage ungestört und unbehelligt auszuruhen. Diese Absicht konnte er aber nicht erreichen, und er reiste deshalb sofort am andern Tag wieder nach Berlin.“ Dies geschah jedoch, nicht ohne auf dem angetretenen Weg noch seinen Von-Wimpffen-Verwandten mit Familie zu besuchen, den er genau wie dessen Bruder Dagobert bei seinem weiter oben geschilderten kurzen Stuttgarter Besuch des Jahres 1840 nicht zu sehen bekommen hatte.
c. Nach dem unvermittelten Tod des Freiherren Wilhelm von Wimpffen auf dem Feld bei Hohenstadt während der Jagd im November 1879 zieht dessen Ehefrau Amalie von Wimpffen in den beginnenden 1880er Jahren, nachdem zuvor noch in Wimpfen die zum Stelldichein der freiherrlichen sowie gräflichen Verwandtschaft sowie des kraichgau-neckarunterländischen Adels werdende Vermählung der Tochter Sophie mit Baron Theodor von Ungern-Sternberg vollzogen worden ist, mit ihrem Sohn Maximilian aus Wimpfen weg
Den Gemeinderatsprotokollen des beginnenden Jahres 1879 ist entnehmbar, dass damals an Baron Wihelm von Wimpffen die Jagd der Gemarkungen Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Hohenstadt für jährlich 501 Mark verpachtet wurde, während diejenige der Gemarkung Helmhof mit Forstbezirk für 151 Mark an Christian Wacker I. ging. Den erstgenannten Sachverhalt erfahren wir auch aus den tragischen Begleitumständen des plötzlichen Todes des Vorgenannten im Spätherbst desselben Jahres im Alter von nur 59 Jahren, der in der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde für das Jahr 1859 so vermerkt ist: „Am 15. November starb plötzllch am Schlagfluß, auf der Jagd in Hohenstädter Gemarkung der Freiherr Wilhelm von Wimpffen, welchem von seiner Familie auf dem hiesigen Friedhof ein schönes Grabdenkmal errichtet wurde, gleich links am Eingang des Kirchhofes.“ Die Todesumstände lassen sich auch der
Abb. 71: Standesamtliche Feststellung des Todes von Baron Wilhelm von Wimpffen vom 15. November 1879
entnehmnen. Aus dieser geht auch hervor, dass der als Privatier bezeichnete ehemalige Apotheker und Freund des Hauses Wimpffen DR. EMIL MÖRI(C)KE, der das am Vormittag um elf einhalb Uhr eingetretene Ableben seines Jagdkollegen bezeugt, auf dem Felde zu Hohenstadt zugegen gewesen ist. Die „Wimpfener Zeitung“ gedachte dieses anrührenden Ereignisses und der Beisetzung des Verstorbenen durch den hier angefügten längeren Bericht vom 18. November 1879 wie folgt:
Abb. 72: Bericht der „Wimpfener Zeitung“ über die am 18. November 1879 auf dem Friedhof zu Wimpfen am Berg erfolgten Bestattung des Freiherren Wilhelm von Wimpffen mit eingeflochtenem Nachruf.
Bei dem als Freund des Hauses bezeichneten Sprecher des Nachrufs am Grabe handelte es sich um den bereits an früherer Stelle erwähnten JOSEPH FREIHERR VON ELLRICHSHAUSEN ZU ASSUMSTADT (geb. 1832 in Stuttgart – gest. 1906 in Assumstadt), Besitzer der Rittergüter Assumstadt, Maisenhälden, Ernstein bei Züttlingen/Jagst sowie Jagstheim bei Crailsheim. Wie ehedem der Verstorbene hatte dieser in der württembergischen Armee bei der königlichen Leibgarde gedient und war – wie bereits festgestellt – 1862 Nachfolger des Wilhelm von Wimpffen in dessen Funktion als Rittmeister und Kommandant der württembergischen Feldjägerschwadron gewesen. Als solcher hatte er mit dem Dragoner-Regiment „Königin Olga“ die Kriege von 1866 und 1870/71 mitgemacht und dafür 1870 das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern des Ordens der Württembergischen Krone und das Eiserne Kreuz erhalten und war am Tage der Schlacht von Champigny-sur-Marne zum Major befördert worden. In den letzten Jahren hatte er in der Preußischen Armee beim 13. Ulanen- und 4. Kürassier-Regiment Dienst getan und 1876 dort als Oberstleutnant seinen Abschied genommen. Ellrichshausen war Mitglied der Ersten Kammer des Württembergischen Landtags als Vertreter der Ritterschaft des Neckarkreises. Später (1887) gelangte er sogar nach seinem eindeutigen Sieg über den Demokraten Georg Härle für den Wahlkreis Württemberg 3 (Heilbronn, Besigheim, Brackenheim, Neckarsulm) als Vertreter der rechtsgerichteten Kartellparteien (Deutschkonservative, Deutsche Reichspartei, Nationalliberale) als Abgeordneter in den 7. Deutschen Reichstag. Nach der in Neuwahl im Februar 1890 musste er Härle jedoch weichen. Will man die am Schluss des vorstehenden Zeitungsberichts gemachte Aussage, Wilhelm von Wimpffen habe „zuletzt die Stellung eines Majors und Kommandanten der damals so beliebten Feldjägerschwadron“ innegehabt, so ist aus dieser der folgende den bislang unerhellten Zeitraum von ca. 1865 – 1875 berührende Schluss zu ziehen: Dessen ca. 1864 erfolgtem Ausscheiden als Rittmeister in der Königlichen Garde a. D. könnte später eine kürzere oder längere Wiederaufnahme des Militärdienstes und Beförderung zum Major und Kommandanten der Feldjägerschwadron erfolgt sein, die im Hinblick darauf, dass Joseph von Ellrichshausen das Kommando derselben aber erst nach den Kriegen von 1866 und 1870/71 im Zusammenhang mit dem Wechsel in den Armeedienst Preußens abgegeben hat, erfolgt sein kann. Oder handelt es sich bei dieser Feststellung der Zeitung schlichtweg um nicht mehr als eine irrtümliche Angabe? Jedenfalls ist Wilhelm von Wimpffen im Deutschen Adelslexikon von Kneschke des Jahres 1870 nicht mit Major, sondern mit „k. württemb. Kammerh. und Rittm. a. D.“ betitelt. Die im Nachruf gepriesene Wohltätigkeit des Verstorbenen wird in einer Zeitungsnotiz vom 28. Dezember 1880 evident, die besagt, dass „die von dem verstorbenen Freiherrn von Wimpffen testierten Zinsen in Höhe von 80 Mark auch in diesem Jahr zu Christtagsgeschenken für arme Kinder verteilt“ worden sind. In ähnlich caritativer Weise bringt sich damals auch dessen Bruder Dagobert von Wimpffen ein, von dem zu dieser Zeit, wie es in der Zeitung heißt, „eine Sendung aus München von Kleidungsstücken und Spielsachen“ eingetroffen ist.
Im Folgejahr des Todes des Vaters, nämlich am 25. September 1880, heiratet die 19-jährige Tochter des Verstorbenen SOPHIE CHARLOTTE VON WIMPFFEN (1861 – 1907) den in Kertel in Estland wohnenden 23-jährigen BARON THEODOR LEONHARD RUDOLPH VON UNGERN-STERNBERG (1853 – zw. 1918 u. 19 23). Als Ersatz dafür, dass man wohl damals sich den großen technischen Aufwand und die Kosten für ein Hochzeitsfoto vermutlich auch in Adelskreisen nicht geleistet hat oder auch sich nicht leisten konnte, seien hier zwei vorliegende getrennte Fotos der Heiratspartner wiedergegeben, die insofern gar nicht gut zusammenpassen wollen, als die Aufnahme der Braut nur eine Kopf-Schulter-Schrägansicht, wogegen – abgesehen vom anderen Rand- und Größenformat – die des Bräutigams eine bis zur Brust reichende Frontalansicht darstellt. Überdies gewinnt man den Eindruck, dass beim Vergleich das stark vier Jahre höhere Alter des Bräutigams gegenüber der Braut sich hier deshalb verkehrt, weil jener bei der Herstellung der Fotografie noch im ausgehenden Jünglingsalter und jene vergleichweise eher schon in etwas reiferem Alter gestanden erscheint:
Abb. 73: Fotografie der Baronin S o p h i e Charlotte von Ungern-Sternberg, geb. von Wimpffen, geb. am 25. Juli 1861 in Stuttgart, unbekannten Datums (sicherlich aus der Zeit nach ihrer Verehelichung mit dem Nachgenannten);
Abb. 74: Fotografie des Barons T h e o d o r Leonhard Rudolph von Ungern-Sternberg, geb. am 11. April 1857 in Kertel/Estland, unbekannten Datums (sicherlich aus der Zeit vor seiner Verehelichung mit der Vorgenannten).
Der Bräutigam konnte einen imponierenden bisherigen Lebensgang vorweisen: Geboren am 11. April 1857 in Kertel (Estland), Besuch der Domschule der estnischen Hauptstadt Reval, Besuch des Gymnasiums in Ahrensburg (Südestland), Studium der Geologie und Chemie ab 1876 in Leipzig, später in Paris, Berlin und Heidelberg, Dr. phil. et Mag. bon. art. in Leipzig, Habilitation; unterbrochen 1877/78 durch die Teilnahme am Russisch-türkischen Krieg als Freiwilliger (Offizier) des Garde-Ulanen-Regiments. Wie die
Abb. 75: Bericht der „Wimpfener Zeitung“ vom 27. September 1880 über die Verehelichung der Sophie Freiin von Wimpffen mit Baron Theodor Leonhard Rudolph von Ungern-Sternberg
ausweist, wurde die in Wimpfen stattgefundene Hochzeit zu einem Aufsehen erregenden Stelldichein von Teilen der weitgespannten Von-Wimpffen-Verwandtschaft einerseits und des unterländisch-kraichgauischen Adels andererseits. Die
Abb. 76: Urkunde des von Bürgermeister Ernst geführten Standesamtes Wimpfen über die Heirat der Baronin Sophie von Wimpffen mit Baron Theodor Leonhard Rudolph von Ungern-Sternberg am 25. September 1880 (verkleinert und von einer Textspalte auf zwei solche gebracht)
stellt eine instruktive Datensammlung über die Heiratenden und die hochgestellten Eltern des Bräutigams, dazu über den oben bereits an zwei Stellen umschriebenen brautseitigen Zeugen BARON JOSEPH VON ELLRICHSHAUSEN ZU ASSUMSTADT dar, der seiner Unterschrift den aktuellen Offiziersrang „Oberstlt. a. D.“ (Oberstleutnant außer Dienst) beifügt.
Wenngleich im Zeitungsbericht auf die seit 1876 gesetzlich eingeführte Ziviltrauung zuerst und auf die für die beidseits der evangelisch-lutheriscnen Kirche angehörenden Heiratenden in der evangelischen Stadtkirche stattgefundene kirchliche Trauung erst an zweiter Stelle hingewiesen ist, hat die letztgenannte gesetzesentsprechend natürlich vor der erstgenannten stattgefunden. Dass diese, wie es heißt, „Civiltrauung … im elterlichen Wohnhause der Fräulein Braut“ (d. h. im Haus am Anfang des Burgviertels neben dem Rathaus) durchgeführt wurde, stellte sicherlich so etwas wie eine Verbeugung der Stadtbehörde vor der freiherrlichen Familie und ihrer hohen gräflichen und französischern Verwandtschaft dar. Die im Zeitungsbericht nach der Braut und ihrem verstorbenen Vater sowie dem Bräutigam aus der Gästeschar zuerst aufgeführten Eltern des Letztgenannten R O B E R T (II.) EGINHARD BARON VON UNGERN-STERNBERG (geb. 1813 in Birkas, gest. 1898 in Dägö-Kertel) und BARONIN WILHELMINE HELENE N A T A L I E VON UNGERN-STERNBERG GEB. RENNENKAMPFF (1823 – 1909) aus Kertel in Estland (estnisch Kärdla), gelegen auf Dagö (estnisch Hiiumaa), der zweitgrößten estnischen Insel, stammten aus namhaften deutsch-baltischen Adelsgeschlechtern, die weitverzweigten UNGERN sogar aus baltischem Uradel. Die Ungern hatten sich zunächst in Estland und Kurland ausgebreitet und führten den Zusatz STERNBERG zuerst seit 1593 in Polen-Litauen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfolgten schwedische Erhebungen der Ungern-Sternberg in den Freiherrenstand, die dort vor allem hohe Militärstellen bekleideten. Damals wie auch in der zweiten Hälfte 19. Jahrhunderts finden sich Abkömmlinge derselben mehrfach als Ritterschaftshauptmann der Estländischen Ritterschaft bezeichnet, welche die Politik des Landes autonom auch noch nach der 1721 erfolgten Übernahme der Herrschaft durch das russische Zarenreich bis zum Beginn der Russifizierungspolitik ab 1861 bestimmte. Und in den Jahren 1874 und 1882 erfolgen sogar Bestätigungen bzw. Erhebungen in den russischen Grafenstand und 1885 die russische Anerkennung zur Führung des Barontitels für die Gesamtfamilie. Der im Zeitungsbericht an späterer Stelle aufgeführte BARON VON UNGERN-STERNBERG aus Karlsruhe dürfte in verwandtschaftlichem Zusammenhang mit der Linie SCHWANENBURG stehen, aus der WILHELM (VI.) VON UNGERN-STERNBERG (1777 – 1847) 1819 das badische Indigenat erlangt hat und Badischer Kammerherr und Geheimer Rat wurde und später in Mannheim als Intendant des dortigen Hof- und Nationaltheaters lebte. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Anwesenden um des Vorgenannten Sohn AUGUST (IV.) VON UNGERN-STERNBERG (geb. 1817 in Mannheim) oder Enkel REINHOLD (XVII.) VON UNGERN STERNBERG (geboren 1860). Auf die Nennung weiterer im 19. Jahrhundert im Kaiserreich vor allem als Erzähler, Dichter und Maler bzw. Schriftsteller und Politiker bekannt gewordener Vertreter diese weitverzweigten baltischen Adelsfamilie wird hier verzichtet. Der aus der Linie Birkas stammende Vater des Bräutigams hatte in Berlin, Aachen und in Belgien Naturwissenschaften studiert und war Rittergutsbesitzer und aufstrebender Industrieller zugleich, nämlich Besitzer des 1844 gekauften Dorfes Erras (estnisch: Erra) im Nordwesten Estlands und ab 1835 Direktor der Tuchfabrik Dagö-Kertel sowie Begründer der dort 1844 einzurichten begonnenen Arbeiterkolonie, ab 1872 geschäftsführender Direktor der AG C. u. E. Ungern. Diese so genannte Tuchfabrik, die nach einem Brand des Jahres 1870 von diesem modern wiederaufgebaut worden war, beschäftigte in den 1880er Jahren über 700 Arbeiter, war mit Abstand der größte Arbeitgeber des kleinen Ortes und eine der ältesten und größten in Estland (begründet um 1830), bekannt für ihre hervorragende Qualität. Die geschaffenen zahlreichen in typischer Holzhausarchitektur erstellten Arbeiter-Wohnhäuser der Arbeiterkolonie drückten Kertel fortan ihren Stempel auf.
Nach den Eltern des Bräutigams, um nunmehr wieder dem Zeitungsbericht zu folgen, werden die folgenden weiteren Anwesenden genannt, wobei hier jetzt der schwierigen Durchschaubarkeit der Verwandtschaftsverhältnisse wegen neben der obigen Generalogischen Übersicht die II. Stammtafel von Wurzbach zu Hilfe genommen und dort zunächst die „Gräfliche Linie“ wie die „Württembergische Nebenlinie“, späterq auch der „Französische Nebenzweig“, Generationen 12c – 14c, ins Auge gefasst werden sollte:
– die verwitwete Mutter der Braut AMALIE VON WIMPFFEN, GEB. DE ROUX-DAMIANI (1837 – 1925);
– der Bruder der Braut MAX(IMILIAN) VON WIMPFFEN (1861 – 1917);
– GRAF VICTOR VON WIMPFFEN (1834 – 1897), angeblich Feldmarschall aus Wien, doch – wie wie bereits in Kapitel R ausführlich dargelegt, in Wirklichkeit, was seinen militärischen Rang betrifft, einstiger österreichischer Corvettenkapitän. Er, der jüngste der drei Söhne des K. U. K. GENERAL-FELDZEUGMEISTERS FRANZ EMIL LORENZ VON WIMPFFEN (1797 – 1870) , war mit der reichen Erbin ANASTASIA FREIIN VON SINA ZU HODOS UND KIZDIA (1838 – 1897) verheiratet und nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst in den 1870er Jahren u. a. Präsident des Verwaltungsrates der niederösterreichischen Südwestbahnen und später Hofrat und Generalinspektor der österreichischen Staatstelegraphen im Handelsministerium, schließlich im Zivilstaatsdienste tätig gewesen und im Jahr von Sophies Hochzeit 1880 ins Privatleben getreten. Neben der Verwaltung seiner vom Vater ererbten Güter Kainberg, Raitenau und Eichberg in der Steiermark sowie Battaglia in Oberitalien u. a. m. blieb er als der Dampfschifffahrt zugeneigter ehemaliger Marineoffizier immer noch lange Mitglied des Verwaltungsrates der ersten k. k. privaten Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft. Diesem gegenüber war durch die Vermählung seines Onkels GRAF GUSTAV ADOLF FELIX VON WIMPFFEN (1805 – 1880) mit dessen Kusine PAULINE VON WIMPFFEN (1822 – 1900) des Jahres 1850 (Näheres siehe später in Kapitel W) die Vorgenannte Tante sowie deren Nichte, die Braut Sophie von Wimpfen, gegenüber Victor zur Kusine geworden. Graf Victor hatte auf deren Hochzeit die umfänglich gräflich-österreichische Verwandtschaft zu vertreten, vor allem auch die wichtigste Person aus diesem Kreis, nämlich die an der Hochzeit gar nicht teilnehmende Tante von Sophie Pauline. Deren Fehlen dürfte sich damit erklären, dass ihr gräflicher Gatte Gustav Adolf Felix am 25. April 1880, demnach wenige Monate zuvor, in Meran verstorben war. Dazuhin hatten diese ihren einzigen Sohn Franz Demetrius im Jahr zuvor durch Tod verloren, worauf bereits an früherer Stelle hingewiesen worden und an späterer Stelle noch genauer zu berichten sein wird.- Was die Identifizierung der des Weiteren aufgeführten beiden
– BARONE KARL UND LOUIS VON WIMPFFEN AUS PARIS betrifft, so sei zunächst zur Förderung des Verständnisses das gerafft wiederholt, was bereits in Kapitel Q ausführlichst dargestellt worden ist: GRÄFIN IRENE (MARIA VIRGINA IRENA) VON WIMPFFEN (1807 – 1846), eine der Töchter des französischen Wasserbauingenieurs FRANZ KARL EUGEN (1762 – 1835) und Großonkel der Braut Sophie von Wimpffen (siehe im mittleren grünen Generationsband XVc bzw. 13c) hatte JOHANN BAPTIST STEPHAN FRANÇOIS (1796 – 1947) geheiratet, aus deren Ehe KARL FRANÇOIS (geb. 1835) hervorging, der bis zum französischenh Gesandten und Bevollmächtigten Minister aufgestiegen ist. Diesen hatte seine Tante, d. h. die ältere Schwester seiner Mutter, GRÄFIN VIRGINIE (JOHANNA VIRGINA IRENA) VON WIMPFFEN (1801 – 1886), verheiratet mit dem vielbewunderten französischen Diplomaten und Pair von Frankreich deutscher Herkunft KARL FRIEDRICH GRAF REINHARD (1761 – 1837), infolge des frühen Todes seiner Eltern 1856 an Kindesstatt angenommen, der dann den Geschlechtsnamen und Adel der Mutter WIMPFFEN annahm und so einen NEBENZWEIG DER WIMPFFEN bildete. Aus dessen am 1857 mit seiner Base MARIE GRÄFIN REINHARD geschlossenen Ehe ging am 1858 die Tochter JOHANNA und 1859 der Sohn LUDWIG hervor, der französischer Infanterie-Offizier wurde. Es steht außer Zweifel, dass die beiden durch Unterstreichung Herausgehobenen mit den im Zeitungsbericht als Trauergäste genannten Baronen Vater KARL VON WIMPFFEN, damals 45 Jahre alt, und Sohn LOUIS (LUDWIG) VON WIMPFFEN, damals 21 Jahre alt, aus Paris identisch sind; d. h. der Erstbezeichnete war der Adoptivsohn, der Zweitbezeichnete das jüngere seiner beiden Kinder bzw. der zwei Enkelkinder der VIRGINIE VON REINHARD, GEB. VON WIMPFFEN, die wiederum eine Kusine des verstorbenen Vaters der Braut WILHELM VON WIMPFFEN und somit eine Großkusine der Braut Sophie gewesen ist. Was den an späterer Stelle genannten
– BARON LOUIS VON WIMPFFEN anbelangt, so dürfte hier eine versehentliche Doppelnennung vorliegen. Bei den nunmehr aufgeführten zahlreichen restlichen Festteilnehmern handelte es sich um nahestehende und fast ausnahmslos adlige Freunde der Wimpffen-Familie wie der Sternberg-Familie, worunter die
– VON ELLRICHSHAUSEN, VON HELMSTATT und VON GEMMINGEN dem freiherrlichen bzw. gräflichen Adel der kraichgauisch-neckarunterländischen Nachbarschaft angehörten. Der zwischen diesen vielen adligen Namen aufgeführte
– DR. E. MÖRICKE, ehemals Apotkeker in Wimpfen, scheint der einzige nichtadlige Gast gewesen zu sein.
Wenngleich nicht beantwortbar, sei hier im Vorausblick auf den im Nachfolgekapitel V ausgebreiteten unglückseligen Verlauf dieser Ehe die Frage eingeschoben, ob die Braut und deren ein knappes Jahr zuvor Witwe gewordene Mutter Amalie von Wimpffen oder auch die Glieder der bei der Hochzeit anwesenden ansehnlich-hochgestellten Adelsverwandtschaft eine bange Vorahnung dessen gehabt haben könnten, was im Zuge dieser Eheschließung an immerwährenden Konflikten, Sorgen, Leid, ja, was die Brautmutter betrifft, lebenslanges Verfolgt- und Gefordertwerden zukommen würde?
Die nachstehende
Abb. 77: Todes-Anzeige vom 4. April 1881 über das Ableben des Königlich Württembergischen Kammerherren Dagobert von Wimpffen in der Nr. 42 der „Wimpfener Zeitung“
zeigt, dass der bei der Hochzeit seiner Wimpfener Nichte offenbar aus Gesundheitsgründen wie auch seine Gattin Louise nicht anwesend gewesene ONKEL DAGOBERT VON WIMPFFEN im Frühjahr danach und damit knapp anderthalb Jahre nach seinem Bruder Wilhelm in München gestorben ist. Als Unterzeichnende erscheinen die Gattin und die beiden Kinder sowie die von den drei Geschwistern des Verstorbenen jetzt nur noch lebende SCHWESTER PAULINE VON WIMPFFEN.
Leider ist aus der örtlichen Aktenlage nicht klar ersichtlich, zu welchem genauen Zeitpunkt die bei der Hochzeit ihrer Tochter mit 43 Jahren noch relativ junge Witwe Amalie von Wimpffen und ihr damals 17-jähriger Sohn Max(imiian) Wimpfen verlassen haben und wohin sie gezogen sind. Wie schon gezeigt, weist das Grundbuch-Supplement nicht mehr aus, als dass das von der Wimpffen-Familie bewohnte Hausanwesen sowie der gesamte Garten- und Weinberg-Niederwald-Besitz beim Roten Turm durch Kauf am 22. Dezember 1886 an den ehemaligen Ritterwirt sowie Mitbesitzer der Papierfabrik und kurz darauf zum Abgeordneten des hessischen Landtags gewählten WILHELM VÖRG UND EHEFRAU, dann am 13. Juni 1888 nach dessen unvermitteltem Tod an ROBERT FULDNER zu Heilbronn durch Erbschaft und schließlich dauerhaft durch Kauf an den aus Amerika zurückgekommenen kurzzeitigen Besitzer und Betreiber des Mathildenbades von 1887 – 1888/89 sowie Schwiegersohn der Eheleute Karl Link (Besitzer der Papierfabrik) namens LUDWIG BREUNINGER und EHEFRAU GEB. LINK gelangt ist. AMALIE VON WIMPFFEN geb. VON ROUX DAMIANI dürfte mit Sohn MAXIMILIAN Wimpfen spätestens 1882 verlassen haben. Da diese in Graz, und zwar im hohen Alter von 88 Jahren, am 25. Dezember 1925 verstorben ist, darf man vermuten, dass sie in den Lebensbereich der Schwägerin PAULINE GRÄFIN WIMPFFEN bzw. deren Kinder gezogen ist, wo unweit davon auch das den Grafen von Wimpffen zugekommene Schloss Kainberg lag.
Über MAX(IMILIAN) VON WIMPFFEN wissen wir nur aus seinem in Kapitel T bereits teilweise zitierten Brief vom 18. September 1911 an die „Wimpfener Zeitung“ anlässlich des kurz zuvor dort erschienenen und mit L.W.H. (Ludwig Will, Hohenstadt; dort Lehrer seit Sommer 1909) unterzeichneten Aufsatzes „Freiherr von Wimpffen. 1811 – 13. September – 1911“, dass dieser damals in Wien gelebt hat. Aus den dortigen Schlusssätzen „Nicht immer glücklich, doch stets pflichttreu hat das Geschlecht derer von Wimpffen den Namen seiner Heimatstadt würdig geführt. Gegenwärtig ist es im Aussterben begriffen“, ist zu schließen, dass dessen mit LUDOWIKA SKREBENSKY VON HRZISTIC geschlossene Ehe kinderlos geblieben ist. Vom Vorgenannten ist glücklicherweise im Archiv der katholischen Kirchengemeinde Bad Wimpfen ein an Pfarrer Klein gerichteter Brief vom 21. März 1912 erhalten geblieben. Dieser stellt eine Antwort auf einen leider bis jetzt nicht aufgefundenen (wohl Bitt-)Brief des Vorgenannten dar, der sich auf eine „Stiftung der Familie Wimpffen (freiherrlich und gräflich) 1872 – 1873“ bezieht und folgendermaßen lautet (in Klammer stehend: Erläuterungen des Verfassers): „Schreiben betr. Familie von Wimpffen: Euer Hochwürden, Hochgeehrter Herr Pfarrer! Für die güthige Benachrichtigung vom 15. d. M. spreche ich meinen ergebendsten Dank aus. Ich werde mir erlauben, Anfang nächsten Monats zu dem frommen Zwecke den bescheidenen Beitrag von 20 M einzusenden. Außerdem werde ich an meine Mutter (s. o.: Amalie von Wimpffen), die in Reval die Kinder (Näheres über diese später) meiner verstorbenen Schwester (s. o.: Sophie von Wimpffen, verheiratete und wieder geschiedene von Ungern-Sternberg, wiederverheiratete von Hoyningen-Huene; Weiteres darüber in Kapitel W) betreut, und an eine Kousine Gagern geb. Wimpffen (s. o.: Elisabeth Sophie Victorine von Wimpffen, verheiratet mit Maximilian Freiherr von Gagern, Tochter – s. o. – des Grafen Gustav Adolf Felix und Gräfin Pauline von Wimpffen, geb. Freifrau von Wimpffen) in der Sache herantreten. Folgende Familienmitglieder, die bereits avisirt sind, bitte ich Euer Hochwürden ganz ergebenst, mit Aufforderungsschreiben zu beehren: 1. Seine Excellenz k. u. k. wirklicher Geheimer Rath, Feldzeugmeister Franz Freiherr von Wimpffen in Salzburg (siehe in der II. Stammtafel in der blauen Generationsreihe XVI a bzw. 14a: Freiherr Franz Cajetan Anton von Wimpffen, geb. am 3. Februar 1829; verheiratet mit Bertha Gräfin von Kottulinsky; Näheres in Nr. 13 der Lebensbeschreibungen von Wurzbach), 2. Graf Siegfried Wimpffen in Wien I, Hoher Markt, Palais Wimpffen (Graf Siegfried Simon Franz von Wimpffen, geb. 1865; siehe in Kapitel R).- Der erstere ist der 82jährige Chef der freiherrlichen Linie, der letztere der Chef der gräflichen Linie und besonders eifriger Katholik.- Als Gnade erbitte ich mir, dass Hochwürden bei Ihrer vielfachen Inanspruchnahme aber über meine schwachen Kräfte unbedingt verfügen.- Mit dem Ausdruck der Ehrererbietung zeichne ich Euer Hochwürden ganz ergebener Max Wimpffen. Wien am 21. März 1912.“ Welcher Art diese Stiftung sowie der Inhalt des pfarrherrlichen Briefes gewesen ist und durch welche freiherrlichen wie gräflichen katholischen Glieder der Wimpffen 1872/73, d. h. um die Jahre des Erwerbs des Kaufs des Hauses und der Gartenstücke durch Katharina von Wimpffen und wenig vor dem Zuzug des Wilhelm von Wimpffen, diese Stiftung getätigt worden ist, muss leider offen bleiben, ebenso die Beantwortung der Frage, ob die zugezogene evangelische Familie des Wilhelm von Wimpffen an der Stiftung mitbeteiligt gewesen ist.
Der Umstand, dass der Briefschreiber Max von Wimpffen seine bescheidene Geldzuweisung erst zum Anfang nächsten Monats einzusenden gedenkt, spricht nicht dafür, dass er mit einem beträchtlichen Einkommen – ganz im Gegensatz zu seinen von ihm genannten steinreichen gräflichen österreichischen Verwandten – gesegnet gewesen ist. Der Genannte hat promoviert und ist am 14. Mai 1917 im Alter von nicht ganz 54 Jahren in Wien gestorben. Offenbar ganz im Geiste seiner Urahnen veröffentlichte er die nachfolgend genannten erziehlich-weltanschaulichen Schriften:
– Dr. Max von Wimpffen: Kritische Worte über den Buddhismus, 64 Seiten, bei C. Konegen, Wien 1891
– Dr. Max von Wimpffen: Kampf ums Dasein und Association… de Max von Wimpffen (in französischer und deutscher Sprache), 112 Seiten, bei C. Konegen, Wien, 1892
– Dr. Max von Wimpffen: Zweikampf und Wille, 35 Seiten, bei Luckhardt, Berlin, 1902
– Dr. Max von Wimpffen: Über Fragen des Buddhismus, Wien 1913
Er hat es offenbar im österreichischen Heer nur bis zum Rittmeister und damit als Offizier nicht weiter als sein Vater gebracht und ist bereits während des Ersten Weltkriegs am 14. Mai 1917 in Wien im Alter von nicht ganz 54 Jahren gestorben und auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt worden, und zwar neben dem zwei Jahre zuvor am 10. Mai 1915 infolge seiner Verwundung in Polen im Zug bei der Heimbeförderung nach Wien gestorbenen Rittmeister PHILIPP VON WIMPFFEN (aus dem Georgs-Zweig; siehe dort), die, wie Dr. Hans H. von Wimpffen sagt, zueinander „Vettern“ gewesen seien.
Was das Grabmal dessen Vaters betrifft, so war dieses 1911 laut der folgenden Einleitung des vorstehend angeführten Aufsatzes des Hohenstadter Lehrers LUDWIG WILL noch vorhanden: „Auf dem alten Friedhofe zu Wimpfen steht ein Grabdenkmal eines Reichsfreiherren Wilhelm von Wimpffen, der als königlich württembergischer Kammerherr am 15. November 1879 starb.“ Offenbar hat dieses die erste Welle der Beseitigung von Grabdenkmalen überstanden, die im Zuge eines Gemeinderatsbeschlusses des Jahres 1927 erfolgt ist, den Alten Friedhof zu einen Kurpark umzugestalten. Denn OTTO MAISENHÄLDER (geb. 1926) erinnert sich zweifelsfrei, dass ihm dieses in seiner Kindheit von seinem Großvater FRIEDRICH FEYERABEND III. (1871 – 1959) gezeigt worden ist und ihn dessen (ob seiner herausragenden Größe und Repräsentativität gegebene) Auffälligkeit sowie die Inschrift ob deren Hinweises auf das den Namen der Stadt Wimpfen tragende Adelsgeschlecht sehr beeindruckt und sich, sofern er sich richtig erinnere, von der Stadt her gesehen, linkerhand des Eingangstores vor der südwärtigen Einfriedungsmauer des Alten Friedhofes befunden habe. Die ihm erinnerliche Lage des Grabmals links vom Eingang des (heute alten) Friedhofes erscheint mit der in der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde erscheinenden Angabe „links am Eingang des Kirchhofes“ zusammenzugehen. DR. HANS H. VON WIMPFFEN erfuhr von der Exsistenz dieses Grabdenkmals durch den Wimpfener Photographen ENGELBERT GORIUP (1904 – 1997), laut dem sich dieses allerdings unmittelbar rechterhand des Eingangstores (von außen gesehen) befunden haben soll. Auf welche Weise und wann genau dieses wohl erst im Zuge der in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen (unverzeihlichen!) weiteren Eingriffe in die Grabmalbestände der durch die Eröffnung eines neuen Friedhofes an der Straße nach Rappenau im Sommer 1893/94 zum „Alten Friedhof“ gewordenen Anlage entfernt und dieses Dokument der vorübergehenden Wiederkehr eines Gliedes der den Namen der Stadt tragenden alten Adelsgeschlechtes nach Wimpfen leider unwiederbringlich verloren gegangen ist, ließ sich leider trotz mannigfacher Bemühungen nicht mehr eruieren.
V. Wie die in Wimpfen 1880 geschlossene Ehe der Sophie von Wimpffen mit Theodor von Ungern-Sternberg, zerbricht, diese eine zweite Ehe mit Baron Oskar von Hoyningen-Huene eingeht und deren älterer schwieriger Sohn aus erster Ehe namens Robert nach einem unsteten Leben als russischer Militär, nachdem er während den der Revolution folgenden Kämpfen zwischen den Weiß- und Rotarmisten die (Äußere) Mongolei von der chinesischen Vorherrschaft befreit und dann unter dem Namen Roman Ungern von Sternberg dort als „Blut(durst)iger weißer Baron“ eine schreckliche Gewalt- und Mordherrschaft ausgeübt hat, schließlich unter den Kugeln der ihn hinrichtenden Bolschewiki stirbt.
Wie bereits angedeutet, war die in Wimpfen eingegangenen und von den Glückwünschen einer solch illustren Adelsgesellschaft geleiteten Ehe der BARONESSE SOPHIE VON WIMPFFEN mit BARON T H E O D O R LEONHARD VON UNGERN-STERNBERG alles andere als glücklich und dieser viel Unglück beschieden. Denn zwei zuerst geborene Mädchen aus dieser Ehe, nämlich die 1881 in Wien geborene FLORENCE NATALIE und die 1883 in Valtu/Estland geborene CONSTANCE SOFIE, haben das Säulingsalter nicht überlebt. Und der laut Gregorianischem (russischem) Kalender am 29. Dezember 1885, laut Julianischem (deutschem) Kalender am 10. Januar 1886 in Graz (sicherlich unter der Obsorge der Großmutter Amalie von Wimpffen) unter dem Namen NIKOLAUS (oder auch NIKOLAI) R O B E R T MAXIMILIAN VON UNGERN-STERNBERG geborene erste Sohn entwickelte sich, wie später ausführlich dargestellt, zum ausgesprochenen Sorgenkind, dessen unheilbegleitetes Leben unter dem Namen NIKOLAI R O M A N FJODOROWITSCH UNGERN VON STERNBERG, wie er sich selbst umbenannt hatte, am 17. September 1921 in Nowosibirsk unter den Kugeln der Hinrichtung durch die Bolschewiki im Alter von nur 35 Jahren geendet hat. Sehr viel besser verlief das Leben des knapp drei Jahre nach diesem am 12. Oktober (nach dem russischen = Gregorianischen Kalender am 30. September) 1888 ebenfalls in Graz geborenen zweiten Sohnes des Namens C O N S T A N T I N ROBERT FREIHERR VON UNGERN-STERNBERG. Dieser heiratete am 30. Januar 1917 in Riga LÉONIE JENNY BERTHA ZENAIDE (auch SINAIDE) GRÄFIN KEYSERLING (aus der Herrschaft Rayküll), geb. am 18. 12. 1887 in Konnö (Livland), Schwester des ebenso gerühmten wie umstrittenen deutschbaltischen Philosophen HERMANN GRAF KEYSERLING (1880 – 1946). Nachdem es dem als vermögender Grundbesitzer und Adligen in den Wirren der russischen Revolution verfolgten Constantin gelungen war, den Bolschewiki zu entrinnnen und nach allerlei romanhaft anmutenden Abenteuern sich von Asien nach Europa durchzuschlagen, finden wir diesen in den 1820/30er Jahren als Diplomingenieur bei der Siemens-China Co. in Shanghai tätig. Am Ende des Zweiten Weltkrieges bei der Besetzung von Wien erlitt er am 10. April 1945 im Alter von 56 Jahren zusammen mit seiner Gattin einen schlimmen Tod: Beide wurden tragischerweise von einem geistig umnachteten Pförtner getötet. Glücklicherweise hat sich von diesem die nachstehend gezeigte Fotografie erhalten:
Abb. 78: Constantin Freiherr von Ungern-Sternberg (1888 – 1945), der jüngere der beiden Söhne der Sophie von Ungern-Sternberg.
Die in Wimpfen geschlossene Ehe der Sophie von Wimpffen und des Theodor von Ungern-Sternberg wurde 1891- die Söhne Robert und Constantin waren sechs bzw. noch keine 3 Jahre alt – geschieden, und zwar höchstwahrscheinlich deshalb, weil die Persönlichkeit und das Leben ihres Mannes von viel Unruhe und Unstetigkeit (sicherlich nicht zuletzt infolge gewisser pathologischer Züge) geprägt gewesen ist. James Palmer schreibt dazu in seinem Buch „The Bloody white Baron“ (2008) Folgendes: „Ursache der Scheidung war wahrscheinlich der allmählich fortschreitende geistige Zusammenbruch, der wahrscheinlich notwendigerweise zu einer Zwangseinweisung in ein Sanatorium in Hupfal (Hapsal) führte und dies für fünf Jahre. Die Protokolle über die genaue Beschaffenheit seiner Krankheit beschreiben ihn als ‚geistig ungesund’. Der frühe Tod der beiden ersten Kinder dieser Ehe, beides Mädchen, konnte nicht die Ursache sein. Er hat wahrscheinlich an einer Art Schizophrenie gelitten, obwohl er sich im späteren Leben anscheinend wieder gut erholte. Wir können nur spekulieren, ob sein kleiner Sohn je Zeuge seiner psychotischen Episoden wurde und welche Wirkung sie auf ihn gehabt hätten. Seine Mutter gibt – überraschenderweise – kaum ihre eigene Erfahrung der Ehe wieder. Es scheint so, dass sie verhütet hat, dass er viel Kontakt mit seinem Vater hatte, sogar auch nicht nach dessen späterer Entlassung aus dem Sanatorium.“ Von außen gesehen, stand im Jahr nach der Eheschließung von 1881 bis 1885 zunächst der Besitz (und wohl auch die Bewirtschaftung) des Rittergutes Waldau (estnisch Valtu) im Vordergrund, dann aber von 1885 bis 1888 (d. h. im Zeitraum der Geburt der beiden Söhne) war der Aufenthalt im Ausland (in Südrussland und auf der Krim) wohl als (wie er im Biographischen Lexikon geführt ist) Geologe, schließlich ab 1888 als Beamter für besondere Aufträge beim russischen Statthalter der Kaukasus-Region gefolgt. Dann unternimmt er mehrere wissenschaftliche Reisen nach Transkaukasien, Persien und in die asiatische Türkei, besteigt sogar zweimal den Elbrus, mit 5642 m bzw. 5621 m höchster Berg des Kaukasus, und ist wirkliches Mitglied der Kaiserlich Russischen Geografischen Gesellschaft und anderer solcher Gesellschaften. Im Januar 1896 heiratet er zum zweiten Male – und zwar in London – MARIA PEARCE. 1897 wird er in Wiesbaden in einen Aufsehen erregenden Prozess verwickelt, aber freigesprochen. Ab 1899 lebt er in einer Privatheilanstalt des westestnischen Ostsee- und Moorbades Hapsal (estnisch Haapsalu). In Dunkel gehüllt ist sein Tod: Es heißt nur, er sei ca. zwischen 1918 und 1923, demnach in den wirren blutigen Jahren der russischen Revolution, in Sankt Petersburg gestorben bzw. „verschollen“.
SOPHIE VON UNGERN-STERNBERG, GEB. VON WIMPFFEN, heiratet wenige Jahre nach ihrer Scheidung mit nunmehr 32 Jahren am 30. April 1894 einen anderen deutschbaltischen Adligen, den Gutsbesitzer in der ungefähr 40 Meilen von der Hauptstadt Estlands Reval entfernten Landgemeinde Jerwakant (Järvakandi) namens OSKAR (ANSELM HERMANN) BARON VON HOYNINGEN-HUENE (auch: OSKAR HEININGEN genannt HUENE) und zieht dort mit den beiden Kindern auf dessen Landssitz mit im Zentrum einem zweigeschossigen Gutshaus. Aus dieser zweiten Ehe gehen noch drei Kinder hervor: 1895 HELENE WILHELMINE, 1897 ISABELLA MARGARETHA, 1899 MAX HERMANN. Ihr in die Ehe mitgebrachter älterer Sohn ROBERT, um nunmehr dessen äußerst bunten und tragisch geendeten Lebensgang zu schildern, wuchs unter seinem Stiefvater und unter Mitwirkung ihrer Mutter AMALIE VON WIMPFFEN auf. Von James Palmer erfahren wir darüber Folgendes: Sie besaßen ein namhaftes Herrschaftshaus weit hinten in den Wäldern und im Winter tief im Schnee liegend, wie aus Märchenerzählungen. Hoyningen-Huene hatte das Land in Besitz und beaufsichtigte dessen Pächter im Umkreis von Meilen wie ein guter deutscher Gutsbesitzer. Die meisten der Belegschaft auf dem Gut waren Deutsche, die Arbeiter und Bauern Esten. Die Einwirkung der Scheidung auf den jungen Robert müsste infolge der nunmehr gegebenen Ruhe günstig gewesen sein, doch das Gegenteil war der Fall. Zwar erfolgt darüber seitens des Stiefvaters etwa in Briefen oder in späteren Gesprächen keinerlei Erwähnung. Nur aus dem Hinweis der Schulprotokolle ist zu entnehmen, dass er gegenüber dem Stiefvater eine ungute Haltung einnahm. Wie die Mehrheit der baltischen Deutschen waren die Ungern-Sternberg und die Hoyningen-Huene protestantisch-lutherischen Glaubens. Doch engagierten sich die russischen Behörden stark, diesen den russisch-orthodoxen Glauben aufzuzwingen. Und zu diesem fühlte sich der junge Roman hingezogen. Auch war dessen Umwelt ebenso vielsprachig wie multikulturell geprägt. Zwar sprachen seine Eltern zu Hause Deutsch und wurde Robert bis zum Ende des 14. Lebensjahrs zu Hause privat in Deutsch unterrichtet. Doch wurde er mit dem 15. Lebensjahr auf das von der Oberschicht besuchte Nikolaus-Gymnasium in Reval gegeben, wo zwar eine Menge Deutsche waren, doch die Mehrheit der Schulkameraden aus Russen bestand; dazu kamen, wenngleich weniger, Esten und Juden. Auch sonst von vielen russisch sprechenden Menschen umgeben, sprach er Russisch bald ebenso fließend wie Deutsch. Hinzu kam das bei der Aristokratie beider Kulturkreise verbreitete Französisch und mehr oder minder auch Englisch, dazu das vermutlich von Dienern und Zofen gelernte Estnisch. Da letzteres entfernt verwandt mit den mongolischen Sprachen ist, dürfte ihm dieses zusammen mit dem vielsprachigen Aufwachsen beim späteren Erwerb des Mongolischen geholfen haben. Wenn er auch auf den erhalternen Fotos seiner frühen Jugend mit seinem lockigen blonden Haaren und den klaren blauen Augen den Eindruck eines liebenswerten unschuldigen Geschöpfs mache, so sei er dennoch, von den wenigen erhaltenen Bruchstücken her, ein äußerst ungestümes und impulsives Kind gewesen. Einer der Nachbarn habe z. B. eine zahme Eule gehabt, die der Zwölfjährige grundlios zu erwürgen versucht habe. In diesem Zusammenhang weist James Palmer darauf hin, dass auf der schönen Insel Hiimaa (Dagö), wo der junge Robert mit seinen Verwandten Urlaub gemacht habe und die Ungern damals schon 200 Jahre Besiitz gehabt hätten, noch die Erinnerung an dessen Ururgroßvater Otto umgehe, der als gemeiner See- und Strandräuber einen schrecklichen Handel betrieben und mit gewalttätiger Lebensart täglich seine Bediensteten aufgestellt und ihnen je zehn Rutenhiebe, im Falle sie etwas getan hätten, womit sie es verdient hätten, verabreicht habe.
Wie Robert denn sich auch im häuslichen Bereich benommen haben mag, jedenfalls weiß James Palmer über sein Verhalten im Nikolausgymnasium Schlimmes zu berichten: Ungern gefiel es gar nicht, unterrichtet zu werden. In der Zeit, als er dort zur Schule ging, war er ein starkwilliger heranwachsender Mann, groß und athletisch, nicht gewillt, sich an Schulregeln zu halten oder Lehren zu gehorchen, die er als niedrig (untergeordnet) betrachtete. Er war natürlich intelligent, aber seine Noten waren miserabel. In seiner Klasse war er eigensinnig und gewalttätig. Zwar denke er nicht, dass er ein brutaler Kerl (Tyrann) als solcher gewesen ist, aber wie sein späteres Benehmen vermuten lässt, eher einer von jenen Schülern, vor denen sich sogar andere Brutale fürchteten, der Art und Weise, dass ungeschriebene Regeln der Kindheitsauseinandersetzungen verletzt werden, neben dem niemand sitzen wollte und dem nicht getraut werden konnte wegen Zirkeln und Scheren. Laut Freunden seiner Eltern, die im Exil in Paris interviewt wurden, war Robert für seine Mitschüler und Lehrer ein Gewalttätiger. Verschiedene Mütter von Schülern verboten ihren Söhnen, mit ihm zu sprechen. Er nahm Rache und machte es sich zur Gewohnheit, Schulbücher mitten in der Schulstunde aus dem Fenster zu werfen, ihnen nachzurennen und niemals zurückzukommen. Seine Lehrer wagten es zwar nicht, sich direkt zu beschweren, aber sie taten es diskret und Ungerns Mutter wurde somit gebeten, ihn von der Schule zu nehmen. Trotzdem stand seine Familie zu ihm. Denn sein Stiefvater Baron Hoyningen-Huene schrieb einen Brief an die Leitung der Marineakademie in St. Petersburg und bat, ihn dort aufzunehmen. Und er gab im Blick auf dessen zu erwartende Widersetzlichkeit auch die früheren Schulklassen-Protokolle bei. Resigniert fügte er hinzu, dass er sich verpflichte, wenn sie es für notwendig hielten, ihn wieder auszuweisen, diesen wieder unter seine Obhut zu nehmen. Es war klar, dass die Familie weiteren Ärger fürchtete. Die Akademie war mehr eine Schule für die höheren Klassen, voll mit Kindern des Adels des Landes. Aber Ungern vertrug sich nicht gut mit der militärischen Routine. Sein disziplinarisches Zeugnis zeigt beständige Scharmützel mit den Oberen. Zu seinen Verstößen gehörte z. B., von den Ferien mit langen Haaren zurückzukommen, im Bett und bei der Arbeit zu rauchen, mit seinen Klassenkameraden zu streiten, den Lehrern zu widersprechen, in der Kirche herumzustehen und die Gymnastik zu schwänzern. Als ihm gesagt wurde, dass seine Antwort in einer Prüfung der Marinearchitektur unklar sei, erwiderte er: „Oh, was für eine Schande!“ Das war typisch für seine Humorauffassung im Erwachsenenalter, die auf brutalen Sarkasmus beschränkt blieb. Seiner Vergehen wegen in Arrest gesperrt, entzog er sich durch Flucht und stahl er sich aus der Küche sein Abendessen. Waren im ersten Jahr seine Noten noch passabel, so sanken sie im zweiten Jahr in ungeahnte Tiefen. Das Einzige, worin er sich immer auszeichnete, waren besondere körperliche Geschicklichkeitsübungen wie z. B. um Masten herumzumanöverieren oder oben am Mast zu stehen. Schließlich musste er erniedrigenderweise an der Seite von jüngeren Knaben lernen. Da er weiterhin lernmäßige Fortschritte wie Disziplin vermissen ließ, wurden seine Eltern schließlich von der St. Petersburger Marineakademie ersucht, ihn im Februar des Jahres 1905 herauszunehmen.
Weiterhin hauptsächlich weiterhin James Palmer folgend, soll nunmehr nunmehr der höchst abenteuerliche und bunte weitere Lebensgang ganz kurzgefasst geschildert und schließlich zun Ende gebracht werden: Jetzt 19 Jahre alt und ohne Beschäftigung und Perspektive, fand er einen Ausweg, indem er sich freiwillig zur russischen Armee meldete und nach der Eroberung von Port Arthur durch die Japaner zunächst als einfacher Soldat im fernen Osten noch an den letzten Kampfhandlungen des russisch-japanischen Krieges teilnahm. Bis zum Ende dieses für Japan siegreichen Krieges mit Gewinnung der Vorherrschaft in der Mandschurei und in Korea im Herbst 1905 stieg Ungern dort zum Korporal auf. Jetzt gelang es ihm sogar, in die Pawlowsk-Militärakademie in Sankt Petersburg einzutreten, wo er erstmals mit dem Buddhismus und okkult-esoterischen Praktiken in Berührung gekommen sein soll, was sein Denken und Handeln entscheidend geprägt und letztlich zu seinem Untergang geführt haben dürfte. Obgleich protestantisch getauft und in diesem Geist aufzuziehen versucht, identifizierte sich Ungern voll und ganz mit dem russischen Zarenstaat, nahm somit zunächst den orthodoxen Glauben an und schloss jetzt sogar an der Militärakademie eine Kavallerie-Ausbildung mit mittelmäßigem Erfolg ab. Seinen anschließend erlangten Posten im 1. Argunregiment der Kosakenarmee Transbaikal in Daurien musste er jedoch aus ungeklärten Gründen (Duell in Trunkenheit mit einem anderen Offizier?) wieder verlassen. Und die nun folgende Verwendung im 1. Regiment der Kosakenarmee Amur gab er wegen Unzufriedenheit mit der Tatenlosigkeit Russlands im fernen Osten auf und erreichte seine Entlassung und Verlegung in die Reserve. Nach einer Reise zu Pferd durch die Mongolei gelang es ihm, in die Schutztruppe des russischen Konsulats im dortigen Kobdo als außerordentlicher Hauptmann aufgenommen zu werden. Da er als solcher wenige Pflichten hatte, nutzte er die Zeit, um u. a. die mongolische Sprache zu erlernen. Anfang 1914 verließ er die Mongolei jedoch, kehrte nach Reval zurück und lebte dort erwerbslos bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Durch diesen im Juli 1914 reaktiviert und einem Regiment aus Nerchinsk in Transbaikalien zugewiesen, war er am russischen Einmarsch in Ostpreußen und nach dem Stillstand der Fronten als Leiter von Erkundungsmisssionen vor und hinter der Front beteiligt und war mit dem Georgskreuz der 4. Stufe ausgezeichnet worden. Bis zum Oktober 1916 kämpfte er dann in Polen und Galizien und wurde währenddem fünfmal verwundet. Trotz seiner draufgängerischen Tapferkeit und seines Mutes wurde er hauptsächlich seiner Unberechenbarkeit und seiner Disziplinlosigkeit wegen kaum befördert. Der zuständige General Wrangel notierte in seinen Memoiren, dass er davor zurückschrecke, von Ungern-Sternberg zu befördern. Schließlich bekam er wegen Beleidigung eines Adjudanten des russischen Gouverneurs von Czernowitz und gar Tätlichkeit zwei Monate Arrest. Nach Entlassung und kurzzeitiger Versetzung in die Reserve im Januar 1917 kehrte er bald darauf in den aktiven Dienst zurück und diente an der Kaukasusfront, wo er ohne Erfolg ein Regiment aus Einheimischen (Assyrern) aufzubauen suchte. Dort traf er den ihm schon vom Einsatz in Polen her bekannten jungen Kosakenoffizier GRIGORI MICHAILOWITSCH SEMJONOW, den er im März 1917 in den Osten begleitete, um unter den einheimischen Burjaten Freiwillige für den Krieg im Westen zu rekrutieren und dort eine lokale Militärpräsenz aufzubauen. Im Anschluss an die Oktoberrevolution 1817 bewies er sich zusammen mit Semjonow als unerbittlich-gnadenloser Gegner der Bolschewiki und Unterstützer der diese im nunmehrigen Bürgerkrieg bekämpfenden Weißen Armee in Sibirien unter Admiral Koltschak. Die fixe Idee der Weißarmisten war, in der südostsibirischen Stadt Tschita eine „Regierung der großen Mongolei“ sowie im dortigen Umfeld eine Militärmacht aufzubauen, die den Bolschewismus beseitigen und aus der eine Mongolisch-Tibetisch-Burjatische Monarchie für ganz Asien erwachsen solle. Es gelang Ungern, sich in Richtung Osten bis hin bis zur Bahnstation Dauria in der nach dem russisch-japanischen Krieg seit dem Friedensschluss in einen nördlichen russischen und einen südlichen japanischen Einflussbereich unter chinesichen Hoheitsrechten geteilt gewesenen Mandschurei durchzuschlagen. Dort hatte Semjonow Stellung bezogen, um mit einer kleinen Freiwilligentruppe die 1500 Mann starke russische Garnison Manjur zu entwaffnen, die sich gegen ihre Offiziere gestellt hatte. Dadurch verstärkt und zur „Speziellen Mandschurischen Division“ erklärt, die den Anfang der angestrebten Militärmacht bilden sollte, konnten von diesem Stützpunkt aus größere russische Gebiete entlang der russisch-chinesischen Grenze besetzt werden, doch wegen der geringen Mannstärke zunächst nur vorübergehend. Somit beschränkte sich Ungern vorläufig darauf, mit Truppen mongolischer Barguten die restlichen russischen aufständischen Truppen in der Mandschurei zu entwaffnen und per Transsibirischer Eisenbahn nach dem Westen zu schicken. Da die Chinesen die Barguten aber als Aufständische betrachteten und Ungerns Machtzuwachs fürchteten, nahmen diese ihn und seine Truppen bei einem fingierten Festessen gefangen. Doch konnte Semjonow diese freipressen, indem er einen Panzerzug in chinesisches Territorium entsandte. Von März bis Juli 1918 versuchte die Spezielle Mandschurische Division erneut, russisches Gebiet zu besetzen, musste sich aber nach einer schweren durch die Rotarmisten zugefügten Niederlage bis tief in mandschurisches Gebiet zurückziehen. Jetzt unterstützt durch japanisches Geld und Waffen sowie durch die zarenfreundliche sog. Tschechoslowakische Legion, gelang es jedoch, ab August 1918 ganz Transbaikalien zu besetzen. Da die Japaner das Ziel hatten, einen fernöstlichen Vasallenstaat unter der Führung Semjonows zu etablieren, betrachteten die Führer der Weißen Armee die Kollaboration mit den Japanern als Hochverrat. Semjonow errichtete dort eine Schreckensherrschaft und ernannte sich im Frühjahr 1919 selbst zum Ataman (Obersten der Kosaken). Ungern-Sternberg erhielt das Kommando über den Ort Dauria und wurde von Semjonow darüber hinaus zum Generalmajor ernannt. In dieser Funktion ließ er eigenständig neue Truppen rekrutieren und ausbilden und parallel dazu ging eine Verrohung desselben und seiner Männer einher. Denn es kam häufig zum Schaden der Weißen Armee zur Plünderung umliegender Ortschaften und durchfahrender Züge der Transsibirischen Eisenbahn sowie zur Folterung und Ermordung von Zivilisten, insbesondere von Juden. Die Letztgenannten machte Ungern für die Oktoberrevolution und die Abdankung des Zaren sowie für den Bürgerkrieg verantwortlich. Seine irre Lehre war, dass die Rote Partei eine geheime Partei der Juden und schon vor 3000 Jahren entstanden sei, um die Macht in allen Ländern zu erobern. Sein Judenhass hatte ihn sogar veranlasst, in seinem Namen das Adelsprädikat „von“ zurück vor den jüdisch erscheinenden Zweitnamen „Sternberg“ zu setzen, um so den Anschein jüdischer Abkunft zu entkräften. Obwohl zwischen den beiden Schreckensherren sich ein fortschreitendes Zerwürfnis entwickelte, besonders da Ungern sich zunehmend über Korruption, Verschwendungssucht und Judenfreundlichkeit Semjonows ärgerte, zeichnete der Letztgenannte ihn im März 1919 mit dem (bereits früher schon empfangenen) Georgskreuz 4. Klasse aus. Dies geschah vermutlich deshalb, weil Ungern sich um die vielen Kriegsgefangenen „kümmerte“. Denn mit der weiteren Eskalation des Bürgerkrieges nahmen beide Seiten von der bisherigen Gepflogenheit Abstand, entwaffnete Gefangene zurück ins Feindesland zu schicken. „Da Semjonows Truppen oft nicht wussten, was sie mit gefangenen Bolschewiken machen sollten, wurden diese oft in Züge gepfercht und in das Gebiet Ungerns gebracht. Dieser ließ den Großteil der Gefangenen beinahe unmittelbar darauf in der Umgebung Dauriens ermorden und häufig unbestattet liegen. Auch mit seinen eigenen Leuten ging er nicht besser um. Während der Jahre 1919 und 1920 zogen mehrere Typhus- und Choleraepidemien durch Sibirien. Ungern ließ Kranke, bei denern eine Genesung unwahrscheinlich erschien, augenblicklich erschießen, um eine weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.“ Als im Verlauf des Jahres 1920 die Lage der Weißen Truppen sich immer weiter verschlechterte und nach dem Tod von Admiral Koltschak Transbaikalien das letzte größere unter weißer Kontrolle stehende Gebiet darstellte, begann Ungern, sich nach einem Rückzugsort für sich und seine Truppen umzusehen. Dabei kam ihm zu Hilfe, dass im November 1919 chinesische Truppen unter dem Befehl von Xu Shuzheng unter dem Vorwand, diese vor revolutionären russischen Truppen schützen zu wollen, in die seit der Xinhai-Revolution von 1911 unter der Theokratie des mongolischen Bogdo Gegen Khan (kurz: Bogd Khan) stehende Mongolei einmarschiert waren und der Vorgenannte Ungern und seine Truppen in einem Brief – wie natürlich auch alle Fürsten der Mongolei – um Hilfe bat. Da Xu die Theokratie abschaffte und die Macht der religiösen Eliten möglichst zu beschneiden versuchte, war dem Bogd Khan daran gelegen, Unterstützer für einen erneuten Umsturz zu finden. Einen solchen fand er in Ungern, der sich jetzt vollends von Semjonow trennte, sich, neue Truppen aushebend, als selbständiger Kriegsherr (heute würde man sagen als „Warlord“) etablierte und am 15. August 1920 mit an die 1500 Mann die mongolische Grenze überschritt und zunächst den kleinen Ort Aksha besetzte, bevor er weiter in die Mongolei zog und sein Gebiet in Transbaikalien aufgab. Seine Truppen wurden bald durch einige hundert Reiter verstärkt, die der 13. Dalai Lama aus Tibet zur Unterstützung der Befreiung der Mongolei gesandt hatte. Ungerns Plan, den nahe bei der Hauptstadt Urga (heute Ulan Bator) gelegenen Ort mit dem meisten chinesischen Garnisonstruppen Maimaicheng einzunehmen, scheitere an der Unterzahl seiner aus einer bunten Mischung von Russen, Mongolen, Tataren, Burjaten, Koreanern und Japanern zusammengewürfelten Truppen und der guten Befestigung des Ortes. Sowohl der Angriff in der Nacht vom 26. Oktober als derjenige 5 Tage später wurde zurückgeschlagen. Da der Winter sich bereits ankündigte, beschloss Ungern, vor dem neuen Jahr keine Aktionen mehr zu wagen und zog seine Truppen in das etwa 250 Kilometer östlich von Urga gelegene Zam Kuren zurück. „Dort versorgten er und seine Truppe sich dadurch, dass sie umliegende Siedlungen und Klöster plünderten. Um die Disziplin aufrechtzuerhalten, führte Ungern einen strengen Strafkatalog ein, der für die kleinsten Vergehen harte körperliche Züchtigung oder Folter vorsah. Deserteure ließ er verfolgen und zu Tode hetzen.“ An anderer Stelle ist das folgende Beispiel einer damals ersonnenen Strafe grausamster Form beschrieben, die Ungern als Sadist schlimmster Art erscheinen lässt: „Außer an Auspeitschen vergnügte sich der Adlige gern … an Folterungen, die mit Bäumen zu tun hatten. Eine solche Strafe bestand zum Beispiel darin, den Missetäter zu zwingen, auf einen hohen Baum zu steigen und dort die ganze Nacht zu bleiben. Diejenigen, die diese ‚akrobatische Farce’ nicht durchhielten und herunterfielen, brachen sich Arme und Beine und wurden erschossen, da sie nun nur noch überflüssige Esser wären.“ Im Januar 1921 befahl er mehrere Angriffe auf die Hauptstadt Urga, die aber unter hohen Verlusten scheiterten. Im Februar gelang es ihm denn doch, diese Stadt einzunehmen. „ … Ungern-Sternberg … glaubte, dass die Monarchie das einzige Regierungssystem sei, welches die westliche Zivilisation vor Korruption und Selbstzerstörung schützen könne. Er wollte die Qing-Dynastie in China wieder etablieren und die fernöstlichen Nationen unter ihrer Herrschaft vereinen. Als fanatischer Antisemit proklamierte er in einem Manifest von 1918 seine Absicht, ‚alle Juden und Volkskommissare in Russland auszulöschen’ und Großfürst Michail Romanow, den jüngeren Bruder von Nikolaus II., auf den russischen Thron zu setzen. Wegen der Wirren des Ersten Weltkriegs flohen viele Juden aus dem Westen Russlands, wo sie vor dem Krieg gezwungen worden waren, sich niederzulassen, nach Osten. Die Truppen von Ungern-Sternberg ermordeten alle Juden, derer sie habhaft werden konnten, häufig auf grausame Weise.“ Ungern selbst lässt sich diesbezüglich folgendermaßen aus: „Im Land fernöstlich des Baikalsees versuchte ich, den Orden des militanten Buddhismus zu gründen, um einen gnadenlosen Kampf gegen die Verderbtheit der Revolution zu führen … Wozu? Zum Schutz der Entwicklung der Humanität …, denn ich bin überzeugt, dass diese Entwicklung zur Göttlichkeit führt und die Revolution zur Bestialität.“ Und bei solch irrsinnig klingenden Zielsetzungen, wundert es nicht, was nach der Eroberung von Urga vor sich ging: „Am 13. März 1921 wurde in der Mongolei eine unabhängige Monarchie ausgerufen, mit von Ungern-Sternberg als alleinigem Herrscher. Der achte Jebtsundamba Khutukhtu (+ 1924), geistliches Oberhaupt der Mongolei, bekannt als Bogd Khan, wurde durch Ungern-Sternberg nominell auf den Thron gebracht. Der Khutugthu identifizierte ihn im Gegenzug als Inkarnation der zornigen Schutzgottheit Jamsarang (tib. Begtse). Ungern-Sternberg war fasziniert von fernöstlichen Religionen wie dem Buddhismnus. Seine Philosophie war eine wirre Mischung von russischem Nationalismus mit chinesischen und mongolischen Glaubenssystemen. Im Alltag war seine kurze Regentschaft vor allem durch Morde und Plünderungen seiner Armee geprägt. Opfer waren neben Juden auch Russen, die nicht politisch mit ihm übereinstimmten. Die Terrorherrschaft seiner Armee, Requirierungen und Zwangsaushebungen kosteten ihn auch unter den Mongolen, die ihn zunächst als Befreier von den Chinesen angesehen hatten, schnell alle Sympathien.“ Das zu erwartende rasche Ende dieses von seinen Gegnern während des russischen Bürgerkrieges treffend mit einer Palette von Beinamen wie „Roter Baron“, „Blut(durst)iger Baron“ „Weißer Baron“, „Schwarzer Baron“ belegten ideologischen an die Grenze der Geisteskrankheit gelangten Spintisierers nach noch nicht einem halben Jahr als Gewaltherrscher über die Mongolei ist in der mehrfach zitierten Abhandlung unter der Unterüberschrift „Niederlage und Tod“ in Kurzform so beschrieben: „Der Baron versuchte im Mai, in Burjatien sowjetisches Territorium anzugreifen. Nach anfänglichen Erfolgen im Mai und Juni wurde er aber in einer Gegenoffensive geschlagen. In der Zwischenzeit hatten Anfang Juli Verbände der neuaufgestellten Mongolischen Revolutionären Volksarmee (unter Damdin Süchbaatar) und sowjetrussische Verbände Urga besetzt. Ungern-Sternbergs Leute lieferten ihn am 21. August 1921 an die Rote Armee aus. Ein militärisches Eiltribunal durch eine Tscheka-Troika verurteilte ihn zum Tode, und er wurde in Nowonikolajewsk (heute Nowosibirsk) erschossen. Angeblich soll er vor seinem Tod noch eine Medaille des St.-Georgs-Ordens heruntergeschluckt haben, um zu verhindern, dass sie in gotteslästerliche kommunistische Hände falle.“
Als Abschluss der Schilderung dieses außergewöhnliuchen Lebens seien noch angefügt die
Abb. 79a, 79b, 79c: Robert von Ungern-Sternberg als Kind um ca. 1890, als russischer Offizier während des Ersten Weltkriegs sowie um 1920 als Generalmajor der Weißen Armee mit dem Georgskreuz auf der Brust in einer Uniform, die zaristische und mongolische Elemente vereint (beschnitten).
Es blieb nicht aus, dass das unter einem bösen Stern gestandene Leben von BARON NIKOLAUS R O B E R T MAXIMILIAN UNGERN VON STERNBERG oder NIKOLAI R O M A N FJODOROWITSCH UNGERN VON STERNBERG, wie er sich später hieß, immer wieder deutsche und auch nichtdeutsche Schriftsteller zu schildern und Ideologen insbesondere rechter bis rechtester Couleur sein Ideengut zu interpretieren und zu übernehmen angeregt hat und offenbar in der Gegenwart im Gefolge der Globalisierung und Weltfinanz- sowie Eurokrise verstärkt beschäftigt. Das zeigt auch die nachstehende chronologische Zusammenstellung der Vielzahl der sich mit diesem befassenden Schriften. Diesen wird hier fast immer eine kurze Interpretation beigegeben, woraus sich eine Art Wirkungsgeschichte des Ungern-Sternbergschen Indeengutes und Lebens ergibt:
1922/23/24//2006/2008: Ferdynand Antoni Ossendowski (Ferdinand Ossendowski): Beasts, Men and Gods (englischer Originaltitel) bzw. Tiere, Menschen und Götter, 1923 und 1924, Strange Verlag; neu aufgelegt 2006 bei Georg Langenbrink GmbH & Co. und 2008 bei Baker & Taylor.- Der polnische Autor und Globetrotter war Schriftsteller, Journalist und Universitätsprofessor im russischen Omsk gewesen. Es wird dessen Flucht aus dem revolutionären Russland vor den Bolschewiki der Jahre 1921/22 nach Tibet und in die Mongolei und dabei auch dessen Begegnung mit dem Baron Ungern von Sternberg und seinen politisch-weltanschaulichen Ideen beschrieben. Der Autor berichtet, was er von den Lamas und Herrschern Zentralasiens über die Existenz eines geheimnisvollen Kräftzentrums und mythologischen Ortes namens Agartha gehört haben will, bei dem es sich um den Sitz des „Königs der Welt“ handeln sollte. Indem die Beschreibung der ungewöhnlichen Persönlichkeit des kurz zum Herrscher der Monogolei aufgestiegenen Barons, um den in Asien beinahe schon der Mythos eines Erretters rankte, diesem mythologischen Ort vorangestellt ist, wird dieser unwillkürlich in den Bannkreis dieser Lehre gerückt. Das Buch wurde in der Weimarer Republik unmittelbar nach seinem Erscheinen zu einem Weltbestseller. „In den Zwanzigerjahren beeinflusste diese baltische Reinkarnation des Dschingis Khan stark die deutsche Rechte …“
1938/1944/2011: Bernd Krauthoff: Ich befehle! Kampf und Tragödie des Barons Ungern-Sternberg, 1938, Bremen (Carl Schünemann); Zweitauflage 1944; Neuauflage in „Freikorps 02“ Juni 2011.- Diese romantisierte Biographie soll auf Zeugenberichten des Jessaul (Kosaken-Hauptmanns) Mekejew, des Artilleriekommandanten Ungern-Sternbergs, basieren, die unter dem Titel „Bog vojni Baron Ungern (Der Kriegsgott Baron Ungern) 1926 in Shanghai erschienen sein sollen. Das kritische Urteil von Eric von Grawert-May ist, dass Ungern-Sternberg in diesem Roman „sogar zum heldenhaften Vorläufer des Führers auserkoren … vor allem auch wegen seines Antisemitismus“ worden sei.
1958: Vladimir Pozner: Der weiße Baron; Verlag Volk und Welt Berlin (DDR), 1958. Der französische Schriftsteller und Journalist russischer Herkunft (1905 – 1992), der nach dem Zweiten Weltkrieg kurz auch mit Bertholt Brecht zusammenarbeitete und in seinen Werken gegen den Faschismus Stellung bezog, hat Ungern-Sternbergs Leben ebenfalls als romanhafte Biografie – und zwar aus der Sicht sozialistischen Ideengutes – dargestellt.
1973/1987/1997: Jean Mabire: Ungern, le baron fou, Paris, Balland, 1973; Korrigierte Wiederauflage unter dem Titel: Ungern, le dieu de la guerre; Art de Histoire d’Europe, 1987; Wiederauflage unter dem Titel: Ungern, l’héritier blanc de Genghis Khan; Veilleur de proue, 1997.- Der Militärschriftsteller Jean Mabire (1927 – 2006) gehörte dem neofaschistischen Spektrum an.
2001: Nick Middleton: The Bloody Baron: Wicked Dictator Of The East, London, Short Books, 2001
2007: Markus Fernbach (Herausgeber und Autor): Baron Ungern-Sternberg – der letzte Kriegsgott; Straelen, Regin-Verlag, Junges Forum, Die neue Ausgabe Nr. 7, 2007.- Es handelt sich um eine Folge von Beiträgen eines internationalen Autoren-Teams – und zwar:
-Julius Evola: Der blutrünstige Baron
-Alexander Dugin: Der Gott des Krieges
-Claudio Mutti: Der Eurasist zu Pferd
-W. Greiner: Unbeugsamer Wille und Unerschrockenheit
-Reinhold Konrad Mutschler: Der weiße Dschingis Khan
-Arsenij Nemeslow: Ballade über einen dragurischen Baron
-York Freitag: Eruption literarischer Freiheit
-Theophile von Bodisco: Ein Mensch der Zukunft
-Roman Ungern-Sternberg: Befehl Nr. 15
-Markus Fernbach: Der Baron zwischen Kommerz, Konsum und Kultur.- Wie der neue Herausgeber der 2004 im jungen (in Zusammenarbeit mit dem „Deutschen Freundeskreis Eurasien“ stehenden) Regin-Verlag nach vierjähriger Pause wiedereröffneten Schriftenreihe „Junges Forum“ betont, will er in dieser „weiterhin die Idee des Reiches Europa, das Europas der 100 Fahnen, der Regionen und Traditionen vertreten“. Damit bleibt er dem Denkkanon der früher hinter dieser gestandenen – von korporativistischen und volksgemeinschaftlichen Sozial- und Ordnungsvorstellungen beherrschten – „Neuen Rechten“ treu. Nach Fernbach ist Ungern von Sternberg der erste Verfechter der sog. „eurasischen Idee“ gewesen, die immer wieder als mutmaßlicher Lösungsansatz für gegenwärtige Probleme ins Spiel gebracht und die z. B., um nur auf einen der neun Coautoren des Heftes hinzuweisen, führend vom russischen Politiker, Politologen, Traditionalisten und Publizisten sowie Vorsitzenden der sog. „Internationalen Eurasischen Bewegung“ Alexander Dugin (geb. am 7. Januar 1962 in Moskau) vertreten wird und als „eine Bewegung, die sich einem geopolitischen Reich verpflichtet fühlt … , das im Gegensatz zur Europäischen Union, nicht der Religion, sondern dem Materialismus feindlich gegenübersteht, der heute am eklatantesten durch die materialistische Weltmacht, die USA verkörpert ist.“ Auf gleichem Boden steht der in der Autorenreihe an dritter Stelle zu findende Claudio Mutti (geb. 1946), der in Parma Geschichte, Geografie und alte Sprachen lehrt und als National Director von „Young Europe“ fungiert. Zwar kommen in dieser Aufsatzfolge mancherlei interessante Fakten über Herkunft, Leben, Denken und Handeln des „verrückten Barons“ zum Vorschein. Wenn jedoch mehrfach in den nicht wenigen Internet-Rezensionen von einer Truppe Ungerns in Höhe von 150 000 (statt in Wirklichkeit zunächst nur cirka 1 500, später etwas mehr als 5 000!) Mann die Rede ist oder auf einen Aufsatz des Geschichtsphilosophen und Kulturhistorikers Oswald Spengler des Jahres 1924 hingewiesen wird, der darüber spekuliert habe, „wie das ‚Bild Asiens aussehen könnte, wäre der Baron nicht einem Anschlag der Bolschewiken zum Opfer gefallen“, so wird die ungerechtfertigte Hochstilisierung und gar Verherrlichung Ungerns zum (um die Schlagzeile einer der Rezensionen zu gebrauchen) „ermordeten Hoffnungsträger“ in diesem Heft deutlich. Und der in dieser Schriftenreihe aus der Versenkung hervorgeholte italienische Kulturphilosoph, Kulturpessimist und Esoteriker Julius Evola (1898 – 1974) ist als ein metaphysischer Rassentheoretiker und „Ideengeber einerseits für den rechtextremen italienischen Untergrund, andererseits beginnend in den 1980er Jahren für die metapolitische gesamteuropäische Rechte“ zu sehen. Auf weitere Besprechungen von zwei durch die Wortführer dieser Reihe in deren Gefolge aufgeführten Schriften, die auf Ungern-Sternberg bezogen sind, soll verzichtet werden, da diese ebenfalls extrem rechtslastig erscheinen:
1940/2012: Mario Appelius: La cosacca del barone von Ungern (erstmals erschienen 1940, neu aufgelegt in der Erotik-Reihe Le librette di controra 2012), 60 Seiten;
2006: Érik Sablé: „Qui suis-je?“ Ungern (Pardès 2006), 128 Seiten.
Genannt werden soll auch eine Verarbeitung des Lebens des Ungern-Sternberg (zusammen mit dem zweier anderer grausamer Gestalten des fernen Ostens, nämlich des Michailowitsch Semjonow und dessen sowie Ungern-Sternbergs roten Gegenspielers Sukhe Bator) der Science-Fiction-Literatur durch den italienischen Comiczeichner und Erfinder des Comic-Helden Corto Maltese:
1984/2001/2002: Hugo Pratt: Corto Maltese in Sibirien (erschienen in der Comic-Art-Reihe Corto Maltese Nr. 6, 1984; Neuaufllage mit geändertem Titelbild 2001).- Dieses Album wurde 2002 von Pascal Morelli als 92-minütiger Zeichentrickfilm in englischer und deutscher Version unter dem nachgenannten Titel verfilmt: Corto Maltese: La cour secrète des Arcances.
Zeitpunkt des Ersterscheinens nicht ausmittelbar: Frank Westerfelder: Ungern-Sternberg. Der blutige Baron und sein Reich in der Mongolei, 4-seitiger Text aus der Internet-Reihe „kriegsreisende.de – Das e-zine mit der Sozialgeschichte der Söldner und Abententeurer“.- Dieser mit einigen dokumentarischen Fotos belebte und durchaus als fundiert zu betrachtende Text beginnt mit dem folgenden durch die Einordnung dessen untatenschwangerer Persönlichkeit in den Gang der russischen Revolution verständnisstützenden Satz: „Unter all den grausamen und perversen Gestalten, die der russische Bürgerkrieg in nicht geringer Zahl hervorbrachte, nimmt Baron Ungern-Sternberg sicher eine finstere Spitzenposition ein.“
Breiteres internationales Aufsehen verursachte das tragend für diese vorstehender Lebensbeschreibung verwendete Werk von:
2008: James Palmer: The Bloody White Baron: The Extraordinary Story of the Russian Nobleman Who Became the Last Khan of Mongolia, London, Faber & Faber. – Deutsche Ausgabe: James Palmer: Der blutige weiße Baron: Die Geschichte eines Adligen, der zum letzten Khan der Mongolei wurde aus dem Englischen von Nora Matocza und Gerhard Falkner; Eichborn (Die andere Bibliothek), Frankfiurt a. M., 2010.- Diese Biografie des in Peking lebenden Reiseschriftstellers James Palmer, der den Handlungsträger mehrfach als „geistesgestört“ bezeichnet und auf dessen Darstellung großteils auch die obige Lebensdarstellung Ungern-Sternbergs basiert, fand allgemeine Anerkennung. Dies spiegelt sich vor allem auch in den nachfolgend genannten drei gewichtigen Rezensionen wider:
-a. Telegraph Media Group Limited: Baron Ungern-Sternberg, meteoric nutter. Simon Sebac Montefiore reviews The Bloody White Baron by James Palmer, AM GMT 23. März 2008.- Obgleich der Autor kritisiert, dass bei Palmer oft der Reiseschriftsteller und nicht der Biograf spricht sowie wegen Materialmangels fragwürdige Interpretationen insbesondere bezüglich des jungen Ungern erfolgen, stellt er als besonders positiv die Erschließung neuer Quellen (so die Memoiren des Arztes von Ungern) heraus und schließt seine Betrachtungen folgendermaßen: „Dennoch liefert Palmer mit seinem speziellen Wissen über die Mongolei und die Begeisterung für Ungers Mischung aus Wahnsinn, Politik und Krieg eine spannende Biografie, welche die Verbrechen und Eroberungen dieses Monsters zwingend, bunt und mit filmischem Geschmack erzählt.“
-b. The New York Times/Sunday Book Review: Mongolia and the Madman. By Jason Goodwin, Published: February 20, 2009.- Dort heißt es: „ ‚Der blutige weiße Baron’ so außergewöhnlich ist Palmers hellsichtige Gelehrsamkeit, seine Fähigkeit, den Mahlstrom eines vergessenen Krieges vollendet sichtbar zu machen. Dies ist ein brillantes Buch … .“
-c. Deutschland-Radio Kultur: Der Diktator Ungern von Sternberg. James Palmer: „Der blutige weiße Baron“. Rezensiert von Erik von Grawert-May, Sendung am 03. 04. 2011.- Dazu wurden unter LESART Textteile wiedergegeben, von denen in der obigen Lebensdarstellung bereits zwei zitiert worden sind. Abschließend seien hier noch drei weitere vom Reszensenten bei Palmer entnommene aufschlussreiche kurze Passagen aufgeführt: „Er hatte gekämpft, das Reich zu retten, in dem er aufgewachsen war, aber das war fast unwiderruflich dahin. Russlands Seele war an die Bolschewiken verloren. Ein neues Reich musste gegründet werden und das Modell dafür sah er in dem Reich des Dschingis Khans, das sich einst ‚vom Amur bis ans Kaspische Meer’ erstreckt hatte.“ (S. 169) – „Ein Staat könne ebenso wenig ohne König auskommen, wie ‚die Erde ohne Himmel’. Ohne Monarchen werde die apokalyptische Endzeit kommmen …“ (S. 233) – „Ungern-Sternberg schrieb selten von ‚Gott’, wenn er sich über die Monarchie ausließ, sondern bevorzugte stattdessen den ökumenischen Ausdruck ‚Himmel’, der den ostasiatischen Vorstellungen einer mehr allgemeinen göttlichen Autorität sicherlich näher kam.“ (S. 235)
2010: Leonid Abramowitch Jusefowitch: Der Baron Ungern, der Selbstherrscher der Wüste (in russischer Sprache), 2. Auflage; das Jahr des Erscheinens der russischen 1. Auflage ist nicht bekannt. Eine deutsche Ausgabe gibt es nicht, dagegen eine französische solche, die den folgenden etwas veränderten Titel trägt: Léonid Youzéfovitch, Le baron Ungern Khan des steppes (Erscheinungsjahr und -ort nicht bekannt).- Hauptsächlich auf diesen russischen großen dokumentarischen Roman, dazu auf den Moskauer Historiker Sergei Kuzmin, der sämtliche Archivdokumente zur Geschichte des Ungern-Sternberg veröffentlicht hat, sowie auf Memoiren von russischen Zeitgenossen desselben stützt sich das nachgenannte Hörspiel, auf intensiven Recherchen insbesondere durch die Erschließung der vorgenannten bislang unbekannten russischen Quellen fußt:
2011: Deutschland-Radio Kultur – Hörspiel-Produktion zusammen mit dem Südwestfunk unter der Regie von Mario Bandi: Dschingis Khan für ein halbes Jahr. Baron Ungern von Sternberg, Herrscher der Großen Steppe (gesendet im Deutschlandfunk am 16. September 2011, 49’50’’ sowie auch im Südwestfunk).- Die Recherchen zu dieser Sendung wurden durch das Grenzgänger-Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung ermöglicht. Der dem Internet entnommene 28-seitige Autorentext stammt von Bernd Reheuser. In diesen sind auch einige wenige Anmerkungen zur Familiengeschichte bzw. der Auslegung der Persönlichkeit Ungern-Sternbergs durch Oswald Spengler von Seiten eines Familiengliedes der Ungern-Sternberg der Gegenwart, nämlich des 2007 emeritierten Professors für alte Geschichte an der Universität Basel JÜRGEN VON UNGERN-STERNBERG VON PÜRKEL (geb. 1940 in Schneidemühl), eingebracht. Als Kostprobe sei hier das im Ausklang des Hörspiels konkret geschilderte tragische Ende der halbjährigen Terrorherrschaft des Barons in der (Äußeren) Mongolei wiedergegeben:
„Autor: Geschickt und punktuell erfolgreich begann Ungern im Gebiet um den Baikalsee einen Partisanenkrieg gegen die Rote Armee. Doch der führte nicht zu einem gesamtrussischern Volksaufstand. … Dann kam die Nachricht, dass die Rotarmisten und die mongolischen Kommunisten mit Sukhee-Baatar an der Spitze das ungeschützt gebliebene Urga eingenommen hatten. Roman Ungern zog sich zurück, schwieg und schmiedete neue Pläne. Seine Offiziere dagegen strebten nach Harbin, in die Mandschurei, sie hatten begriffen, dass sie nur Kanonenfutter für ihren Anführer waren, der mit der Zeit alles Menschliche verloren zu haben schien. Das Gerücht, dass der Baron nun nach Tibet gehen wollte, um seine Armee dem Dalai-Lama zur Verfügung zu stellen und von dort den asiatischen Staat aufzubauen, löste einen Aufstand unter seinen Leuten aus.- Ungern floh zu seinen geliebten treuen Mongolen, in das Regiment des Fürsten Sunduj-Gun und besiegelte damit am 21. August 1921 sein Schicksal.- Erzähler: Fürst Sunduj-Gun kam zum Baron und fragte nach Streichhölzern. Der Baron ließ die Zügel los und suchte in den Taschern seines Mantels. Der Mongole riss geschickt den Baron vom Pferd, es kamen andere angerannt und nahmen ihn fest, seine Hände und Beine waren mit Lederriemen gebunden. Dann stellten sie ein Zelt auf, brachten ihren Oberbefehlshaber hinein, vor dem sie immer noch unbändige Angst hatten, ließen ihn dort liegen und verschwanden.- Morgens stieß eine russische Partisanenstreife auf das einsame Zelt. Vorsichtig sahen sie hinein: ‚Wer sind Sie, Genosse?’ – Autor: Sie konnten erst nicht glauben, dass vor ihnen hilflos der Baron, der große Recke, der General-Heerführer Dschan-Dschin Roman Ungern von Sternberg liegt. Der gefürchtete Kriegsgott, eine Mischung aus Don Quichote und Iwan dem Schrecklichen. Ein Offizier, dem es gelungen ist, in die Geschichte der Mongolen einzugehen … .“ Da Roman von Ungern-Sternberg eine schicksals-bestimmende Rolle in der jüngeren Geschichte der (Äußeren) Mongolei gespielt hat, findet dessen legendenumwobene dämonische Gestalt trotz der dort verursachten blutigen Exzesse in der heutigen demokratisch geführten Mongolischen Volksrepublik Beachtung und sogar eine partiell-positive Bewertung. Im Ausklang dieses Hörspiels kommt der letztgenannte Umstand in der Aussage des Mongolen Nergui zum Audsruck: „Nur dank dem Baron Ungern ist die Mongolei zu einem europäisch gesinnten Land geworden. Wenn er uns nicht befreit hätte, wären wir China unterlegen und dessen Bestandteil geblieben, wie die Innere Mongolei.“ Die Beschäftigung der Mongolei mit Roman von Ungern-Sternberg lässt sich auch schließen aus der
Abb. 80: Einladung zu einer vor Weihnachten 2011 im Atelier ZURAG Galerie – Mongolei-Kultur-Kunstzentrum in Berlin in Kooperation zwischen der Botschaft der Mongolei in der Bundesrepublik Deutschland, der Robert-Bosch-Stiftung, dem Deutschlandfunk, AVINTHFILM BERLIN und dem vorgenannten Atelier unter dem Titel „Baron Roman von UNGERN-STERNBERG und die MONGOLEI“ ausgerichteten Veranstaltung mit angeschlossenem fünfteiligem Programm.
Über den Ablauf des nachstehend entnehmbaren Programms berichtet ein im Internet unter dem Titel „Wahrheit und Mythos über den Baron Roman von Ungern-Sternberg“ mit einer Reihe von Fotos versehener aufschlussreicher Bericht von Brit Beneke, der hier ungekürzt wiedergegeben und mit dem die diesem ungewöhnlich breiten Raum eingeräumte Thematik abgeschlossen werden soll: „Im Mongolei Kultur Kunst Zentrum ZURAG in Berlin trafen sich am Sonnabend, dem 17. 12. 11, Mongolei- und Geschichtsinteressierte, um über die umstrittene Person Baron Roman von Ungern-Sternberg zu diskutieren. Dass er eine wesentliche Rolle in der jüngeren Geschichte der Mongolei gespielt hatte, ist unverkennbar. Nur fällt eine genaue Bewertung seines Wirkens schwer, da die Quellenlage äußerst dünn und hingegen die Mythenbildung um ihn herum stark ausgeprägt ist.- 1921 gelang es mit seiner militärischen Hilfe, die chinesischen Besatzer aus der Stadt Urga zu vertreiben und den Bogd Khan wieder zu inthronisieren. Im Hintergrund behielt Roman von Ungern-Sternberg die Fäden in der Hand. Seine ‚Herrschaft’ zeichnete sich durch Brutalität, Verhaftungen und Erschießungen aus. Als Weißgardist in der Mongolei, zog er den innerrussischen Konflikt in dieses Land. Die Rote Armee marschierte im Juni 1921 in Urga ein. Ungern-Sternberg wurde von seinen eigenen mongolischen Leuten gefangen genommen und ausgeliefert, in Novosibirsk vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt.- An dem Abend in der ZURAG Galerie stellte der Rundfunkautor Mario Bandi sein Radiofeature ‚Dschingis Khan für ein halbes Jahr. Baron Ungern von Sternberg, Herrscher der Großen Steppe’ vor. Bei seinen Recherchen fing Mario Bandi Erinnerungen an Ungern-Sternberg in der heutigen mongolischen Bevölkerung ein. Sein Feature vermittelt die komplexen Abläufe der damaligen Geschehnisse ohne ins Reißerische zu verfallen.- Dr. Veronika Kapisaovskà von der Universität Prag trug Passagen aus ihrer Forschungsarbeit vor. Sie untersucht Überlieferungen von Ungern-Sternberg. Dabei stieß sie neben Romanen auf Lieder, die in der mongolischen Bevölkerung Verbreitung fanden und Bezug auf das Wirken des Barons nahmen.- Ein entfernter Verwandter des Barons ist der Historiker Jürgen von Ungern-Sternberg aus Basel, der ebenfalls auf dem Podium saß. Er stellte den Anwesenden eine zusammengestellte Biobliografie zur Verfügung, in der er alles auflistete, was mit dem Baron in Zusammenhang gebracht wurde. Das führt von Science-Fiction-Literatur, über Comics bis hin zu einem Computerspiel. Diese Sammlung vergegenwärtigt, wie sich aus einer geringen Faktenlage ein großer Mythos entwickeln kann und immerzu wiederholt wird.- Der Schriftsteller Leonid Jusefowitch aus Moskau hat einen Dokumentarroman über Ungern-Sternberg mit dem Titel ‚Selbstherrscher der Wüste’ geschrieben. Zum Umgang mit dem Mythos Ungern-Sternberg sagte er auf der Veranstaltung: ‚In meinem Buch habe ich versucht die Mythen mit der Wahrheit zu verbinden, weil ich der Ansicht bin, dass der Mythos auch ein Teil der Geschichte ist.’ Der Roman liegt zurzeit nur in Russisch und Französisch vor.- Leonid Jusefowitch bezeichnete den Baron als einen ‚Ideologen der Brutalität’.- Über das Wirken von Roman von Ungern-Sternberg wurde an diesem Abend ausführlich diskutiert. Fakt ist, dass in der Mongolei ein Bewertungswandel stattfindet. Während der Zeit bis 1990 wurde der Baron als Monarchieanhänger und mordender Antikommunist gesehen und verabscheut. In heutiger Zeit wird mehr sein Zutun bei der Bekämpfung der chinesischen Herrschaft in den Mittelpunkt gerückt. Doch stellte Jürgen von Ungern-Sternberg am Ende des Abends fest, dass eine solche Veranstaltung nicht dazu dienen sollte, den Baron von seinen schrecklichen Taten reinzuwaschen. Auch der Kulturattaché der Botschaft Mongolei, Ch. Batbileg, bekräftigte, dass jetzt vielmehr die Wahrheit interessiere als der Mythos.- Die mongolische Botschaft unterstützte diese Veranstaltung ebenso wie die Robert-Bosch-Stiftung.“
W. Wie durch die Verehelichung der jüngsten der beiden Töchter des Freiherrn Friedrich Wilhelm von Wimpffen BARONESSE PAULINE VON WIMPFFEN (1822 – 1900) mit ihrem Vetter GRAF GUSTAV ADOLF FELIX VON WIMPFFEN (1805 – 1880) quasi ein doppeltes Band der Verwandtschaft geknüpft wird und damit die württembergisch-freiherrliche Nebenlinie eine kolossale ansehensmäßige Aufwertung und Mehrung ihrer Selbsteinschätzung erfährt.
Es mag vom Inhaltlichen wie vom bis hin zum Beginn der 1920er Jahre ausgedehnten Zeitraum her vielleicht unpassend erscheinen, dem Leben des Barons Robert von Ungern-Sternberg bzw. Roman Ungern von Sternberg hier so viel oder überhaupt Raum gegeben zu haben. Doch ist zu bedenken, dass dieser einer der Enkel des mit der Stadt Wimpfen der 1870er Jahre so eng verbundenen BARONS WILHELM VON WIMPFFEN gewesen ist und dessen erst 1925 in hohem Alter von 88 Jahren in Graz verstorbene Gattin und Großmutter des Robert bzw. Roman AMALIE (AMELIE) VON WIMPFFEN im Gegensatz zu deren bereits 1907 im Alter von nur 46 Jahren in Reval verstorbenen Tochter SOPHIE VON HOYNINGEN-HUENE den unseligen Untergang dieses Enkels noch hat erfahren und ertragen müssen. Aus dem oben dargelegten Brief ihres Sohnes MAX(IMILIAN) VON WIMPFFEN aus dem Jahr 1912 geht hervor, dass Amalie von Wimpffen damals mit ihren 75 Jahren in Reval noch die Kinder ihrer verstorbenen Tochter Sophie betreut hat, womit aber nicht die zu dieser Zeit bereits 27 und 25 Jahre alten Söhne aus der ersten Ehe ROBERT und NIKLOLAUS VON UNGERN-STERNBERG, sondern deren drei alle in Reval geborenen jüngeren Kinder aus der zweiten Ehe mit OSKAR VON HOYNINGEN-HUENE (gest. 1918) namens HELENE WILHELMINE (geb. am 8. März 1895), ISABELLA MAGARETHA (geb. am 27. August 1897) und MAX HERMANN VON HOYNINGEN-HUENE (geb. am 8. September 1899) gemeint sind. Der Letztgenannte, d. h. das jüngste der drei Kinder aus der zweiten Ehe, war beim Tod der Mutter erst 8 Jahre und dessen Schwestern waren damals nicht mehr als 10 und 12 Jahre alt! Somit setzten sich Amalie von Wimpffens Sorgen und Belastungen offenbar bis ins hohe Alter fort.
Die im auslaufenden Kapitel V ausgesprochenen Vermutung, dass Amalie von Wimpffen nach ihrem Wegzug in den beginnenden 1880er Jahren von Wimpfen im Hinblick auf die 1886 in Graz erfolgte Geburt ihres ersten Enkels Robert sowie aus dem Umstand, dass Graz 1925 ihr Sterbeort gewesen ist, sich an ihre in der Steiermark den Kernbesitz gehabten gräflichen Verwandten gehalten hat. Unter diesen dürfte ihr am nächsten ihre Schwägerin, die an früherer Stelle mehrfach schon erwähnte ehemalige königlich bayrische Theresienordensdame BARONESSE P A U L I N E WILHELMINE VON WIMPFFEN (wie schon dargelegt, geb. am 17. Juli 1822 in Stuttgart), gestanden haben, die laut Wurzbach am 17. Februar 1850 in Triest ihren mehrfach schon erwähnten Vetter GRAF GUSTAV ADOLF FELIX VON WIMPFFEN, geb. am 28. Dezember 1805 in Troppau, gestorben am 25. April 1880 in Meran, Sohn ihres in Kapitel R beschriebenen Onkels väterlicherseits GRAF FRANZ KARL EDUARD VON WIMPFFEN (1797 – 1842), geheiratet hatte. Zweifellos hat die Verheiratung mit dem fast 17 Jahre älteren Vetter Pauline nicht allein beste Vermögensverhältnisse beschert, sondern ihrer freiherrlichen Familie eine beachtliche Vermehrung des Ansehen und ihres Selbstwertgefühls gebracht, Umstände, die bei der in Kapitel U geschilderten denkwürdigen Versammlung der österreichisch-gräflichen wie französisch-freiherrlichen Verwandtschaft sichtbar geworden sind. Durch diese Eheverbindung ist zur blutsmäßigen Verwandtschaftsverbindung der Württembergischen und der Gräflichen Linie der Von Wimpffen noch eine heiratsmäßige solche hinzugekommen.
Wie in der Lebensbeschreibung Nr. 21 des C. von Wurzbach gesagt ist, stammte GRAF GUSTAV ADOLF FELIX aus der ersten Ehe seines Vaters FRANZ KARL EDUARD (1773 – 1842), ersten GRAFEN VON WIMPFFEN, mit VICTORIE PRINZESSIN VON ANHALT-BERNBURG-SCHAUMBURG, verwitweten PRINZESSIN VON HESSEN-PHILIPPSTHAL. Dessen dort dargelegte Karriere als Offizier der k. u. k. Armee erscheint sehr beachtlich. In jungen Jahren in diese eingetreten, war er:
-1822 Unterlieutenant im 6. Chevaulegers-Regiment,
-1822 – 1829 Oberlieutenant bei Este Husaren Nr. 3,
-1830 – 1836 Kapitänlieutenant und Hauptmann bei Wimpffen-Infanterie Nr. 13,
-1837 – 1839 Major bei Bianchi Nr. 63,
-1840 – 1843 Oberstlieutenant bei Rukavina-Infanterie Nr. 64,
-1844 – 1847 Oberst und Commandant des Infanterie-Regiments Erzherzog Albrecht Nr. 44;
-1847 erhielt er die Kämmererwürde;
-1848 kam er als Generalmajor und Brigadier zur Armee in Italien;
-1849 – 1850 fungierte er als Stadtkommandant in Livorno und ging
-1851 (im Nachjahr der Heirat) mit dem Feldmarschall-Lieutenants-Charakter (mit 46 Jahren!) in Pension.
Der Eheverbindung mit Pauline von Wimpffen entsprang (siehe in der Genealogischen Übersicht des Kapitels U) zunächst der Sohn FRANZ (DEMETRIUS EDUARD FRIEDRICH), geb. am 30. November 1850 in Mailand, der gegen Mitte der 1870er Jahre als k. u. k. Oberleutnant bei den Graf-Neipperg-Dragonern Nr. 12 fungiert und schon am 26. April 1879 und damit ein Jahr vor seinem Vater zu Arco, dem damaligen k. und k. Wintersitz in der Provinz Trient, stirbt. Danach kommt am 10. Januar 1854 in Graz die Tochter ELISABETH (SOPHIE VICTORINE PAULINE) zur Welt. Diese verheiratet sich mit FREIHERR MAXIMILIAN (LUDWIG) VON GAGERN (geb. am 9. Oktober. 1844 in Monsheim – gest. am 3. Januar 1911 in Berlin), der im Großherzogtum Hessen in hohe bis höchste Beamten- und Staatsstellungen einrückt; Stationen dessen Aufstiegs sind: Zunächst Gesandtschaftsattaché in Wien und Paris, von 1871 bis 1881 Ministerialsekretär bzw. Regierungsrat im Ministerium des Innern in Darmstadt, dann Kreisrat in Worms, Provinzialdirektor von Oberhessen in Gießen und um 1900 von Rheinhessen in Mainz; 1908 wird er hessischer Minster und Gesandter in Berlin sowie Bevollmächtigter zum Bundesrat. Die vorgenannte Tochter stirbt im Alter von 83 Jahren am 25. Juni 1937 in Hellbrunn bei Salzburg. Aus meinem im Sommer 1983 gewonnenen persönlichen Augenschein wurde diese in Sankt Gilgen am Wolfgangsee beigesetzt; denn dort fand ich ihr repräsentatives Grabmal unter jenen herausgehobenen entlang der Mauerumfriedung des Friedhofs gereihten Grabstellen. Die dortige Inschrift wies als Todestag den 25. Juni 1837 und nicht (wie es bei GeneAll.net/Index heißt) den 25. Juli 1937 auf. Ihre Mutter Gräfin Pauline von Wimpffen starb am 21. April 1900 im 78. Lebensjahr in Mainz. Der Umstand, dass diese dort und nicht im späteren österreich-steiermärkischen Lebensraum verstorben ist, hängt sicherlich damit zusammen, dass der Gatte ihrer oben umschriebenen Tochter Elisabeth namens Freiherr Maximilian von Gagern zu diesem Zeitpunkt Provinzialdirektor von Rheinhessen in Mainz gewesen ist. Was die zwei Kinder der beiden betrifft, so wird auf die oben angeführte Genealogische Übersicht des Kapitels U verwiesen.
Damit soll die mit der Behandlung des GEORG VON WIMPFFEN (/1760 – 1807) in Kapitel P begonnene sukzessive Betrachtung der Angehörigen des sog. Franzens-Zweiges (siehe diese verzeichnet in der Stammtafel II unter der durchgängigen grünen Generationslinie XVc bzw. 13c) beendet werden. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass innerhalb der dazu vorgenommenen systematischen Darlegung der Lebensläufe der Söhne des Zweigründers FRANZ LUDWIG VON WIMPFFEN (1732 – 1800) der fünftälteste der sechs namens DAGOBERT SIGISMUND VON WIMPFFEN übersprungen worden ist und hier somiut abschließend eine allerdings nur kurze Erwähnung finden soll: Geb. am 2. Februar 1782 auf Schloss Günthersburg (Bornburg) bei Frankfurt a. M., gest. (laut Wurzbach widersprüchlich) 1852 bzw. 1862 in Caen, laut Dr. Hans H. von Wimpffen richtigerweise 1862 in Bavent/Normandie im Alter von 80 Jahren; Heirat am 18. Dezember 1828 mit ANATOLY DE CAUVIGNIY; Ehe kinderlos geblieben. Wie seine Brüder FRANZ KARL EUGEN und FÉLIX blieb er lebenslang in den Diensten seines Heimatlandes Frankreich und wie fast alle anderen Brüder trat er in die Armee ein. 1823 wurde ihm in seiner beachtlichen Militärkarriere die Ernennung zum Kommandeur der Ehrenlegion zuteil. 1834 wurde er zum Marchéchal de Camp befördert und zum Militärbefehlshaber des Départements Hautes-Pyrenées, später des Départements de l’Orne ernannt. Näheres lässt sich unter www.wimpffen.hu, Rubrik biographien (Titel: Dagobert Sigismond Laurent de Wimpffen) nachlesen.
X. Wie der aus dem sechstältesten der sieben Söhne des Franz Ludwig von Wimpffen namens GEORGES DE (GEORG VON) WIMPFFEN (1735 – 1816) herausgewachsene Georgs-Zweig entsteht, aus dem in der nächsten Generation 12 der berühmte FELDMARSCHALL UND RITTER DES GOLDENEN VLIESES MAXIMILIAN VON WIMPFFEN (1770 – 1854) sowie über dessen älteren Bruder DAGOBERT VON WIMPFFEN (1765 – 1836) der Begründer der nach Ungarn und dort über vier Generationen hinweg erfolgte Einheiraten in hochvermögende Adelsgeschlechter zu großem Ansehen und Besitz gelangten Linie der WIMPFFEN-MOLLBERG erwächst, dem der in Wimpfen 1983 niedergelassene DR. HANS HERMANN FREIHERR VON WIMPFFEN (geb. 1934 in Budapest) der Generation 17 entstammt.
In der Reihe der fünf Zweige (siehe II. Stammtafel, dort Generationslinie XIII bzw. 11) weiterschreitend vom c) Franzens Zweig zum d) Georgs Zweig, gelangen wir zu jenem der fünf Zweige, dessen Abkömmlinge dadurch als optimal erforscht und unter www.wimpffen.hu dokumentiert gelten können, als diesem Dr. Hans H. Freiherr von Wimpffen angehört, der als promovierter Historiker allen zentralen Personen seines Zweiges großteils umfänglichste Lebensdarstellungen gewidmet hat, die bestens recherchiert und vielfach durch Bilddokumente veranschaulicht sind (siehe diese alle unter: www.wimpffen.hu, Rubrik „biographien“). Und zwar handelt es sich um die folgenden dem Georgs-Zweig angehörigen Personen, deren vom Vorgenannten gegebenen Lebensbeschreibungen nachfolgend in chronologischer Reihenfolge nach dem Zeitpunkt ihrer Geburt gerafft und teilweise nur in Stichwortform, da und dort unter Aufnahme anderweitig ermittelter Fakten, wiedergegeben sind:
– G e n e r a t i o n 11 (d) –
Begründer des sog. Georgs Zweiges
FRANÇOIS GEORGES DE WIMPFFEN
(lt. Aubert des Bois GEORGE, lt. Wurzbach GEORG SIEGMUND DOMINIK,
lt. GenAall. FRANZ GEORG JOSEPH LUDWIG SIEGMUND DOMINIK HEEREMANN VON WIMPFFEN),
geboren am 24. November 1735 in Minfeld in der Pfalz – gestorben am 13. Februar 1816:
1754 mit 19 Jahren von Pfalzgraf Christian IV. in Mannheim zum Hofjunker ernannt; doch 1756 in den Militärdienst im deutschen Regiment „Alsace“ und so in jenen Frankreichs getreten; wird 1559 Kommandeur des deutschen Regiments „Comte de La Marck“. Verheiratung am 31. Dezember 1761 als nunmehr Kurkölnischer Kammerherr in Hohenholz/Westfalen mit JULIE THERESE FREIIN VON BÖSELAGER AUS DEM HAUSE EGGERMÜHLEN (Aubert des Bois dagegen: BARONNE DE BOIFLOGER, CHANOISSE DE HOHENHOLD EN WESTPHALIE). Diese schenkt ihm drei Kinder: 1762 GEORG, 1763 DAGOBERT und 1770 MAXIMILIAN. 1765 kauft er den südlich von Höchstädt (unweit Neuburg, der Residenz der Neuburger Linie der Wittelsbacher) zur Donau hin gelegenen bescheidenen Adelssitz („Hofmarch oder befreyter Sitz“) Mollberg von dem aus der Rheinpfalz stammenden JOHANN WILHELM VON PHUL, nimmt die Landsassenpflicht an und wird jetzt Untertan des bayrischen Kurfürsten. Der Name der Gutsherrschaft leitete sich von dem an diese angelehnten waldbewachsenen steilhügelartigen Mollberg unweit der Donau ab, auf dem einst eine heute spurlos verschwundene Burg gestanden hatte. Statt jedoch, wie ursprünglich beabsichtigt, auf der ein kleines Schloss- sowie ein Wirtschaftsgebäude und einen kleinen Park bergenden 5 Tagewerk umfassenden landwirtschaftlichen Fläche sich dem Landbau zu widmen und seiner Familie einen standesgemäßen Edelsitz zu bieten, auch seine von der Pfalz her bestehenden Verbindungen zu den Wittelsbachern zu festigen, bezieht er das Gut Mollberg nicht und verkauft dieses für 4000 Gulden bald wieder an den Kurfürsten von Bayern. Von diesem wird die Edelmannsfreiheit aufgehoben und der Besitz aufgeteilt verkauft, der um 1780 nur noch einen Bauern sowie einen Fischer und Müller beherbergt. Franz Georg von Wimpffen dagegen bemüht sich, wie sein erhalten gebliebener umfänglicher Briefwechsel mit insbesondere Staatskanzler Kaunitz und Kurfürst Maximilian zeigt, aus französischen Diensten entlassen zu werden, jetzt in österreichische Militärdienste zu treten und sich für den Kaiser zu bemühen. Nachdem er 1771 aus den Diensten Frankreichs entlassen wird, zieht er 1772 mit seiner Familie ins ungarische Siebenbürgen und übernimmt zunächst das ihm übertragene Kommando des die östliche Grenze des Habsburgerreiches schützenden und aus Einheimischen der Landschaft Szekely bestehenden Husarenregimentes, das 1769, benannt nach der dortigen Landschaft Szekely, den Namen Szekler-Husarenregiment Nr. 11 bekommen hat. 1773 übernimmt er das Husarenregiment Török und erfolgt seine Beförderung zum Generalmajor, 1784 zum Feldmarschall-Leutnant, 1791 wird er nach seiner Versetzung nach Pest (heute Budapest) zum Militärberater ernannt. Wann seine erste Germahlin gestorben ist und dann JOSEPHA FREIIN VON GASTHEIMB geheiratet hat, ist nicht bekannt. Nach dem Ausbruch der Revolutionskriege der 1890er Jahre stoßen seine Bewerbungen um eine diesbezügliche Truppenverwendung wegen seines hohen Alters auf Ablehung. 1808 erhält er das ungarische Indigenat (Heimatrecht). Bei seinem Tod am 13. Februar 1816 steht er im 81. Lebensjahr. Von ihm hat Clara von Both die nachstehende Bilderinnerung an den Ururururgroßvater ihres Sohnes Dr. Hans H. von Wimpffen geschaffen:
Abb. 81: Feldmarschall-Leutnant François Georges de Wimpffen (1735 – 1816), Gemälde von Clara von Both nach einmem zeitgenössischen Stahlstich.
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– G e n e r a t i o n 12 d –
Ältester der drei Söhne des Franz Georg von Wimpffen
GEORG VON WIMPFFEN,
lt. Wurzbach geboren am 28. November 1762, gestorben am 25. Juli 1836 zu Pressburg:
Von diesem liegt keine Lebensbeschreibung von Dr. Hans H. von Wimpffen vor. Er ist laut Wurzbach bei seinem Tod kaiserlicher Oberst im Ruhestand und mit N. PELLER VON EHRENBERG verheiratet gewesen.
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Jüngster der drei Söhne des Franz Georg von Wimpffen
MAXIMILIAN VON WIMPFFEN,
geboren am 19. Februar 1770 in Münster/Westfalen – gestorben am 29. August 1854 in Wien:
Es handelt sich bei diesem um, so Wurzbach in seiner II. Stammtafel, den „Ritter des Goldenen Vließes und Feldmarschall“, dessen Ruhmestaten auf den Schlachtfeldern und ganzes dem Militärdienst Österreichs gewidmetes Leben sowie dessen herausgehobene Ruhestätte auf dem Heldenberg in Kleinwetzdorf in Kapitel A ein kurze – den Auftakt dieser Untersuchung bildende – Betrachtung gilt. Ihm, seinem Urururgroßonkel, hat Dr. Hans H. von Wimpffen dadurch gehuldigt, dass er an der zur Entengasse hin schauenden Südfront seines Fachwerk-Doppelhauses eine auf diesen bezogene repräsentative Wappendarstellung anbringen ließ. Siehe diese in
Abb. 82; Großes ins Auge springendes Wappen im Mittelbereich der rückwärtigen Giebelfassade der Wohnstätte des Dr. Hans H. Freiherr von Wimpffen, dargeboten zu Ehren seines berühmten Ahnen Feldmarschall Maximilian von Wimpffen (1770 – 1854).
Diese präsentiert den nach rechts mit goldenem Kreuz schreitenden weißen Widder und damit das Wappentier derer Von Wimpffen, doch im Gegensatz zu der Variante von 1781 jetzt mit goldenen Hörnern. Dieser ist hier aber nicht auf einen früh- bis hochgotischen Dreieckschild, sondern auf einen rotgrundigen Renaissance-Rundschild gesetzt und dessen Hinterbeine bewegen sich über die (bei Abb. 5 fehlenden) drei schwarze Berge. Hinter dem Rundschild schauen im Wechsel von Schwarz und Gelb die oben beidseits mit dem kleinen Doppeladler des einstigen Österreich-Ungarn besetzen vier Enden zweier gekreuzter Feldherrrenstäbe hervor. Dahinter umfängt den Kreisschild ein dem Heraldischen Halsband vom Orden des Goldenen Vlieses nachempfundenes Ordensgehänge. Darüber erhebt sich eine Freiherrenkrone, erkennbar an ihren sieben sog. Perlen. Die darunter groß aufgemalte Eindatierung „Erbaut 1680“ bezieht sich auf den dortigen Gebäudeteil.
Diese ausdrucksstarke beeindruckende Huldigung erscheint keineswegs überzogen, handelt es sich bei Maximilian von Wimpffen zweifelsfrei doch um jenen Angehörigen der Adelssippe derer Von Wimpffen, welcher, was den erreichten Ruhm und die erlangte Ordensehrungen anbelangt, die Spitze hält. So verwundert es nicht, dass Wurzbach diesem in seiner Genealogie der Freiherren und Grafen von Wimpffen (S. 23 – 30) die Höchstzahl von knapp 8 Seiten widmet. Doch stellt diesen Dr. Hans von Wimpffen in seiner Rubrik „biographien“ seiner Homepage, nachdem er offenbar mit einer ersten nur zwei Seitern umfassenden Abhandliung nicht zufrieden gewesen ist, jüngst mit sage und schreibe 23 DIN A4-Seiten in Kleinstschrift bei weitem in den Schatten! Darunter befinden sich 23 Darstellungen, darunter viele Gemälde aus der Hand seiner Mutter Clara de Both, die wichtge Szenen aus seinem Leben nachempfinden, dazuhin zeitgenössische Darstellungen sowie Fotografien, darunter seine Wohnstätte und solche von seiner sowie gleichzeitig Radetzkys und Pargfrieders Grabstätte; und der Schlacht beim Aspern sind dort allein 5 Seiten gewidmet. Angesichts dieser Fülle und dazuhin der Wurzbach weit hinter sich lassenden minutiösen Sachkenntnis, Empathie und Lebendigkeit der Schilderung, stirbt der Wille, davon hier einen kurzen Abklatsch liefern zu wollen. Stattdessen sei nichts anderes als das Nachlesen (über www.wimpffen.hu) empfohlen und soll mit dem hier und am Anfang des Kapitels A Gesagten Genüge getan sein.
Wie sehr Dr. Hans H. von Wimpffen sich seinem Urururgroßonkel Maximilian verpflichtet fühlt, das zeigt der durch die nachfolgende Abbildung belegte Umstand, dass dieser am 24. Mai 2009 in Aspern-Essling an der Gedenkfeier zur 200. Wiederkehr der am 21. und 22. Mai 2009 stattgefundenen Schlacht bei Aspern teilgenommen und dabei dem dortigen Museum das von seiner Frau Mutter geschaffene Gemälde des Feldmarschalls Maximilian von Wimpffen übergeben hat:
Abb. 83: Dr. Hans Hermann Freiherr von Wimpffen nach der Übergabe des von seiner Mutter Clara von Both-Wimpffen (1907 – 2000) geschaffenen Gemäldes seines Vorfahren Maximilian Freiherr von Wimpffen (1770 – 1854) an das Museum von Aspern-Essling bei der Gedenkfeier zum 200. Jahrtag der Schlacht bei Aspern am 24. Mai 2009.
Der Schenker steht vorne am linken Bildrand vor der aus dem gleichen Anlass gepflanzten Friedenslinde und neben dem dazugehörigen Gedenkstein, im hinteren Zentrum in den Händen zweier Veranstalter der Gedenkfeier das schon von Abb. 1 her bekannte Portrait des Besagten.
Dr. Hans H. von Wimpffen sieht sich, um hiermit zu schließen, am Anfang seiner seinem Urururgroßonkel Maximilian geltenden langen Dokumentation, hinblickend zur Stätte dessen Begräbnisses, veranlasst, Folgendes tadelnd festzustellen: „Auf dem ‚Heldenberg’ nahe Wien endete an einem sonnigen Augusttag die bewegte militärische Laufbahn eines Soldaten, dem zwei so grundverschiedene Literaten wie Bruno Brehm und Stefan Heym ein literarisches Denkmal setzten, zu dessen Seite der legendäre Feldmarschall Radetzky beigesetzt werden wollte, statt neben Königen und Kaisern in der Wiener Kapuzinergruft seine ewige Ruhe zu finden. ‚Es ist mein Wille’, schrieb Österreichs berühmtester Soldat in seinem Testament, ‚an der Seite meines alten Freundes Marschall von Wimpffen beigesetzt zu werden’. Wenige Jahre nach seinem Tod erhielt Maximilian von Wimpffen ein Denkmal auf dem ‚Heldenberg’, nahe Wien; in Wagram, Wien und Wetzdorf sind Straßen nach ihm benannt; doch wenn alljährlich am Todestag Radetzkys das republikanische österreichische Bundesheer einen Kranz niederlegt, am Grab des Besiegers des italienischen Freiheitskampfes von 1848, der italienische Revolutionäre reihenweise hinrichten ließ, bekommt der andere Feldmarschall, der sein Soldatenleben lang für die Befreiung Österreichs von der französischen Fremdherrschaft gekämpft hat, nicht einmal einen Blumenstrauß. Und es sind nur drei Schritte, die beide Gräber voneinander trennen.“
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Maximilian von Wimpffen blieb unverheiratet und so kinderlos. Seines Vaters Georg Zweig wurde weitergeführt durch dessen nunmehr beschriebenen nächstälteren Bruder und zweitältesten der drei Söhne des Vorgenannten sowie
den als Begründer der Linie Wimpffen-Mollberg geltenden
(KARL SIGISMUND) DAGOBERT (HERMANN) VON WIMPFFEN,
geb. lt. Hans H. v. Wimpffen am 1. Mai 1765 in Ludwigsburg – gest. am 25. Juli 1836 in Pressburg (heute Bratislawa
/Slowakei):
Wie seine beiden jüngeren Brüder Georg und Maximilian in den österreichischen Militärdienst getreten, und zwar mit 17 Jahren bei den Szekler-Husaren, wo auch sein Vater begonnen hatte. 1805 als Major am Feldzug in Galizien als Angehöriger der Kaiser-Kürassiere teilnehmend; 1807 zum Oberstleutnant und stellvertretenden Regimentskommandeur beim Dragoner-Regiment Nr. 6 befördert. 1815 wird er „in Ansuchung seines alt adelichen Geschlechts und Herkommmens, auch seinen persönlich rühmlichsten Eigenschaften“ zum „K. K. wirklichen Kämmerer“ ernannt. 1819 erfolgt seine Beförderung zum Obersten und Festungskommandanten in Komarom an der Donau/Nordungarn. 1820 verleiht ihm Kaiser Franz des ungarische Indigenat (Heimatrecht) und er erbittet seine Pensionierung, um sich aseinen Gütern widmen zu können. 1827 erfolgt die Verleihung der ungarischen Staatsbürgerschaft. Er war mit ANTONIA (auch: ANTONIE), einer Tochter des ungarischen Obersten und Angehörigen des ungarischen Soldatenadels BARON JOZSEF ERÖS DE BETHLENVAVA und seiner Gattin AGNES, geborerner ALMASY DE TÖRÖKZSADANY, verheiratet. Der Ehe entstammen die von Wurzbach in der II. Stammtafel und hier in der Folge der Geburt aufgeführten vier Kinder: 1813 Coloman (ungarisch: Kalman), 1818 Adolf, 1843 Beatrix, 1846 Dionys (Dienes).
Dagobert gilt als der Begründer der in Ungarn endgültig ansässig gewordenen und über seinen älteren der beiden Söhne Coloman weitergeführten Linie Wimpffen-Mollberg, deren Zweitname sich merkwürdigerweise auf den kleinen verschwundenen Edelsitz bezieht, der bei Höchstädt an der Donau lag und vom Vater Georg (wie bereits bei dessen Lebensbeschreibung dargelegt) nie bezogen wurde und Wurzbach zu mancherlei Fehlschlüssen bezüglich mancher Geburtsorte führt. Durch Dr. Hans von Wimpffens Ermittlungen geklärt, soll der namengebende einstige, doch über nichts mehr als einen Bergnamern ausmachbare Burgsitz Mollberg sowie das nur noch im Wegnamen erhalten gebliebene Gebiet des einstigen Gutshofes mit Schlösschen, nachstehend im Google Earth 2008 entommenen Luftbild gezeigt werden:
Abb. 84: Die den Namen „Mollberg“ führende Wegführung sowie den gleichen Namen führende bewaldete kleine Erhebung in der Donauaue bei Höchstädt im Luftbild, letzte Spuren der einstigen gleichnamigen kleinen Edelgutsitzes mit vor Zeiten nahegelegener einstiger Burg.
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– G e n e r a t i o n 13 d –
Jüngerer der zwei am Leben gebliebenen Söhne des Dagobert von Wimpffen
ADOLF VON WIMPFFEN,
geboren lt. Hans H. von Wimpffen am 11. Juli 1818 zu Mainz – gestorben am 2. Oktober 1883 in Tarna-Mera/Ungarn:
Dieser erscheint auch als „Wimpffen von Mollberg“ aufgeführt; wie alle seine Vorfahren dieser Linie Kadett des östereichischen Heeres werdend, wo er die folgende beachtliche Laufbahn nimmt: 1843 zum Oberleutnant im Khevenmüller-Regiment Nr. 35 ernannt; 1848/49 als Hauptmann am Krieg gegen das Revolutionsheer Ungarns teilnehmend und 1850 Major im Infanterieregiment Hoch- und Deutschmeister; 1852 wird er Kommandant des Infanterie-Lehrbataillons, 1858 ist er als Oberst und Kommandant beim Infanterie-Regiment Benedek Nr. 28 zu finden, 1859 als Generalmajor und Brigadier beim 7. Armeekorps in Italien. Dort nimmt er als Generalmajor und Brigadier beim 7. Armeekorps im entstandenen Krieg um die Befreiung Italiens an der blutig-verlustreichen und für Österreich verhängnisvollen Schlacht von Solferino vom 24. Juni 1859 teil, wo er den Rückzug des linken Flügels unter schweren Verlusten seines Verbandes bis 10 Uhr abends deckt und verwundet wird. In diesem Italienkrieg nehmen, Zeichen der Verschworenheit der Von Wimpffen mit dem Kriegsmetier, mindestens sechs Mitglieder der Familie teil: Neben
-ADOLF (1818 – 1883) noch
-FRANZ EMIL LORENZ (1797 – 1870) als Oberkommandierender der 2. Armee;
-EMMANUEL FÉLIX (1811 – 1884), der spätere „Sedangeneral“ als Kommandeur der französischen Garde;
-COLOMAN (1813 – 1880), der ältere Bruder des Adolf, seit 1851 Oberstleutnant und in der Schlacht von Solferino verwundet;
-HEINRICH CHRISTIAN (siehe II. Stammtafel in der blauen Generationsreihe XVIa bzw. 14a), ein Urenkel des STANISLAUS, des Gründers des gleichgenannten Zweiges (1827 – 1869; am 19. November des vorgenannten Jahres in Dalmation tödlich verwundet in die Hand von Insurgenten geraten und von diesen massakriert), als Hauptmann bei der 2. Armee; außerdem
-ALPHONS, zweitältester Sohn des Vorgenannten (1828 – 1866; erlegen in Nachod in preußischer Gefangenschaft seiner im preußisch-österreichischen Krieg bei Skalitz empfangemem Wunde) als Flügeladjudant des Kaisers Franz Joseph.
Nach dem Friedensschluss wird er zur Genesung nach Siebenbürgen versetzt und dann wegen seiner Verwundung pensioniert. Nachdem er 1862 seine erste Gattin CLARA GEB. LAUTEREN (25. Dezember 1822 – 23. Oktober 1862) durch Tod verloren hat, vermählt er sich 1863 mit seiner Nichte IRMA FREIIN VON WIMPFFEN (geb. am 11. September 1839), Tochter seines Bruders COLOMAN. Im preußisch-österreichischen Krieg des Jahres 1866 wird er wieder reaktiviert und zur Nordarmee Benedek abkommandiert, wo er die dem X. Armeekorps des Generals Gablenz unterstellte „Brigade Wimpffen“ bildet. Mit dieser nimmt er ausgangs Juni an dem Gefecht bei Trautenau in Böhmen teil, dem einzigen solchen, das die österreichische Armee in diesem Krieg einigermaßen siegreich besteht. Zwar hat seine Brigade wesentlichen Anteil daran, doch nur um den Preis schlimmster Verluste. Wenige Tage danach am 3. Juli 1866 verliert er in der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz den älteren seiner beiden Söhne aus der ersten Ehe CLEMENS AUGUST, geboren am 21. Februar 1845, der Leutnant beim Mecklenburg-Schwerin-Infanterie-Regiment Nr. 57 ist und an den Folgen einer Amputation des rechten Armes und des rechten Beines stirbt. Wie sein Vater hatte dieser sich dem Waffendienst gewidmet, seine Ausbildung im Hainburger Kadetteninstitut begonnen und ab 1860 in der Wien-Neustädter Militärakademie zu Ende gebracht. Dort im September 1864 als Lieutenant minderer Gebühr entlassen und der vorstehend angeführten Einheit zugeteilt, wurde er im Mai 1866 zum Lieutenant höherer Gebühr befördert und machte er den ihm den Tod bringenden Feldzug gegen die Preußen in Böhmen mit. Wurzbach weist darauf hin, dass sein Vater Adolf für sein ausgezeichnetes Verhalten vor dem Feinde schon im August 1859 mit dem Orden der eisernen Krone dritter Klasse mit Kriegsdekoration und namentlich im Krieg von 1866 gegen Preußen in Böhmen die allerhöchste Belobung erhielt und übrigens schon früher von Baden, Hessen und Preußen Dekorierungen erhalten hat. Der jüngere Sohn namens DIONYS DAGOBERT, geboren am 6. Juni 1848 in Josefstadt, lebte als Gutsbesitzer in St. Christophen in Niederösterreich und heiratete 1871 IRMA GEB. SZÁK. Aus deren Ehe gehen CLEMENS, geboren 1872, JOHANN sowie PHILIPP, geboren 1882, hervor.
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Älterer der zwei am Leben gebliebenen Söhn des Dagobert von Wimpffen und weiterführendes Glied der Wimpffen-Mollberg
KALMAN (COLOMAN) VON WIMPFFEN,
geb. am 1. Februar 1813 Gyönyös/Ungarn, Komitat Heves – gest. am 11. Januar 1880 in Gyönyös-Alsavaros/Ungarn:
Constantin Johannes Ignatius Colomannus, wie sein Taufname lautete, ergriff wie bislang fast alle Angehörige seiner Linie und auch sein jüngerer Bruder Adolf die österreichische Militärlaufbahn. Zunächst in Friedenszeiten war er in Oberitalien mit Schwerpunkt in Modena, Parma und Cremona im Verband der Infanterieregimenter Nr. 44 und 32 eingesetzt. Nach dem Ausbruch der dortigen Revolution kämpfte er 1848 in der Armee Radetzkys, wurde in der Schlacht von Novara verwundet und danach nach Komarom in Nordungarn beordert. Nach Niederschlagung der Revolutionn kehrte er zu seinem Regiment Nr. 32 nach Norditalien zurück, wurde Kommandant eines Grenadierbataillons und 1851 zum Oberstleutnant befördert. In der Schlacht von Solferino des Jahres 1859 wurde er erneut verwundet und ging zwei Jahre später mit 48 Jahren in den Ruhestand.
Mit bereits 26 Jahren hatte er seine Kusine IRMA (auch: MARIA) ERÖS VON BETHLENVALVA, geheiratet, die eine Tochter des Bruders (d. h. Nichte) seiner Mutter ANTONIA namens JANOS ERÖS DE BETHLENVALVA aus dessen Ehe mit ANNA MIKLOSSY und Erbin eines beträchtlichen Vermögens in Gestalt der Güter Tiszasüly, Nagy-Mihaly und Tarna-Mera in Nordungarn gewesen ist. Somit verwaltete er als Pensionär, fortab sich seines ungarischen Vornamerns Kalman bedienend, die Güter seiner Frau, jedoch, wie Dr. Hans H. von Wimpffen feststellt, mit sehr bescheidenem Erfolg. Denn als er 1880 mit knapp 67 Jahren stirbt und in der Familiengruft der Erös Tiszasüly an der Theiß beerdigt wird, hinterlässt er seiner Frau IRMA und seinen drei Kindern IRMA, geb. am 11. November 1839, BEATRIX, geb. am 12. August 1842, und JOHANN (ungarisch IVAN, später bezeichnet IVAN I.), geb. am 12. April 1847, zwar immerhin 63 872 Forint; doch betragen die Schulden 87 305 Forint, wogegen das Jahresgehalt eines Obersten damals nur zwischen 3 000 und 4 000 Forint beträgt. Das Vormundschaftsgericht gewährt der Witwe Aufschub, so dass einige der Güter im Besitz der Familie bleiben können. Und es dauert 8 Jahre, bis die Schulden getilgt sind. Kalman hatte unermüdlich in einem Skizzenblock Menschen, Tiere, Landschaften skizziert und eine große Anzahl von Ölgemälden, vor allem aber großformatige Tuschezeichnungen hinterlassen. Diese gingen aber im Zweiten Weltkrieg ausnahmslos verloren, während ein Skizzenbuch mit großteils italienische Landschaften wiedergebenden Tuschezeichnungen, die offenbar schon zu Beginn seiner militärischen Laufbahn entstanden sind, erhalten geblieben ist.
Überschauend ist herauszustellen, dass die Einheirat von Dagobert und seines Sohnes Coloman in das ungarische Soldaten-Adelsgeschlecht der ERÖS DE BETHLENVALVA mit den dem Militär verschriebenen Wimpffen-Mollberg bestens zusammenging und diese in ungarische Lebensart hineingewachsen sind, ein Umstand, der sich auch in der Wandlung der deutschen Vornamen ins Ungarische zeigt. Darüber hinaus haben diese Verbindungen dem keineswegs mit Gütern gesegneten Linie den Aufstieg in gehobene Vermögensverhältnisse dergestalt beschert, dass sie in Ergänzung ihrer erreichten hohen militärischen Rangstellung Güterbesitzer zu werden begannen. Dieses Prozess setzt sich bei den nun zu schildernden drei Folgegenerationen potenziert fort:
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– G e n e r a t i o n 14 d –
Einziger Sohn von Kalman (Coloman) und fortführendes Glied der Wimpffen-Mollberg
JOHANN = IVAN I. VON WIMPFFEN,
geb. lt. Dr. Hans H. von Wimpffen am 16. April 1847 in Cremona/Italien – gest. am 24. Mai 1895 in Papa/Nofrdwestunungarn:
Der Geburtsort Cremona ergibt sich daraus, dass sein Vater COLOMAN (KALMAN) damals als k. u. k. Hauptmann im österreichischen Infanterieregiment Nr. 44 in der Lombardei stationiert gewesen ist. Einer der Paten der Taufe nach katholischem Gebrauch des IVAN MARIA JOHANN NEPOMUK DAGOBERT DIONISIOS genannten Sohnes des Hauptmanns COLOMAN und der MARIA BARONIN VON WIMPFFEN, GEB. ERÖS, war u. a. der k. u. k. Oberst GUSTAV GRAF VON WIMPFFEN, der spätere Gatte der FREIIN PAULINE VON WIMPFFEN. Seine frühe Jugend verbrachte Ivan in italienischen Garnisonen des genannten Regiments, so dass er neben der deutschen und ungarischen Sprache der Eltern auch die Italienische Sprache lernte. Mit sechs Jahren ist er in Palmanova (Venetien), doch ab 1857, d. h. dem zehnten Lebensjahr, in der Hauptstadt der Steiermark Graz zu finden, wo er die k. u. k. Musterhauptschule und danach 6 Klassen der Realschule besucht und dann, der Familientradition folgend, die Militärausbildung aufnimmt. 1871 tritt er in ein ungarisches Kavallerieregiment ein und wird dort zum Leutnant und 1874 nach Wechsel zum Husarenregiment Nr. 3 zum Oberleutnant befördert. Laut der II. Stammtafel von Wurzbach heiratet er zunächst HERMINE GRÜNWALD, die aber schon am 12. August 1873 stirbt. 1880, 33 Jahre alt, verheiratet er sich trotz der Verweigerung der Zustimmung der vorgesetzten Militärbehörden und gegen die Bedenken des Regimentskaplans in Wien wieder, und zwar mit ALOISIA FRANZISKA MARIA TODESCO, geboren am 22. Mai 1850. Diese kennt er seit Mitte der 60er Jahre; denn deren Schwester FRANZISKA (1846 – 1921) heiratete 1864 einen nahen Verwandtern der Familie von Wimpffen, nämlich ALEXANDER BARON ERÖS VON BETHLENFALVA, den Neffen seiner Großmutter ANTONIA (GEB. ERÖS VON BETHLENVALVA) und Vetter seiner Mutter MARIA (GEB. ERÖS VON BETHLENVALVA).
ALOISIA war das vierte Kind und zunächst uneheliche Tochter der 1818 in Wien als Tochter des Gold- und Silberschmiedes JOSEF CHALUPETZKY und der HENRIETTE TREFFZ geborenen HENRIETTE CAROLINA CHALLUPETZKY, die nach ihrer Heirat mit GUSTAV DREYHAUSEN VON EHRENREICH (1839 – 1884) den Namen JETTY DREYHAUSEN VON EHRENREICH geführt und zunächst drei Kinder gehabt hatte, aber geschieden worden war und in jungen Jahren unter dem Namen JETTY TREFFZ eine wegen ihrer Schönheit des Aussehens wie ihrer Stimme europaweit bekannte und gefeierte Soubrette gewesen war. Nach ihrer Rückkehr in ihre Geburtsstadt Wien hatte diese in einer eheähnlichen Partnerschaft mit dem märchenhaft vermögenden österreichischen Textilunternehmer, Großhandelsmann, Privatbankier erster Klasse und Kunstmäzen MORITZ (seit 1861 RITTER VON) TODESCO (1816 – 1873) gelebt. Dieser entstammte der aus der Walachei eingewanderten jüdischen Familie der Todescu und war einer der neureichen und von der alten Gesellschaft zur Zweiten Gesellschaft gerechneten sog. Ringbarone, die ihre trotz unendlichen Reichtums eingeschränkte gesellschaftliche Stellung und ihr Ansehen durch Heiratsverbindungen mit altadligen Familien insbesondere des Schwertadels zu verbessern suchten. Und die vielfach in beschränkten Einkommens- und Vermögensverhältnissen befindlichen oder gar in Schulden steckenden Mitglieder des Schwertadels betrachteten ihrerseits die Einheirat in die Kreise der Ringbarone als willkommenes Mittel, zu Geld und Gütern zu gelangen. Mit diesem zusammenwohnend, war Jetty dessen Hausfrau und Mutter seiner Kinder geworden. Die liberal denkende hohe Wiener Gesellschaft sanktionierte diese stadtbekannte Liaison und tat, als betrachte sie Jetty als legitime Gattin des Barons Todesco. Jetty und Moritz Todesco unterhielten einen bekannten Künstlersalon. Von diesem hatte sie einige Kinder, die aber nicht alle von diesem anerkannt wurden, weil der Erzeuger der ersten Kinder ein italienischer Architekt gewesen war. Zwar hatte Todesco 1863 Aloisia als eigenen Tochter anerkannt und adoptiert, aber ihre Mutter Jetty hatte schon kurz zuvor diesen verlassen und 1862 im Alter von 44 Jahren den „Walzerkönig“ JOHANN STRAUß SOHN (1825 – 1899) geheiratet. Diese sollen dadurch zusammengekommen sein, dass Strauß sich einmal unter den Gästen des Barons im Palais befunden, dort am Flügel zusammen mit dem weltberühmten Geiger HENRY VIEUXTEMPS aufgespielt und dabei der Funke der gegenseitigen Liebe gezündet hatte. Jetty soll darüber offen mit Todesco gesprochen haben, der sie freigab, die Kinder sogar in seinem Haus beließ und die langjährige Geliebte durch ein ansehnliches Geschenk zur reichen Frau machte. Diese ist durch die Heirat ihrer Tochter Aloisia Schwiegermutter des Ivan von Wimpffen geworden, der den Widerständen seiner vorgesetzten Militärbehörde und der katholischen Kirche trotzt und kurzerhand aus der letztgenannten austritt, unitarisch-evangelisch wird und dies bis zu seinem Lebensende auch bleibt. Jetty Strauß erliegt 1878 im 60. Lebensjahr einem Schlaganfall, den sie, wie es heißt, wegen Aufregung durch den Empfang eines erpresserischen Briefes eines Sohnes erlitten haben soll. Aus der Zeit ihrer künstlerischen Laufbahn soll sie zumindest noch einen unehelichen Sohn gehabt haben. Sie ruht im Wiener Friedhof Hietzing, Maxingstraße 15, Gruppe XIII, Nr. 73. An einem unmittelbar nach ihrem Tod von einigen ihrer sechs in der amtlichen Dokumentation angeführten Kinder begonnenen hässlichen Erbstreit soll sich die Tochter Aloisia nicht beteiligt haben.
Diese lebte weitab von Wien als Offiziersgattin in gottverlassenen ungarischen Garnisonstädten und brachte 1880 im Südwesten gelegenen Ógyalla (heute: Hurbanovo/Slowakei) ihren ersten Sohn IVAN (II.) und 1882 den zweiten solchen namens PHILIPP zur Welt. Im vorgenannten Jahr wurde deren Vater zum Hauptmann und später zum Major befördert ; und 1890 finden wir ihn als Oberstleutnant in der nordwestungarischen Barock-, Kirchen- und Schlossstadt Papa am Fuße des Bakonywaldes zur Kleinen Ungarischen Tiefebene hin. Wie Dr. Hans H. von Wimpffen vermutet, hat Ivan I. sich nach dorthin zum 7. Husarenregiment versetzen lassen, weil er annahm, eines Tages das luxuriös ausgestattete Gestüt von Nagyvazsony-Nagycsepelypuszta nebst Schloss übernehmen zu können. Dieses hatte EDUARD VON TODESCO, der neben seinem 1873 verstorbenem Bruder MORITZ VON TODESCO die Geschäfte innehatte, 1774 gegründet und zusammen mit dem von den GRAFEN ZYCHY erworbenen Schloss zu einem weithin bekannten Gesamtanwesen ausgebaut. Jährlich finden jetzt dort große Pferderennen statt. „Das eintönige Garnisonsleben“, so Dr. Hans H. von Wimpffen, „ist durch Ausbildung, Pferdedressur, Reiterspiele sowie kleine und große Manöver in der Umgebung von Papa gekennzeichnet. Hin und wieder kommen höhere Militärs in die Stadt, um die Truppe zu inspizieren. Anschließend finden im Hotel Griff Empfänge, im Schloss des Grafen Esterhazy in Papa glanzvolle Bälle statt. Dieses soldatische, doch letztlich eintönige Leben – es ist die längste Friedensepoche der k. u. k. Monarchie – wird 1890 durch ein verhängnisvolles Ereignis gestört: Beim morgendlichen Ausritt treffen Wimpffen und seine Ordonanz auf der Landstraße nach Savar, auf eine entgegenkommende Kutsche, in der Graf Esterhazy – der größte Grundbesitzer der Gegend – und der Fürst Festetics Richtung Papa fahren. Die beiden erwidern nicht den militärischen Gruß von Wimpffen, möglicherweise unbeabsichtigt. Dieser wendet sein Pferd und stellt die beiden zur Rede. Im späteren Bericht des Fürsten Festetics an Wien wird es heißen, der Oberstleutnant v. Wimpffen habe diese beiden Herren ‚auf skandalöse Weise insultiert’. – Die ‚Affäre’ leitet den gesellschaftlichen Boykott von Ivan von Wimpffen, dem Neffen eines ruhmreichen Feldmarschalls und namhafter Generale, ein. Die Heirat der Schwester seiner Frau (gemeint: FRANZISKA VON TODESCO, 1846 – 1921, verheiratet in erster Ehe mit ALEXANDER BARON ERÖS VON BETHLENVALVA, 1811 – 1906, in zweiter Ehe mit PHILIPP VON LIECHTENSTEIN, 1837 – 1901) ändert auch nichts an dieser Situation. Zwar erhält er noch die Einladungen des Kaisers zu den Sitzungen des ungarischen Oberhauses, der zweiten Kammer des ungarischen Parlaments, dessen erbliches Mitglied er ist, doch er nimmt an den Sitzungen nicht teil. Seine ganze Energie widmet er von nun an dem Militärdienst in seinem 7. ungarischen Husarenregiment in Papa. Vorbei die großen aristokratischen Jagdgesellschaften, die glanzvollen Bälle, Einladungen; er ist zwar ein beliebter Offizier seines Regiments, doch die gesellschaftlichen Nachwirkungen der Mesalliance zehren an der Gesundheit des großen, stattlichen Mannes.- Am 24. Mai 1895 stirbt der Oberstleutnant Ivan von Wimpffen völlig unerwartet an Herzinfarkt mit 48 Jahren. Er wird in Papa, im Also-Temetö-Friedhof mit militärischen Ehren beigesetzt. Sein Grab wurde in der Zeit des Kommunismus (1948 – 1990) eingeebnet. … Seine Frau (deren Todesdatum ist nicht bekannt) wurde am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Auch ihr Grab ist nicht mehr. “
Diese Zitierung, mit der die Schilderung des Lebens von Ivan I. von Wimpffen abgeschlossen wird, stammt aus der Homepage seines Urenkels Dr. Hans H. von Wimpffen, die anregen soll, dort in den fünf Seiten Kleinstschrift des Titels „Ivan I.“ nachzulesen und so einen sehr viel genaueren und zudem mit Verve und hervorragender Sachkenntnis auf der Basis intensiver Recherchen in der vorhandenen Literatur und vor allem auch vor Ort betriebener Forschungen zu gewinnen. Angeschlossen werden sollen hier noch die vier dessen Text beigegebenen Bilddokumentationen:
Abb. 85: Oberstleutnant im 7. Husarenregiment Baron Ivan I. von Wimpffen (1847 – 1895), Gemälde von Clara von Both (1907 – 2000);
Abb. 86: Ivan I. von Wimpffen (1847 – 1895) im Vorjahr seines Todesjahres, Photographie aus dem Jahr 1894;
Abb. 87: Die Sängerin Jetty Treffz (1818 – 1878), verehelichte und geschiedene Dreyhausen von Ehrenreich, zeitweilige Lebensgefährtin des Moritz Ritter von Todesco (1816 – 1873), spätere Gemahlin des „Walzerkönigs“ Johann Strauß Sohn (1825 – 1899) und Schwiegermutter von Ivan I. von Wimpffen;
Abb. 88: Das heute als Hotel mit Reitschule dienende, einst zum Gestüt der Ritter von Todesco gehörende, vorherige Schloss der Grafen Zichy Nagyvazsony, Komitat Vészprem in Nordwestungarn, 2009 nach der Restaurierung erstellte Fotografie.
Wie nachfolgend gezeigt, schlugen beide Söhne des Ivan und der Aloisia von Wimpffen wie die Vorfahren über 4 Generationen (seit dem Ururgroßvater und Zweiggründer GEORG VON WIMPFFEN) die militärische Laufbahn ein, indem sie in Husaren-Regimenter eintraten. Und sie kämpften als Offiziere im Ersten Weltkrieg in der österreich-ungarischen Armee mit für sie schlimmen bis schlimmsten Folgen.
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– G e n e r a t i o n 15 d –
Jüngerer der beiden Söhne des Ivan I. von Wimpffen
PHILIPP VON WIMPFFEN,
geb. am 9. November 1882 in Ógyalla/Ungarn, heute Hurbanovo in der Slowakei – gest. am 16. Mai 1915 an den Folgen seiner Verwundung im Ersten Weltkrieg bei Krzcin/Polen:
Wie sein älterer Bruder Ivan trat er nach 6 Klassen Gymnasium in die Kavallerie-Kadettenschule in Mährisch-Weißkirchen ein, wo er das Abitur bestand. Dann trat er in das Husaren-Regiment Nr. 3 Graf Hadik über, wurde aber bald als Ausbilder für Kavallerieoffiziere nach Wien versetzt. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte er zu seinem Regiment zurück und wurde mit diesem nach Artasow, nahe Lemberg, versetzt. Was er dann als Kavallerist bei den Reiterangriffen gegen die russischen Stellungen Schreckliches erlebte und welche Änderungen vor allem bezüglich der bislang bunten Uniformen traf, lässt sich in der Homepage des Dr. Hans H. von Wimpffen nachlesen, dazuhin das Drama, wie er, der Rittmeister und Führer der 3. Eskadron, bei Krzcin an der Weichsel durch einen Lungenschuss und einen Säbelhieb durch die angreifenden russischen Truppen schwer verwundet, gefangen genommen, wieder befreit und dann todeswund im Zug Richtung Wien gebracht wird, unterwegs aber stirbt. Sein nach Wien überführter Leichnam bekommt im Wiener Zentralfriedhof ein Ehrengrab, wo neben ihm zwei Jahre später sein am 14. Mai 1817 in Wien verstorbener „Vetter“ RITTMEISTER MAXIMILIAN VON WIMPFFEN, Angehöriger der Württembergischen Nebenlinie, begraben wird. Von Philipp und seinem älteren Bruder Ivan hat sich aus glücklichen Vorkriegszeiten die nachstehend gezeigte Fotografie erhalten:
Abb. 89: Ivan und Philipp von Wimpffen auf dem Bock einer abfahrbereiten Kutsche in Neusiedl am See am 8. August 1907.
Philipp von Wimpffen war mit VILMA VON THOMKA verheiratet und seine Ehe blieb kinderlos. Diese starb 1979 mit 91 Jahren im kleinen ungarischen Dorf Nyirtass nach einem durch die Vertreibung des Jahres 1945 aus ihrem Wohnplatz Kassa (in der heutigen Sklowakei) veränderten zwar bescheidenen, doch von Gesundheit begleiteten Leben und wurde auf dem dortigen Friedhof beerdigt.
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Älterer der beiden Söhne des Ivan I.
IVAN II. VON WIMPFFEN,
geb. am 12. Januar 1880 in – wie sein Bruder – Ógyalla/Ungarn, heute Hurbanovo in der Slowakei – gest. am
20. September 1944 in Kölesd/Ungarn (Transdanubien, Komitat Tolna):
Dessen Schullaufbahn und Ausbildungsgang zum Offizier deckt sich mit der- bzw. demjenigen des jüngeren Bruders. Nach der Reifeprüfung in das Husarenregiment Nr. 5 Graf Radetzky eingetreten, das den Namen des engen Freundes seines Urgroßonkels Marschall Maximilian von Wimpffen trägt und als eines der vornehmsten Regimenter der k. u. k. Armee gílt, wird er 1900 zum Leutnant befördert. Bei einem Regimentsball in Pressburg soll der fesche schwarzhaarig- braunäugige stattliche Husarenoffizier zu vorgerückter Stunde nach einem feurigen Tanz dem Fräulein ILONA SCHERZ DE VASZOJA (1877 – 1940) die Ehe versprochen haben. Diese wird am 10. Juni 1902 in Pressburg mit „Allerhöchster Gnade“ gegen die Zusicherung von 3000 Kronen jährlichen Nebeneinkommens seitens der Mutter des Bräutigams geschlossen. Die Braut entstammt einer deutschstämmigen Pressburger Patrizierfamilie, die ein kleines Gut in Vaszoja (heute in der Slowakei) besitzt. In Pressburg in der Bel-Matyas-Straße im Hause von Ilonas Familie bezieht das junge Paar eine Wohnung und 1903 kommt dort der Sohn IVAN (III.) zur Welt; eine Tochter namens MARIA verlieren sie schon im Kleinkindalter. 1906 wird er zum Oberleutnant befördert. In den folgenden Jahren ist er mit seiner Eskadron in wechselnden Standorten wie u. a., Neusiedl am See oder Pressburg stationiert. 1908 erfolgt die Verlegung seines Husarenregiments Nr. 5 nach Galizien mit Standort Lancut, wohin die Familie bald nachzieht. 1910 ist er als Kommandant eines Pionierzugs nach Komarom an der Donau (Nordungarn) zur Durchführung von Schwimmübungen eingesetzt. Dort wird ihm, Oberleutnant Ivan Freiherr von Wimpffen-Mollberg, wie es heißt, vom Regimentskommando eine besondere Anerkennung für seine Fachkenntnis, seinen unermüdlichen Diensteifer und seine mustergültige Arbeitswilligkeit ausgesprochen. Am 1. Mai 1914 wird er zum Rittmeister mit gleichzeitiger Übernahme des Kommandos des Pionierzuges des Regiments in Komarom ernannt. Die damaligen Regimentsakten bezeichnen ihn als einen Menschen mit eisernem Charakter, ebensolcher Willensstärke mit hervorragenden Geistesgaben, umsichtig und energisch, tapfer und unerschrocken, für jeden selbständigen Posten hervorragend geeignet, von allerbester Einwirkung auf Untergebene und den Geist der Truppe und einen in jeder Lage hervorragend verwendbareren Offizier. Kurz danach erfolgt der Übertritt in das ungarisch-siebenbürgische 11. Elite-Szekler-Husarenregiment, in dem sein Ururgroßvater Feldmarschall-Leutnant Franz Georg vor knapp 1 1/2 Jahrzehnten seine Laufbahn begonnen hat. Dort übernimmt er das Kommando über die 6. Eskadron.
Mit dieser zieht er in den beginnenden Ersten Weltkrieg. Im Verband der 6. Kavalleriedivision stößt sein Regiment in Galizien voran und nimmt an den dortigen großen Gefechten Anteil. Wie der 18. Juni 1915 dann zum Schicksalstag des Rittmeisters Ivan II. von Wimpffen und dieser von Kugeln in Lunge und Leber und am rechten Oberschenkel getroffen wird, in russische Gefangenschaft gerät, dort beinamputiert, schließlich auf Betreiben der dänischen Wimpffen-Verwandten beim Roten Kreuz aus dem Gefangenenlager in St. Petersburg entlassen, nach Österreich überstellt wird und er, mit 35 Jahren zum Krüppel geschossen, schließlich in Wien seine dorthin schon bereits 1914 vom galizischen Lancut hingezogene Familie wiederfindet, lässt sich im Einzelnen der Homepage von Dr. Hans H. von Wimpffen entnehmen, dazuhin auch die ihm während und nach dem Kriegseinsatz verliehenen vier Ordensauszeichnungen. Zwar kann er Anfang April 1916 zusammen mit seiner Familie zum Standort des 11. Husarenregiments in Szombathely (Steinamanger) in Westungarn unweit der österreichischen Grenze zur Steiermark hin zurückkehren und beim Regimentskommando eine Stelle als Adjudant des Kommandeurs einer Ersatz-Eskadron übernehmen; auch wird er bald zum Major und noch vor Kriegsende zum Oberstleutnant befördert.
Doch muss er Im ungarischen Szombathely den aus der militärischen Niederlage gewachsenen Waffenstillstand mit den Alliierten vom November 1918 und den daraus wachsenden Zusammenbruch der Habsburgermonarchie mit dem Regierungsverzicht von Kaiser Karl I., der Auflösung der kaiserlich-königlichen Armee und Proklamierung der Republik erleben. Der Umstand, dass die im Zuge der Niederlage erfolgenden vielen politischen Umgestaltungen die Tschechoslowakei neugegründet wird, bringt es mit sich, dass das Gut der Famiie Scherz de Vaszowa von den neuen Machthabern enteignet wird. Und die für Ungarn optierende Familie verkauft das Haus in der Mel-Matyas-Straße im nun der Tschechoslowakei zugeschlagenen Pressburg (Slowakisch Bratislawa) und wählt Ungarn zu ihrer neuen Heimat. Am 1. März 1820 wird Konteradmiral Horthy zum Reichsverweser Ungarns erklärt und der in unerschütterlicher Treue zum Hause Habsburg stehende Iwan von Wimpffen gibt sich 1921 als der Führer jener Kavallerieoffiziere, die sich in der Kaserne zu Szombathely versammeln und erklären, die Versuche des ehemaligen Kaisers Karl I., in Ungarn als König an die Macht zu gelangen, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu unterstützen. Doch wird dieser „Königsputsch“ von nationalistischen Offizieren und bewaffneten Studenten, gestoppt und der „Feuergeist“ Ivan von Wimpffen wird auf Geheiß des neuen Machthabers zum Putschisten und Hochverräter erklärt. Zu den peinlichen Widersprüchen der Familiengeschichte gehört, dass den Reihen des sog. Studentenbataillons auch sein damals achtzehnjähriger Sohn Iwan Philipp angehört hat. Nicht nur, dass er, der Kriegsinvalide, Misshandlungen erdulden muss; er erhält Hausarrest, darf Szombathely nicht verlassen und schließlich wird ihm sogar seine Offizierspension gestrichen. Mit Frau und Kind muss er in eine ärmliche Wohnung und später in ein gänzlich heruntergekommenes Anwesen ziehen. Der Polizeipräsident teilt ihm mit, wenn es ihm in Ungarn nicht passe, könne er nach Österreich verschwinden und in Wien – damals Schicksal vieler ehemaliger Militärs sowie Invaliden – betteln gehen. Allein die materielle Unterstützung des Bischofs von Szombathely Graf Janos Mikes ermöglicht ihm ein bescheidenes Auskommen. 1925 teilt ihm das Kriegsministerium mit, dass ihm eine Pension von 235 Kronen bewilligt werde, wozu noch 48 Kronen Wohngeld kommen. Die Folgejahre verbringt er in Szombaythely im Kreise seiner ehemaligen Regimentskameraden. Nach dem Tod seiner Frau Ilona im Jahr 1940, die in Szombathely ihre letzte Ruhestätte findet, siedelt er nach Klösed in Südungarn auf das Gut seines ehemaligen Regimentskameraden Baron Andor Jeszensky um. Dort lebt er völlig zurückgezogen bis zu seinem Tod im zweitletzten Jahr des Zweiten Weltkrieges 1944. Er wird auf dem Friedhof in Kölesd beerdigt. Man darf annehmen, dass seine Einsamkeit und sein körperliches und seelisches Leiden müssen als Beinamputierter und als zum Staatsalmosenempfänger herabgewürdigte einstig hochgestellte Offizier- und Adelspersönlichkeit durch den beachtlichen Aufstieg seines einzigen Sohnes IWAN III. in seiner vielseitigen Tätigkeit als Journalist, Radiokommentator und zuletzt Diplomat immer wieder Momente der Freude und Genugtuung und damit des Vergessens geschenkt hat.
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– G e n e r a t i o n 16 d –
Einziger Sohn von Ivan II. von Wimpffen
IVAN III. PHILIPP VON WIMPFFEN,
geb. am 15. Juli 1903 in Pressburg (Ungarisch Poszony), heute Bratislava/Slowakei – gest. am 30. Mai 1990 in Wien; Heirat 1929 mit
CLARA BOTH DE BOTFALVA UND BAJNA,
geb. am 12. Dezember 1907 in Iklad-Domony/Ungarn – gest. am 27. Mai 2000 in Bakonyság/Ungarn:
Dieser soll sich nach dem Willen des Vaters und der nunmehr über sechs Generationen reichenden Familientradition der militärischen Laufbahn widmen und in noch jungen Jahren in eine Kadettenanstalt eintreten. Nach der Verlegung des Standortes des Husarenregimentes Nr. 5 seines Vaters und Nachzug der Familie von Pressburg nach Lancut in Galizien im Jahre 1908 wird jedoch das Ziel der militärischen Ausbildung aufgegeben. Er besucht dort die galizische Volksschule. Als sein Vater 1914 mit seinem neugewählten 11. Husarenregiment in den Krieg zieht, beschließt die Mutter, den Wohnsitz nach Wien zu verlegen, um dort das erwartete baldige Ende des Krieges abzuwarten. Nach der Fahrt mit dem Zug bis nach Pressburg geht es mit einem Fiaker weiter. Auf halbem Weg fängt der Landauer Feuer und vernichtet das gesamte mitgeführte Gepäck. Ohne Hab und Gut kommen sie in Wien an und beziehen im Hotel Lamm ein Zimmer und mit Hilfe von Verwandten bald eine Wohnung. Nachdem der Vater 1916 als beinamputierter Kriegsinvalide nach Wien heimkehrt und dann sich mit Familie am Standort seines Husarenregiments Nr. 11 in Köszeg (deutsch: Günz), gelegen im Nordwesten Ungarns an der Grenze zur Steiermark hin, niedergelassen hat, besucht Ivan dort die k. u. k. Realschule, wo er das Abitur ablegt.
Danach lässt er sich an der juristischen Fakultät der Universiät Budapest immatrikulieren. 1925 setzt er sein Studium in Paris an der Sorbonne fort und erhält 1929 das Diplom der École des Siences Politiques der Universiät Paris. Während seines dortigen Studiums lernt er seine spätere Frau, CLARA BOTH VON BOTFALVA UND BAJNA, geboren am 12. Dezember 1907 in Iklad-Domony/Ungarn, kennen, die an der Kunstakademie Paris Malerei studiert. Diese schließen 1929 in Budapest die Ehe. Damit verbinden sich die Wimpffen-Mollberg mit einer aus ältestem ungarischen Adel stammenden Familie, deren nachstehend gezeigtes Wappen das Ergebnis einer im 15. Jahrhundert erfolgten Wappenvermehrung darstellt:
Abb. 90: Das Wappen der Familie der Clara Both de Botfalva (1907 – 2000), der Gattin von Ivan III. von Wimpffen-Mollberg, übernommen aus der Urkunde einer Wappenvermehrung durch den König Mathias Corvinus von 1460.
Folgend der Homepage des Dr. Hans H. von Wimpffen, Rubrik „Clara von Wimpffen“, soll kurz zusammenfassend deren Herkunft aufgezeigt werden: Im 9. Jahrhundert soll deren Urgeschlecht der OSLI DE GENERE CSORNA an der ungarischen Landnahme beteiligt gewesen sein. Dieses war einer der 108 Stämme des magyarischen Heeres, das nach der Eroberung des Karpathenbeckens die Aufgabe erhielt, an der Westgrenze des künftigen Reiches die Gegend des heutigen südwestlich vom Neusiedler See gelegenen Sopron (deutsch Ödenburg) zu besiedeln, die dieses im 13. Jahrhundert zugewiesen bekam. Übrigens ist Sopron = Ödenburg zufällig jene Stadt, zwischen der und Bad Wimpfen nach dem Zweiten Weltkrieg sich nach der Vertreibung des dortigen Anteils der deutschstämmigen Bevölkerung eine Städtepartnerschaft entwickelte und dazuhin im ehemaligen Heiliggeistspital Wimpfen das dieser und ihrer Umgebung gewidmete „Ödenburger Heimatmuseum“ entstanden ist! Im Verlauf der kommenden Jahrhunderte erwarben die Nachkommen des vorgenannten Geschlechts zahlreiche Herrschaften und Burgen und sie gehörten im Mittelalter zu den angesehensten Baronen der ungarischen Könige. Drei von ihnen bekleideten im Königreich Ungarn die höchsten Ämter. Im obigen schräg gestellten mit Helm, Helmdecke und Helmkleinod üppig besetzten Wappenschild findet sich ein in Schwarz gehaltener Geharnischter mit gespannter Armbrust, der von der Schwärzung her als ein Mitglied der sog. Schwarzen Armee des sagenumsponnenen Königs und Türkenbezwíngers Matthias Corvinus des 15. Jahrhunderts gilt und mit darauf abgehoben ist, dass JANOS BOTH DER ÄLTERE VON BOTFALVA, Vizekönig (Banus) von Kroatien, 1493 bei Brinia im Kampf gegen die Türken gefallen sowie ANDREAS BOTH VON BOTFALVA UND BAJNA, Vizekönig von Kroatien, Dalmatien und Slavonien, als Mitglied dieser „Schwarzen Armee“ an vielen Kämpfen dieses Söldnerheeres beteiligt gewesen ist. JANOS BOTH verteidigte 1521 vergeblich die Burg Nandrofehewar (Belgrad) und GASPAR BOTH 1566 mit Erfolg seine Stammburg Botszent-György gegen die Türken. In den folgenden Jahrhunderten widmeten sich die Mitglieder dieser Familie dem Rechtsberuf und dem Kriegshandwerk. Der Urgroßvater der Clara von Both, GYULA BOTH, war oberster Richter der oberungarischen Stadt Eperjes, ihr Großvater MENYHERT I. BOTH königlicher Ankläger des berühmt-berüchtigten Prozesses von 1882/83 gegen 15 jüdische Angeklagte aus dem Dorf Tisza-Eszlar wegen angeblichen Ritualmordes, der diesen wenige Tage vor dessen Beginn in den Freitod aus Gewissensgründen (weil er dem Antisemitismus keinen Vorschub leisten wollte) trieb, schließlich mit dem Freispruch der Angeklagten endete und in unserem Jahrhundert u. a. Stoff für ein Drama von Arnold Zweig (1913 „Ritualmord in Ungarn“) und für den Film (z. B. 1947 von G. W. Pabst „Der Prozeß“) abgegeben hat. Dessen Sohn MENYHERT II. BOTH, der Vater von Clara Both, brach sein Jurastudium ab, wurde Kunstmaler mit dem Schwerpunkt Portrait- und Genremalerei, eröffnete 1887 in Budapest eine Schule für Kunstmalerei und betätigte sich auch als Kunstkritiker. Er starb 1919 in Budapest an den Folgen der spanischen Grippe und erhielt von der Stadt Budapest ein Ehrengrab; seine Gattin und Mutter der Clara Both ERZSEBETH BOTH GEB. BAGHY DE SZECSENY folgte ihm 83-jährig im Jahr 1958.
CLARA BOTH war Elevin der Klosterschule „Sacre Coeur“ in Budapest gewesen. In den Ferien hatte sie mit den Eltern ausgedehnte Reisen nach Italien und Frankreich unternommen und 1911 – 1913 mit der Familie in München gelebt, wo der Vater einen Lehrauftrag an der Akademie ausübte. Nach Krieg und Revolution war sie nach Paris zum – wie schon gesagt – Studium der Malerei gegangen.
Im Jahr der Eheschließung 1928 nach Budapest heimgekehrt, begann Iwan Philipp von Wimpffen unter der Protektion von MIKLOS KOZMA, einem ehemaligen Regimentskameraden seines Vaters, sich als Journalist zu betätigen und fand mit Unterstützung seines Onkels (Bruders der Mutter) EDUARDV SCHERZ VON VASZOJA nach wenigen Jahren journalistischer Tätigkeit Zugang zum im Aufbau begriffenen Ungarischen Rundfunk (Magyar Radio). Seit 1907 bei Telefon Hirmondo Chefsprecher und somit auch erster solcher des staatlichen ungarischen Rundfunks, war dort Eduard Scherz als „Ede bacsi“ (Onkel Ede) zur Legende geworden. So lag auf der Hand, dass er für seinen Neffen zum einflussreichen Protektor und Iwan Philipp von Wimpffen, als Anfang der 1930er Jahre die Direktübertragungen eingeführt wurden, zu den ersten live-Reportern gehörte. Zum Leiter der Auslandsabteilung des Ungarischen Rundfunks ernannt, bereiste er viele Länder. Doch verlagerte sich der Schwerpunkt der Tätigkeit immer mehr in die Länder der „Achsenmächte“. Aber wenn englische, amerikanische oder französische Politiker Ungarn besuchten, war Ivan von Wimpffen deren Interviewer; seine Gespräche mit Sir Josiah Stamp, Galeazzo Ciano und Neville Chamberlain haben Schlagzeilen gemacht. Doch hätte ein lapsus linquae 1936 beinahe seiner Karriere ein Ende bereitet. Denn als er anlässlich des in München im Krankenhaus erfolgten Todes des ungarischen Ministerpräsidenten Gyula Gömbös, eines Bewunderers von Adolf Hitler und des „Dritten Reiches“, gerade noch rechtzeitig vom angeflogenen Flugplatz München- Riem aus den Münchener Hauptbahnhof erreicht hat, um den Beginn der angeordneten Staatsfeierlichkeiten zu dessen Tode zu kommentieren, und seine Übertragung mit „Verehrte Hörer, mit aufrichtiger Freude kann ich Ihnen mitteilen, dass es gelungen ist, die Feierlichkeiten anlässlich des Todes des verstorbenen Ministerprädsidenten Gyula Gömbös zu übertragen“ beginnt, geht ein Aufschrei durch die Reihen der Anhänger des Ministerpräsidenten und der nationalistischen Politiker. Denn diese beziehen seine „aufrichtige Freude“ auf den Tod des Ministerpräsidenten. Nur mit Mühe gelingt es ihm, glaubhaft zu machen, dass sich diese Freude auf seine gerade noch gelungene Ankunft auf dem Bahnhof bezog. Er behält seine Stelle als Leiter der Auslandsabteilung des Ungarischen Rundfunks, aus dessen innerer Tätigkeit die nachfolgende Fotografie stammt:
Abb. 91: Iwan Philipp von Wimpffen (1903 – 1990), Leiter der Auslandabteilung des Ungarischen Rundfunks (Radio Magyar), im Tonstudio, Foto aus den 1930er Jahren.
Er avançiert zu den bekanntesten Reportern des Landes. Kaum ein Gast der ungarischen Ministerien, der nicht vor seinem Mikrofon sitzt und die meisten Berichte über den Völkerbund stammen von ihm. 1937 liegt der Schwerpunkt seiner Reportertätigkeit in Berlin, wo er z. B. den ungarischen Reichsverweser Horty nach Kiel zur Flottenparade mitbegleitet und bei der das Schlachtschiff „Prinz Eugen“ vom Stapel läuft. Die und seines Kollegen Übertragung vom Baukran aus kommt auch in die Wochenschau, wobei das Publikum sich über die beiden befragten ungarischen Reporter neben den uniformierten solchen des Reichsrundfunk und den vielen Militärs belustigt.
Was seine Frau Clara Both von Wimpffen anbelangt, so bringt sie nicht nur zwei Söhne auf die Welt, 1931 GEORGE IWAN und 1834 HANS HERMANN, sondern in den beginnenden 1930er Jahren nimmt sie eine Tätigkeit als Portrait-Malerin auf. In dieser Zeit entsteht z. B. ein Portrait jenes Bischofs von Szombathely namens Graf Janos Mikes, der ihrem Schwiegervater Mitte der 1920er Jahre geholfen hatte, die Zeit der Pensionsstreichung zu überstehen. Gleichzeitig eröffnet sie in Budapest ein Atelier für Innenarchitektur und entwirft in Zusammenarbeit mit Künstlern und Handwerkern eigene Einrichtungsgegenstände, so die gesamte Inneneinrichtung der Villa des berühmten ungarischen Schriftstellers Lajos Zilahy. Aus der Zeit des beginnenden Zweiten Weltkriegs stammt die sie nachstehend zeigende künstlerische Fotografie:
Abb. 92: Clara von Wimpffen (1907 – 2000) im Jahr 1940 (Photo: Angelo, Budapest).
Nach dem Freitod ihres Bruders GYÖRGY BOTH 1943 übernimmt sie dessen Güter und zieht nach Kistape-Bikacs im Komitat Tolna im südlichen Zentralungarn, wo sie das nachstehend gezeigte Schlösschen bewohnt:
Abb. 93: Sommerschloss in Györy-major bei Kistape auf einem historischen Gemälde (heute nicht mehr vorhanden).
Wenig zuvor hatte die erfolgreiche Journalistentätigkeit ihres Gatten beim Ungarischen Rundfunk geendet und war er in den diplomatischen Dienst als Presseattachee an der ungarischen Botschaft in Spanien getreten. Hierzu die nachfolgende
Abb. 94: Iwan III. von Wimpffen im Kreise der Botschafter (Vierter von links in der ersten Reihe) in Madrid anlässlich einer Militärparade 1943.
Wie es und warum es dort im Gefolge der unterschiedlichen politischen Strömungen sowie Beschäftigung eines jüdischen Emigranten zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem Militärattachee kommt und nach einer flüchtigen Freundschaft mit der Tochter eines jüdischen Industriellen Iwan von Wimpffen Ende 1943 dort abberufen wird, lässt sich im Einzelnen in der besagten Homepage nachlesen. Er verlässt den dipolmatischen Dienst und zieht sich auf das Landgut seiner Frau in Kistape zurück. Dort erlebt er mit der Familie im November 1944 den Einmarsch der Roten Armee und die Zerstörungen der einmarschierenden russischen Truppen. Zunächst schafft er es, 1946 erneut in den Staatsdienst aufgenommen und durch Kultusminister Gyula Ortulay zum Ministerialrat im ungarischen Kultusministerium berufen zu werden. Als 1948 jedoch die Kommunisten die Macht übernehmen und Ungarn eine Volksrepublik wird, enthebt man ihn seines Postens. Seine Frau wird zur gleichen Zeit gezwungen, in einer Kolchose zu arbeiten. Siehe dazu die aus dieser Zeit von dieser stammende Fotografie, aus deren verhärmtem Blick und hohlen Wangen die Schwere ihrer Situation zu lesen ist und die zutiefst anrührt, wenn man den Vergleich mit der gezeigten solchen von einem knappen Jahrzehnt zuvor trifft:
Abb. 95: Clara von Wimpffen (1907 – 2000) im Jahr 1948 als Arbeiterin in einer Kolchose beim „Aufbau des Sozialismus“ in Bikacs.
Dazuhin wird im selben Jahr die offenbar zerfallene Ehe mit Ivan von Wimpffen geschieden. Nach der gewaltsamen Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes durch sowjetische Truppen des Jahres 1956 versucht sie, sich aus den schlimmen Zwängen und dem deprimierenden Niedergang der sozialen Gegebenheiten durch die Flucht in die USA zu befreien. Sie verlässt am 1. Dezember 1956 Ungarn und ihr Fluchtweg führt bei Nacht und Nebel über Osli, jenen Grenzort, der vor 700 Jahren ihrem Urahn gehört hat. Sie lässt sich mit ihren beiden Söhnen, dem 25-jährigen George Iwan und dem 22-jährigen Hans Hermann, in Chicago nieder. Hier arbeitet sie in der Firma Denoyer and Geppert als Kunstmalerin. Gleichzeitig nimmt sie wieder ihre Arbeit als Portrait- und Landschaftsmalerin auf. An die 300 Werke verlassen in gut 30 Jahren ihr Atelier. Zu den bekanntesten Werken gehören die nachstehend gezeigten drei Gemälde:
Abb. 96: Clara von Both (1907 – 2000), Portrait des amerikanischen Geschäftsmannes, konservativen Politikers, vielmaligen Senators seines Heimatstaates Arizona und Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater (1909 – 1998);
Abb. 97: Clara von Both (1907 – 2000), Portrait des Stefan Kardinal Wyschinski (1901 – 1981);
Abb. 98: Clara von Both (1907 – 2000), Altarbild der Chicagoer St. Stephen Church.
Diesen soll noch ein Foto folgen, das die Künstlerin bei ihrer Arbeit zeigt, dazuhin eine Selbstdarstellung aus der Zeit ihres Lebens in den USA:
Abb. 98: Farbfotografie der Clara von Both bei der Herstellung des Altargemäldes in der St. Stephen Church in Chicago;
Abb. 99: Clara von Both (1907 – 2000), Selbstbildnis, entstanden in den USA zu nicht festgehaltenem Zeitpunkt.
Ihr 1948 von ihr geschiedener und als aristokratischer Klassenfeind aus seiner Staatsstellung beim Kultusministerium entlassener Mann muss sich zunächst als Hilfsarbeiter in einer verstaatlichen Imkerei verdingen und wird dann 1951 als Fremdsprachenkorrespondent bei einer Import-Firma angestellt. Von 1952 bis 1956 arbeitet er in derselben Funktion beim staatlichen Reiseunternehmen IBUSZ. Auch er verlässt nach der Niederschlagung des Volksaufstandes Ungarn – und zwar 1958, also zwei Jahre später als seine geschiedene Frau. Er kehrt nach Österreich zurück und wird wieder österreichischer Staatsbürger. In Wien findet er zunächst Anstellung im staatlichen Österreichischen Reisebüro. Wenig später wird er Direktor des „Palais Pállfy“ (Kulturveranstaltungs- und Ausstellungszentrum) am Josefsplatz. Er verstirbt am 30. Mai 1990 im Wiener Josefskrankenhaus im 87. Lebensjahr und wird auf dem Wiener Friedhof Grinzing beigesetzt.
Clara von Both will in den USA trotz ihres dortigen Reussierens nicht sterben und begraben werden, sondern in ihrem Heimatland Ungarn. In diesem waren zu Beginn der 1990er Jahre die sowjetischen Truppen abgezogen und hatte sich die endgültige Öffnung nach dem Westen und die Entwicklung zur Republik mit der Aufnahme in den Europarat und dem Assoziierungsabkommen vollzogen. Somit kehrte sie – nun schon 87 Jahre alt – 1994 nach fast vier Jahrzehnten dorthin zurück. Ihr damals schon in Bad Wimpffen ansässiger jüngerer Sohn Hans Hermann (Näheresüber diesen innerhalb der nachstehenden Generation 17b) erwarb für sie ein Haus im unweit von der Komitatsstadt Papa auf halbem Wege zwischen Neusiedlersee und Plattensee im Übergangsgebiet vom Bakonywald zur ungarischen Tiefebene hin gelegenen Straßendorf Bakonyság. Die Wahl dieses Ortes, so schreibt der besagte Sohn, war kein Zufall; denn der habe vor der kommunistischen Machtübernahme (mit anschließend erfolgter Enteignung des Großgrundbesitzers) dem Grafen Esterhazy gehört und in jener Gegend hätten einst die Hauptmanöver des 7. Husarenregiments stattgefunden, in dessen Verband IVAN I. VON WIMPFFEN, der Großvater ihres Mannes, Dienst getan hatte. Dass sie bereits Jahre vor der Rückkehr nach Ungarn bei diesem zu Besuch in Bad Wimpffen gewesen ist, darauf dürfte das im Anfangsteil in der Abb. 4 gezeigte Gemälde des Hirtenmädchens mit Schafen in Wimpfen im Tal hinweisen, das die Datierung „1990“ trägt. Im Übrigen dürften aus der Reihe der in der Homepage des Dr. Hans H. von Wimpffen unter der Rubrik „Bilder“ gezeigten 7 + 54 fast ausnahmslos undatierten und unbenannten Gemälden aus ihrer Hand, in denen zwar die Landschaft überwiegt, doch in der Regel in dieser Tiere, insbesondere Pferde und auch Schafe, auch Hunde in kleinen bis größeren Gruppen und auch alle möglichen Gespanne stehen oder sich bewegen und in ihrer Idyllik an vergangene Zeiten des Adels und der Naturnähe erinnern, vorwiegend in der Zeit nach ihrer Rückkehr in ihr ungarisches Heimatland entstanden sind. Daraus seien gezeigt:
Abb. 100: Clara von Both (1907 – 2000): Pferdegruppe am Fluss;
Abb. 101: Clara von Both (1907 – 2000): Mädchen mit ihrer kleinen Schafherde auf dem Weg längs eines Baches gehend;
Abb. 102: Clara von Both (1907 – 2000): Pferdegespann in einem Tälchen zwischen zwei Waldhainen nahe eines Gehöftes.
Hinzu kommt, dass sich bei ihr auch ein großes Faible für die Darstellung von wichtigen nachempfundenen Szenen aus dem militärischen Leben des ruhmvollen Wimpffen-Geschlechtes entwickelt hat, woraus über die bereits in Abb. 1, 58, 80, 82 und 84 hinaus vorgestellten solchen hier noch zwei weitere gezeigt werden sollen:
Abb. 103: Clara von Both (1907 – 2000): Divisionsgeneral Félix de Wimpffen (1744 – 1814), siegreicher Verteidiger von Thionville gegen die Armee der Emigranten;
Abb. 104: Clara von Both (1907 – 2000): Die kaiserlichen Feldmarschälle Reichsfreiherr Maximilian Hermann von Wimpffen (1770 – 1854), Generalstabschef der siegreichen österreichischen Armee bei Aspern (1809), und Josef Wenzel Graf Radetzky (1766 – 1858), Überwinder der Revolution 1848/49 in Italien (rechts im Bild) zu Gast bei Josef Gottfried von Pargfrieder, Schöpfer des österreichischen Nationalmuseum „Heldenberg“ bei Glaubendorf (Nordösterreich); Ausschnitt aus einem Gemälde „Rosenkreuzer“ von Clara von Both.
Clara von Wimpffen, geb. Both von Botfalva und Bajna, starb am 27. Mai 2000 in Bakonyság/Ungarn im 93. Lebensjahr. Ihre Urne wurde am 28. November 2001 im Budapester Kerepesi-temetö im Ehrengrab ihres Vaters Menyhert II. Both von Botfalva beigesetzt. Mit ihr starb das letzte Mitglied dieses Zweiges der Familie. Vor ihrem Haus in Bakonyság wurde das nachstehend gezeigte Gnadenkreuz aufgestellt. Dessen Inschrift lautet: „Isten dicsöségére emmelttette Wimpffen Ivánne Both Klára A.D. MM“ (Zur Ehre Gottes erichtet Ivanna Both Klara anno domini 2000“).
Abb. 105: Das nach dem Tod von Clara von Wimpffen, geborene Both von Botfalva, vor ihrem Haus in Bakonyság aufgestellte Gnadenkreuz.
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– G e n e r a t i o n 17b –
Älterer der beiden Söhne von Ivan III. von Wimpffen
GEORGE IVAN VON WIMPFFEN,
geb. am 13. April 1931 in Budapest:
Hier sei am Besten die von Dr. Hans H. von Wimpffen erstellte kurze Lebensbeschreibung so gut wie wörtlich wiedergegeben, die erkennen lässt, in welches Joch des Abstiegs die kommunistische Machtübernahme in Ungarn des Jahres 1948 auch diesen im Gesamt der Familie gebracht hat: George Iwan von Wimpffen, geboren am 13. April 1931 in Budapest als Sohn des Ivan Freiherrn von Wimpffen (1903 – 1990) und der Klara Both von Botfalva (1907 – 2000).- Nach Absolvierung der Grundschule trat er in das Jesuiten-Gymnasium in Pecs (Fünfkirchen) ein und setzte seine Studien bei den Prämonstratensern in Gödöllö im Komitat Pest fort. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Ungarn wurde der Prämonstratenser-Orden ebenso aufgelöst wie die von diesem Orden unterhaltenen Schulen. George Wimpffen musste das Gymnasium kurz vor dem Abitur verlassen und erlernte in der Folgezeit den Beruf eines Eisendrehers.- 1952 trat er den Militärdienst in der ungarischen Volksarmee an und wurde als „Klassenfeind“ einem Bau-Bataillon in Varpalota zugeteilt. Nach zwei Jahren Militärdienst erhielt er eine Anstellung als Lehrling und nach der Gesellenprüfung als Dreher in der Autobusfabrik „Ikarus“.- Nach Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes 1956 verließ er mit Mutter und jüngerem Bruder seine Heimat und ließ sich mit diesen in Chikago in den USA nieder. Er wurde im Elektronikunternehmen „Zenith“ angestellt und war maßgeblich an der Entwicklung eines Sicherheitssystems für Busfahrer beteiligt.- In den 1970er Jahren verließ er diese Firmas und machte sich mit der Gründung des Unternehmens für Werkzteugmechanik „Savex“ in Wheaton, Illlinois, selbständig.- Er hat einen Sohn namens MAXIMILIAN GEORGE.
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Jüngerer der beiden Söhne von Ivan III. von Wimpffen
HANS HERMANN VON WIMPFFEN,
geb. am 13. November 1834 in Budapest:
Was die Person des DR. HANS HERMANN FREIHERR VON WIMPFFEN betrifft, so sollen die im Eröffnungskapitel A gemachten sporadischen Angaben hier nun vervollkommnet werden. Dass dieser die Stadt Wimpfen zu seinem bleibenden Wohnsitz gewählt und den einstige Fachwerkhauskomplex Ebner erworben hat, geht auf die folgenden Begebenheiten zurück: Hier ist das einzubringen, was dieser selbst dazu berichtet (wichtig: Anlass und Jahreszahlen des Hauskaufs und der Renovierung, danach der Benützung zunächst als zweiten Wohnsitz, schließlich des endgültgigen Zuzugs und Verwendung als endgültigen ersten Wohnsitz; außerdem Name des ausführenden Architekten, Zielsetzungen der Renovation; evtl.. durchgeführte dendrochronologische Untersuchungen und Ergebnisse; Freilegung des Verputzes der Giebelfassade in der Entengasse? Dabei ist abzuklären, ob es tatsächlich so gewesen ist, was ich darüber zu wissen glaube: Nämlich, dass ein leitende Person des Rathauses (Name? Titel?), angeregt durch dessen immer wieder im Internet aufgetauchten Namen und als Leiter der Sendung „Die Sprechstunde“ Bezeichneten, Kontakt zu diesem aufgenommen hat und daraus der Hauskauf usw. gewachsen ist.
Seine Person und sein schulisches und berufliches Werden sowie späteres Tätiggsein umreißt dieser selbst stichwortartig in seinem Lebenslauf, den er der Öffentlichkeit im Rahmen seiner bereits angesprochenen Homepage „wimpffen.hu“ in der Rubrik „biographien“ unter dem Titel „Hans Hermann von Wimpffen“ vorstellt. Dieser sei nahezu wortgetreu wiedergegeben: Hans Friedrich Hermann von WIMPFFEN-Mollberg, geboren am 13. November 1934 in Budapest. Sohn des nachmaligen Diplomaten Ivan III. und der Clara Both von Botfalva.- Nach humanistischem Gymnasium und Militärdienst Ausbildung zum Hauer im Bergwerk Petöfibanya.- Studium an den Universitäten Heidelberg Politische Wissenschaften, Mittlere und Neuere Geschichte, Soziologie und Völkerrecht (Dolf Sternberger, Hans von Eckart, Alfred Weber, Karl Löwith, Carl J. Friedrich, Zbigniev Brezinski, Prof W. Conze, Hans G. Gadamer), Universität Hamburg (Ralf Dahrendorf, Prof. Schelsky, Prof. Fritz Fischer, Prof. Constantopoulos), Universität Paris (Sorbonne) (Prof. M. Duverger, Prof. Castellan, Prof. Charlier); Universität Würzburg (Prof. Friedrich A. Frhr. von der Heydte, Prof. J. Storost, Prof. H. Euler, Prof. U. Noack, Prof. G. Küchenhoff, Prof. Rudolf Morsey). Promotion 1968 „Die Kämpfe der 2. Armee 1942/43 am Don. Ein Beitrag zur Koalitionskriegführung im Zweiten Weltkrieg“.
1961 – 1962: Volontariat beim Norddeutschen Rundfunk, der ‚Stimme Amerikas’ (VoA) und Radio Television Francaises RTF (Paris); Ergänzung des Studium durch Medienwissenschaft am ‚Hans-Bredow-Institut’ der Universität Hamburg (PD Gerhard Maletzke).
1965 – 1999: Redakteur beim Bayerischen Rundfunk/Fernsehen. Entwickelte Sendekonzepte (Formate) für politische Bildung („Macht des Bürgers“, „Dialoge auf Kanal o89…“); Gesundheit (betrifft: Gesundheit, „Die Sprechstunde“, Ratschläge für die Gesundheit, AlfaMed); Tiersendungen (Zeit für Tiere, Tiere suchen ein Zuhause); Sendereihe für Behinderte („Stolpersteine“).
„In Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Dienste“ erhielt Wimpffen am 5. 12. 1983 das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, verliehen durch den Bundespräsidenten Karl Carstens. Laudatio von Kultusminister Professor Hans Maier am 27. Januar 1984: „Sie sind seit 1965 als Redakteur beim Bayerischen Rundfunk tätig und seit 1971 Leiter der Redaktion Gesellschaftswissenschaften und Medizin. Sie gestalteten in dieser Zeit herausragende Sendungen zur politischen Bildung sowie mehrere Sendereihen. Vor allem die ‚Sprechstunde’ ist ein Beispiel für eine informative und attraktive Sendung, die wissenschaftliche oder medizinische Themen allgemeinverständlich darstellt und zur gesundheitspolitischen Aufklärung der Bevölkerung beiträgt. Seit nunmehr 11 Jahren brachte es die „Sprechstunde“, die außer dem WDR übrigens in allen Dritten Programmen läuft, auf rund 500 Sendungen. Ihre Fernsehsendereihe ‚Die ersten 365 Tage im Leben eines Kindes’ wurde zum weltweiten Erfolg; sie wurde in mehr als 100 Ländern im Fernsehen gezeigt. Seit 1977 sind Sie stellvertretender Programmbereichsleiter „Erziehung und Ausbildung“ des Bayerischen Fernsehens/ARD.- Für Ihre hervorragende journalistische Arbeit, insbesondere die Förderung des Gesundheitsbewußtseins durch ansprechende Fernsehsendungen hat Ihnen der Herr Bundespräsident das Verdienstkreuz am Bande verliehen. Ich habe die Ehre, Ihnen diesen Orden aushändigen zu dürfen.“
„Der Bundespräsident der Republik Österreich hat auf Antrag des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung und auf Vorschlag der Bundesregierung mit Entschließung vom 18. Februar 1991 dem stellvertretenden Hauptabteilungsleiter beim Bayerischen Rundfunk, Herrrn Dr. Hans Hermann von Wimpffen das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen.“
Aus der Laudatio von Bürgermeister Singer, Bad Wörishofen: „Bad Wörishofen ist Herr Dr. Hans Friedrich Hermann von Wimpffen als Programmgestalter seit über einem Jahrzehnt verbunden. Durch seine Sendungen ist Bad Wörishofen bekannter, berühmter geworden. Die Sendungen, die er initiiert hat, werden in vielen Sprachen der Welt ausgestrahlt, sie alle tragen zum guten Ruf unseres Heilkurortes bei; auch diese Sendung wird über die Deutsche Welle in der ganzen Welt in Englisch, in Französisch, in Spanisch und in einigen afrikanischen Sprachen zu sehen sein. Für besondere Verdienste bei der Verbreitung der Lehre Sebastian Kneipps im Rahmen einer Vielzahl von Veröffentlichungen in Rundfunk und Fersehen wird Herrn Dr. Hans Hermann von Wimpffen die Verdienstmedaille der Stadt Bad Wörishofen verliehen. Bad Wörishofen, den 8. August 1997.“
Ebenfalls ausgezeichnet wurde Wimpffen für seine Verdienste um den Tierschutz in Deutschland: Aus den Händen von Dr. Andreas Grassmüller erhielt er den „Goldenen Elefanten“. Dr. A. Grasmüller schrieb in einem Schreiben vom 25. 09. 1991: „Für Ihre zahlreichen Sendungen in Sachen Tier- und Umweltschutz verleiht Ihnen die Akademie für Tierschutz den ‚Goldenen Elefanten.“
Wimpffen ist Mitglied des Ordo Sancti Constantini Magni, dessen Komtur er war.
Den Lebenslauf illustrieren die nachfolgend gezeigten sechs Fotos, welche die folgenden Titel (in Klammer Ergänzungen des Verfassers) tragen:
Abb. 106: Soldat 1954 – 1956 (in Ungarn);
Abb. 107: Im Bergwerk Petöfibanya (in Ungarn): Mittagspause, 1. Selbständiges Bergarbeiter-Bataillon Petöfibanya, Pf. 1213. Photo von E. L’Ami;
Abb. 108: Staatsminister Prof. Dr. Hans Maier (bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes);
Abb. 109: Anlässlich eines Besuchs in der VR China. Empfang beim Präsidenten des Volkskongresses (Gesamtaufnahme);
Abb. 110: Teilaufnahme zu Abbildung Nr. 109;
Abb. 111: Dr. Hans von Wimpffen übergibt das Gemälde, das seinen Vorfahr, den Feldmarschall Maximilian von Wimpffen, darstellt, stammend aus der Hand seiner Mutter Clara von Both Wimpffen, an die Vorsitzende des Museumsvereins Aspern-Essling, Margarete Pelikan; Photo von Karl Juris.
Die beiden erstgezeigten Fotos als ungarischer Soldat bzw. noch mehr das zweitgezeigte als, wie aus dem Lebenslauf hervorgeht, in Ausbildung stehender Hauer im ungarischen Bergwerk Petöfibanya stehen in zu denken gebendem Kontrast zu den nachfolgenden vier anderen solchen, die, um hier seinen im Lebenslauf zu findenden vollen Namen zu gebrauchen, DR. HANS FRIEDRICH HERMANN VON WIMPFFEN im Zuge seiner erfolgreichen höchst öffentlichkeitswirksamen beruflichen Tätigkeit als Rundfunk- und Fernsehredakteur in Bayern als Empfänger des Bundesverdienstkreuzes am Bande sowie als vom Präsidenten des Volkskongresses der Volksrepublik China Empfangenen, schließlich als im Ruhestand sich mit Passion der Vermittlung der geschichtlichen Bedeutung seines Adelsgeschlechtes derer von Wimpffen Widmendem darstellen. Dass er nach dem Besuch des Gymnasiums in eine Lehre praktischer und dazuhin geringgeschätzter Berufsart eintrat, liegt auf Linie der Berufswerdung des älteren Bruders GEORGE IWAN und braucht keiner Erklärung mehr. Umso anerkennenswerter und bewunderungswürdiger, was er trotz des durch den Zweiten Weltkrieg erfolgten Fallens in die Mittellosigkeit aus sich gemacht hat und dazuhin Bad Wimpfen durch die Wahl zu seinem Wohnort sowie Kauf und Renovation eines seiner eindrücklichsten Fachwerkhauskomplexe im Hinblick auf dessen Bedeutung als historisch-denkmalträchtige Kleinstadt sowie zudem Ort des Aufbruchs seiner Ahnen in die Welt geschenkt hat.
Y. Welche Schwerpunkte der vorliegenden Untersuchung der Erforschung des Werdens und Wirkens der weit verzweigten Adelsfamilie der FREIHERREN UND GRAFEN VON WIMPFFEN zugrunde gelegt sind und was aus meiner Sicht noch unklar oder offen und somit für die künftige Von-Wimpffen-Forschung noch an vielem lückenschließend zu klären bleibt.
Mit dem Eintritt im vorstehenden Kapitel X in die Generation 17d ist die über 24 Kapitel erfolgte Wanderung durch die Generationen des Her(e)mann-Von Wimpffen-Geschlechts abgeschlossen und haben wir mit DR. HANS H. VON WIMPFFEN gleichzeitig den Ausgangspunkt Wimpfen am Neckar wieder erreicht. Natürlich musste beim Gang durch die Zeiten mit Vorstellung der langen Ahnenreihe sowohl eine Begrenzung auf die wichtigsten Glieder als auch die Setzung von Schwerpunkten mit erstrangigem Blick auf jene Glieder erfolgen, die in engerem Zusammenhang mit der Stadt Wimpfen stehen. So genoss ganz besondere Zuwendung die in Wimpfen, wenngleich noch nicht einmal ein Jahrzehnt dort niedergelassen gewesene, sog. Württembergische Nebenlinie mit WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1879) UND FAMILIE sowie am Ende bevorzugt noch dessen ungeratener Enkel ROBERT VON UNGERN-STERNBERG alias ROMAN UNGERN VON STERNBERG (1886 – 1921). Dass daneben jedoch noch dem Vetter des vorgenannten Wilhelm von Wimpffen, nämlich dem französischen „Sedangeneral“ EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN (1811 – 1884) ein noch sehr viel größerer Raum gewährt worden ist, geht erstrangig darauf zurück, dass diese Arbeit aus der Betrachtung des mit dem Deutsch-französischen Krieg von 1870/71 begonnenen Zeitraumes des zweiten Deutschen Kaiserreiches von 1870 bis 1918 herausgewachsen ist und dazuhin auch das Verwandtschaftsverhältnis der Württembergischen Nebenlinie zum Besieger des „Sedangenerals“ HELMUTH VON MOLTKE Mitantrieb hierfür gab. Ins Auge springt auch die Tatsache, dass dem zwei Jahrhunderte älteren JOHANN FRIEDRICH VON WIMPFFEN (1615 – 1668) breiter Raum und noch mehr Platz dem ein knappes Jahrhundert später gelebten FRANÇOIS LOUIS DE (FRANZ LUDWIG VON) WIMPFFEN (1732 – 1800) eingeräumt worden ist. Dieses erklärt sich daraus, dass der Erstgenannte bislang vertieft nur in der provinziellen Fachliteratur durch L. Sporhan-Krempel behandelt worden ist und im Hinblick auf die dort dargelegten weiterführenden Erkenntnisse dessen intensive Herausstellung nötig erschien. Und was den Zweitgenannten anbelangt, so ist dieser ja der Begründer des Franzens-Zweiges gewesen, dessen zahlreiche Nachkommenschaft sich im 18./19. Jahrhundert über zahlreiche Staaten Europas wie auch die Länder des Heiligen Römischen Reiches bzw. des Deutschen Bundes ausgebreitet hat, wozu auch die Grafen von Wimpffen sowie die mit diesen durch Einheirat doppelt verbundene Württembergische Nebenlinie gehören. Dass dazu hin der Georgs-Zweig eine fast lückenlose Zuwendung fand, versteht sich im Hinblick auf den diesem angehörenden in neuer Zeit sich in Bad Wimpfen niedergelassenen Dr. Hans H. Freiherr von Wimpffen von selbst.
Z. B. Verzichtet auf die genaue Darlegung des in Kapitel O nur ganz knapp umrissenen siebten und damit ältesten Sohnes des Johann Georg namens FÈLIX 1876 – 1814 = Franz. Félix-Zweig) und seiner Nachfahren!